Inhalt


Stichwort: Homoousios

Autor, Quelle: Ratzinger, Joseph, Glaube - Wahrheit - Toleranz

Titel: Homoousios - Realismus

Index: Homoousios: sprachliche Gestalt für den Realismus des biblischen Glaubens

Kurzinhalt: Das Homoousios antwortet auf diese Frage. Es sagt: Das Wort »Sohn« ist nicht poetisch-allegorisch (mythologisch, symbolisch), sondern ganz realistisch zu verstehen.

Text: 76a Die großen Grundentscheidungen der alten Konzilien, die sich in den Glaubensbekenntnissen niedergeschlagen haben, biegen nicht den Glauben in eine philosophische Theorie um, sondern geben zwei wesentlichen Konstanten des biblischen Glaubens sprachliche Gestalt: Sie stehen ein für den Realismus des biblischen Glaubens und wehren einer bloß symbolistisch-mythologischen Deutung; sie stehen ein für die Rationalität des biblischen Glaubens, der zwar das Eigene der Vernunft und ihrer möglichen »Erfahrungen« überschreitet, aber doch an die Vernunft appelliert und mit dem Anspruch auftritt, Wahrheit auszusagen - dem Menschen den Zugang zum eigentlichen Kern der Wirklichkeit zu eröffnen. Ich möchte das - wie ich es schon öfters getan habe -an einem zentralen Beispiel kurz darstellen, an dem einen rein philosophischen und gewiß nicht biblischen Wort, das in das große Credo Eingang gefunden hat und daher auch zum Paradebeispiel für die »Hellenisierung« des Christentums geworden ist. Ich meine die Aussage, daß Jesus Christus Gottes eingeborener Sohn, »homoousios« mit dem Vater ist - eines Wesens mit ihm. Es ist bekannt, wie um dieses Wort gestritten wurde, wie man Abschwächungen, Kompromisse - aus politischen Gründen wie in der Suche nach Vermittlung zwischen den Gegensätzen, nach Frieden in der Kirche - suchte, am Ende aber eben doch dieses Wort als Gewähr für die Treue zum biblischen Glauben festgehalten hat.1 Wird hier eine glaubensfremde Philosophie kanonisiert, eine Metaphysik zum Dogma erhoben, die eben doch nur einer Kultur zugehört? Um darauf zu antworten, müssen wir uns die Frage vergegenwärtigen, um die es ging. Das Neue Testament sprach von Jesus als dem Sohn Gottes. Nun, von Gottes- und Göttersöhnen sprachen auch die Religionen, in deren Welt die christliche Mission hineintrat. War dieser Jesus von Nazareth ein Gottessohn dieser Art? War das also eine poetisch-übersteigernde, »mythologische« Redensart, wie sie vielleicht unter Verliebten üblich ist, die ihren Geliebten für sich absolut setzen, aber natürlich nicht über die Wirklichkeit selbst und im Ganzen eine Entscheidung treffen wollen? War dies Bildrede, oder welche Art von Realismus war damit beansprucht? An dieser Frage hängt die Entscheidung, was das Christentum überhaupt ist - ob Jesus zu den »Avataras«, zu den vielgestaltigen Erscheinungsformen der Gottheit in der Welt zählt, ob Christentum eine Religionsvariante unter anderen ist oder ob hier ein anderer Realismus vorliegt. Das Homoousios antwortet auf diese Frage. Es sagt: Das Wort »Sohn« ist nicht poetisch-allegorisch (mythologisch, symbolisch), sondern ganz realistisch zu verstehen. Jesus ist es wirklich und wird nicht bloß so genannt. Der Realismus des biblischen Glaubens wird verteidigt, nichts sonst; der Ernst des Ereignisses, des neuen, von außen kommenden Geschehens. In diesem »Ist« klingt das »Ich bin« der Dornbuschformel nach (Ex 3,14), was immer ihr historischer Ursprungssinn gewesen sein mag. »Ich bin es« hat Jesus mehr als einmal gesagt und den ganzen Realismus des biblischen Glaubens darin ausgedrückt: Die scheinbar so vorgeschobene Formel des Credo, das Homoousios, sagt uns letztlich nur, daß wir die Bibel beim Wort nehmen dürfen, daß sie in ihren letzten Aussagen wörtlich gilt und nicht bloß allegorisch.2 Bei ihrer Entscheidung hatten die Väter sehr genau begriffen, daß die Bibel nicht bloß irgendeine »Orthopraxie« einführen wollte. Ihr Anspruch ist höher. Sie hält den Menschen für wahrheitsfähig und will ihn mit der Wahrheit selbst konfrontieren, ihm die Wahrheit eröffnen, die in Jesus Christus als Person vor den Menschen steht. Das Auszeichnende der griechischen Philosophie war es, daß sie sich nicht mit den überlieferten Religionen und nicht mit den Bildern des Mythos begnügte, sondern in allem Ernst die Frage nach der Wahrheit stellte. Und so kann man an dieser Stelle vielleicht doch den Finger der Vorsehung erkennen - warum die Begegnung zwischen dem Glauben der Bibel und der griechischen Philosophie wahrhaft »providentiell« gewesen ist. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt