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Stichwort: Analogie

Autor, Quelle: Beckmann, Jan P., Wilhelm von Ockham

Titel: Analogia entis: Thomas - Ockham (Scotus)

Index: Analogia entis: Thomas (Sein, Participation) - Ockham (Sein, Prädikation)

Kurzinhalt: Univozität kann daher keine Angelegenheit sein, die auf dem Wesen dessen beruht, was univok prädiziert wird; Univozität ist vielmehr eine Weise der Prädikation. Daß das Prädikat '(ist) seiend' von Gott und Kreatur univok verwendet wird, beruht nicht ...

Text: 143a Das Dargelegte zeigt, warum es nach Ockham keine Verwechslung zwischen Metaphysik und Theologie geben kann. Einmal ist die Theologie, wie sie der Mensch betreiben kann, nicht im strengen Wortsinne Wissenschaft, zum zweiten behandelt sie ihren Gegenstand, die Rede von Gott, nicht wie die Metaphysik unter dem Gesichtspunkt der Allgemeinheit des Prädikats '(ist) seiend', sondern unter dem Aspekt der widerspruchsfreien Möglichkeit der Aussagen über einen Sonderfall von 'seiend', nämlich Gottes Sein. Immerhin ist zu fragen, wie es möglich ist, von derart unterschiedlich Seiendem ein und dasselbe Prädikat zu verwenden? Die beiden wichtigsten Antworten hierauf aus dem Kreise der Vorgänger Ockhams stammen wiederum von Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus. Der Aquinate hat dies mit seiner berühmten Lehre von der Seinsanalogie ('analogia entis')1 beantwortet. Danach wird das Prädikat '(ist) seiend' von Gott und Kreatur nicht im Sinne einer identischen Definition ('ratio'), sondern analog ausgesagt. Gott ist das von sich her und damit unverursacht Seiende, der Mensch hingegen das von Gott abhängige und insoweit unselbständige Seiende. Die Analogie beruht auf der bei aller übrigen Differenz zwischen unendlichem und endlichem Seienden gemeinsamen Bezugsgröße 'Sein', welche Gott ist und der Mensch hat. Daß der Mensch Anteil ('participatio') am göttlichen Sein hat, ist die metaphysische Grundlage dafür, daß das Prädikat '(ist) seiend' in Analogie auch auf ihn anwendbar ist. (Fs; tblVrw ff.) (notabene)

144a Im Unterschied hierzu vertritt Duns Scotus den Standpunkt, daß das Prädikat '(ist) seiend' von Gott und der Kreatur univok, d.h. in ein und derselben Weise verwendet wird.2 Ockham hält dies zwar im Ergebnis für richtig, in der Begründung aber für fehlerhaft. Sein Haupteinwand gegen die scotische Begründung der Univokationslehre geht dahin, der 'Doctor subtilis' behaupte unnötigerweise, es gäbe in Gott und in der Kreatur eine Gemeinsamkeit, welche Grundlage der univoken Seinsprädikation sei. Gott und Kreatur aber kommen nach Ockham "in keinerlei Realität" überein, "weil nichts davon, was sich real in der Kreatur findet - wie auch immer man es dreht und wendet - Gott zugesprochen werden kann" (OT II, 300). Univozität kann daher keine Angelegenheit sein, die auf dem Wesen dessen beruht, was univok prädiziert wird; Univozität ist vielmehr eine Weise der Prädikation. Daß das Prädikat '(ist) seiend' von Gott und Kreatur univok verwendet wird, beruht nicht darauf, daß etwas Gemeinsames zum Wesen beider gehört, sondern darauf, daß von beiden in ein und derselben Weise ausgesagt werden kann, widerspruchsfrei zu existieren (vgl. OT II, 312 ff). (Fs)

145a Schwieriger wird es hinwiederum, wenn gefragt wird, ob mit Hilfe der natürlichen Vernunft beweisbar ist, daß es einen und nur einen Gott gibt. Ockham schließt sich diesbezüglich der seit Aristoteles über Averroes bis hin zu Duns Scotus vorgetragenen Argumentation an, daß, versteht man Gott als Verursacher des Universums, einzig die Annahme eines Gottes einen unendlichen Regreß vermeidet (OT II, 338 bzw. 354f). Doch was ist damit bewiesen? Man muß hier nach Ockham zwischen zwei Verwendungsweisen des Terminus 'Gott' unterscheiden. Damit kann einmal gemeint sein, daß Gott etwas Vornehmeres und Besseres ist als alles von ihm Verschiedene, und es kann zweitens gemeint sein, daß Gott derjenige ist, im Vergleich zu dem nichts besser und vollkommener ist (vgl. OT IX, 1/2). Nimmt man die erstgenannte Bestimmung, so läßt sich zwar beweisen, daß, sofern es Gott gibt, es nur ihn und nicht mehrere Götter geben kann. Die Bestimmung nämlich, erhabener und besser zu sein als alles andere, kann, wenn es denn so etwas überhaupt gibt, logisch zwingend nur einem einzigen Träger zukommen; würde man diese beiden Attribute zwei oder mehreren Göttern gleichzeitig zusprechen, so käme es zu Widersprüchen von der Art, daß der eine Gott von sich aus zwar erhabener und besser ist als der andere, aus der Sicht des anderen aber zugleich nicht erhabener und nicht besser, "quod est manifesta contradictio" (OT IX 2/3). (Fs) (notabene)

145b Doch was hilft es, wenn man beweisen kann, daß unter der Voraussetzung, daß Gott existiert, es nur einen Gott geben kann, wenn man nicht weiß, ob sich zuvor ein Existenzbeweis führen läßt? Ein solcher Beweis ist nach Ockham auf der Grundlage des Verständnisses, daß Gott etwas Erhabeneres und Besseres als alles von ihm Verschiedene ist, grundsätzlich nicht möglich. Weder ist ein solcher Satz aus sich heraus evident noch ist er durch Erfahrung gesichert. Wird ein solcher Beweis dennoch versucht, so spielt zumeist, wie Ockham anmerkt, etwas Zweifelhaftes oder etwas Geglaubtes eine Rolle. Etwas anders scheinen die Dinge zu liegen, wenn man den zweiten der beiden o.g. Gottesbegriffe zugrunde legt. Sicher ist, daß sich mit seiner Hilfe die Einzigartigkeit Gottes nicht beweisen läßt. Denn wenn Gott derjenige ist, der an Güte und Vollkommenheit durch nichts übertroffen werden kann, so folgt daraus nicht, daß es nicht mehrere Götter gibt, die von gleicher Güte und Vollkommenheit sind. (Fs) (notabene)

146a Doch wie steht es mit dem Existenzbeweis? Im Falle des erstgenannten Gottesverständnisses ist ein solcher Existenzbeweis erwiesenermaßen deswegen unmöglich, weil die Existenz von etwas behauptet werden soll, das jenseits des Bereiches der empirischen Gegebenheiten liegt. Im Falle des zweiten Gottesverständnisses hingegen wird solches nicht behauptet; hier heißt es lediglich, Gott sei derjenige, der durch nichts Existierendes an Vollkommenheit und Erhabenheit übertroffen wird. Hier wird also Gott ausdrücklich unter das Vorhandene gezählt. Damit aber wird als existent angenommen, was doch erst bewiesen werden müßte: daß nämlich Gott existiert. Ockham sieht dies überraschenderweise anders. Versteht man Gott im vorgenannten zweiten Sinne, d.h. als denjenigen, im Vergleich zu dem nichts besser und vollkommener ist, so läßt sich, wie er meint, beweisen, daß Gott existiert. Zur Begründung hierfür führt Ockham an, daß es, wäre ein solcher Beweis nicht möglich, zu einem unendlichen Regreß kommen würde. Dieser ließe sich nur dann vermeiden, "wenn es unter den Seienden etwas gibt, das allem anderen Seienden zeitlich und an Vollkommenheit vorausliegt" (OT IX, 3). (Fs)

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