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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - "evangelische" Propaganda

Kurzinhalt: Das von ihm aufgestellte Bibelprinzip benutzte Luther, um seine Lehre schlicht als das "Evangelium" auszugeben.

Textausschnitt: 2. Die "evangelische" Propaganda

38a Das von ihm aufgestellte Bibelprinzip benutzte Luther, um seine Lehre schlicht als das "Evangelium" auszugeben. Er stellte sie gegen den angeblich verderbten katholischen Glauben und baute einen unversöhnlichen Gegensatz zwischen "Evangelium" und Papsttum auf. Erzherzog Ferdinand schrieb am 14. August 1524 von der Lehre Luthers, "die man jetzt evangelisch nennen will". Der Ruf nach dem reinen, lauteren Evangelium war ein Schlagwort, aber ein geniales Schlagwort. Allein von der Bezeichnung des protestantischen Religionssystems als des "Evangeliums", d. h. des ursprünglichen, in Christus zutage getretenen göttlichen Erlösungswerkes, ging eine ungeheure Werbewirkung, ja eine "magische Kraft" (Ignaz Döllinger) aus. Weniges hat der Sache Luthers so genützt wie ihre Gleichsetzung mit dem Evangelium. Wer mit dem lutherischen Verständnis von Evangelium "freie Predigt des Evangeliums" forderte, war propagandistisch gewaltig im Vorzug gegenüber dem, der die (so verstandene) Predigt nicht gestatten wollte. Aus dieser Berufung auf das "Evangelium" erklärt sich das gute Gewissen, mit dem ein erheblicher Teil der Anhänger Luthers sich von der katholischen Kirche abwandte. Es gab zweifellos Männer und Frauen, die im Protestantismus ein geläutertes Evangelium und einen reinen Gottesdienst sahen. Da man dem Volk unaufhörlich einredete, das Evangelium sei bisher nicht lauter verkündet worden, forderte es die Predigt des reinen Evangeliums. Wie der Protestantismus berief sich die religiöse Bewegung Frankreichs in den Jahren 1789-1793 auf die "evangelische Armut", die "Reinheit des Anfangs" und die "Einfachheit der Urkirche". (Fs)

38b Die Gleichsetzung seiner Lehre mit dem "Evangelium" wurde Luther bei wenigen Gegenständen so leicht gemacht wie bei der Propagierung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt; kaum irgendwo war er scheinbar so sehr im Einklang mit der Lehre Christi wie mit dem Ruf nach dem Laienkelch. Die Forderung nach der Austeilung der Kommunion unter beiden Gestalten war vielleicht die eingängigste. Sie war jedoch lediglich ein populärer Schlachtruf. Daß sie einer nennenswerten Zahl von Personen ein unaufgebbares geistliches Anliegen gewesen sei, ist unerweislich. Umgekehrt legte Paumgartner am 27. Juni 1562 in Trient dar, wie die Protestanten die Verweigerung der Kommunion unter beiderlei Gestalt als äußerst wirksames Mittel der Agitation benutzten. (Fs)

39a Die fehlende Legitimation für Luthers Berufung auf das Evangelium und der wahre Charakter seiner Lehre wurden frühzeitig erkannt. Kaiser Maximilian urteilte in seinem Schreiben an den Papst vom August 1518 zutreffend, daß Luther an die Stelle der Einheit des Glaubens und der überlieferten Wahrheiten des Heiles private Meinungen setze. Ebenso wurde die notwendige Bindung des Evangeliums an die Kirche deutlich ausgesprochen. In dem Mandat des Reichsregiments vom 6. März 1523 wurde richtig gefordert, daß das heilige Evangelium "nach auslegung der Schriften von den cristenli-chen kirchen approbirt und angenommen gepredigt" werde. Erst recht ließ sich ein Mann wie Herzog Georg von der Parole, Luther bringe das Evangelium, nicht imponieren. Er schrieb am 6. März 1526 an Landgraf Philipp: "Ich habe das Evangelium Christi, seit ich zur Vernunft gekommen bin, angenommen und gehört." Luther hat auch gar nicht auf die ganze Heilige Schrift gehört, sondern sie nur in subjektiver Auswahl benutzt. Joseph Lortz hat beispielsweise hervorgehoben, daß bei ihm die synoptischen Evangelien ebensowenig "zu ihrem vollen Recht" kommen wie das johanneische Schrifttum. "Luther war Paulinist" (Joseph Lortz). Aber nicht einmal die ganze Lehre des Paulus wurde von ihm rezipiert, sondern in der Hauptsache die Botschaft von der Rechtfertigung. In dem Blickwinkel dieses herausgerissenen Stückes interpretierte er die ganze Schrift, und dies notwendig falsch. "Der große Hörer des Wortes Martin Luther war nicht Vollhörer des Wortes" (Joseph Lortz). Er sah "nie die Schrift als eine Einheit, als eine einheitlich verpflichtende Verkündigung" an (Joseph Lortz). (Fs)

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