Autor: Thomas, Aquin von Buch: Über die Herrschaft der Fürsten Titel: Über die Herrschaft der Fürsten Stichwort: Grundthese der klassischen Politischen Wissenschaft: Gewissheit in der Erkenntnis der obersten Normen Kurzinhalt: dialektischer Dreischritt; Monarchie als ideale Norm; Unterschied zw. Ideal und Realisierung Textausschnitt: 18/N Mit stetem Blick auf seine Bestimmung des Gemeinwohls führt Thomas nun die Untersuchung über die beste Verfassung in einem dialektischen Dreischritt, der an die scholastische Methode des 'sic et non' erinnert: zunächst wird (1, 2) mit einer Reihe von Gründen aus der Vernunft und der geschichtlichen Erfahrung (vgl. die zeitgenössischen italienischen Stadtrepubliken), die durch die Autorität der Hl. Schrift gestützt werden, die reine Monarchie als die Verfassung dargestellt, die den Zweck des Staates am besten erfüllt. Die Monarchie ist demnach für Thomas die absolut beste Verfassung. Dieses Ergebnis ist aber nur vorläufig, denn es handelt sich um eine ideale Norm, deren Realisierung von idealen Voraussetzungen bei Herrscher und Bürger abhängt. Deswegen werden in einem zweiten Schritt (I, 3 und 4) dem Ideal die Erfahrungen der politischen Geschichte entgegengesetzt, die die praktische Gültigkeit des Ideals relativieren, wenn nicht gar zur Utopie zu machen scheinen: Die Alleinherrschaft führt in der Wirklichkeit überwiegend zum schlimmsten aller politischen Übel, der Tyrannis (corruptio optimi pessima), während sich andererseits die Beteiligung der Mehrzahl der Bürger an der politischen Gewalt aus psychologischen Gründen positiv für die Stärkung des staatlichen Zusammenhalts auswirken kann. Angesichts dieser gegenläufigen Argumentation erhalten wir Einsicht in eine der Grundthesen der klassischen Politischen Wissenschaft: daß die Politische Wissenschaft zwar mit Gewißheit die obersten Normen, so z. B. die theoretisch beste Verfassung, feststellen kann, nicht aber die im Hinblick auf den Wandel der geschichtlichen Umstände jeweils richtige Lösung, z. B. die bestmögliche Verfassung. Die praktische Vernunft ist insoweit auf eine Güter abwägende Berechnung des Risikos (der Tyrannis) verwiesen; ihr Urteil entbehrt also in concreto der Gewißheit der theoretischen Wissenschaften wie etwa der Mathematik, weil ihr Objekt, die Geschichte, selbst wandelbar ist. Unter diesem entscheidenden Vorbehalt steht denn auch der Schlußteil der verfassungstheoretischen Überlegungen, in dem Thomas die konstitutionell gebundene Monarchie mit einem demokratisch verfaßten Widerstandsrecht (bzw. Appellationsrecht an den Oberherrn im Lehnstaat) als relativ beste Verfassung empfiehlt. (83f; Fs) |