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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Die sittliche Weltordnung

Titel: Die sittliche Weltordnung

Stichwort: Teleologie, Transzendenz; Aristoteles (Feldherr); appetitus naturalis; agere ad / propter finem; Mensch: Beweger seiner selbst

Kurzinhalt: monistische Auslegung des Zweckhaften: gegen die Folgerung einer "transzendenten" Teleologie;

Textausschnitt: 3/E1 Die genannte monistische Auslegung des Zweckhaften sträubt sich gegen Folgerungen, die eben jene Griechen schon gezogen haben, daß nämlich Teleologie notwendig eine transzendente, d. h. eine über die Dinge als solche hinausgehende sein müsse. Sie sagten sich: wenn in der Welt eins nach anderm strebt, weil es ihm taugt, wenn Teile sich zu einem Ganzen finden, wie Arm und Bein und Aug und Ohr beim Lebewesen, so muß irgendwie die Ganzheit vor dem Gliedlichen bestehen, muß etwas Vorgegebenes mitbestimmend sein für gerichtetes und zielendes Geschehen in der Gegenwart, muß es nicht nur Dinge neben Dingen, sondern die Dinge als Dinge einer sie verbindenden, unter sich befassenden Ordnung geben, die notwendig als aus Geist entspringende zu denken ist. Mag auch nichts ohne Ursache geschehen und das Gesetz der Kausalität ohne Ausnahme gelten, so erklärt doch die Ursachenkette nicht die Richtung und Zweckverfolgung und bedarf es über der kausalen Betrachtung, obzwar die Ursächlichkeit als für sich allein wirksam gedacht werden kann, zum vollen Verständnis der Natur auch der teleologischen, von der die kausale ja nicht aus-, sondern eingeschlossen wird, so allen Ernstes, daß sie auch vor der Tatsache der Zweckstrebigkeit selbst die Frage nach der Ursache stellt. Daraufhat nun Aristoteles geantwortet, daß die innerhalb der Dinge wirksame Zweckläufigkeit auch in einem an und für sich seienden, dem Weltganzen selbständig gegenüberstehenden Urheber enthalten sein müsse. Die Zweckordnung, die den Dingen der bewegten Welt inneliegt, hat ihre letzte Ursache in einem geistigen Prinzip. Es ist, sagt er, wie bei einem Heere. "Denn hier liegt das Heil in der Ordnung, und zugleich ist der Feldherr das Heil des Ganzen. Und zwar ist es dieser in höherem Grade; denn nicht er besteht durch die Ordnung, sondern die Ordnung besteht durch ihn.(46; Fs)
4/E1 In der Welt nun ist schließlich alles aufeinander angelegt, wenn auch nicht alles in gleicher Würdigkeit: Fische, Vögel, Pflanzen. Und dabei ist es nicht so, daß eines ohne Beziehung zum andern da wäre: ganz im Gegenteil, alles ist zu Einem Ziele geordnet." Wie die Reihe der Ursachen auf ein Erstes führt, so die Reihe der Zwecke auf ein Letztes. Dieses Erste und Letzte ist das göttliche Denken. Diese teleologische Anschauung der Welt war dem christlichen Denken natürlich angemessen und liegt auch der Metaphysik des Thomas zum Grunde, bei dem sie nun freilich auch ihre eigentümliche Erweiterung und Vertiefung erfährt, wie dies von der christlich-theologischen Auffassung der Wirklichkeit, die sich nicht in Natur allein erschöpft, notwendig gefordert wird . Er betrachtet den auf Ziel und Zweck gerichteten Zug der Schöpfung in allen seinen Formen und auf allen ihren Stufen. Ein voranleuchtendes Denken beherrscht die ganze Welt der Dinge, mögen auch der Grad und die Art ihres Teilnehmens daran verschieden sein. In ihm gründet die Schwerkraft des Steins, die unbewußte Regung und Gestaltung der Pflanze, der Lebensvorgang jedes Organismus, der Instinkt des Tieres, das menschliche Denken nach Gesetzen, schließlich auch der Zug des Geistes und Herzens nach Gott. Deus convertit omnia ad seipsum. Jegliches hat seinen natürlichen Trieb und Drang in sich, den appetitus naturalis, ihm selbst unbekannt oder weniger oder mehr bewußt. Zum Streben und Wollen wird diese Hinordnung auf Ziel erst auf der Stufe, wo sinnliches oder geistiges Erkennen vorhanden ist, im Tier und im Menschen. Das vernunftlose Wesen hat ein endgerichtetes Wirken nur im Sinne des "auf etwas zu" (agere ad finem), dem vernünftigen allein ist es eigen, mit Bewußtsein des Zweckes, "wegen etwas", zu handeln (agere propter finem). (46f; Fs)

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