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Stichwort: Revolution

Autor, Quelle: Köhler, Okskar, Saeculum Weltgeschichte Bd. 7

Titel: Revolution - Entgötterung

Index: Revolution: Jaspers, Weber; Säkularisierung

Kurzinhalt: Ein Jahrzehnt später bezeichnete Karl Jaspers die Entgötterung als das eigentliche Ereignis der Revolution, denn den Umsturz der Gesellschaft und die Unverläßlichkeit aller Verhältnisse habe es schon früher und in allen Hochkulturen gegeben,

Text: 389c Wir können nach allem, was seither in der Folge der Revolution geschehen ist, nicht mehr in der gleichen Weise wie A. de Tocqueville (Seite 376) von der Kontinuität der Revolution zum Ancien Regime sprechen. Denn wie problematisch die Kontinuität der abendländisch-europäischen Geschichte geworden ist, läßt sich daran ablesen, daß die "Säkularisierung" der Welt selbst in Frage gestellt wurde: Wer ist der Mensch? Wer sind die Menschen in ihren Gesellschaften? Was ist die Welt? Solche Fragen sind in kritischen Momenten immer wieder der Anlaß gewesen, davon zu sprechen, es gehe "ein religiöser Zug durch die Zeit". Es scheint, daß solche Züge immer wieder ins Unbestimmte abgefahren sind (über die Erneuerungsbewegungen im Christentum und in den anderen Weltreligionen vgl. Seite 220ff). Ist es daran, daß die Erfahrung, "daß Gott tot ist", und die Erfahrung mit der "Säkularisierung", die beide den gleichen Erfahrungsgrund haben, auch dann in eine menschheitsgeschichtliche Krise führen, wenn sich die politischen Weltmächte im Patt immer wieder verständigen? Denn die immer häufiger werdende Rede, es stünde das "Überleben" der Menschheit auf dem Spiel, ist deshalb letztlich banal, weil der Mensch seit eh und je einen Grund zum Überleben braucht. Nietzsche hat eindeutig gesagt, worum es sich handelt: "Wer das Große nicht mehr in Gott findet, findet es überhaupt nicht mehr - er muß es leugnen oder schaffen." Und Karl Marx betrachtete es als die Aufgabe der Geschichte, die Wahrheit, deren "Jenseits" verschwunden ist, als die "Wahrheit des Diesseits zu etablieren" (vgl. S. 495). (Fs)

390a Max Weber ließ (1920) die Frage "noch" offen, wer künftig in den Gehäusen des alten Glaubens wohnen werde, ob am Ende der "ungeheueren Entwicklung" neue Propheten oder eine Wiedergeburt alter Ideale stehen werden oder ob nur eine "mechanisierte Versteinerung" übrigbleibe. Ein Jahrzehnt später bezeichnete Karl Jaspers die Entgötterung als das eigentliche Ereignis der Revolution, denn den Umsturz der Gesellschaft und die Unverläßlichkeit aller Verhältnisse habe es schon früher und in allen Hochkulturen gegeben, auch den Unglauben Einzelner, aber nicht diese "nie gewesene Öde des Daseins", in welcher nach der Tilgung des Schöpfergottes die "in den Naturwissenschaften erkennbare Weltmaschinerie" das Sein ausmacht. Der Atheismus ist eine Tatsache, die nicht nach den gesellschaftlichen Systemen zu orten ist; sie ist in verschiedener Weise überall fundamental. (Fs) (notabene)

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