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Autor: Ratzinger, Josef

Buch: Einführung in das Christentum

Titel: Einführung in das Christentum

Stichwort: Auferstehung; Paradox der Liebe; Unsterblichkeit im anderen; Zusammenhang: Sünde - Tod; Teilhard de Chardin

Kurzinhalt: Liebe fordert Unendlichkeit, Unzerstörbarkeit, ja sie ist gleichsam ein Schrei nach Unendlichkeit. Damit aber besteht zusammen, dass dieser ihr Schrei unerfüllbar ist, ...; ... was allein Unsterblichkeit zu schaffen vermag: Das Sein im anderen,

Textausschnitt: 4. »Auferstanden von den Toten«

284a Das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu Christi ist für den Christen der Ausdruck der Gewissheit, dass das Wort wahr ist, das nur ein schöner Traum zu sein scheint: »Stark wie der Tod ist die Liebe« (Hl 8,6). Im Alten Testament steht dieser Satz im Rahmen einer Lobpreisung der Macht des Eros. Aber das bedeutet keineswegs, dass wir ihn einfach als eine hymnische Übertreibung beiseite tun können. In dem grenzenlosen Anspruch des Eros, in seinen scheinbaren Übertreibungen und Maßlosigkeiten kommt in Wirklichkeit ein Grundproblem, ja das Grundproblem der menschlichen Existenz zur Sprache, insofern das Wesen und die innere Paradoxie der Liebe darin sichtbar werden: Liebe fordert Unendlichkeit, Unzerstörbarkeit, ja sie ist gleichsam ein Schrei nach Unendlichkeit. Damit aber besteht zusammen, dass dieser ihr Schrei unerfüllbar ist, dass sie Unendlichkeit verlangt, aber nicht geben kann; dass sie Ewigkeit beansprucht, aber in Wahrheit in die Todeswelt, in ihre Einsamkeit und in ihre Zerstörungsmacht einbezogen ist. Von hier aus erst kann man verstehen, was »Auferstehung« bedeutet. Sie ist das Stärkersein der Liebe gegenüber dem Tod. (Fs)

284b Zugleich ist sie der Erweis dafür, was allein Unsterblichkeit zu schaffen vermag: Das Sein im anderen, der noch steht, wenn ich zerfallen bin. Der Mensch ist jenes Wesen, das selbst nicht ewig lebt, sondern notwendig dem Tod anheimgegeben ist. Weiterleben kann für ihn, da er in sich selbst nicht Bestand hat, rein menschlich gesprochen doch nur dadurch möglich werden, dass er in einem anderen fortbesteht. Die Aussagen der Schrift über den Zusammenhang von Sünde und Tod sind von hier aus zu begreifen. Denn nun wird klar, dass der Versuch des Menschen, »wie Gott zu sein«, sein Streben nach Autarkie, durch das er nur in sich selber stehen will, seinen Tod bedeutet, denn er selbst steht nun einmal nicht. Wenn der Mensch - was das eigentliche Wesen der Sünde ist - in Verkennung seiner Grenzen dennoch nur ganz aus sich, völlig »autark« sein will, liefert er sich gerade dadurch dem Tode aus. (Fs) (notabene)

285a Natürlich begreift der Mensch dann doch, dass sein Leben allein nicht standhält und dass er so anstreben muss, in anderen zu sein, um durch sie und in ihnen im Land der Lebendigen zu bleiben. Zwei Wege sind vor allem versucht worden. Zunächst das Fortleben in den eigenen Kindern: Von daher kommt es, dass Ehelosigkeit und Kinderlosigkeit bei Naturvölkern als der furchtbarste Ruch gilt; sie bedeuten hoffnungslosen Untergang, endgültigen Tod. Umgekehrt bietet die größtmögliche Kinderzahl zugleich die größtmögliche Chance des Überlebens, Hoffnung auf Unsterblichkeit und so den eigentlichen Segen, den der Mensch erhoffen kann. Ein anderer Weg tut sich auf, wenn der Mensch entdeckt, dass er in seinen Kindern doch nur sehr uneigentlich fortbesteht; er wünscht, dass mehr von ihm selbst bleibe. So flieht er in die Idee des Ruhms, der wirklich ihn selbst unsterblich machen soll, wenn er im Gedächtnis der anderen alle Zeiten hindurch weiterlebt. Aber auch dieser zweite Versuch des Menschen, sich Unsterblichkeit durch das Sein-im-anderen selber zu verschaffen, scheitert nicht weniger als der erste: Was bleibt, ist nicht das Selbst, sondern nur sein Echo, ein Schatten. Und so ist die selbstgeschaffene Unsterblichkeit wirklich nur ein Hades, eine Scheol: mehr Nichtsein als Sein. Das Ungenügen beider Wege gründet darin, dass der andere, der in ein Sein nach meinem Tode festhält, gar nicht dieses Sein selbst, sondern eben nur seinen Nachhall zu tragen vermag; es gründet noch mehr darin, dass auch der andere selbst, dem ich meinen Fortbestand gleichsam anvertraut habe, nicht stehen wird - auch er zerfällt. (Fs) (notabene)

286a Das führt uns zum nächsten Schritt. Wir haben bisher gesehen, dass der Mensch für sich selbst keinen Bestand hat und folglich nur im anderen stehen kann, dass er aber im andern immer nur schattenhaft ist und wieder nicht endgültig, weil auch er zerfällt. Wenn es so ist, dann könnte nur einer wahrhaft Halt geben: derjenige, der »ist«, der nicht wird und vergeht, sondern mitten im Werden und im Vorübergang bleibt: der Gott der Lebendigen, der nicht nur den Schatten und das Echo meines Seins hält, dessen Gedanken nicht bloße Nachbilder des Wirklichen sind. Ich selbst bin sein Gedanke, der gleichsam ursprünglicher mich selber setzt, als ich in mir bin; sein Gedanke ist nicht der nachträgliche Schatten, sondern die Ursprungskraft meines Seins. In ihm kann ich nicht nur als Schatten stehen, sondern in ihm bin ich in Wahrheit näher bei mir, als wenn ich bloß bei mir zu sein versuche. (Fs) (notabene)

286b Bevor wir von hier aus zur Auferstehung zurückkehren, versuchen wir das Gleiche nochmal von einer etwas anderen Seite her zu sehen. Wir können dazu wiederum beim Wort von Liebe und Tod anknüpfen und sagen: Nur wo für jemanden der Wert der Liebe über dem Wert des Lebens steht, das heißt, nur wo jemand bereit ist, das Leben zurückzustellen hinter der Liebe und um der Liebe willen, nur da kann sie auch stärker und mehr sein als der Tod. Damit sie mehr werden kann als der Tod, muss sie zuerst mehr sein als das bloße Leben. Wo sie das aber dann nicht bloß dem Wollen, sondern der Wirklichkeit nach zu sein vermöchte, da würde das zugleich heißen, dass die Macht der Liebe sich über die bloße Macht des Biologischen erhoben und sie in ihren Dienst genommen hätte. In der Terminologie von Teilhard de Chardin gesprochen: Wo das stattfände, da wäre die entscheidende »Komplexität« und Komplexion geschehen; da wäre auch der Bios umgriffen und einbegriffen von der Macht der Liebe. Da würde sie seine Grenze - den Tod - überschreiten und Einheit schaffen, wo er trennt. Wenn die Kraft der Liebe zum andern irgendwo so stark wäre, dass sie nicht nur dessen Gedächtnis, den Schatten seines Ich, sondern ihn selbst lebendig zu halten vermöchte, dann wäre eine neue Stufe des Lebens erreicht, die den Raum der biologischen Evolutionen und Mutationen hinter sich ließe und den Sprung auf eine ganz andere Ebene bedeuten würde, in der Liebe nicht mehr unter dem Bios stünde, sondern sich seiner bediente. Eine solche letzte »Mutations«- und »Evolutions«stufe wäre dann selbst keine biologische Stufe mehr, sondern würde den Ausbruch aus der Alleinherrschaft des Bios bedeuten, die zugleich Todesherrschaft ist; sie würde jenen Raum eröffnen, den die griechische Bibel »Zoe« nennt, das heißt endgültiges Leben, welches das Regiment des Todes hinter sich gelassen hat. Die letzte Stufe der Evolution, deren die Welt bedarf, um an ihr Ziel zu kommen, würde dann nicht mehr innerhalb des Biologischen geleistet, sondern vom Geist, von der Freiheit, von der Liebe. Sie wäre nicht mehr Evolution, sondern Entscheidung und Geschenk in einem. (Fs) (notabene)

287a Aber was hat das alles mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu zu tun? Nun, wir hatten bisher die Frage der möglichen Unsterblichkeit des Menschen von zwei Seiten her bedacht, die sich freilich jetzt als Aspekte ein und desselben Sachverhalts erweisen. Wir hatten gesagt, da der Mensch in sich selbst keinen Bestand hat, könne sein Weiterleben nur dadurch zustande kommen, dass er in einem anderen fortlebt. Und wir hatten, von diesem »anderen« her, gesagt, nur die Liebe, die den Geliebten in sich selbst, ins Eigene aufnimmt, könne dieses Sein im andern ermöglichen. Diese beiden sich ergänzenden Aspekte spiegeln sich, wie mir scheint, wider in den zwei neutestamentlichen Aussageformen für die Auferstehung des Herrn: »Jesus ist auferstanden« und »Gott (der Vater) hat Jesus auferweckt«. Beide Formeln treffen sich in der Tatsache, dass die totale Liebe Jesu zu den Menschen, die ihn ans Kreuz führt, sich in der totalen Überschreitung auf den Vater hin vollendet und darin stärker wird als der Tod, weil sie darin zugleich totales Gehaltensein von ihm ist. (Fs) (notabene)

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