Autor: Rhonheimer, Martin Buch: Natur als Grundlage der Moral Titel: Natur als Grundlage der Moral Stichwort: spoudaios; Objektivität, sittliche Kurzinhalt: Der Tugendhafte ist die existentielle und operative Verkörperung des Naturgesetzes und nur im Kontext der sittlichen Tugend gibt es "sittliche Objektivität" als die unumstößliche Wahrheit der Subjektivität Textausschnitt: 143a Auch wenn noch gezeigt werden soll, daß der Begriff einer "theonomen Autonomie", wie er heute in der Moraltheologie verwendet wird, anthropomorphen Vorstellungen entspringt, so kann man doch, in aristotelischer Tradition, gerade im Zusammenhang der sittlichen Tugend von einer rechtverstandenen Autonomie des Menschen sprechen. Denn in der natürlichen Vernunft als Partizipation der "lex aeterna" besitzt der Mensch tatsächlich ein Prinzip zwar nicht "theonomer Autonomie", sondern vielmehr "partizipierter Autonomie" oder "partizipierter Theonomie" -, da ja "lex naturalis" und "lex aeterna" nicht zwei verschiedene Gesetze sind. Der Mensch ist fähig, sich selbst durch Erkennen und Wollen des Guten und das "dominium" über seine Akte ("personale Autonomie") zum Guten hinzulenken. Er ist nicht nur ein tätiges, sondern ein handelndes Wesen. Die natürliche Vernunft ist jedoch nur Prinzip, Befähigung und Anlage zu solcher Autonomie im Vollsinne. Autonom im Vollsinne des Wortes ist nur der Tugendhafte, der aristotelische "spoudaios", der sich selbst Maßstab und Regel ist1; und zwar, weil ihm nämlich immer nur das als gut erscheint, was auch wahrhaft gut ist. Der Tugendhafte ist die existentielle und operative Verkörperung des Naturgesetzes und nur im Kontext der sittlichen Tugend gibt es "sittliche Objektivität" als die unumstößliche Wahrheit der Subjektivität. Von tugendhaften Menschen sagt Thomas bekanntlich "ipsi sibi sunt lex".2 In dieser Autonomie und Freiheit - Selbstdeterminierung auf das Gute hin - der Tugendhaften besteht "der höchste Grad menschlicher Würde, weil solche nämlich nicht von anderen, sondern durch sich selbst zum Guten geführt werden".3 Maß und Regel in den menschlichen Dingen ist deshalb die im "ordo rationis" ruhende sittliche Tugend4, die ja selbst ein Werk der natürlichen Vernunft ist, wie auch jener Vernunft, die, als Klugheit, ihr entspringt. (Fs) (notabene) ____________________________ |