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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: Humanae vitae; Kontrazeption; Strukturprinzipien des "actus humanus"; Alternative: nicht "natürlich"-"künstlich", sondern: "willentlich" - "künstlich"

Kurzinhalt: Es geht also grundsätzlich überhaupt nicht um die Differenz zwischen zwei Arten von Unfruchtbarkeit (natürliche und künstliche), sondern vielmehr um zwei verschiedene Weisen des Verhältnisses des menschlichen Willens zur Unfruchtbarkeit und näherhin

Textausschnitt: Fußnote zu 118b:
8 Es sei wiederholt (vgl. oben Kap. 2.7.3): Damit ist nicht gemeint, daß der eheliche Akt zwei untrennbar zusammengehörige "Objekte" besitzt: Fortpflanzung und Ausdruck der Liebe. Vielmehr muß man sich vergegenwärtigen, daß der Akt selbst einer "naturalis inclinatio ad coniunctionem maris et feminae" entspringt. Diese ist, integriert in das Suppositum und in seiner vollmenschlichen Bedeutung, gerade "eheliche Liebe", deren Objekt wir nun suchen. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist bei der Frage nach dem Objekt bereits vorausgesetzt, und wir fragen nun danach, was diese Liebe spezifiziert. Das spezifizierende Objekt ist eben der Akt der Weitergabe menschlichen Lebens. Und dies gerade deshalb, weil die Weitergabe menschlichen Lebens der Liebe entspringen muß, um der Würde des menschlichen Lebens zu entsprechen (ich habe diesen Gedanken näher ausgeführt in: Sozialphilosophie und Familie. Zur humanen Grundfunktion der Familie, a. a. O., S. 129ff.). Die Liebe kommt dabei nicht zu kurz; sie ist aber nicht Objekt, sondern grundlegender. Sie ist jene Liebe, deren Objekt wir suchen, wenn wir nach dem Objekt des ehelichen Aktes fragen. Genau deshalb sind Fortpflanzung und liebende Vereinigung untrennbar verbunden. Das Argument gilt ebenso für die Befruchtung "in vitro": Ebensowenig wie Liebe zwischen Mann und Frau von der Aufgabe der Weitergabe des Lebens getrennt werden kann, kann die Weitergabe des menschlichen Lebens von der Liebe zwischen Mann und Frau gelöst werden.
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118c Der Schlüssel zur Begründung liegt jedoch, wie mir scheint, im Begriff der verantwortlichen Elternschaft. Man hat immer wieder versucht, deren Wahrnehmung auf ein "Methodenproblem" zu beschränken, d. h.: viele Moraltheologen erblicken in der natürlichen und der künstlichen Geburtenregelung lediglich einen Unterschied in der "Methode", keine Kinder zu bekommen. Diese Fehlhaltung ist letztlich Folge einer naturalistischen Betrachtung der menschlichen Fortpflanzung. Demgegenüber ist folgende Präzisierung angebracht: Die Beschränkung der Kinderzahl muß, damit man von verantwortlicher Elternschaft sprechen kann, selbst einem Akt der Tugend der Keuschheit entspringen d. h. einer Regelung der natürlichen Neigung durch Vernunft und Willen, und kann nicht durch Akte vollzogen werden, durch die die Tugend der Keuschheit hinsichtlich der verantwortlichen Wahrnehmung der Elternschaft überflüssig wird. Oder anders gesagt: Ein Akt verantwortlicher Wahrnehmung von Elternschaft muß immer den Strukturprinzipien des "actus humanus" entsprechen. Damit besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Verantwortung und willentlicher Wahrnehmung dieser Verantwortung, sodaß durch künstlich-sterilisierende Eingriffe die Struktur des ehelichen Aktes als "actus humanus" selbst zerstört wird. (Fs) (notabene)

119a Deshalb ist festzuhalten: Es geht erstens nicht darum zu begründen, künstliche Eingriffe in die natürliche Ordnung seien an sich schon sittlich verwerflich. Zweitens soll nicht gesagt werden, der eheliche Akt sei bei Voraussicht seiner Unfruchtbarkeit sittlich schlecht; eine solche Behauptung müßte vielmehr bestritten werden. Drittens steht auch nicht zur Debatte - und das wird oft übersehen ­, ob ein moralischer Unterschied zwischen künstlich provozierter und der durch natürlich-biologische Gesetze verursachten Unfruchtbarkeit besteht. Dieser Unterschied ist nämlich in sich betrachtet moralisch belanglos, wie man am Beispiel therapeutischer Sterilisierung, (bei der der sterilisierende Effekt zwar direkt verursacht wird, aber nicht aus Gründen der Empfängnisverhütung, also nur indirekt, gewollt ist), oder beim Fall der Gefahr voraussichtlicher Vergewaltigung sehen kann. Es geht also grundsätzlich überhaupt nicht um die Differenz zwischen zwei Arten von Unfruchtbarkeit (natürliche und künstliche), sondern vielmehr um zwei verschiedene Weisen des Verhältnisses des menschlichen Willens zur Unfruchtbarkeit und näherhin: um zwei Weisen der »Kontrolle« über die Folgen der Fruchtbarkeit. (Fs)

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