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Autor: Ratzinger, Josef

Buch: Einführung in das Christentum

Titel: Einführung in das Christentum

Stichwort: Himmel, Hölle; Himmelfahrt - Höllenfahrt; Auferstehung; Dreistöckigkeit der Welt - metaphysische Realität;

Kurzinhalt: Hölle, Existieren in der endgültigen Verweigerung des »Seins-für«; Hölle ist das Nur-selbst-sein-Wollen; Der »Himmel« ist vom Wesen her das nicht Selbstgemachte

Textausschnitt: 293a Die Rede von der Himmelfahrt bedeutet unserer von Bultmann kritisch erweckten Generation zusammen mit derjenigen vom Höllenabstieg den Ausdruck jenes dreistöckigen Weltbildes, das wir mythisch nennen und für definitiv überwunden ansehen. Die Welt ist »oben« und »unten« überall nur Welt, überall von denselben physikalischen Gesetzen regiert, überall grundsätzlich auf dieselbe Art erforschbar. Sie hat keine Stockwerke, und die Begriffe »oben« und »unten« sind relativ, abhängig vom Standort des Beobachters. Ja, da es keinen absoluten Bezugspunkt gibt (und die Erde ganz gewiss keinen solchen darstellt), kann man im Grund überhaupt nicht mehr von »oben« und »unten« - oder auch von »links« und »rechts« sprechen; der Kosmos weist keine festen Richtungen mehr auf. (Fs)

293b Niemand wird heute im Ernst mehr solche Einsichten bestreiten wollen. Eine örtlich verstandene Dreistöckigkeit der Welt gibt es nicht mehr. Aber ist sie denn eigentlich gemeint gewesen in den Glaubensaussagen von Höllenabstieg und Himmelfahrt des Herrn? Sicher hat sie das Vorstellungsmaterial dafür geliefert, aber das sachlich Entscheidende war sie ebenso sicher nicht. Die beiden Sätze drücken vielmehr, zusammen mit dem Bekenntnis zum geschichtlichen Jesus, die Gesamtdimension des menschlichen Daseins aus, das zwar nicht drei kosmische Stockwerke, wohl aber drei metaphysische Dimensionen umspannt. Insofern ist es umgekehrt konsequent, dass die augenblicklich sich modern dünkende Einstellung nicht nur Himmelfahrt und Höllenabstieg, sondern auch den geschichtlichen Jesus beiseite räumt, das heißt alle drei Dimensionen des menschlichen Daseins; was übrig bleibt, kann nur noch ein verschieden drapiertes Gespenst sein, auf das nicht zufällig niemand mehr ernstlich bauen will. (Fs) (notabene)

294a Was aber sagen denn unsere drei Dimensionen wirklich? Wir haben uns bereits früher klargemacht, dass die Höllenfahrt nicht eigentlich auf eine äußere Tiefe des Kosmos verweist; diese ist völlig entbehrlich für sie: In dem grundlegenden Text, dem Gebet des Gekreuzigten zu dem Gott, der ihn verlassen hat, fehlt jede kosmische Anspielung. Unser Satz lenkt unseren Blick vielmehr hin auf die Tiefe der menschlichen Existenz, die in den Todesgrund, in die Zone der unberührbaren Einsamkeit und der verweigerten Liebe hinabreicht und damit die Dimension der Hölle umschließt, sie als Möglichkeit ihrer selbst in sich trägt. Hölle, Existieren in der endgültigen Verweigerung des »Seins-für«, ist nicht eine kosmographische Bestimmtheit, sondern eine Dimension der menschlichen Natur, ihr Abgrund, in den sie hinunterreicht. Mehr denn je wissen wir heute, dass eines jeden Existenz diese Tiefe berührt; da die Menschheit im Letzten »ein Mensch« ist, geht diese Tiefe freilich nicht nur den Einzelnen an, sondern betrifft den einen Körper des Menschengeschlechtes insgesamt, das diese Tiefe daher als Ganzes mitaustragen muss. Von hier aus ist noch einmal zu verstehen, dass Christus, der »neue Adam«, diese Tiefe mitzutragen unternommen hat und nicht in erhabener Unberührtheit von ihr getrennt bleiben wollte; umgekehrt ist freilich jetzt erst die totale Verweigerung in ihrer vollen Abgründigkeit möglich geworden. (Fs)

295a Die Himmelfahrt Christi hinwiederum verweist auf das andere Ende der nach oben und unten unendlich über sich selbst ausgestreckten menschlichen Existenz. Als Gegenpol zur radikalen Vereinsamung, zur Unberührbarkeit der verweigerten Liebe, trägt diese Existenz die Möglichkeit der Berührung mit allen anderen Menschen in der Berührung mit der göttlichen Liebe in sich, sodass das Menschsein gleichsam seinen geometrischen Ort im Innern des Selbstseins Gottes finden kann. Freilich sind die beiden Möglichkeiten des Menschen, die so in den Worten Himmel und Hölle vor den Blick kommen, von je völlig anderer Art, auf ganz unterschiedliche Weise Möglichkeiten des Menschen. Die Tiefe, die wir Hölle nennen, kann nur der Mensch sich selber geben. Ja, wir müssen es schärfer ausdrücken: Sie besteht förmlich darin, dass er nichts empfangen und gänzlich autark sein will. Sie ist der Ausdruck der Verschließung ins bloß Eigene. Das Wesen dieser Tiefe besteht demnach eben darin, dass der Mensch nicht empfangen will, dass er nichts nehmen, sondern nur gänzlich auf sich selbst stehen, sich selbst genügen möchte. Wenn diese Haltung letzte Radikalität gewinnt, dann ist er der Unberührbare, der Einsame, der Verweigerte geworden. Hölle ist das Nur-selbst-sein-Wollen, das, was wird, wenn der Mensch sich ins Eigene versperrt. Umgekehrt ist es das Wesen jenes Oben, das wir Himmel genannt haben, dass es nur empfangen werden kann, so wie man sich die Hölle nur selbst zu geben vermag. Der »Himmel« ist vom Wesen her das nicht Selbstgemachte und Selbstmachbare; in der Sprache der Schule hatte man gesagt, er sei als Gnade ein »donum indebitum et superadditum naturae« (ein un-geschuldet der Natur dreingegebenes Geschenk). Der Himmel kann als erfüllte Liebe dem Menschen immer nur geschenkt werden; seine Hölle aber ist die Einsamkeit dessen, der das nicht annehmen will, der den Bettlerstatus verweigert und sich auf sich selbst zurückzieht. (Fs) (notabene)

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