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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Verführung der Geistlichen und Ordensleute

Kurzinhalt: Die Lehre Luthers von Ehe, Geschlechtlichkeit und Zölibat mußte auf die Geistlichen und Ordensleute einen starken Eindruck machen. Denn sie bestritt die klerikale und die klösterliche Lebensform prinzipiell.

Textausschnitt: 5. Die Verführung der Geistlichen und Ordensleute

52a Die lutherische Bewegung wäre im Sande verlaufen, wenn sie nicht für diejenigen, die sich ihr anschlössen, massive irdische Vorteile mit sich gebracht hätte. Der Hang zum bequemen Leben ist beim durchschnittlichen Menschen stärker als die Neigung, unter Einbußen und Verlusten dem Befehl des Gewissens zu folgen. Diese Beobachtung gilt leider auch für viele gottgeweihte Personen, jedenfalls von dem Augenblick an, in dem der Glaube in ihnen zusammenbricht. Eben dies war im 16. Jahrhundert weithin der Fall. Die protestantische Agitation erschütterte viele Priester und Ordensleute in ihrer Gläubigkeit. Wenn all das zutraf, was Luther über Priestertum und Sakramente, vor allem über das Meßopfer, vortrug, dann war nicht mehr des Bleibens im geistlichen Stande. Der Zusammenbruch des Glaubens war in aller Regel die Ursache für die Aufgabe des gottgeweihten Standes. (Fs)

52b Die Lehre Luthers von Ehe, Geschlechtlichkeit und Zölibat mußte auf die Geistlichen und Ordensleute einen starken Eindruck machen. Denn sie bestritt die klerikale und die klösterliche Lebensform prinzipiell. Nach der neuen Lehre wollte Christus, daß die Menschen vernunftgemäß und bürgerlich, d. h. weltlich leben. Es sollte kein unter besonderen Gesetzen stehendes Leben der Geistlichen und der Klosterangehörigen geben. Die Verwerfung von Zölibat und Ordensgelübden durch Luther und die Hetze gegen diese Einrichtungen hatten die öffentliche Meinung mehrheitlich für die Priesterehe gewonnen. Die Geistlichen und die Ordensleute wurden nicht mehr von der Achtung und Verehrung, aber auch nicht vom Verständnis und der Zustimmung der Allgemeinheit zu ihrem Lebensstand getragen. Luther lieferte ihnen die Ideologie für ihren Abfall. Seine Schrift über die Klostergelübde ebnete zahllosen Mönchen und Nonnen einen Weg, die beschwerlichen Pfade des klösterlichen Lebens zu verlassen und sich den irdischen Freuden in die Arme zu werfen. Der Anschluß an den Protestantismus erschien vielen unsicher gewordenen Geistlichen als geeignetes Mittel und als willkommene Gelegenheit, um eine Ehe einzugehen und ein Familienleben zu führen. Nicht ohne Grund schrieb Erzherzog Ferdinand am 12. Mai 1523 an seinen Bruder Karl, daß jetzt mancherorts die Fastenzeit nicht mehr gehalten werde und Priester und Mönche sich verheiratet hätten. Gerade das, was die sogenannten Reformatoren "reformieren" wollten, also die geistliche Erschlaffung und das Darniederliegen der Ordnung, ebnete dem Luthertum den Weg. Luther selbst war alles andere als ein vorbildlicher Ordensmann; er ging 1525 eine Verbindung mit einer ehemaligen Nonne ein. Dazu kam, daß Luther geschlechtliche Betätigung, von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmeberufungen abgesehen, als unausweichlich erklärte und somit jeden, der nicht verheiratet war, unter den grundsätzlichen Verdacht der Unzucht und des Lasters stellte. Der Kampf der Prädikanten gegen den Konkubinat war in Wahrheit ein Feldzug gegen den Zölibat und für die Priesterehe. Durch den Übergang zum Protestantismus entzogen sich sittlich anrüchige Geistliche der Verfolgung durch das Geistliche Gericht. Der sächsische Kanzler Melchior von Ossa berichtet eine bezeichnende Äußerung von undisziplinierten Stiftsherren: "Ehe sie sich reformieren ließen, wollten sie lutherisch werden."

53a Um so höher zu schätzen ist das Zeugnis jener Mönche und Nonnen, die trotz einer ganzen Welt, die um sie herum zusammenbrach, ihrem Ideal treu blieben, und ihrer waren nicht wenige. Sie entbehrten häufig des regelmäßigen katholischen Gottesdienstes, es fehlte ihnen vielfach die katholische Predigt, nicht selten wurden ihnen die Subsistenzmittel entzogen und sie selbst zahllosen Schikanen ausgesetzt. Man denke etwa an die mecklenburgischen Klöster Ribnitz und Dobertin, wo 1556 bzw. 1569 die Schwestern noch als "Papistinnen" bezeichnet wurden. Das Heldentum dieser Ordenspersonen ist eine Anklage gegen den gesamten unseligen Vorgang der sogenannten Reformation. (Fs)

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