Inhalt


Stichwort: Exodus

Autor, Quelle: Ratzinger, Joseph, Glaube - Wahrheit - Toleranz

Titel: Exodus - Grundfigur des Christlichen

Index: Exodus - Grundfigur des Christlichen

Kurzinhalt: Auf der Linie des Abrahamsglaubens können wir über den christlichen Glauben sagen, daß niemand ihn einfach als sein Eigenes vorfindet. Er kommt nie aus dem bloß Eigenen. Er bricht von außen ein.

Text: 72a Der Exodus, der Kulturbruch mit seinem Stirb und Werde, ist - wie in der »Problemstellung« eingangs dieses Buches schon kurz angerissen - eine Grundfigur des Christlichen. Seine Geschichte beginnt bei Abraham, mit dem von Gott kommenden Imperativ: »Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus« (Gen 12,1). Der Exodus Israels aus Ägypten, das eigentliche Gründungsereignis des Volkes Israel, ist vorweggenommen im Exodus Abrahams, der als solcher auch ein Kulturbruch gewesen ist. Auf der Linie des Abrahamsglaubens können wir über den christlichen Glauben sagen, daß niemand ihn einfach als sein Eigenes vorfindet. Er kommt nie aus dem bloß Eigenen. Er bricht von außen ein. Das bleibt immer so. Niemand wird als Christ geboren, auch nicht in einer christlichen Welt und von christlichen Eltern. Immer kann sich Christentum nur als neue Geburt ereignen. Das Christsein beginnt mit der Taufe, die Tod und Auferstehung ist (Röm 6), nicht mit der biologischen Geburt. (Fs) (notabene)
72b Vor allem Romano Guardini hat auf einen wichtigen Aspekt dieser Grundfigur des christlichen, ja des biblischen Glaubens verwiesen, der nicht aus dem eigenen Inneren aufsteigt, sondern uns von außen zukommt: Das Christentum, der christliche Glaube, so sagt er uns, ist nicht Produkt unserer inneren Erfahrungen, sondern Ereignis, das von außen her auf uns zutritt.1 Der Glaube beruht darauf, daß uns etwas (oder jemand) begegnet, an das unsere Erfahrungsfähigkeit von sich aus nicht heranreicht. Nicht Erfahrung weitet sich aus oder vertieft sich - das ist bei den streng »mystischen« Modellen der Fall; sondern es geschieht etwas. Die Kategorien »Begegnung«, »Andersheit« (Levinas: »al-terite«), Ereignis beschreiben den inneren Ursprung des christlichen Glaubens und verweisen auf die Grenzen des Begriffs Erfahrung. Freilich, was uns da berührt, bewirkt in uns Erfahrung, aber Erfahrung als Frucht eines Ereignisses, nicht einer Vertiefung ins Eigene. Genau dies ist mit dem Begriff Offenbarung gemeint: Das Nicht-Eigene, im Eigenen nicht Vorkommende, tritt auf mich zu und reißt mich aus mir heraus, über mich hinaus, schafft Neues. Damit ist auch die Geschichtlichkeit des Christlichen gegeben, das auf Ereignissen beruht und nicht auf der Wahrnehmung der Tiefe des eigenen Inneren, die man dann »Erleuchtung« nennt.2 Trinität ist nicht Gegenstand unserer Erfahrung, sondern etwas, was von außen gesagt werden muß, als »Offenbarung« von außen her an mich herantritt. Das gleiche gilt von der Menschwerdung des Wortes, die eben ein Ereignis ist und nicht in innerer Erfahrung gefunden werden kann. Dieses Zukommen von außen ist für den Menschen skandalös, der nach Autarkie und Autonomie strebt; es ist für jede Kultur eine Zumutung: Wenn Paulus sagt, das Christentum sei für die Juden ein Skandal, für die »Völker« Torheit (1 Kor 1,23), so will er damit eben dies Eigentümliche des christlichen Glaubens ausdrücken, der für alle »von außen« kommt. Aber gerade dieser neue Eingriff, der unseren Erfahrungsraum, unser Bewußtsein der Identität mit allem durchbricht, fuhrt uns in die Weite der größeren Wirklichkeit und eröffnet uns gerade so auch die Möglichkeit, den Pluralismus zu überwinden und zueinander zu kommen. (Fs) (notabene)

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Stichwort: Exodus

Autor, Quelle: Ratzinger, Joseph, Glaube - Wahrheit - Toleranz

Titel: Exodus - Weg zum Volk Gottes

Index: Exodus; Christus als ewiger Mensch

Kurzinhalt: Weil das Volk Gottes kein einzelnes Kulturgebilde ist, sondern aus allen Völkern versammelt wird, daher hat auch die erste Identität, auferstehend aus dem Bruch, in ihm Platz und nicht nur das, sie ist notwendig,

Text: 59a Wer in die Kirche eintritt, muß sich bewußt sein, daß er in ein eigenes Kultursubjekt mit einer eigenen historisch gewachsenen und vielfältig geschichteten Interkulturalität eintritt. Ohne einen gewissen Exodus, einen Umbruch des Lebens in all seinen Bezügen kann man nicht Christ werden. Der Glaube ist ja nicht ein Privatweg zu Gott; er fuhrt in das Volk Gottes und in seine Geschichte hinein. Gott hat sich selbst an eine Geschichte gebunden, die nun auch die seinige ist und die wir nicht abstreifen können. Christus bleibt Mensch in Ewigkeit, behält Leib in Ewigkeit; Menschsein und Leibsein schließen aber Geschichte und Kultur ein, diese ganz bestimmte Geschichte mit ihrer Kultur, ob es uns gefallt oder nicht. Wir können nicht den Vorgang der Inkarnation beliebig in dem Sinn wiederholen, daß wir sozusagen immer wieder Christus sein Fleisch wegnehmen und ihm ein anderes statt dessen anbieten. Christus bleibt er selbst, auch seinem Leibe nach. Aber er zieht uns an sich. Das bedeutet: Weil das Volk Gottes kein einzelnes Kulturgebilde ist, sondern aus allen Völkern versammelt wird, daher hat auch die erste Identität, auferstehend aus dem Bruch, in ihm Platz und nicht nur das, sie ist notwendig, um die Menschwerdung Christi, des Logos, zu ihrer ganzen Fülle kommen zu lassen. Die Spannung der vielen Subjekte in dem einen Subjekt gehört wesentlich zum unabgeschlossenen Drama der Menschwerdung des Sohnes. Sie ist die eigentliche innere Dynamik der Geschichte und steht freilich auch immer unter dem Zeichen des Kreuzes, das heißt sie hat immer auch mit dem entgegengesetzten Schwergewicht der Abschließung und der Verweigerung zu kämpfen. (Fs) (notabene)

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