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Autor: Augustinus, Aurelius

Buch: Über das Glück

Titel: Über das Glück

Stichwort: Seele: Antike (Platon, Aristoteles, Plotin); Augustinus:

Kurzinhalt: Im Begriff der Seele hat so das Noetische ganz die Überhand gewonnen; der Transzendenzgedanke verschärft sich dadurch, denn Leib und Seele sind nun nicht mehr nur modal, sondern auch substantiell geschieden.

Textausschnitt: 99a Ihren charakteristischen Ausdruck hat diese Doppelheit von Immanenz und Transzendenz im Begriff der Seele bei Platon und Aristoteles, und in bezug auf die Seele wird die Akzentverlagerung augustinischen Denkens auch besonders deutlich sichtbar, weswegen wir auf diesen Sachverhalt hier näher eingehen. Obwohl das Geisthafte an der Seele etwas gänzlich Eigenes und vom Animalischen Verschiedenes ist, denkt sich Platon die Seele als etwas Zusammengemischtes aus »Gleich und Ungleich«, das heißt aus dem Identischen und Ewigen und dem Wandelbar-Zeitlichen (Tim. 35a). Auch Aristoteles dachte noch so (eth. Nic. 1,13). Daß trotz aller Differenzierung in die »Seelenteile« die Einheit nicht aufgegeben wird, beruht nicht zuletzt auf dem griechischen Erbe beider Denker. Das Denken der Griechen ist von alters her vitalistisch. Alle Bewegung toten Stoffs schien ihnen auf Leben als der eigentlichen Spontanursache (und damit Erstursache) zurückzugehen. Alles was bewegt war, ohne sichtbar mechanisch bewegt zu sein, galt als belebt. Dieses Leben sahen sie für identisch an mit der Seele, die damit nominell den Charakter einer Spontanursache erhielt. So galt der Begriff Psyche für beides: Leben und Seele. Die Seele war Vitalprinzip. (Fs)

100a Obwohl Platon wie Aristoteles durchschauten, daß die Spontaneität des Lebendigen nur scheinbar spontan und damit von außen unbeeinflußt war, daß vielmehr in Wahrheit der Logos es ist, der die vitalistische Seele steuert, hielten sie an der Sprechweise fest. Sie verlagerten lediglich das Moment der Spontaneität vom vitalistischen Seelenteil auf ein anderes Moment an der Seele, auf das ihr zugrundeliegend noetische Prinzip (vgl. Aristot. de an. 2,2. 414 a 13). Leben und Seele blieben identisch, das Wesen der lebenserzeugenden Kraft aber wurde anders bestimmt. So entstand eine Psychologie, die zwar einerseits Animalisches (das alte Vitalprinzip) und Noetisches (die neugefaßte Erstursache) zusammendachte und vom Physischen abhob, in der Reflexion aber das Animalische eigentlich dem Körper, das Noetische dem Geist zurechnete. Dadurch wurde der Seele eine Art Vermittlungsrolle zwischen den heterogenen Elementen, aus denen sie selbst als zusammengesetzt galt, zugedacht. Diese Denkweise tradierte sich in die Spätantike. Noch Plotin sieht die Seele »auf der Grenzscheide zwischen den Welten«, das heißt sie ist noetischen Ursprungs, dem Leibhaften aber zugeneigt. (Fs)

100b Aus diesem Denken erklärt sich, warum Augustin so unbefangen in Paragraph 7 Seele und Leben identifizieren kann. Insofern ist die alte Denkweise noch ganz unreflektiert präsent. Wenn es aber um die Bestimmung der Seele geht, da sieht er sie »ganz und gar unkörperlich«, ebenso wie Gott, dem sie am nächsten von allen Dingen steht. Wo daher in unserem Text von Seele die Rede ist, ist stets das höchste, das noetische Seelenvermögen gemeint, das Vermögen zu denken, Wahrheit zu erkennen und Werte zu erfassen. Sämtliche Bezüge zur empirisch bestimmten Natur des Menschen fallen unter diesem Betrachte aus dem Begriff der Seele heraus. Diese werden vielmehr dem Körperlichen zugerechnet und unterliegen sofern auch den abwertenden Bestimmungen, die für den Leib als eigentlich »Nichtseiendem« zu treffen sind. Im Begriff der Seele hat so das Noetische ganz die Überhand gewonnen; der Transzendenzgedanke verschärft sich dadurch, denn Leib und Seele sind nun nicht mehr nur modal, sondern auch substantiell geschieden. (Fs)

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