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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Die sittliche Weltordnung

Titel: Die sittliche Weltordnung

Stichwort: voluntarium, electio, liberum arbitrium; Moralität - abhängig von: Inhalt, Zweck, Umstand

Kurzinhalt: Beispiel: Kirchenraub zum Zweck von Almosen; der gute Zweck rechtfertigt nicht die schlechte Handlung; Balance zwischen materialer und formaler Ethik

Textausschnitt: 2/E4 Thomas bestimmt sie im Unterschied gegen die allen Seelwesen gemeinsamen Tätigkeiten als die aus überlegtem Willen (ex voluntate deliberata) entspringenden. Dabei wird der Wille, wie bereits gesagt, als intellektives Strebevermögen gefaßt. Das kommt in den tragenden Begriffen der Handlungslehre, deren verwickelte historische Vergangenheit (Aristoteles, Stoa, Augustin, Boethius) auch in der Anwendung bei Thomas noch durchschlägt, zum deutlichen Ausdruck. Das Freiwillentliche (voluntarium) bedeutet ihm nicht nur einen Willensakt überhaupt, vielmehr auch im besondern eine Willenswirke, die so in unserer Gewalt steht, daß sie ausgeführt wie unterlassen werden kann, wobei denn auch die Unterlassung das Merkmal der Freiwillentlichkeit annimmt . Die freie Wahl (electio), die Entscheidung, ist in sich selbst ein Willensakt, aber folgend einer Überlegung der Vernunft, deren Vorrecht es ist, dem Wollen mit dem freien Urteil (liberum arbitrium) voranzugehen, mit ihrem Lichte erst die Dinge so beleuchtend, daß sie dem Willen als Dinge von diesem Sosein und diesem Wert oder Unwert erscheinen können. So gründet die Freiheit schließlich in der Vernunft, die nun ihrerseits, wie sich zeigen wird, als weisende und gebietende wiederum die Forderungen einer höheren Instanz anmeldet. (66; Fs)
3/E4 Die Moralitat einer Handlung liegt in ihrem Verhältnis zur sittlichen Ordnung, deren innermenschliches Organ die praktische Vernunft ist. Bei der Bestimmung dieses Verhältnisses zur gesollten Vollkommenheit der Handlung ist dreierlei maßgebend, der Gegenstand oder Inhalt, der Zweck oder die Intention und die Umstände. An einem Beispiel, wie "Fremdgut von heiligem Ort nehmen, um Almosen zu geben", läßt sich die thomistische Analyse der Handlung faßlich vor Augen führen . Der Kirchenraub ist moralisch ein einziger Akt, aber begrifflich zerlegbar in den inneren des Willens und den körperlich ihm folgenden äußeren. Der innere besteht aus dem aktuellen Wollen selbst und dem, worum es sich bei der Handlung dreht, der Gesamtheit ihres Inhalts (der materia circa quam). Form, Gestalt und Seele empfängt die Handlung von der Zweckbeziehung, aber auch der Wahl der Mittel. Die der Materie nach schlechte Handlung Kirchenraub wird nicht gerechtfertigt durch den guten Zweck Almosen (wie umgekehrt die materiell gute Handlung durch schlechten Zweck geschädigt wird, etwa Geschenkmachen in der Absicht, zu verführen). Sittlich differenzierend und artbestimmend wirkt beim genus Diebstahl noch der Umstand "von heiligem Ort" im Sinne der Erschwerung von Übel und Schuld. Die Handlung als ganze hat zur Grundlage, ohne die sie nicht menschliche wäre, den Willensakt. (66f; Fs)

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