Autor: Sala, Giovanni B. Buch: Kontroverse Theologie Titel: Kontroverse Theologie Stichwort: Das Wagnis des Loslassens; Aufbruch Kurzinhalt: Es ist an der Zeit, die richtigen Aufbrüche zu wagen. Aufbrüche, die den authentischen Glauben der Kirche wieder sichtbar werden lassen ... Das Pfarrbeauftragtenkonzept ... als eine Umgehung der echten Reformen Textausschnitt: 13. Das Wagnis des Loslassens
180b Vielleicht ist die gegenwärtige Krise des Priestermangels für die Kirche unserer Breitengrade eine historische Chance. Die Chance nämlich, daß die Kirche, durch die Zeitumstände gezwungen, aus ihrer bürgerlichen Erstarrung und weitverzweigten Einbindung in Dienste, die ihr gesellschaftliche Relevanz auf Kosten ihrer eigentlichen übernatürlichen Sendung gewähren, in eine neue, ihrer Aufgabe entsprechendere Gestalt hineinfindet. Eine solche zeitgemäße und zugleich genuin ursprüngliche Gestalt könnten konsequent eucharistisch orientierte Gemeinden sein. Noch sperrt sich die Kirche vielfach gegen derartige Veränderungen vor allem durch die Delegierung priesterlicher Funktionen an Laien, und zwar in einer Form, die keinen Vertretungs- und damit provisorischen Charakter erkennen läßt, sondern vielmehr da ist, um zu bleiben. Das Hinausschieben der notwendigen Veränderungen bzw. des Verlassens falscher Wege wird der Kirche dauerhaft gewaltige Schäden zufügen und die Probleme langfristig nur verschärfen. (Fs)
180c Es ist an der Zeit, die richtigen Aufbrüche zu wagen. Aufbrüche, die den authentischen Glauben der Kirche wieder sichtbar werden lassen und der Wahrheit die Ehre geben. Es ist an der Zeit, um der ungeschmälerten Lehre des Evangeliums willen die Bereitschaft aufzubringen, Liebgewonnenes und Gewohntes zu überschreiten. Wagte die Kirche auch strukturell solche Aufbrüche, die ja im Grunde nur verlebendigende Aufbrüche in ihre eigene Tradition sind, dann würde der Schmerz über die vielfältigen Verluste (der Mitgliedszahl, der Privilegien, der gesellschaftlichen Anerkennung, usw.) schon bald kompensiert durch ein erwachendes Glaubensleben, eine erhöhte Anziehungskraft gerade auf junge Menschen und ein gestärktes christliches Selbstbewußtsein in der Auseinandersetzung mit den Fragen unserer Zeit. Die Konzentrierung der priesterlichen Seelsorge auf die Heiligung des Gottesvolkes wird zugleich den Laien ihre in der Taufe gegründete missionarische Aufgabe in Orten und Einrichtungen bewußter machen, die jetzt nur eine offizielle, in Wirklichkeit aber kaum katholische Präsenz der Kirche erleben. (Fs)
181a Unsere Epoche könnte für die Kirche somit zur Chance werden, sich von innen her im Blick auf ihre Mitte zu reinigen, sich durch Abstoßung von Ballast, durch Schrumpfung und Loslassen zu sammeln und so neue Lebenskraft zu entwickeln. Versäumt sie auch weiterhin diese heilsamen Aufbrüche, die ihre dogmatische Substanz freizulegen vermöchten und wieder eine Übereinstimmung von Lehre und Praxis herstellten, dann werden weitere Abbruche die Folge sein, die das kirchliche Leben weitgehend paganisiert zurücklassen. Das Pfarrbeauftragtenkonzept kann darum nicht als Hoffnungszeichen, sondern eher als eine Umgehung der echten Reformen und daher als eine Verintensivierung des innerkirchlichen Versteppungsprozesses beurteilt werden. (Fs)
181b Niemand wird bezweifeln, daß der in mehreren Diözesen eingeschlagene Weg der neuen pastoralen Dienste einer echten Hirtensorge entspringt. Aus den Erfahrungen heraus scheint es aber dringend notwendig, endlich in aller Ehrlichkeit darüber nachzudenken, ob nicht die Liebe zur Kirche die Verantwortlichen dazu veranlassen sollte, mutig eher jene Wege zu beschreiten, die den übernatürlichen Glauben, das Wesen der eucharistischen Kirche und ihres sakramentalen Amtes erneut konturiert aufleuchten lassen. (Fs)
181c Freilich führt auch der richtige Weg nicht zum Ziel unabhängig von den Menschen, die sich auf ihn begeben. Es ergeht deshalb an alle Gläubigen eine Herausforderung: An die Laien, daß sie die "unzähligen Gelegenheiten zur Ausübung des Apostolats" in Familie, Beruf und Gesellschaft ergreifen1; an die Priester, daß sie als "amtliche Diener" der Kirche28 in der Verwaltung der "Geheimnisse Gottes" (IKor 4,1) den ihnen anvertrauten Menschen die Wahrheit und die Gnade Christi vermitteln. Nicht die "Professionalisierung" des kirchlichen Personals nach dem Muster eines Managers ist das Gebot der Stunde - bei aller Notwendigkeit von Formen des priesterlichen Dienstes, die unsere Zeitgenossen ansprechen -, sondern die Bemühung um eine Spiritualität, die den Dienern des "Allerheiligsten" angemessen ist. Denn "ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist es auch der ganze Teig" (Rom 11,16) - die Kirche als Volk Gottes. (Fs) ____________________________
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