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Autor: Kauffmann, Clemens

Buch: Leo Strauss zur Einführung

Titel: Leo Strauss zur Einführung

Stichwort: Sokrates der platonischen Dialoge; Politeia - Nomoi; Grenzen des Politischen im Transpolitischen - 3 Möglichkeiten: Philosophie, Offenbarung, Liberalismus

Kurzinhalt: Platoniker intendieren die philosophische Wahrheit. »Sokrates« ist mithin eine Art Chiffre...; drei Möglichkeiten, die wesentliche Beschränkung des Politischen zu verstehen...

Textausschnitt: 180a Die dritte wichtige »Quelle« zu Sokrates sind die Dialoge Platons. Sie sind Zeugnisse eminent politischer Philosophie und unterscheiden sich dadurch von den sokratischen Schriften Xenophons, die mitunter auch einen historisch geprägten Zugang zum Problem des Sokrates suchen. Wenn man von Aristophanes', Xenophons oder Platons »Sokrates« spricht, darf man dahinter nur in sehr zurückgenommener Weise den »historischen Sokrates« vermuten. Platoniker intendieren die philosophische Wahrheit. »Sokrates« ist mithin eine Art Chiffre, ein Siegel, das für etwas steht. »Sokrates« bezeichnet »das Problem des Sokrates«, das politische Problem der Philosophie und der Wissenschaft. Die Gegenüberstellung von Aristophanes und Xenophon dient in erster Linie der Konfrontation des »vorsokratischen« mit dem »sokratischen« Sokrates, oder anders gesagt, einer unpolitischen mit einer politischen Präsentation der klassischen Philosophie. Platons Dialoge gehen darüber hinaus. Insbesondere seine Schrift über den Staat, die Politeia, ist eine philosophische »Exposition der ratio rerum civilium, des wesentlichen Charakters der politischen Dinge, wie Cicero weise gesagt hat«. Die Politeia ist nach Strauss mithin das gerade nicht, wofür sie lehrbuchhaft gehalten wird, nämlich der Entwurf eines idealen Staates. Einen Entwurf des besten Staates liefert nach Strauss demgegenüber die Schrift über die Gesetze, die Nomoi, einen Entwurf jedenfalls des bestmöglichen Staates für Menschen. Insofern sind die Nomoi das politischste Werk Platons, während die Politeia das Hauptwerk der politischen Philosophie ist. Was bedeutet es, wenn man die Politeia als »Exposition der ratio rerum civilium« bezeichnet und nicht als einen Idealstaatsentwurf? Strauss zufolge geht es Platon darum, die wesentliche Beschränkung des Politischen aufzuzeigen. Die Grenzen des Politischen liegen im Transpolitischen, in demjenigen, was das Politische zur Voraussetzung hat und zugleich im Hinblick auf die Frage nach dem richtigen Leben überschreitet. Strauss sieht drei Möglichkeiten, die wesentliche Beschränkung des Politischen zu verstehen, gemäß der klassischen politischen Philosophie, gemäß der offenbarten Religion und gemäß der modernen politischen Philosophie oder des Liberalismus. (Fs) (notabene)

»Nach Sokrates ist das Transpolitische, dem das Politische seine Würde verdankt, Philosophie oder theoria, welche jedoch nur dem zugänglich ist, was er gute Naturen nennt, menschlichen Wesen, die eine bestimmte natürliche Ausstattung besitzen. Nach der Lehre der Offenbarung ist das Transpolitische durch Glauben zugänglich, welcher nicht von spezifischen natürlichen Voraussetzungen abhängt, sondern von göttlicher Gnade oder Gottes freier Wahl. Nach dem Liberalismus besteht das Transpolitische in etwas, welches jedes menschliche Wesen so gut wie jedes andere menschliche Wesen besitzt. Der klassische Ausdruck liberalen Denkens ist die Ansicht, daß die politische Gesellschaft vor allem zum Schutz der Rechte des Menschen besteht, der Rechte, welche jedes menschliche Wesen ohne Rücksicht auf seine natürlichen Gaben wie auf seine Leistung besitzt, um von göttlicher Gnade gar nicht zu reden.«

181a Diese scheinbar beiläufig eingestreute Bemerkung verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Sie formuliert nicht drei gleichwertige Möglichkeiten, das Transpolitische aufzufassen, sondern drei unterschiedliche Positionen beziehungsweise Negationen des Politischen selbst in Verbindung mit drei Auffassungen von der menschlichen Natur. Dabei vermag der politische Liberalismus oder die moderne politische Philosophie das Politische nur als eine Funktion des Subpolitischen zu verstehen, insofern das Konstrukt der politischen Gesellschaft in erster Linie die Aufgäbe hat, die vorpolitische Gleichheit der Menschen im Hinblick auf ihre »natürlichen« (Uberlebens-)Ansprüche durchzusetzen und zu sichern. Das Politische ist hier insofern sekundär, als es nur in einem instrumentellen Sinne, als »vernünftige« Konsequenz eines polemisch konstruierten Naturzustandes entwickelt wird. (Fs)


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