Autor: Rhonheimer, Martin Buch: Sexualiät und Verantwortung Titel: Sexualität und Verantwortung Stichwort: Objekt der Handlung; formae a ratione conceptae; Anscombe - Intention (Pferd); Objekt des ehelichen Aktes: leibliche Liebesvereinigung Kurzinhalt: ... "formae a ratione conceptae". "Objekt" bezieht sich deshalb darauf, was man tut, wenn man hier und jetzt etwas mit einer Absicht tut ... Textausschnitt: 64b Aufgrund des richtigen Verständnisses des Untrennbarkeitsprinzips läßt sich das Objekt des ehelichen Sexualaktes identifizieren. Das Objekt einer menschlichen Handlung (womit wir einen Akt bezeichnen, der vernunftgeleitetem Willen entspringt) ist jener Gehalt, der diese Handlung als einen bestimmten Typ von Handlung spezifiziert. Sogenannte "moralische Objekte" sind die Gegenstände der Wahl eines vernunftgeleiteten Strebens (=Wille), etwas zu tun1. Somit sind Objekte menschlicher Handlungen weder einfach naturgegebene Ziele von Trieben oder Neigungen, noch "Dinge" hinsichtlich derer wir etwas tun, auf die wir abzielen oder die in unseren Handlungen vorkommen. Vielmehr sind Handlungsobjekte, wie Thomas v. Aquin sagt, Formprinzipien von Handlungen, wie sie von der Vernunft erfaßt werden2. Oder, mit den Worten eines zeitgenössischen Autors: "Wir müssen stets im Sinn behalten, daß ein Handlungsobjekt nicht das ist, was der Gegenstand, auf den wir abzielen, ist,; die Beschreibung gemäß der wir strebend auf ihn abzielen, ist das, hinsichtlich derer das 'Worauf-wir-abzielen' Objekt genannt wird"3. Diese etwas komplizierte Formulierung meint etwas ganz Einfaches: Wenn z.B. die Person A ein Pferd der Person B stiehlt, so ist das Objekt dieser Handlung nicht "das Pferd, das rechtmäßiger Besitz von B ist" (der Gegenstand, auf den A abzielt, in seinem "was er ist"), sondern dieses Pferd, insofern es unter eine Beschreibung fällt, die uns angibt, was A, wenn er B das Pferd entwendet, eigentlich erstrebt oder wählt, d.h. was A in einem intentionalen Sinne tut: Das Pferd eines anderen entwenden oder sich aneignen. Das Objekt der Handlung "Pferdediebstahl" ist deshalb: "Ein Pferd, das ein anderer rechtmäßig besitzt, entwenden" (oder: "sich aneignen"). Deshalb sind solche Beschreibungen, unter denen Handlungen gewählt werden (ihre "Objekte"), die intentionalen Gehalte dieser Handlungen, die eben nur Gegenstand der Vernunft sein können; sie sind "formae a ratione conceptae". "Objekt" bezieht sich deshalb darauf, was man tut, wenn man hier und jetzt etwas mit einer Absicht tut4. Genau in dieser intentionalen Weise hatten wir ja früher auch die Objektstruktur der Handlung "Empfängnisverhütung" als eine bestimmte Art intentionaler Handlung beschrieben und definiert (vgl. 1,4). (Fs)
67a Nun schenken sich Eheleute gegenseitig in der Liebesvereinigung, auch ganz unabhängig davon, ob Fortpflanzung aktuell intendiert wird oder nicht. Der Grund dafür ist: Jeder Sexualverkehr - sogar wenn eine Absicht, ein Kind zu zeugen, der unmittelbare und explizite Grund dafür ist, daß man ihn vollziehen will - ist aufgrund seiner Natur ein Akt der liebenden Vereinigung leib-geistiger Personen. Fortpflanzung wird hier bewirkt gerade durch die gegenseitige liebende Selbsthingabe der Ehegatten in der Ganzheit ihrer leib-geistigen Einheit; die Entstehung neuen Lebens ist, falls sie eintritt, einfach deren natürliche Folge. Und deshalb gerade ist auch jeder prokreative Akt ein Ausdruck der Liebeseinheit: Menschliches Leben entspringt der Liebe zwischen Mann und Frau. Falls - ein eher extremer Fall - Sexualverkehr ohne irgendwelche gegenseitige Liebe vollzogen würde (z.B. ausschließlich, um ein Kind zu "machen"), dann wäre diese Handlung tiefgreifend verunstaltet. (Fs)
67b Wenn auf der anderen Seite Eheleute in bekannterweise unfruchtbaren Zeiten miteinander sexuell verkehren, dann ist der Sinngehalt oder das "Objekt" dieser Handlung ebenfalls wieder derselbe: Liebesvereinigung, gegenseitige Selbsthingabe der Ehegatten. Falls aus physiologischen Gründen eine Zeugung nicht oder sogar nie möglich ist und dies sogar vorauszusehen war, so würde der objektive Sinn dessen, was die Eheleute tun, davon nicht im geringsten betroffen sein. Der Grund dafür ist: Was sie intentional tun (was sie "wählen"), ist nichts anderes, als einen Akt der leiblichen Liebesvereinigung zu vollziehen, der an sich ("per se"), d.h. aufgrund seiner Natur ein auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordneter Akt ist. Die Handlung, die sie vollziehen, gehört zum Handlungstyp generativer Akte1 (und nicht z.B. zum Typ von Akten der Selbsterhaltung oder Ernährung). Selbst wenn dieser Akt keine prokreative Funktion besitzt (weil er unfruchtbar ist), so behält er dennoch seinen objektiven prokreativen Sinngehalt. Wenn dieser Akt, aufgrund natürlicher, außer aller Intention liegender Ursachen prokreativ unwirksam ist, so ändert dies überhaupt nichts daran, was man intentional tut (was man zu tun wählt), so lange man nichts tut (wählt), um Fortpflanzung zu verhindern. Menschliche Akte werden spezifiziert durch das Objekt des Willens des Handelnden, und nicht durch Naturgegebenheiten, die gar nicht menschlicher Wahlfreiheit unterstehen. Die beiden Sinngehalte des ehelichen Aktes sind demnach zwei voneinander untrennbare Aspekte eines einzigen Handlungsobjekte2. (Fs)
68a Folglich ist es trotz des Wissens um die gegenwärtige Unfruchtbarkeit eines ehelichen Aktes möglich, daß ein solcher Akt liebender Vereinigung, als intentionale Handlung betrachtet, dennoch objektiv ein prokreativer Akt ist, d.h. eine menschliche Handlung jener Art (Spezies) von Handlungen, die aufgrund ihres Wesens ("per se") auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet sind. Somit ist also das Objekt des ehelichen Aktes weder mit "Fortpflanzung" noch mit "Ausdrücken gegenseitiger Liebe" richtig benannt. Wir sollten dieses Objekt umschreiben mit "leibliche Liebesvereinigung" oder "gegenseitige Selbsthingabe in der Ganzheit des eigenen leib-geistigen Seins", indem wir allerdings berücksichtigen, daß "leibliche Liebesvereinigung" verstanden werden muß als Vollendung ehelicher Liebe, die nun offensichtlich sowohl die intentionale Offenheit hinsichtlich der Aufgabe der Weitergabe menschlichen Lebens einschließt (dies aufgrund der Natur menschlicher Leiblichkeit und dem wesentlichen sexuellen Charakter der Ehe) wie auch Mitarbeit mit Gottes schöpferischer Liebe (weil menschliche Fortpflanzung in Gottes schöpferische Liebe eingebunden ist)1. (Fs) ____________________________
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