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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Fehlen des Reformwillens

Kurzinhalt: Es fehlte vielen Bischöfen der entschiedene, ernste Wille, eine Reform, die diesen Namen verdiente, vorzunehmen. Sie vermochten weder die Kraft noch die Konsequenz aufzubringen, ...

Textausschnitt: 2. Das Fehlen des Reformwillens

79a Es fehlte vielen Bischöfen der entschiedene, ernste Wille, eine Reform, die diesen Namen verdiente, vorzunehmen. Sie vermochten weder die Kraft noch die Konsequenz aufzubringen, ohne die eine (echte) Reform nicht durchgeführt werden kann. Georg Pfeilschifter stellt für die Jahre 1520 bis 1570 fest, "daß der deutsche Episkopat im genannten Zeitraum kaum je von sich aus in der Reformfrage tätig geworden ist". Der festgestellte Mangel an Willen zur Reform läßt sich nicht durch den Hinweis etwa auf das von Pfeilschifter gesammelte Material entkräften. Denn nicht das Fassen von Entschlüssen zeigte schon die echte Absicht an, die Erneuerung in Angriff zu nehmen, sondern ihre Durchführung, und hierbei wieder die eigene Bekehrung. "Reformieren besteht nicht im Erlassen neuer Gesetze, sondern in der Befolgung der bestehenden Gesetze", erklärte das Konzil von Trient. Daran aber fehlte es. Es gab sogar Bischöfe, die nicht nur selbst nicht an eine Reform herangingen, sondern ihr, wenn sie von anderen versucht wurde, noch Widerstand entgegensetzten. So ist beispielsweise aus Würzburg bekannt, daß Lorenz von Bibra dem Domprediger Johann Reyß in den Weg trat, als dieser den Kampf gegen das Glücksspiel im Ratskeller aufnahm. Wenn es doch hie und da zu Reformansätzen kam, dann ging die Initiative regelmäßig von außen aus. Der Regensburger Reichstagsabschied vom 29. Juli 1541 beispielsweise legte den Bischöfen die Vornahme einer Reform in ihren Sprengein nahe. (Fs)

79b Die Gründe für den Mangel an echtem Reformwillen waren einmal meist das eigene religiöse und sittliche Ungenügen. Weil die Bischöfe nicht von einem opferbereiten Glauben erfüllt und von aszetischer Kraft getragen waren, setzten sie nicht zu Maßnahmen der Erneuerung an. Sie waren selbst nicht gewillt, die erforderlichen Anstrengungen und Beschwerden auf sich zu nehmen, die eine Haupt und Glieder umfassende Reform von ihnen verlangt hätte. Johannes Eck warf den Bischöfen vor, sie ließen den Geistlichen den unsittlichen Lebenswandel deshalb durchgehen, weil sie selbst korrupt seien. Sodann fürchteten die Bischöfe die Schwierigkeiten und die Konflikte, in die der Versuch einer echten Erneuerung sie bei Klerus und Volk gestürzt hätte. Reformen, die diesen Namen verdienen, tun weh, weil sie ins Fleisch schneiden, und es braucht den Einsatz aller natürlichen und übernatürlichen Mittel, um sich und andere dazu zu bringen, sich den Reformen zu beugen. Die meisten Bischöfe aber wollten niemandem wehe tun und unterließen wegen dieser Schwäche energische Reformversuche. Vorgesetzte, die ernsthafte und durchgreifende Reformen vornehmen, gewinnen weiter regelmäßig nicht die Liebe ihrer Anvertrauten, weil sie Feinde der Bequemlichkeit und des Schlendrians sind. Der Gefahr, unbeliebt zu sein, mochten sich aber viele Bischöfe (aller Zeiten) nicht aussetzen. Sie besaßen nicht die Kraft, um Gottes und der Kirche willen Verstimmung und Unmut ihrer Untergebenen auf sich zu nehmen. Es gab Bischöfe, die selbst alles andere als vorbildlich waren, die aber Maßnahmen echter Reform ins Werk setzten. Dieser Zwiespalt von Leben und Handeln bot jedoch den von der Reform Betroffenen ein beliebtes Argument, sich gegen sie zu wehren. (Fs)

80a Der Mangel an Reformwillen zeigte sich auch in der Einstellung zu dem Konzil von Trient, nach dem die Bischöfe so oft und so lange gerufen hatten. Auf der ersten Sitzungsperiode des Trienter Konzils war nicht ein einziger deutscher Diözesanbischof anwesend. Die Trienter Reform wurde in der Hauptsache von eifrigen Bischöfen der romanischen Länder beschlossen. Der deutsche Episkopat nahm die Dekrete des Trienter Konzils mehrheitlich nur widerstrebend an und machte sich zögernd an ihre Veröffentlichung und Durchführung. Wie ein Bischof zu der kirchlichen Reform stand, das zeigte sich regelmäßig in seiner Einstellung gegenüber den Jesuiten. War er diesen gewogen und suchte er sie in seine Diözese zu ziehen, dann war er gewöhnlich auch ein Freund der tridentinischen Erneuerung. Wollte er dagegen von den Jesuiten nichts wissen, dann fehlte es ihm meist auch an Reformwillen. Schließlich hieß reformieren vielfach mühsames Säen ohne Aussicht, die Ernte in die Scheune zu bringen. Der Erfolg der notwendigen Maßnahmen zeigte sich nicht sogleich. Die wenigen Bischöfe, die auf der Grundlage der Trienter Beschlüsse die Saat ausstreuten, sahen die Frucht vielfach nicht mehr reifen. Um die Last solchen Dienstes auf sich zu nehmen, bedurfte es starken Glaubens und großer Selbstlosigkeit. Viele Bischöfe brachten beides nicht auf. (Fs)

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