Autor: Finance de Joseph Buch: Grundlegung der Ethik Titel: Grundlegung der Ethik Stichwort: Motiv - auf der Seite des Objekts (Objektivität); Lust - auf d. Seite des Subjekts (Wirkursache) Kurzinhalt: Begehren: gerechtfertigt, wenn die Vernunft es dadurch anerkennen kann, daß sie sich in ihm wiedererkennt; Kind lügt: um xy (Zweck) oder weil xy (Furcht) Textausschnitt: 20. Ob man das Motiv als einen Wert auffaßt, den das erstrebte Objekt einnimmt (ich wähle dieses Foto wegen seines künstlerischen Charakters), oder als einen Zweck, der dem Handeln Richtung gibt (dieses Kind hat gelogen, um nicht bestraft zu werden), so steht es doch immer auf der Seite des Objekts. Selbst dann, wenn der Wille offenbar nichts anderes anzielt als eine gewisse subjektive Stimmung, ist dieser subjektive Zustand nur unter der Bedingung Motiv, daß er objektiviert wird. Gerade darin unterscheidet sich das Motiv von den Antrieben, die ihrerseits zwar ebenfalls als Erklärungen für das Handeln dienen, jedoch auf und von der Seite des Subjekts und eher nach Art der Wirkursachen. Dieses Kind hat gelogen, weil es bestraft zu werden fürchtete: die Furcht ist der subjektive Beweggrund (Antrieb); sie wirkt wie eine von hinten drängende Kraft und vermöge ihrer seelischen Realität, während das Motiv durch seinen Sinn wirkt . Wie sein Name schon sagt, bewegt das Motiv also, setzt in Bewegung, während der Antrieb bewegt wird oder vielmehr zugleich bewegend ist und bewegt wird - so wie die Wirkursache, deren Kausalität durch den Zweck ausgelöst wird. Wie diese Bewegkraft des Motivs zu verstehen sei, werden wir weiter unten untersuchen. (58; Fs) (notabene)
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20b Die Objektivität des Motivs wirft eine Frage auf. Wir sahen ja, daß die Objektivität auch dem sittlich wertvollen Guten zukommt, während das Lustbringende sich wesenhaft auf das Subjekt bezieht. Ist daraus nicht zu schließen, daß entweder nur das sittlich Wertvolle die Bezeichnung Motiv voll und ganz verdient oder das Lustbringende nur dadurch sittlich wertvoll wird, daß es vergeistigt und objektiviert wird? Das folgt keineswegs daraus. Der Bezug zum Subjekt, den das Lustbringende einschließt, kann noch so sehr objektiviert werden, er ändert darum seinen Charakter nicht. Meine Lust und die Fähigkeit des Objekts, sie mir zu verschaffen, werden nicht schon allein dadurch vernunftgemäß, daß ich sie mir bewußt mache. Und selbst wenn sie vernunftgemäß wären (im Fall eines erlaubten Vergnügens), bedeutete doch ein Abzielen auf sie, vermöge eines ausdrücklichen Aktes (anstatt eines instinktiven Sich-dazu-treiben-Lassens), noch lange nicht, daß man sie als vernunftgemäße anzielt. Die sittliche Rechtschaffenheit geht also nicht immer mit der klaren Einsicht einher. Im Gegenteil: je mehr einer das Böse durchschaut, desto mehr läßt er es in sich ein, wird er von ihm durchdrungen. Wir meinen hier jene Art Klarsicht, die untrennbar zur Freiheit gehört (siehe weiter unter 112). Die Sünde des Engels wurde in voller Klarheit begangen. Und ebenso: wenn der Mensch sein Wohlsein und seine Lust nicht mehr mit der naiven, halbtierischen Spontaneität des Instinkts oder der Leidenschaft, sondern methodisch, berechnend, wissenschaftlich sucht, wird seine Suche dadurch nicht automatisch tugendhaft. Wird die Lust gesucht, wo sie nicht gesucht werden dürfte, dann verschlimmert die raffinierte Findigkeit nur noch die Lasterhaftigkeit: man sündigt wider den Geist, wenn man ihn zu Zwecken mißbraucht, die seiner unwürdig sind. (59f; Fs)
20c Allerdings muß man einräumen, daß in dergleichen Fällen die Objektivierung, die Rationalisierung der Handlung zwangsläufig unvollkommen bleiben. Zwar ist etwas erhellt worden, womöglich sogar hochgradig: nämlich das Verhältnis des Aktes und des Objekts zum Begehren und zur Lust. Das Begehren selbst aber, das Vorwärtsdrängen auf die Lust zu sind nicht rational gerechtfertigt worden: es liegt da nur etwas rein Faktisches vor. Wäre es möglich, auf die Frage: "Warum hast du so gehandelt?" eine durch und durch rationale Antwort zu geben, dann wäre der sittliche Wert der Handlung sogleich erwiesen. Man hat aber noch lange nicht eine rationale Antwort gegeben, wenn man bloß die gesamte Reihe der Wirkursachen des Begehrens auseinanderlegt oder im einzelnen aufzählt oder den im Unterbewußten verborgenen Determinismus ans Licht hebt. Damit wiese man ja nur wieder eine faktische und als solche irrationale Notwendigkeit auf. Das Begehren ist erst dann wirklich gerechtfertigt, wenn die Vernunft es dadurch anerkennen kann, daß sie sich in ihm wiedererkennt. All das wird aber erst richtig klarwerden, wenn wir eingehender vom sittlichen Wert handeln. Das kann jedoch erst viel später geschehen. (60; Fs) (notabene)
20d Selbstverständlich verstehen wir unter Begehren hier nicht nur die unklaren Strebungen der Sinnlichkeit. Auch in der Sünde des Geistes steckt ein Mangel an Objektivierung. Wenn man Gefallen findet am zwar echten, aber von seiner Natur her doch nur anteilhaften Guten, ohne es auf das Höchste Gut zu beziehen, und wenn man seine Wahl nicht an den Forderungen der absoluten Vernunft und des Seins, sondern an den Ansprüchen eines in sich verschlossenen, in sich zentrierten Ichs mißt, dann heißt das für den reinen Verstand: in seine Tätigkeit das Inintelligible und also das Unobjektivierbare, das moralisch Absurde einführen, dessen Absurdität um so deutlicher aufbricht, je mehr das Bewußtsein sie mit seinem Licht erhellt. (60; Fs) (notabene) ____________________________
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