Autor: Rahner, Karl Buch: Schriften zur Theologie IV Titel: ZUR THEOLOGIE DES SYMBOLS Stichwort: 1. Satz: Grundprinzip einer Ontologie des Symbols: das Seiende ist von sich selbst her notwendig symbolisch Kurzinhalt: 1. Grundsatz einer Ontologie des Symbols Textausschnitt: 1. Der erste Satz, den wir als Grundprinzip einer Ontologie des Symbols aufstellen, lautet: das Seiende ist von sich selbst her notwendig symbolisch, weil es sich notwendig "ausdrückt", um sein eigenes Wesen zu finden. (Fs) (notabene)
278b Wir wären schon bei bloß abkünftigen Weisen des Symbolseins, würden wir davon ausgehen, daß zwei Wirklichkeiten, die je für sich in ihrer Washeit als schon bestehend und je in sich verständlich vorausgesetzt werden, durch irgend etwas an ihnen "übereinkommen" und diese "Übereinkunft" die Möglichkeit gebe, daß jedes von ihnen (und natürlich vor allem das uns bekanntere [bekanntere] und näherliegendere) auf das andere hinweise, auf es aufmerksam machen könne, eben als - Übereinkunft, als Symbol für das andere von uns verwendet werde, und sich Symbole somit nur mehr noch abwandeln (und so unterscheidbar sein können) durch den Grad und die genauere Weise dieser nachträglichen Übereinkunft der beiden Wirklichkeiten. Dieser Ansatz für ein Symbolverständnis würde (da schließlich jedes mit jedem irgendeine Übereinkunft hat) keine Möglichkeit haben, wirklich echte Symbole ("Realsymbol") von bloß arbiträr festgelegten "Zeichen", "Signalen" und "Chiffren" ("Vertretungssymbol") zu unterscheiden. Es könnte alles von allem Symbol sein, die Richtung von Symbol zum Symbolisierten könnte auch umgekehrt verlaufen oder wäre nur vom zufälligen und dem Sachverhalt selbst äußerlichen Blickpunkt eines menschlichen Betrachters bestimmt (dem gerade das eine näherliegt als das andere). Solche abkünftige, sekundäre Fälle des Symbolischen gibt es natürlich auch, so daß nicht immer leicht anzugeben ist, wo auf Grund des Überwiegens der bloß zeichenhaften Verweisungsfunktion vor der eigentlichen "Ausdrucksfunktion" ein Symbol sein "Plus an Bedeutung" (Fr. Th. Vischer) verliert und zum symbolarmen Zeichen herabsinkt. Die Übergänge sind hier fließend. (Man bedenke nur, daß unsere Zahlen einmal religiös-sakralen Charakter hatten). Es ist sogar vielfach so, daß in einem mehr kunstgeschichtlichen und ästhetischen Sprachgebrauch "Symbol" einen sehr abgeleiteten Fall des Symbolischen darstellt, so daß in dieser Terminologie beispielsweise das Symbol (z. B. ein Anker, ein Fisch usw.) einen niedrigeren Grad des Symbolischen bedeutet als z. B. ein Kultbild. Auf alle diese Dinge soll hier nicht weiter eingegangen werden. Wir stellen uns nur die Aufgabe, die höchste und ursprünglichste Weise der Repräsentanz einer Wirklichkeit für eine andere zu suchen (in einer zunächst rein formal-ontologischen Überlegung) und nennen auch diese höchste und ursprünglichste Repräsentanz, in der eine Wirklichkeit eine andere (primär "für sich" und dann erst für andere) gegenwärtig macht, "da-sein" läßt, Symbol. (Fs)
279a Um einen ursprünglichen Begriff des Symbols zu erreichen, müssen wir davon ausgehen, daß ein Seiendes (d. h. jedes) in sich plural1 ist und in dieser Einheit des Pluralen - eines2 in dieser Pluralität wesentlich Ausdruck eines anderen in dieser pluralen Einheit ist oder sein kann3. Der erste Teil des Satzes ist für eine Ontologie des Endlichen selbstverständlich. Das Endliche hat als ein solches schon darin das Stigma des Endlichen, daß es nicht absolut "einfach" ist, vielmehr innerlich plural, innerhalb der bleibenden und umfassenden Einheit seiner Wirklichkeit (als Wesen und Dasein) nicht einfach in einer toten, in sich selbst hineinstürzenden Identität einerleihaft dasselbe ist, sondern eine wirkliche Pluralität von sich her hat, die nicht bloß eine gedanklich unterscheidende Teilung ist, die der Wirklichkeit selbst äußerlich wäre und so nur der begrenzten Erkenntniskraft des äußeren und endlichen Beschauers entspränge, der die absolut einfache Fülle des Seienden nur sich selbst in mehreres auseinanderlegte (falls dies unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch denkbar wäre). (Fs)
280a Damit ist aber nun doch wieder nicht gesagt, daß die innere Pluralität und Unterschiedenheit immer nur Stigma der Endlichkeit eines Seienden sein müßte. Wir wissen vielmehr aus dem Geheimnis der Trinität (wir treiben theologische Ontologie, die unbefangen auch Daten der Offenbarung heranziehen darf), daß es in der höchsten Einfachheit Gottes doch eine wahre und reale (wenn auch "nur" relative) Unterschiedenheit der "Personen" gibt und somit, wenigstens in diesem Sinn, eine Pluralität. Wenn wir nun noch weiter bedenken, daß (entsprechend einer Theologie4 der "Spuren" und "Abbilder" der innertrinitarischen Pluralität) durchaus daran gedacht werden kann, daß der Pluralismus im geschöpflich Endlichen nicht nur Folge und Anzeichen der Endlichkeit (als bloß negativer Qualifizierung), sondern auch Folge jener göttlichen Pluralität ist (wenn auch nicht als solche natürlich erkennbar), die nicht Unvollkommenheit und Seinsschwäche und -grenze besagt, sondern höchste Fülle der Einheit und gesammelten Kraft eines Seienden, dann dürfen wir unbefangen, wenn auch mit Vorsicht, den Satz: Das Seiende ist in sich plural, als allgemeinen Satz ohne Einschränkung formulieren. Wir brauchen ihn (mit den gemachten Voraussetzungen) gar nicht bloß als einen Satz der Ontologie des Endlichen als solchen aufzufassen, sondern können in ihm auch noch dort, wo er sich in eine Pluralität des Endlichen als solchen hinein verdeutlicht, lesen als einen Satz, der sogar die Pluralität des Endlichen noch versteht als einen (wenn auch sich erst in der Offenbarung enthüllenden) Hinweis auf eine Pluralität, die mehr ist als eine ununterscheidbare Identität und Einfachheit, wie wir sie von uns aus dächten, würden nicht auch unsere sublimsten ontologischen Ideale nochmals gerichtet werden durch die Selbstoffenbarung des auch über diese unsere Ideale nochmals unendlich erhabenen Gottes, der durch diese Überbietung unserer nur asymptotisch erreichbaren metaphysischen Ideale uns und unserer Endlichkeit dann wieder plötzlich merkwürdig (d. h. wunderbar und geheimnisvoll) nahekommt. Es bleibt also dabei: ein Seiendes in sich (noch ganz unabhängig von einer Vergleichung mit schlechthin anderem) ist in seiner Einheit plural. (Fs)
281a Diese pluralen Momente aber, in der Einheit eines Seienden, die wegen der Einheit des Seienden eine innere Übereinkunft unter sich haben müssen (so sehr diese Pluralität der Momente des Seienden gerade durch die Verschiedenheit dieser Momente unter sich konstituiert sein muß), können aber diese Übereinkunft [Übereinkunft] nicht haben als gewissermaßen einfach nebeneinanderliegende Momente, die gleichursprünglich da sind. Denn dies liefe auf eine Leugnung der Einheit dieses Seienden hinaus; die Einheit wäre die nachträgliche Zusammenfügung von Getrennten und zunächst einmal nur in sich selbst Ruhenden. Es wäre der tiefe Grundsatz bei Thomas verraten: non enim plura secundum se uniuntur. Eine Pluralität in einer ursprünglichen und als ursprünglich übergeordneten Einheit kann nur so begriffen werden, daß das Eine sich entfaltet, das Plurale also aus einem ursprünglichst "Einen" in einem Entsprungs- und Abfolgeverhältnis herkommt, die ursprünglichste Einheit, die auch die das Plurale einende Einheit bildet, sich selbst behaltend in eine Vielheit sich entläßt und "ent-schließt", um dadurch gerade sich selbst zu finden. Der Blick auf die Trinität zeigt, daß dieses so begriffene "Eine" von Einheit und Pluralität ein letztes ontologisches Datum ist, das nicht auf eine abstrakte, bloß scheinbar "höhere" Einheit und Einfachheit reduziert, nicht in eine leere und tote Identität zurückgeführt werden darf. Es wäre eine theologische Häresie und muß darum auch ein ontologischer Nonsens sein, zu meinen, Gott wäre eigentlich noch "einfacher" und darum noch vollkommener, wenn in ihm auch die Unterschiedenheit realer Art der Personen nicht existierte. Es gibt also eine Unterschiedenheit, die an sich eine "perfectio pura" ist und die schon im ersten Ansatz eines theologischen Seinsverständnisses mitgedacht werden muß. Sie ist nichts Vorläufiges, sondern etwas absolut Letztes, eine Letztheit der sich mitteilenden Einheit als solcher selbst, durch die diese Einheit selbst konstitutiert und nicht gewissermaßen wider ihren Sinn halb zurückgenommen wird. Das Seiende als solches und somit als eines (das "ens" als "unum") geht zur Vollendung5 seines Seins und seiner Einheit in eine Pluralität aus (deren höchste Weise die Dreieinheit ist). Das zur Vollendung des Einen und seiner Einheit aus ihm selbst unterschieden Gesetzte kommt seinem Wesen, d. h. seiner am und im anderen gewonnenen Herkunft nach, von dieser ursprünglichsten Einheit her und hat darum mit ihr eine ursprünglichere und gründigere "Übereinkunft" als alle abkünftig effektiv-kausale usw. Damit ist aber gesagt: dem Seienden als dem Einen kommt eine (Vollkommenheit bedeutende) Pluralität zu, die durch Herkünftigkeit (eigener Art) des Pluralen aus der ursprünglichsten Einheit gebildet wird, so daß das Plurale eine ursprunghafte Übereinkunft mit seinem Entsprang hat und darum "Ausdruck" des Ursprungs in herkünftiger Übereinkunft ist. Da dies vom Seienden überhaupt gilt, können wir sagen: jedes Seiende bildet (natürlich je in seiner Weise, also vollkommener oder unvollkommener, dem Grad seiner Seinsmächtigkeit entsprechend) "zu" seiner eigenen Vollendung das von ihm Unterschiedene und doch mit ihm Eine (wobei die Einheit und Verschiedenheit korrelate, im selben Maße wachsende, nicht sich gegenseitig bis zur widersprüchlichen Ausschließlichkeit herabmindernde Größen sind), und dieses Unterschiedene und doch ursprünglich Eine ist als Herkünftiges ein Übereinkommendes und als herkünftig Übereinkommendes ein Ausdrückendes. Daß das herkünftig Übereinkommende und so mit dem Ursprung Eine und doch von ihm Verschiedene als "Ausdruck" des Ursprungs und der ursprünglichsten Einheit gedacht werden muß, bedarf noch einer weiteren Erklärung. Die Übereinkunft des innerhalb der Einheit als verschieden Gesetzten mit seinem Ursprung (wegen seiner Herkunft) ist in einem gewissen Sinn schon die Konstitution des Herkommenden als eines Ausdrucks. Denn es besteht eine Übereinkunft, die sich aus der Herkunft erklärt. Wir können daher von der Frage absehen, ob eine solche Herkunft immer formell als Setzung der Übereinkunft als solcher (und so formell) immer als Ausdruck zu denken ist. Wir können es ruhig einer spezielleren Ontologie (regionaler Art) als Frage anheimstellen, ob und wann und warum dies in bestimmten Fällen gerade so zu denken ist. Wir werden später solchen Fällen im theologischen (zweiten) Anblick der Sache noch begegnen. Aber schon jetzt können wir, von dieser Frage absehend, sagen: zu jedem Seienden als solchen gehört eine Pluralität als inneres Moment seiner bedeutungserfüllten Einheit; diese Pluralität ist eine durch Herkunft aus einer ursprünglichen Einheit als deren Vollendung (oder: wegen deren Vollendetheit) sich konstituierende derart, daß das als unterschieden Gesetzte eine Übereinkunft und somit (mindestens in einem spezifikativen, wenn nicht schon immer reduplikativen Sinn) den Charakter des Ausdrucks oder "Symbols" gegenüber seinem Ursprung hat. Damit ist aber auch schon unser erster Satz im ganzen erreicht: das Seiende ist an sich selbst symbolisch, weil es sich notwendig " ausdrückt". Dieser Satz ist von dem eben Gesagten her noch etwas zu klären und dann in seiner Anwendbarkeit auf bekannte Sachverhalte aufzuzeigen. (Fs) (notabene)
284a Das Seiende drückt sich aus, weil es durch eine Pluralität in Einheit sich vollziehen muß, wobei diese Pluralität oft und in vieler Hinsicht Indiz der Endlichkeit und der Seinsschwäche ist, aber auch durchaus eine Positivität sein kann und davon mindestens eine "Spur" auch in derjenigen Pluralität übrigbleibt, die formell mit der Endlichkeit eines Seienden gegeben ist. Der Pluralität setzende Selbstvollzug eines Seienden, der zu seiner Vollkommenheit führt oder (unter Umständen auch eher) eine mit der Vollkommenheit dieses Seienden gegebene Wirklichkeit ist, ist aber das, was die Bedingung der Möglichkeit des wissenden und liebenden Selbstbesitzes ist. In tantum est ens cognoscens et cognitum, in quantum est ens actu. Dieser Satz gilt natürlich auch umgekehrt: der Grad der "reditio completa in seipsum" ist die Anzeige des Grades der Seiendheit. Das Beisichselbersein ist nur ein anderes Wort für die Aktualität, also für den inneren Selbstvollzug des Seienden. Daraus aber ergibt sich: im Ausdruck, in der herkünftigen Übereinkunft des als anderes Gesetzten und doch in der Einheit als deren Vollendung Behaltenen kommt ein Seiendes zu sich, da der Vollzug in Pluralität hinein und das Beisichselbersein nicht einfach disparat in einem Seienden nebeneinanderliegende Größen sein können, wenn anders das (wissende und liebende) Beisichsein nicht irgendeine, sondern die Inhaltlichkeit dessen ist, was wir mit Sein (und somit mit dessen Selbstvollzug) bezeichnen. Und in dem Maße es sich in dieser Pluralität setzenden Weise vollzieht, kommt es so zu sich6. Das aber bedeutet: das Seiende ist (in dem Maße es Sein hat und vollzieht) zunächst einmal sich selbst "symbolisch". Es drückt sich aus und hat darin sich selber. Es gibt sich in das andere von sich weg und findet darin wissend und liebend sich selber, weil es in dem Setzen des inneren "Anderen" zu (oder: aus) seiner Selbstvollendung kommt, die die Voraussetzung oder der Akt der wissenden und liebenden Sichselbstgegebenheit ist. (Fs)
285a Das Symbol ist also nicht nur nicht ursprünglich anzusetzen als ein nachträgliches Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Seienden, zwischen denen eine Verweisfunktion durch ein drittes oder durch einen eine gewisse Übereinkunft feststellenden Beobachter gestiftet wird; das Symbolische ist nicht nur in dem Sinn eine innere Eigentümlichkeit eines Seienden in sich, als dieses, um zu seinem eigenen Seinsvollzug zu kommen, das in der Einheit behaltene andere von sich setzt und dieses eine Übereinkunft mit der entspringenlassenden ursprünglichen Einheit hat und so deren Ausdruck ist. Das Seiende ist vielmehr in sich selbst auch darum "symbolisch", als der übereinkommende Ausdruck, den es behaltend als das andere setzt, die Weise ist, in der es sich selbst zu sich in Erkenntnis und Liebe vermittelt ist. Durch "Ausdruck" kommt das Seiende zu sich selbst, soweit es überhaupt zu sich selbst kommt. Der Ausdruck, also das "Symbol" (so verstanden, wie sich das Wort jetzt durch die vorausgehenden Überlegungen ergeben hat), ist die Weise der Selbsterkenntnis, der Selbstfindung überhaupt. (Fs) (notabene) ____________________________
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