Datenbank/Lektüre


Autor: Coreth, Emerich

Buch: Metaphysik

Titel: Metaphysik

Stichwort: Thomistische Seinslehre - Suarez, Einwand 2: Verwischung der Grenze zwischen Endlichem und Unendlichem (heimlicher Pantheismus); Sein onto-logisch verstanden

Kurzinhalt: Sein: Man darf es nicht 'ontisch' als Seiendes denken, man muß es vor-ontisch, nämlich 'onto-logisch', als den inneren Grund des Seienden denken

Textausschnitt: 50/3 Ein weiterer, kaum minder ernster Einwand aus suarezianischer Sicht ist dieser: Was endlich ist, das ist und bleibt endlich; es wird nie unendlich. Und was unendlich ist, das ist und bleibt unendlich; es wird nie endlich. Das Sein ist entweder endlich oder unendlich. Ist es endlich, dann ist es nicht und wird es nie unendlich. Ist es aber unendlich, dann ist es nicht und wird es nie endlich. In der thomistischen Seinslehre wird - so sagt der Einwand - die Grenze zwischen Endlichem und Unendlichem verwischt, wenn nicht aufgehoben; sie ist, wie manche befürchten, ein heimlicher Pantheismus, da das Sein an sich - als Sein unendlich ist und so das Endliche im Unendlichen aufhebt. (191; Fs) (notabene)

51/3 Wenn es aber endliches Seiendes gibt, so ist es wesenhaft endlich und sein Sein ist wesenhaft endlich. Ist das Sein aber wesenhaft unendlich - als Prinzip schlechthin unbegrenzten Seinsgehalts -, so bleibt es unendlich und kann niemals verendlicht werden, auch nicht durch ein anderes Prinzip der Beschränkung, erst recht nicht durch ein von ihm selbst real verschiedenes Prinzip der Beschränkung, wie es für den Thomismus das Wesen ist; gerade als real verschieden vom Sein kann es das Sein nicht innerlich und wesentlich verändern, auch nicht verendlichen. (191; Fs)


52/3 Auf diesen Einwand ist - erstens - zu sagen, daß die Endlichkeit des Seienden durchaus festgehalten und nicht aufgehoben wird. Wenn es aber endlich ist, so ist auch sein Sein endliches Sein und sein Seinsgehalt endlicher Seinsgehalt. Das heißt: Der Seinsakt des endlichen Seienden ist ein endlicher Seinsakt, der endlichen Seinsgehalt setzt; sonst gäbe es kein endliches Seiendes. Aber - und das ist hier gemeint - endlich ist das Sein nicht als Sein, sondern als Sein des endlichen Seienden, d. h. es ist endlich, nicht weil und insofern es überhaupt Sein ist, sondern weil und insofern es Sein dieses endlichen Seienden ist. Wenn alles Seiende 'ist', wenn also alles Seiende im Sein übereinkommt, so ist das Sein nicht nur Sein dieses endlichen Seienden, sondern Sein alles Seienden schlechthin; insofern ist es Prinzip schlechthin unbegrenzten Seinsgehalts, das aber jeweils im endlichen Seienden, dessen Wesen gemäß, endlichen Seinsgehalt setzt. (191f; Fs) (notabene)

53/3 Wäre das Sein nichts anderes und nicht mehr als das Sein jeweils dieses Seienden, so könnte es nur dieses Seiende als Seiendes geben, jede reale, aber auch jede begriffliche Gemeinsamkeit von Seienden im Sein wäre ausgeschlossen. Das Sein ist also, wenn es auch 'hic er nunc' Sein dieses endlichen Seienden ist, als reines Prinzip der Grund reinen, vom Sein her unbegrenzten Seinsgehalts; es ist als Prinzip Sein alles Seienden und alles wirklichen und möglichen Seinsgehalts von Seiendem. (192; Fs)

54/3 Dies ist nur einzusehen, wenn - zweitens - bedacht wird, daß das Sein des Seienden selbst kein Seiendes, erst recht kein Ding ist. Man darf es nicht 'ontisch' als Seiendes denken, man muß es vor-ontisch, nämlich 'onto-logisch', als den inneren Grund des Seienden denken, durch den Seiendes als Seiendes konstituiert ist. Es liegt dem Seienden voraus: nicht in ontischer Priorität, als ob es vor der Konstitution des Seienden (tempore prius) schon in sich selbst als Seiendes bestünde, sondern in ontologischer Priorität, insofern der Grund dem Begründeren nicht zeitlich, sondern seinsmäßig (natura prius) vorgeordnet ist. (192; Fs) (notabene)

55/3 Das Sein aber als das Prinzip des Seienden als solchen ist selbst weder endlich noch unendlich, sondern ist das Prinzip jeglichen als seiend setzbaren Seinsgehalts. Insofern dem als seiend setzbaren Seinsgehalt durch das Sein selbst keine Grenze gesetzt wird, ist dieses das Prinzip reinen, schlechthin unbegrenzten, aber nicht unbegrenzbaren Seinsgehalts. Ist es faktisch begrenzt im endlichen Seienden, so verlangt es ein vom Sein verschiedenes Prinzip zur ontologischen Erklärung der Begrenzung als solcher. (192; Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt