Autor: May, Georg Buch: Reformation und deutsche Bischöfe Titel: Reformation und deutsche Bischöfe Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Ernennung Ungeeigneter zu Bischöfen
Kurzinhalt: Es besteht kein Zweifel, daß es im 16. Jahrhundert eine beträchtliche Zahl von Bischöfen gab, die für ihr Amt entweder rechtlich oder charakterlich oder in beiderlei Hinsicht nicht geeignet waren.
Textausschnitt: 2. Die Ernennung Ungeeigneter zu Bischöfen
67a Es besteht kein Zweifel, daß es im 16. Jahrhundert eine beträchtliche Zahl von Bischöfen gab, die für ihr Amt entweder rechtlich oder charakterlich oder in beiderlei Hinsicht nicht geeignet waren. Ausdruck der Tatsache, daß vielfach Ungeeignete auf Bischofsstühle erhoben wurden, war die sehr häufige Ersetzung der Wahl durch die Postulation. Die Wahl der Bischöfe lag bei den Domkapiteln. Diese waren hauptsächlich von Mitgliedern der deutschen Adelsgeschlechter besetzt; unter ihnen waren nicht wenige Protestanten oder protestantisierende Personen sowie ungeistliche oder unwürdige Männer. Die protestantisch gesinnten oder sittlich verkommenen Mitglieder der Domkapitel gaben bei Wahlen vorzugsweise Kandidaten, die zu ihnen paßten, ihre Stimme. So erklärt es sich, daß die Domkapitel in zahlreichen Fällen ungeeignete Personen zu Bischöfen wählten bzw. postulierten. Menschliche Rücksichten, finanzielle Überlegungen und Familienpolitik spielten dabei eine große Rolle. Die höchsten geistlichen Stellen wurden allzu häufig für die Versorgung von Söhnen der Fürsten und des hohen Adels verwendet. Manche von ihnen spürten, daß sie dafür weder geeignet noch geneigt waren, und wehrten sich. Aber man drang in sie und beschwor sie, um der Familie willen ihren Widerstand aufzugeben. Nicht ganz selten wurden Fürstensöhne zuerst in den geistlichen Stand und dann in die bischöfliche Würde regelrecht hineingezwungen. Die fast ausnahmslose Besetzung der höchsten Kirchenämter mit nachgeborenen Söhnen adeliger und fürstlicher Häuser war ein schlimmer Schaden für die Kirche. Einmal fehlten diesen Männern vielfach Eignung und Neigung, um ihrem hohen Berufe genügend nachzukommen. Zum anderen gerieten sie in den Sog der Familienpolitik. Die Herren und Fürsten gedachten, ihr Einkommen und ihre Macht durch ihre Verwandten auf den Bischofsstühlen zu vermehren. Häufig wurden auch Bistümer als Belohnung für politische Dienste vergeben. Die Männer, die auf diese Weise zur Bischofswürde gelangten, waren teilweise gewandte Diplomaten und tüchtige Verwalter, aber nicht von Seeleneifer erfüllte Oberhirten. Minutio Minucci führte in seiner Denkschrift von 1588 aus, die Domkapitulare trachteten nach dem Episkopat nicht in der Absicht, dieses Amt auszuüben und ihre Kirche zu regieren, sondern um sich der Bezüge und der Fürstenwürde zu erfreuen; sie dächten nicht an die Notwendigkeit des Zölibats und an die anderen kirchlichen Tugenden. Es gehört zu den schlimmsten Versäumnissen des 16. Jahrhunderts, daß von der Schar erleuchteter und energischer Verteidiger des katholischen Glaubens fast niemand auf einen Bischofsstuhl erhoben wurde. Ein Mann wie Eck beispielsweise, den Aleander für geeignet hielt, Bischof zu werden, blieb Pfarrer und Professor. (Fs) (notabene)
68a Die Päpste waren an der Ernennung der Bischöfe regelmäßig durch das Recht der Bestätigung beteiligt; erst die Konfirmation verschaffte den Gewählten normalerweise den Bischofsstuhl. Die Bestätigung konnte jedoch aus mancherlei Gründen ihre regulierende Funktion häufig nicht ausüben. Denn die Wahl hatte eine Tatsache geschaffen, die nicht mehr ohne weiteres aus der Welt geschaffen werden konnte. Sie war oft das Ergebnis fürstlicher Politik, und ihre Kassierung konnte der Kirche böse Feindschaft und große Verluste eintragen. In einer Zeit weitverbreiteten Ungehorsams und allgemeiner Empfindlichkeit, ja Gereiztheit gegen den Apostolischen Stuhl war es vielfach ein Risiko, einem rechtmäßig Gewählten die Bestätigung zu versagen. Die Autorität des Apostolischen Stuhles war geschwächt. Ein dem Protestantismus zuneigender Kaiser wie Maximilian II. gab dem Erwählten schon vor und auch ohne päpstliche Konfirmation die Regalien, so daß er als Landesherr regieren konnte. Der Gewählte war nun im Besitz der weltlichen Macht, und es war gefährlich, ihm die geistliche Jurisdiktion vorzuenthalten. In zahlreichen Fällen mochte der Apostolische Stuhl die Bestätigung trotz schwerer Bedenken nicht verweigern, weil er davon noch Schlimmeres befürchtete. Denn womöglich behauptete sich der Gewählte trotz Ausbleibens der Bestätigung in dem angemaßten Amt, dann aber gewöhnlich voll Ressentiment gegen den Heiligen Stuhl, oder es wurde jemand gewählt, der womöglich noch weniger für die Würde geeignet war. Angesichts dieser Verhältnisse waren die Päpste häufig bestrebt, im Vorfeld der Wahl die Aufmerksamkeit der Domkapitel auf geeignete Persönlichkeiten hinzulenken. Sie suchten für bestimmte Kandidaten zu werben, und manchmal setzten sie sich auch durch. Auf diese Weise kam beispielsweise Franz Wilhelm von Wartenberg nach Osnabrück. (Fs)
68b Angesichts der geschilderten Verhältnisse begreift man, daß es eine der obersten Aufgaben der tridentinischen Reform war, gute Bischöfe zu erhalten. Der Weg zu diesem Ziel war schwierig, weil das Problem komplex war. Er mußte mit der Reinigung und Hebung der Domkapitel beginnen. Sodann mußten genügend geeignete Persönlichkeiten für die Bischofswürde zur Verfügung stehen, was eine entsprechende Auslese und Ausbildung voraussetzte. (Fs)
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