Inhalt


Stichwort: Reflexion

Autor, Quelle: Rhonheimer, Die Perspektive der Moral

Titel: Reflexion, Vermögen - Geistigkeit, Beweis

Index: Vernunft, Wille: Reflexion, reflexionsfähige Vermögen -> Beweis der Geistigkeit; Unabhängigkeit der Vernunft von Körperorganen

Kurzinhalt: Vernunft und auch Wille sind reflexionsfähige Vermögen. Dass ein Vermögen über sich selbst reflektieren kann, heißt, dass es fähig ist, sich seine eigenen Akte wiederum gegenständlich zu machen

Text: 148a Das adäquate Objekt der Vernunft ist das Intelligible. Pathologische Störungen der Vernunft als Vernunft sind nicht möglich, da der Akt der Vernunft als Akt der Vernunft nicht von Körperorganen abhängig ist. Der Beweis dieses Satzes gehört nicht in die Ethik. Sein Fundament sei dennoch genannt: Vernunft und auch Wille sind reflexionsfähige Vermögen. Dass ein Vermögen über sich selbst reflektieren kann, heißt, dass es fähig ist, sich seine eigenen Akte wiederum gegenständlich zu machen. Das Auge kann sich nicht sehen (außer in nicht-reflexiver Weise, d.h. in einem Spiegel); ein sinnliches Begehren kann sich nicht begehrend zu sich selbst verhalten oder seinen Akt selbst wiederum nicht-begehren (auch deshalb besitzen Tiere keine Freiheit). Der Intellekt bzw. die Vernunft kann seine Akte selbst erkennen und Urteile über seine Urteile fällen, der Wille kann ein Wollen wiederum zum Gegenstand des Wollens machen und es nicht wollen. Reflexivität indiziert Unabhängigkeit von Körperorganen, und das heißt: Geistigkeit1. Die Vernunft kann nicht "krank" sein oder fehlgehen, wie die Sinne; sie kann nur "gehindert", "gestört" usw. werden, und dies, weil menschliche Vernunft die Vernunft eines Sinnenwesens ist; weil strenggenommen nicht die Vernunft erkennt, sondern der Mensch als leib-geistige Einheit. (Fs) (notabene)

148b Das heißt nun: Die Vernunft (oder der Intellekt) ist - wie jedes Vermögen - naturhaft darauf hingeordnet, das ihr adäquate Objekt zu erkennen. "Der Intellekt" - erklärt Aristoteles -"ist immer richtig, nur das Streben und die (sinnliche) Vorstellung können auch nicht richtig sein"1 - nicht "richtig" bezüglich der Anforderungen der Vernunft, und deshalb müssen sie gemäß dem von der Vernunft erkannten Richtigen geordnet werden. (Fs)

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Stichwort: Reflexion

Autor, Quelle: Coreth, 0

Titel: Bewusstsein, Gelichtetheit

Index: Gelichtetheit; reflexes Bewusstsein (conscientia reflexa, directa), 'regressus in infinitum'; Metaphysik des Geistes

Kurzinhalt: Nur dadurch, daß, wenn auch unthematisch, im Grunde des Bewußtseins, gleichsam, an einem Punkt, Sein und Wissen in unmittelbarer Identität zusammenfallen, das Sein wissend bei sich ist ...

Text: 24/2 Diese Einsicht bildet den Schlüssel zu einer Metaphysik der Erkenntnis überhaupt oder - noch weiter - zu einer Metaphysik des menschlichen Geistes. Denn nur von hier aus läßt sich die Bewußtheit oder 'Gelichtetheit' erklären, die dem Bewußtsein im ganzen Bereich seiner bewußten Akte und ihrer gegenständlichen Inhalte zukommt. Die Bewußtheit kann weder in der Sonderart bestimmter Akte noch in der Sonderart ihrer Inhalte begründet sein, sondern nur in etwas, das ihnen zukommt, sofern sie von einem Subjekt vollzogen werden. (139; Fs) (notabene)

25/2 Zwar steht der bewußte Vollzug nicht im Vordergrund des Bewußtseins; die thematische Intention ist zumeist auf den gegenständlichen Inhalt gerichtet. Aber ich kann durch Selbstreflexion ein 'reflexes Bewußtsein' (conscientia reflexa) vollziehen, das in thematischer Ausdrücklichkeit dem Bewußtseinsakt selbst zugewendet ist. Doch wird der Akt nicht erst dadurch bewußt, daß ich darauf reflektiere; er war es schon vorher, sonst wäre er - vor der Reflexion - kein Akt, in dem mir ein Inhalt bewußt wird, und eine nachträgliche Reflexion auf den Akt wäre nicht möglich. (139; Fs) (notabene)

26/2 Überdies ist die Reflexion ein neuer Akt, dessen thematische Intention nicht auf ihn selbst, sondern auf Anderes, den vorausgehenden Akt, gerichtet ist. Würde jedoch der Akt erst durch die Reflexion bewußt, wodurch wird der Akt der Reflexion bewußt? Etwa durch einen neuen Akt der Reflexion, der, um bewußt zu werden, wieder einen neuen Akt der Reflexion verlangt? Damit wäre ein 'regressus in infinitum' gesetzt und nichts erklärt. (139; Fs) (notabene)

27/2 Vielmehr fordert die Tatsache bewußter Akte ein jeder Reflexion vorausliegendes 'direktes Bewußtsein' (conscientia directa), das zwar seiner thematischen Intention gemäß Gegenstandsbewußtsein ist, in dem aber immer und notwendig - als Bedingung der Möglichkeit der Bewußtheit als solcher - Selbstbewußtsein mitgesetzt und mitvollzogen wird. (139; Fs)

28/2 Nur dadurch, daß, wenn auch unthematisch, im Grunde des Bewußtseins, gleichsam, an einem Punkt, Sein und Wissen in unmittelbarer Identität zusammenfallen, das Sein wissend bei sich ist, sich selbst durchdringt und besitzt, ist überhaupt Bewußtheit möglich. Es ist ein Punkt, an dem das Sein unmittelbar - in Identität - sich selbst 'gelichtet' ist, somit den Horizont der 'Gelichtetheit' überhaupt entwirft und die Möglichkeit bietet, daß auch Anderes, nämlich ein gegenständlicher Inhalt, in das Licht des Bewußtseins tritt. (139; Fs) (notabene)

29/2 Das 'Licht' aller Gelichtetheit, d. h. der Grund der Bewußtheit als solcher, liegt allein in dem unmittelbar wissenden Bei-sich-Sein des Geistes, das jedem Bewußtseinsakt zugrundeliegt und in jedem Bewußtseinsakt, wenn auch unthematisch, mitvollzogen wird. Insofern ich darin aber die unmittelbare Seinserfahrung und Seinsgewißheit meines Selbstvollzugs besitze, vollziehe ich mich schon im Horizont des Letzten und Unbedingten: im Horizont des Seins. (139f; Fs)

30/2 Dennoch ist, wie sich noch zeigen wird, dieses ursprüngliche Bei-sich-Sein noch kein Akt des Wissens, so wenig wie ein Akt des Wollens. Es ist überhaupt kein eigener Akt, sondern wird in jedem Bewußtseinsakt vollzogen und ist in jedem enthalten, seine Bewußtheit bedingend. Es ist virtuell beides: Wissen und Wollen, nämlich Sich-Wissen und Sich-Wollen in einem, in ursprünglicher, noch unentzweiter Einheit, muß sich aber in ausdrücklichen Akten des Wissens und Wollens aktuieren und differenzieren1. (140; Fs) (notabene)

31/2 In dieser Identität von Sein und Wissen liegt die spezifische Auszeichnung des Geistes. Der Begriff des Geistes wird später noch zu ergänzen und zu vertiefen sein2. Vorläufig können wir schon sagen: Geist nennen wir ein Seiendes, das Bei-sich-Sein zu vollziehen vermag, ein Seiendes, in dem sich das Bei-sich-Sein des Seins ereignet, in dem also das Sein zu sich selbst kommt und wissend von sich selbst Besitz ergreift: in der Identität von Sein und Wissen. (140; Fs)

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