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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: teleologische Ethik; Schwierigkeit der Begründung einer Handlung als sittlich; Ausweg: naturalistischer Fehlschluß; Utilitarismus; gute Gesinnung (Liebesethik)

Kurzinhalt: Die Rekonstruktion des Begriffes der sittlichen Handlung im Rahmen der sogenannten "teleologischen Ethik" kann nicht gelingen, weil diese Ethik auf einer physizistischen Theorie des Handlungsobjektes gründet.

Textausschnitt: 301d Die sogenannte teleologische Ethik ist weder "teleologischer" noch weniger "deontologisch" als die sogenannte "deontologische Ethik". Ja, die sogenannte "teleologische Ethik" ist in einem gewissen Sinne, auf der Ebene der Begründung sittlicher Werte, sogar ausschließlich deontologisch; teleologisch argumentiert sie nur auf der Ebene der Handlungsanalyse ("Richtigkeit von Handlungen"), die aber keine Analyse menschlicher Sittlichkeit ist, sondern eine Analyse der Folgen menschlichen Handelns auf der Ebene vor-sittlicher Güter. Durch die Trennung, das Auseinanderreißen von Handlungsanalyse und Wertanalyse, fällt der Begriff der menschlichen Handlung auf die Ebene einer vor-sittlichen, physizistischen Bestimmung zurück (Bereich der vor-sittlichen Güter); die Sittlichkeit von Handlungen muß im Nachhinein rekonstruiert werden, und zwar durch Wertmaßstäbe, die der Güterabwägung angelegt werden. Diese Wertmaßstäbe können dann nur noch ausschließlich deontologisch begründet werden. (Fs) (notabene)

302a Daß dies der Fall ist, soll kurz gezeigt werden. Gezeigt werden soll aber auch, daß diese Rekonstruktion des Begriffes der sittlichen Handlung durch die an deontologisch begründeten Wertmaßstäben bemessene Güterabwägung ein Ding der Unmöglichkeit ist und daß deshalb einem teleologischen Ethiker, will er eine konkrete Handlungsweise als die nun sittlich geforderte, also sittlich richtige, ausweisen, allein übrig bleibt entweder 1. mit einem naturalistischen Fehlschluß zu operieren, oder 2. utilitaristisch zu argumentieren, oder 3. das sittlich Gute überhaupt nur noch in die "gute Gesinnung" zu verlegen, und zwar einer Gesinnung, die unabhängig davon gut ist, "was" man nun tut, wenn man nur verantwortlich, d. h. güterabwägend, zu seiner Entscheidung gekommen ist. Handlungen haben dann nur noch Ausdrucks- oder Zeichenfunktion für die sittliche Gesinnung, eine Lösung, die sich natürlich vor allem bei jenen findet, die eine teleologische Ethik mit einer christlichen Glaubens-, Liebes- und Hoffnungsmoral oder mit einem sogenannten "Ethos der Nachfolge" verbinden. In allen Fällen kann man eine, offenbar für alle diese Varianten wesentliche Aussage aufrechterhalten: Es gibt keine menschlichen Handlungen, denen eine malitia intrinseca zukommt, d. h.: es kann von keiner Handlungsweise gesagt werden, sie sei in sich und immer sittlich schlecht. Wenn auch nicht jedes Handeln prinzipiell indifferent oder gut ist, so ist doch prinzipiell jedes Handeln sittlich möglich und vertretbar, unter der Bedingung, daß man glaubt, liebt, hofft und zudem die vom Handeln tangierten "Güter" einer Abwägung unterzieht. (Fs) (notabene)

302b Die Rekonstruktion des Begriffes der sittlichen Handlung aufgrund deontologisch begründeter, und teleologischer Güterabwägung als Maßstab und Kriterium angelegter Wertmaßstäbe könne nicht geleistet werden: So lautet die zu erläuternde These, die identisch ist mit der Aussage: Es gibt zwischen der physizistischen Betrachtung von Handlungen (in ihrem genus naturae) und ihrer sittlichen Betrachtung (im genus moris) keine unmittelbare Ableitbarkeit. Sittliche Werte und " vorsittliche " Güter sind zwei gegenseitig nicht aufeinander zurückführbare Größen. "Fines autem morales accidunt rei naturali; et e converso ratio naturalis finis accidit morali."1 Will man einer Handlungsweise das Prädikat "sittlich" zusprechen, so muß man über eine Theorie verfügen, die es erlaubt, den axiologischen, sittlichen Wert-Gehalt von Handlungsweisen als menschliche (personale) Handlungen zu erfaßen; d. h.: man muß wie Thomas von Aquin, in aristotelischer Tradition, einen moralischen Begriff des Handlungsobjektes (obiectum morale) kennen, im Gegensatz zu den nur natural-"physischen" Gegenstandsbezügen des menschlichen Handelns. Die These ist also: Die Rekonstruktion des Begriffes der sittlichen Handlung im Rahmen der sogenannten "teleologischen Ethik" kann nicht gelingen, weil diese Ethik auf einer physizistischen Theorie des Handlungsobjektes gründet. (Fs)

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