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Autor: Rahner, Karl

Buch: Geist in Welt

Titel: Geist in Welt

Stichwort: § 1. Die Frage: reditio subjecti in se ipsum; Abstraktion; Intellekt - reditio; abstractio (aversio a phantasmate) - conversio ad phantasma

Kurzinhalt: Sinnlichkeit besagt Hingegebenheit des Seins (das Beisichsein ist) an das andere, an die materia ... Der Mensch fragt aber nach dem Sein im Ganzen, stellt es im Ganzen umfassend in Frage ...

Textausschnitt: 3. Kapitel Abstractio

§ 1. Die Frage: reditio subjecti in se ipsum

79a Je schon von sich weg durch die Sinnlichkeit in die Welt, in das andere gestellt, findet sich der Mensch vor, wenn er nach dem Sein im Ganzen zu fragen beginnt. Sinnlichkeit besagt Hingegebenheit des Seins (das Beisichsein ist) an das andere, an die materia. So befindet sich das Sinnliche immer in jenem ungeschiedenen Zwischen von Selbstbesitz durch trennendes Sichabsetzen gegen alles andere und der restlosen Verlorenheit an das andere, die das Seiende sich selbst ganz verhüllen würde. Der Mensch fragt aber nach dem Sein im Ganzen, stellt es im Ganzen umfassend in Frage (und sich damit), er setzt sich dadurch als den Fragenden in scharfer Trennung von allem übrigen, von Welt und von sich als durch die Sinnlichkeit immer schon in ihr Seiendem ab. Er "objektiviert" so das andere und seine in der Sinnlichkeit schon vollzogene Hingabe an es. Er tritt vom "draußen", wo er immer schon war, fragend zurück. Das andere, das er in der Sinnlichkeit selbst war, das er hinnahm und das ihm so bewußt war, daß er als sinnlich Erkennender sich nicht von ihm trennen konnte, weil die Sinnlichkeit als solche das andere nur empfing, indem sie es wurde: dieses andere tritt nun in den Abstand vom Erkennenden, es wird Gegen-stand. Erst dadurch steht der Mensch menschlich in der Welt, erst so ist er auf dem Boden, auf den er sich für sein metaphysisches Fragen gestellt fand und auf dem auch im Geschäft seiner Metaphysik zu bleiben er sich in der Vorentscheidung schon entschlossen hatte. Die Betrachtung dessen, was wir Sinnlichkeit nannten, ließ uns prinzipiell diesen Boden nicht ganz gewinnen. Denn es zeigte sich, daß Sinnlichkeit, gerade wenn sie erste und ursprüngliche Hinnahme des andern, der Welt, wenn sie hinnehmende Anschauung sein sollte, dies nur dadurch möglich machte, daß sie seinshafte Hingabe an das andere, actus materiae, wurde. Sie kann darum das andere nicht als Gegen-stand im Abstand gegenüberstehen lassen, weil sie zu wenig "subjektiv", weil sie zu "objektiv", wesentlich immer Wirklichkeit des andern selbst ist. (Fs)

79b Die Fähigkeit der einen menschlichen Erkenntnis, das in der Sinnlichkeit gegebene andere von sich weg in Frage zu stellen es zu beurteilen, es zu vergegenständlichen und damit den Erkennenden erst zum Subjekt, d. h. zu einem zu machen, der bei sich selber und nicht beim andern ist, der wissend in sich selbst steht, nennen wir Denken, Intellekt. Diese Möglichkeit der reditio completa in se ipsum ist für Thomas die metaphysisch entscheidendste Auszeichnung des Intellekts gegenüber [{80} gegenüber] der Sinnlichkeit1. Erst durch das Denken wird die in der Sinnlichkeit gehabte ungeschiedene Einheit von Sinnlichkeit und sinnlichem Gegenstand, von Subjekt und Objekt wirklich zum Subjekt, das in seiner Insichselberständigkeit eine Welt sich gegenüber hat, erst durch das Denken wird menschliche Erfahrung einer gegenständlichen Welt möglich. So ist unsere Frage nun die nach dem einen menschlichen Erkennen als dem denkenden Erkennen: oppositio mundi. Wenn die eine menschliche Erkenntnis von Welt von dieser Art ist, dann muß sich das Begreifen ihrer Möglichkeit in einem zweifachen Gang vollziehen: In der Sinnlichkeit als solcher hat sich (oder hätte sich, wenn seine Erkenntnis je Sinnlichkeit allein sein könnte) der Mensch immer schon an die Welt verloren. Er gewinnt seinen menschlichen Standort in einem sich ablösenden Rückzug von der Hingegebenheit in die Einheit von Subjekt Objekt in der Sinnlichkeit. Er hat sich als solcher wirklich zum Subjekt gewordener doch wieder nur, indem er sich gegenüberstellend sich dieser Welt wieder zuwendet. Diese beiden "Phasen" sind natürlich nicht hintereinanderliegend zu denken, sie bedingen sich gegenseitig und bilden in ihrer ursprünglichen Einheit die eine menschliche Erkenntnis. In thomistischer Erkenntnismetaphysik wird diese Loslösung des Subjekts von der sinnlichen Hingegebenheit an das andere der Welt unter dem Titel "abstractio" behandelt, die Hinwendung zur Welt, die so gegenständig geworden ist, heißt conversio ad phantasma. Schon aus dem bloßen Wortverständnis dieser beiden Titel ergibt sich: wenn unsere Analyse der Sinnlichkeit vor thomistischer Metaphysik zu Recht besteht, dann kann conversio ad phantasma als Vorgang menschlicher Erkenntnis nur sinnvoll sein, wenn ihr eine aversio a phantasmate vorausging, denn Sinnlichkeit besagte immer schon ein Sein beim Phantasma, bei Welt. Wie sollte da eine conversio zum Phantasma als denkerischer Vorgang nötig sein, es sei denn, es ginge eine abstractio voraus? Und umgekehrt: solche abstractio setzt doch offenbar voraus, daß das Subjekt sich als bewußt gehabtes nur in einem solchen Kommen von der Welt her gewinnt, denn sonst könnte sie nicht als grundlegender Vorgang denkenden Beisichseins auftreten. Dann ist aber damit auch schon gesagt, daß solche abstractio, solche reditio in se ipsum nicht den Sinn eines gänzlichen Freiwerdens von der sinnlichen Welthabe haben kann. Denn sonst wäre nicht verstandlich [sic; eg], warum die Rückkunft des Subjekts zu sich selber überhaupt bei dieser Welthabe einsetzt. Dann aber ist die conversio ad phantasma innere Eigentümlichkeit der abstractio selber, insofern sie nur die Anzeige dafür ist, daß die abstractio immer ein Kommen von Welt her ist und immer nur als so von Welt dauernd {81} kommend bestehen kann2. Eine Betrachtung dieser beiden "Phasen" wird diese innere Einheit von abstractio und conversio zu beachten haben, auch wenn sie eine nach der andern behandeln muß. Es erklärt sich auch so, daß die conversio nicht zum Thema gemacht werden kann, ohne zu wissen, was die abstractio ist. Dementsprechend gliedern sich die beiden Kapitel über das eine menschliche Erkennen als Denken. (Fs)

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