Autor: Finance de Joseph Buch: Grundlegung der Ethik Titel: Grundlegung der Ethik Stichwort: Unterschied: Begehren - Wollen; Wollen schließt Gewissheit ein; Büßer - Wollen Kurzinhalt: Im Wollen wird die Verwirklichung des Objekts intentional als von gerade diesem Anzielen abhängig angezielt, was beim Begehren keineswegs der Fall ist Textausschnitt: 15. Aber der Mensch stellt sich sein Werk nicht nur vor, sondern nimmt es sich vor, zielt es an und will es. Seine Vorstellung bleibt nicht nur theoretisch, hat ihr Bewenden nicht bei jenem innerlichen, immateriellen Sein, welches gerade der Erkenntnisakt ist, so, wie wenn wir es dabei bewenden lassen, die untadelige Folgerichtigkeit oder Eleganz einer Beweisführung zu genießen, uns jener Art von Frieden zu erfreuen, den die Gewißheit unsrer Übereinstimmung mit dem Sein hervorbringt. Die Vorstellung bezieht sich auf ihr Objekt nicht nur wie auf etwas, das erkannt ist, noch auch - hier wäre allerdings ein Unterschied zu machen - wie auf etwas, das erkannt werden soll, sondern wie auf etwas, das im Sein zu setzen ist. Das Objekt west nicht nur im Geist an, sondern ist gegenwärtig als ein auf seine Verwirklichung hin ausgerichtetes: es ruft sie gleichsam herbei, erhebt Anspruch darauf. Die Intentionalität des Wollens zielt auf das Dasein ab, und zwar nicht als auf ein gegebenes, sondern auf ein zu gebendes, zielt auf die aktive Realisierung des Objekts ab (oder auf die Realisierung seines Besitzes, sofern es sich um ein schon vorhandenes Objekt handelt). (47f; Fs) (notabene)
15a Bis dahin unterscheidet sich das Wollen nicht vom Begehren; denn auch dem Begehren zeigt sich das Objekt durch eine besondere Verweisung affiziert, die es auf das Dasein hin ausrichtet - zumindest auf das Dasein als aktuale Ergänzung des Subjekts (als realer, konkreter Besitz). Man begehrt ein Mögliches nicht als solches, sondern wünscht, daß ein Mögliches daseiend werde. Da liegt aber gerade der Unterschied. Im Wollen wird die Verwirklichung des Objekts intentional als von gerade diesem Anzielen abhängig angezielt, was beim Begehren keineswegs der Fall ist. Das Begehren erwartet zwar die Verwirklichung, öffnet sich ihr, schafft ihr Raum, leidet, wenn es merkt, daß sie sich verzögert; es drückt einen Mangel, eine Gleichgewichtsstörung aus, macht vorwegnehmend das Existieren des Subjekts abhängig von der Realisierung des Objekts: Daß ein ganz belangloses Begehren nicht erfüllt wird, reicht bisweilen hin, den Eindruck aufkommen zu lassen, daß das Leben nicht mehr lebenswert sei. Dadurch ist das Begehren freilich ein machtvoller Motor der natürlichen Energien, gleichwohl setzt es, obzwar es eine ideale oder imaginative Bewegung auf das Objekt hin einbegreift, seiner intentionalen Struktur nach keinerlei daseinsmäßige Abhängigkeit des Objekts von ihm voraus. Ich kann, wie ich genau weiß, das begehren, was nicht in meiner Macht steht: mir z. B. wünschen, nicht zu sterben, die verlorene Zeit wiederzufinden usw. Doch sofern ich mir darüber im klaren bin, bin ich außerstande, solches wirklich zu wollen . (48f; Fs)
15b Das Wollen dagegen, sagten wir, intendiert das Objekt als in seiner Verwirklichung (oder Erringung) von gerade dieser Intention abhängiges. Selbstverständlich ist diese Abhängigkeit keine unmittelbare. Der Wille in uns ist wirksam nur vermöge der organischen Energien und einer mehr oder weniger langen Kette vermittelnder Wirkfaktoren, deren Wirkung sich in der Zeit staffelt und dadurch dem Subjekt die Möglichkeit läßt - vorausgesetzt, daß sich diese Wirkfaktoren überhaupt fügsam zu den Plänen des Subjekts hergeben -, sich umzubesinnen, den Prozeß zu stoppen oder umzustellen. Besagte Abhängigkeit ist eine mittelbare und darum zweifach bedingte: das gewollte Objekt - Ding, Ereignis, Situation - verwirklicht sich zwangsläufig, falls das Subjekt bei seinem Entschluß beharrt und falls es ihm nicht an Ausführungsmitteln gebricht. Innerhalb dieser Grenzen aber ist die Abhängigkeit unauf-hebbar. Es gibt kein redliches Wollen, das nicht eine Gewißheit einschlösse. Zwar ist sich auch der zerknirschteste Büßer nie sicher, ob er nicht doch wieder rückfällig wird, und aus Erfahrung wird er sich vielleicht kaum etwas über seine Charakterstärke vormachen; doch wie dem auch sei, seine Reue muß, wenn sie echt sein soll, die feste Überzeugung einschließen: wenn ich mein jetziges Wollen beizubehalten vermöchte, würde ich nie mehr rückfällig werden. Solange der Reumütige sich innerhalb des Horizonts seines derzeitigen Entwurfs hält, kann er sich die Möglichkeit eines Rückfalls gar nicht vorstellen. Kann er sie sich dennoch vorstellen, dann nur, weil dieser Entwurf nicht völlig mit ihm selbst identisch ist, dieser Horizont nicht alle seine möglichen Horizonte umgreift. Es wäre übrigens gefährlich für ihn, wenn er das außer acht ließe. (49; Fs) ____________________________
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