Autor: Tresmontant, Claude Buch: Paulus Titel: Paulus Stichwort: Der Plan der Schöpfung; der Mensch als Mit-Schöpfer; natürliche - übernatürliche Ordnung Kurzinhalt: Übergang von der Naturordnung zur Ordnung einer Teilhaberschaft am Leben Gottes Textausschnitt: DER PLAN DER SCHÖPFUNG
44b Worin bestehen also Plan und Ökonomie des Gotteswerkes? (Fs)
Die Welt wurde durch das Gotteswort und in ihm erschaffen. Im Glauben erkennen wir die Erschaffung der Welten durch Gottes Wort dergestalt, daß aus nicht Sinnfälligem das Sichtbare geworden ist (Hebr. 11,3). Der Glaube ist eine durch den Heiligen Geist verliehene, übernatürliche Einsicht, die bis zum Ursprung des Seins geht, und dieser Ursprung ist nicht sichtbar, er ist verborgen: er besteht im Gotteswort. Dieses Wort ist personhaft: Auf vielfältige und mannigfaltige Weise hat Gott von alters her zu den Vätern geredet durch die Propheten, am Ende dieser Tage hat er zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben des Alls, durch den er auch die Welten gemacht hat (Hebr. 1,1). Christus ist Ursprung und Ziel der ganzen Schöpfung. Er ist das Alpha und das Omega, der erste und der letzte, der Keim und das Haupt des Gotteswerkes. Von Ihm geht alles aus, durch Ihn ist alles erschaffen, nach Ihm richtet sich alles, in Ihm vollendet sich alles und findet seine Erfüllung. «Von Ur an war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Dies war von Ur an bei Gott. Alles ist durch dieses geworden und ohne dies war auch nicht eins, was geworden ist. In Ihm war Leben, -und das Leben war das Licht der Menschen...» (Joh. 1,1) (Fs)
44c Rückblickend wissen wir jetzt einiges über die Geschichte der Schöpfung seit ihren Ursprüngen. Wir vermögen bis zu einem gewissen Grade ihren Sinn, ihre Ausrichtung, ihre Intention zu erkennen. Wir wissen durch unsere positive Forschung, daß die Schöpfung zuerst Entstehung der Materie, Aufbau der physischen Welt, Kosmogenese gewesen ist, und daß sich danach als ihre zweite Etappe die Erfindung des Lebens, die Blüte der Tiergattungen angeschlossen und eine ganz bestimmte Richtung eingeschlagen hat: der Lebensbaum entwickelt sich im Laufe der Zeiten auf immer beweglichere, freiere und bewußtere Lebensformen hin. (Fs)
45a Der Mensch erscheint am Ende dieser kosmischen und biologischen Geschichte. Und die Geschichte des Menschen löst die Geschichte der biologischen Evolution ab, so wie diese die Geschichte der Kosmogenese abgelöst hatte. (Fs)
45b Doch mit dem Menschen ist das Werk der Schöpfung noch nicht vollendet. Diese verläßt nunmehr die Ebene der einsamen Gottesschöpfung und geht zu einer Schöpfungsweise über, die sich in Vereinigung mit einem geschaffenen Wesen vollzieht, das zum Mit-Schöpfer wird. Der Mensch ist nicht nur erschaffen, sondern er arbeitet an seiner eigenen Genese mit, er muß in seine Vervollkommnung einwilligen. Er ist dazu berufen und aufgefordert, zu einem Gotte zu werden, der am Leben Gottes teilzuhaben vermag: «Ich sagte: wohl seid ihr Götter. Ihr seid alle Söhne des Höchsten!» 82,6) - eine Verkündigung, die Christus seinerseits wieder aufnimmt: «Steht nicht geschrieben in eurem Gesetze: Ich habe gesagt: Götter seid ihr?[...] und die Schrift kann nicht aufgelöst werden.» (Joh. 10, 26) (Fs)
47a Von dem Augenblick an, da der Mensch aufgerufen wird, an seinem eigenen übernatürlichen Schicksal mitzuwirken, überschreitet das Schöpfungswerk eine entscheidende «Schwelle». Es geht von der «Naturordnung» zur Ordnung einer Teilhaberschaft am Leben Gottes, d. h. zu einer «übernatürlichen» Ordnung über. Gott vermählt sich seiner Schöpfung in Gestalt Israels, seines vielgeliebten Volkes. Gott vereinigt sich in Freiheit mit dem Wesen, das er erschaffen hat und das freiwillig diese Vereinigung hinnimmt. Letztlich besteht in dieser persönlichen Vereinigung der Sinn der Schöpfung. (Fs) (notabene)
47b Der Mensch in seinem gegenwärtigen Zustand ist nicht vollendet. Er ist nicht nur in biologischer, psychologischer, sozialer Hinsicht unfertig, sondern dadurch in einer weit grundlegenderen Weise unvollkommen, daß er seinen endgültigen Daseinszustand noch nicht erreicht hat: die Fülle seiner Berufung, in die er einwilligen muß, um Gott, seinem Schöpfer, ähnlich zu werden und an Seinem Leben teilzuhaben: «Gott sagte: lasset uns den Menschen machen zu unserem Bild und Gleichnis.» (Gen. 1, 26) Wir brauchen nur um uns zu blicken, um zu erkennen, daß die Menschheit noch weit davon entfernt ist, Bild und Gleichnis Gottes zu werden. (Fs)
47c Mit der Bildung einer Menschennatur, die zum Bilde und Gleichnis Gottes geworden ist, mit der Erschaffung des Gottesvolkes beginnt eine letzte Etappe der Gottesschöpfung, eine andere und übernatürliche Geschichte: die Heilsgeschichte. Von der Genese der kosmischen Materie und der Erschaffung der Milchstraßen bis zur Bildung des Gottesvolkes entfaltet sich das schöpferische Wirken Gottes in einer einzigen Absicht; freilich vollzieht es sich nach bestimmten Etappen und Plänen, die von einer natürlichen zu einer übernatürlichen Ordnung fortschreiten, ist aber auf ein einziges Ziel gerichtet: die Teilhabe des erschaffenen Seins am Leben des Schöpfers, die Teilhabe in Christus durch den Heiligen Geist. Das Ziel der Schöpfung ist die Vereinigung, das heißt die Liebe. Wenn man den heiligen Paulus verstehen will, muß man von dieser kosmischen Perspektive ausgehen. (Fs) ____________________________
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