Autor: Pinckaers, Servais Buch: Christus und das Glück Titel: Christus und das Glück Stichwort: Die Neigung zum Erhalt des Lebens; 5. Gebot; Tugenden: Tapferkeit, Hoffung Kurzinhalt: Die Neigung zum Erhalt des eigenen Lebens ist fundamental - sie betrifft unsere Substanz, unser Sein. Daher bildet sie die Grundlage für jegliche Aktivität. Textausschnitt: 2. Die Neigung zum Erhalt des Lebens
91c Die Neigung zum Erhalt des eigenen Lebens ist fundamental - sie betrifft unsere Substanz, unser Sein. Daher bildet sie die Grundlage für jegliche Aktivität. Aus ihr entspringt der Wunsch zur Existenz und die Sorge um die Gesundheit. Sie vermittelt uns den Sinn für die Wirklichkeit. Darüber hinaus begründet sie das Recht zur legitimen Selbstverteidigung. (Fs)
91d Diese Neigung ist nicht nur ein passiver Lebenserhaltungsdrang, sondern sie spornt uns dazu an, sich aktiv um das zu bemühen, was für unseren Lebensunterhalt notwendig ist: Nahrung, Kleidung, Wohnung usw. Unsere persönliche Entwicklung im Leben entspringt aus dieser Neigung. (Fs)
91e Die Neigung zum Erhalt des eigenen Seins beschränkt sich nicht auf unser physisches Leben, sondern wirkt sich auch auf dem geistigen Niveau aus, wo sie die Selbstliebe erweckt, die am Ursprung aller unserer Tätigkeiten steht und die als solche keineswegs egoistische Selbstbezogenheit bedeutet. Vielmehr gibt sie das Maß für die Nächstenliebe an, entsprechend dem zweiten Gebot: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Zudem bildet sie die Grundlage für die Goldene Regel. So kann es sogar vorkommen, dass jemand um eines moralischen Wertes willen, wie zum Beispiel aus Liebe zu Gott, für das Vaterland oder für Gerechtigkeit, zum Opfer des eigenen physischen Lebens bereit ist. (Fs)
92a Diese Neigung drückt sich im fünften Gebot aus: »Du sollst nicht töten«, das die Ehrfurcht vor dem Leben des anderen gebietet und das im weiteren Sinne auch beinhaltet, die Güter des anderen zu respektieren. Sie begründet das Recht darauf, sein Leben zu schützen und das Lebensnotwendige zu erhalten. Sie erlegt zudem jedem die gleichsam natürliche Pflicht auf, die Gesundheit zu pflegen - sowohl im physischen wie auch im moralischen Sinn. (Fs)
92b Die Tugend, durch die die Neigung zum Erhalt des Seins ihre Vollendung findet, ist die Tapferkeit. Diese besteht in erster Linie im Mut zum Dasein und zum Leben. Sie stärkt in uns die Hoffnung, indem sie uns befähigt, den Schwierigkeiten und Prüfungen im Leben im richtigen Geist zu begegnen. (Fs)
92c Die christliche Tugend der Hoffnung krönt diese lebensnotwendige Neigung in weit höherem Maß, als das jede rein menschliche Hoffnung vermöchte. Man gelangt allerdings zu dieser 'Hoffnung gegen jede Hoffnung' nicht ohne eine tiefe Prüfung, deren exemplarisches Beispiel Abraham und das Isaakopfer bietet. (Fs)
92d Das Problem des Selbstmordes (der Reiz des Nichts ist gleichsam die Perversion der Anziehungskraft des Seins) betrifft diese Neigung zum Erhalt des Seins, und ebenso die Abtreibung, Euthanasie, Folter und Verstümmelung, die den Respekt vor dem Leben verletzen. Diese Neigung fundiert zudem den Fortschritt der Medizin sowie die Gesundheitsfürsorge, der in unserer Gesellschaft ein so wichtiger Raum zukommt. (Fs)
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