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Stichwort: Geschlecht

Autor, Quelle: Ratzinger, Joseph, Jesus von Nazareth

Titel: Gott - Vater, Mutter

Index: AT und NT: Mutter nie als Anrede für Gott;

Kurzinhalt: Wenn in der von der Leiblichkeit des Menschen her geformten Sprache die Liebe der Mutter ins Gottesbild eingezeichnet erscheint, so gilt doch zugleich, dass Gott nie als Mutter bezeichnet und angeredet wird, weder im Alten noch im Neuen Testament.

Text: 173a Endlich bleibt noch die Frage: Ist Gott nicht auch Mutter? Es gibt den Vergleich der Liebe Gottes mit der Liebe einer Mutter: "Wie eine Mutter ihre Söhne tröstet, so tröste ich euch" (Jes 66,13). "Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren lieben Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich vergesse dich nicht" (Jes 49,15). Besonders beeindruckend kommt das Geheimnis der mütterlichen Liebe Gottes in dem hebräischen Wort rahamim zum Vorschein, das eigentlich "Mutterschoß" bedeutet, aber dann zur Bezeichnung des göttlichen Mitleidens mit dem Menschen, der Barmherzigkeit Gottes wird. (Fs)
173b Organe des menschlichen Leibes werden im Alten Testament immer wieder zu Bezeichnungen für Grundhaltungen des Menschen oder auch für die Gesinnungen Gottes, so ähnlich wie Herz oder Hirn auch heute noch Aussagen über unsere eigene Existenz sind. Auf diese Weise stellt das Alte Testament die wesentlichen Grundhaltungen der Existenz nicht abstrakt begrifflich, sondern in der Bildsprache des Leibes dar. Der Mutterschoß ist der konkreteste Ausdruck für die innere Verwobenheit zweier Existenzen und für die Zuwendung zu dem abhängigen schwachen Geschöpf, das ganz dem Leib und der Seele nach im Schoß der Mutter geborgen ist. Die Bildsprache des Leibes schenkt uns so ein tieferes Verstehen der Gesinnungen Gottes dem Menschen gegenüber, als jede Begriffssprache es ermöglichen würde. (Fs)

173c Wenn in der von der Leiblichkeit des Menschen her geformten Sprache die Liebe der Mutter ins Gottesbild eingezeichnet erscheint, so gilt doch zugleich, dass Gott nie als Mutter bezeichnet und angeredet wird, weder im Alten noch im Neuen Testament. "Mutter" ist in der Bibel ein Bild, aber kein Titel Gottes. Warum? Wir können es nur tastend zu verstehen versuchen. Natürlich ist Gott weder Mann noch Frau, sondern eben Gott, der Schöpfer von Mann und Frau. Die Mutter-Gottheiten, die das Volk Israel wie auch die Kirche des Neuen Testaments rundum umgaben, zeigen ein Bild des Verhältnisses von Gott und Welt, das dem biblischen Gottesbild durchaus entgegengesetzt ist. Sie schließen immer und wohl unvermeidlich pantheistische Konzeptionen ein, in denen der Unterschied von Schöpfer und Geschöpf verschwindet. Das Sein der Dinge und der Menschen erscheint von diesem Ausgangspunkt her notwendig als eine Emanation aus dem Mutterschoß des Seins, das sich auszeitigt in die Vielfalt des Bestehenden hinein. (Fs) (notabene)

174a Demgegenüber war und ist das Bild vom Vater geeignet, die Andersheit von Schöpfer und Geschöpf, die Souveränität seines Schöpfungsaktes auszudrücken. Nur durch den Ausschluss der Mutter-Gottheiten konnte das Alte Testament sein Gottesbild, die reine Transzendenz Gottes zur Reife bringen. Aber auch wenn wir keine absolut zwingenden Begründungen geben können, bleibt für uns die Gebetssprache der ganzen Bibel normativ, in der, wie gesagt, trotz der großen Bilder von der mütterlichen Liebe "Mutter" kein Gottestitel, keine Anrede für Gott ist. Wir bitten, wie Jesus auf dem Hintergrund der Heiligen Schrift uns zu beten gelehrt hat, nicht wie es uns selber einfällt oder gefällt. Nur so beten wir recht. (Fs) (notabene)

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