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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - der Hemmschuh der Wahlkapitulationen

Kurzinhalt: Das Urteil über die Domkapitel im 16. Jahrhundert muß differenziert ausfallen. Einerseits besteht kein Zweifel, ...

Textausschnitt: 3. Der Hemmschuh der Wahlkapitulationen

69a Das Urteil über die Domkapitel im 16. Jahrhundert muß differenziert ausfallen. Einerseits besteht kein Zweifel, daß die Domkapitel bzw. Mitglieder derselben unter den Verteidigern der katholischen Kirche an vorderster Stelle zu nennen sind. In zahlreichen Fällen haben sie die Irrlehre bekämpft und ihr Fortschreiten gehemmt, vereinzelt sogar den Glauben in einem Bistum gerettet. Andererseits waren das Standesbewußtsein, der Eigennutz und das Selbständigkeitsstreben gegenüber dem Bischof in vielen Kapiteln so ausgebildet, daß sie ein schweres Hemmnis für einen wirksamen gemeinsamen Abwehrkampf bildeten. Die Domkapitel waren häufig in erster Linie darum besorgt, daß ihre Macht erhalten blieb und nicht von den Bischöfen beeinträchtigt wurde. Die Geschichte des 16. Jahrhunderts ist daher angefüllt mit Streitigkeiten zwischen Bischof und Domkapitel. Dadurch wurden die katholischen Kräfte zersplittert und der gemeinsame Kampf gegen die Irrlehre behindert. Nicht selten waren auch Mitglieder von Domkapiteln sittlich korrupt. Ihr schlechtes Beispiel mußte auf den Klerus verheerend wirken. (Fs)

69b Die Domkapitel betrachteten sich als neben dem Bischof zur Regierung von Bistum und Hochstift berechtigt, verfolgten ihre eigene Politik und besaßen handfeste Interessen. Um die Bischöfe an ihre Bestrebungen zu binden und ihre Rechte und Freiheiten zu wahren, legten sie ihnen vor der Übertragung des Amtes Bestimmungen auf, die sie beschwören mußten, die sogenannten Wahlkapitulationen. Es wäre falsch, diese Einrichtung als in jedem Falle schädlich zu bezeichnen. In gewissem Umfang hatte sie durchaus förderliche Wirkungen. Dank ihrer blieben Rechte und Besitz von Hochstiften erhalten, ja wurde mitunter der katholische Glaube gesichert. In vielen Fällen waren jedoch die Wahlkapitulationen kein Bollwerk für die heilige Religion, sondern ein Hindernis jeder Erneuerung. In den Wahlkapitulationen, welche die Bischöfe beschwören mußten, suchten die Domkapitel ihnen die Hände zu binden, daß sie nicht gegen ihre Disziplinlosigkeiten einschritten. Auch sonstige Hemmnisse der Diözesanregierung, z. B. einer energischen Rekatholisierung, resultierten aus diesen Auflagen. Nun wäre es ja möglich gewesen, daß ein Bischof, der zu der Erkenntnis gekommen war, daß Bestimmungen der Wahlkapitulation der Ausübung seines Hirtendienstes entgegenstanden, versuchte, sich darüber hinwegzusetzen. Aber einmal hatten manche deswegen mit Gewissensbedenken zu ringen, und zum anderen führte ein solches Vorgehen regelmäßig einen unheilvollen Streit mit dem Domkapitel herauf. So fanden sich viele Bischöfe, um Ruhe zu haben, mit den lästigen Vorschriften ab. Die Sache des Glaubens hatte von dieser Nachgiebigkeit den Schaden. (Fs)

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