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Stichwort: Hedonismus

Autor, Quelle: Clemens Kauffmann, Leo Strauss zur Einführung

Titel: Hedonismus - Moderne

Index: Die Moderne begreift den Menschen nicht mehr aus der Perspektive dessen, was er sein kann oder soll ... Die ethische Haltung der Moderne ist der Hedonismus, die Identifizierung des Guten mit dem Angenehmen

Kurzinhalt: Die ethische Haltung der Moderne ist der Hedonismus, die Identifizierung des Guten mit dem Angenehmen. Die Besonderheit liegt darin, den Hedonismus zur Grundlage einer politischen Konzeption zu machen. Der klassische Hedonismus verstand sich als ...

Text: 47a Welche aber sind die positiven Merkmale der Moderne? Leo Strauss hat im Zusammenhang ihrer Charakterisierung von den »drei Wellen der Moderne« gesprochen, wie es der Titel des kleinen Aufsatzes, The Three Waves of Modernity, der postum 1975 erschien, andeutet und es die Anlage von Naturrecht und Geschichte nachvollziehbar macht. Mit ihnen verbinden sich die Namen Machiavellis und Hobbes' für das erste, Rousseaus für das zweite und Nietzsches für das dritte Stadium. Diese Namen stehen jedoch nicht für einen primär chronologisch zu verstehenden Ablauf, sie markieren spezifische Merkmale der Moderne, die bei ihnen besonders klar ausgeprägt sind. Man kann sie als Prämissen und Konsequenzen begreifen, die im Ergebnis zur Krise der Philosophie als der Krise der Moderne geführt haben. Einige Schwerpunkte seien hier summarisch skizziert. (Fs)

1. Die moderne politische Philosophie begrenzt ihren Gesichtskreis auf die Interessen der Gesellschaft. Sie gibt die Absicht auf die Erkenntnis vom Ganzen zugunsten der »Eroberung der Natur durch den Menschen um der Erleichterung der Lage des Menschen willen« auf. Platonisch gesprochen, begibt sie sich in die Höhle der geschichtlichen Welt und beschränkt sich auf die Belange und die praktischen Probleme ihrer Bewohner. Die Dimension der menschlichen Vollkommenheit, welche die Dimension außerhalb der Höhle umschloß, wird aufgegeben. Dadurch rückt der Mensch isoliert ins Zentrum des modernen Denkens. Der anthropozentrische Grundzug der Moderne wird in der Gegenüberstellung mit dem kosmozentrischen Charakter der Antike und dem theozentrischen Denken des Mittelalters deutlich. Die politische Philosophie stellt sich in den Dienst der weltlichen Macht, um im Gegenzug die Gewährleistung ihrer Sicherheit zu erhalten. (Fs)

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2. Die Beschränkung des Erkenntnisinteresses und die Absicht der Realisierung pragmatischer Lösungen setzt eine Beschränkung der moralischen Standards voraus. Die Moderne begreift den Menschen nicht mehr aus der Perspektive dessen, was er sein kann oder soll, sie nimmt ihn so, wie er ist. Die normativen Ansprüche der klassischen Moral stehen ihrer praktischen Absicht ebenso im Wege wie das Christentum, das die Menschen durch das Sündenbewußtsein schwach und abhängig gemacht hatte. Die Herabsetzung der moralischen Standards machte gravierende Veränderungen im Bauplan der klassischen Philosophie und entscheidende Modifikationen im Tugendverständnis unumgänglich. Durch die Beschränkung auf die praktischen Probleme der geschichtlichen Höhle durfte die Tugend nicht mehr als ein übergeschichtlicher Standard aufgefaßt werden, an dem sich die Gesellschaft ausrichten sollte. Die gesellschaftlichen Standards dienten nun umgekehrt als Maßstab dessen, was man unter Tugend zu verstehen habe. Gerecht ist, was die Gesellschaft als gerecht akzeptiert und was ihr nützt. Die moralische Dimension der Tugend wurde unter diesem Gesichtspunkt zugunsten der bürgerlichen Tugend suspendiert. Der Patriotismus, die Ergebenheit an die kollektive Selbstsucht, rückte ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Gleichzeitig emanzipierten sich die Selbstsucht und die Leidenschaften gegenüber der Tugend. Sie wurden ihrerseits nicht mehr durch die Tugend begrenzt und ausgeglichen, sondern avancierten als Ehrgeiz und Ruhmsucht zu ihrem integralen Bestandteil. Im Zusammenhang damit steht ein Motivationsproblem, insofern sich Leidenschaften, Selbstsucht und Rechtsansprüche leichter für die praktische Durchsetzung von Interessen instrumentalisieren lassen als der Appell an moralische Tugend, die Eingliederung in eine natürliche Ordnung und die Erfüllung von Pflichten. Die ethische Haltung der Moderne ist der Hedonismus, die Identifizierung des Guten mit dem Angenehmen. Die Besonderheit liegt darin, den Hedonismus zur Grundlage einer politischen Konzeption zu machen. Der klassische Hedonismus verstand sich als apolitisch, als eine individuelle Haltung am Rande der politischen Gesellschaft, die für ihre Funktionsfähigkeit anderer Prinzipien bedurfte. Der politische Hedonismus der Moderne wurde zu einer Lehre, die mehr als jede andere die Verhältnisse revolutionierte. (Fs) (notabene)

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3. Die Folge der politischen und moralischen Neuorientierung war eine grundsätzliche Neubestimmung des Verhältnisses zur Natur. Die anthropozentrische Auffassung der Wirklichkeit verbietet es, den Menschen als Teil einer natürlichen Ordnung oder als in den Rahmen der Schöpfung eingegliederte Kreatur zu verstehen. Der Blick auf das Ganze wählt umgekehrt die menschliche Perspektive, genauer gesagt die Perspektive des menschlichen Bewußtseins als des Aufbau- und Konstruktionsprinzips der Welt. Die Subjektivität ist die Quelle aller »Kultur«, die ihre Grundlage in der Natur verliert. Die Veränderung des Verhältnisses zur Natur hat verschiedene Aspekte. (Fs) (notabene)

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3.1. Durch die Anpassung an die kontingenten Zwecke der Gesellschaft geht die Bindung an die natürlichen Zwecke verloren. (Fs)

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3.2. Die Natur ist nicht die bleibende, zu bewahrende Grundlage des menschlichen Lebens, sondern ein feindlicher Zustand, der durch die Zivilisation überwunden werden muß. Die modernen Vertragstheorien gehen von der Konstruktion eines Naturzustandes aus, in dem selbstsüchtige Individuen, mit fundamentalen Rechten ausgestattet, in einem wechselseitigen Bedrohungsverhältnis nebeneinander leben. Dieser Zustand ist auf seine eigene Negation hin angelegt.

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Stichwort: Hedonismus

Autor, Quelle: Robin Waterfield, Platon, Gorgias

Titel: Hedonismus - Glück (eudaimonia)

Index: Plato, Gorgias; Glück - eudaimonia (gutes Leben)

Kurzinhalt: In Gorgias, however, Plato launches a strong attack against a type of hedonism, while simultaneously agreeing with the use of the term eudaimonia as a description of the aim of life.

Text: XVIIa Another recurrent term in the dialogue is 'happiness', which translates the Greek eudaimonia (literally, 'being in a good state'). Again, this is a very flexible term. All Greeks, however sophisticated or unsophisticated they were, would have accepted eudaimonia as a description of what they wanted to get out of life; they were all 'eudaemonists'. Where they differed, however, was over what constitutes happiness. Is it a life of sensual pleasure which brings happiness, or what?

XVIIb In Greek, as in English, there is a natural connection between pleasure and happiness. We say, casually, 'Gardening makes me happy', meaning 'I enjoy gardening, I find it pleasant.' In Gorgias, however, Plato launches a strong attack against a type of hedonism, while simultaneously agreeing with the use of the term eudaimonia as a description of the aim of life. Moreover, in a dialogue which was certainly written not long before or after Gorgias— namely Protagoras—Socrates is made to espouse hedonism. We need to see what is going on. (Fs)

XVIIc It turns out that the topic of pleasure offers another route towards understanding Plato's dissatisfaction with rhetoric and the kinds of goals it entails. He makes it clear from the outset that he regards rhetoric and pleasure as essentially connected. He describes rhetoric as a species of flattery, and claims that flattery in all its guises aims for short-term pleasure rather than the good (464d). All you need in order to be a successful flatterer is enough experience of your human target to know what will please him or them (this is graphically portrayed at Republic 493a-c). So the problem with rhetoric is that it panders to its audience's short-term desires, and makes it difficult for them actually to think about what may or may not be better for them in the longer term. (Fs) (notabene)

XVIIIa Plato expresses the contrast at times very starkly. All branches of flattery
aim only for pleasure, and all true tekhnai aim for the good of their subjects (464d-465a, 500a ff., 503a-b). He makes it sound as though pleasure and goodness are two incompatible things, so that one could only have one and not the other at the same time. However, I take it that the most accurate description of his position is that at 464d, where he says that branches of flattery are characterized by the fact that they aim for 'immediate pleasure'. This leaves open the possibility that long-term pleasure and goodness may still be related. (Fs) (notabene)

XVIIIb This is supported by a proper understanding of the anti-hedonist argument Socrates develops against Callicles (492d ff.). Again, Callicles is made out to be a champion of the immediate satisfaction of one's desires. His type of pleasure-seeker is entirely irrational: he doesn't allow the possibility of a person weighing up future pain against immediate pleasure and deciding to forgo that fifth cocktail. He doesn't allow the possibility of rational planning at all. If there is desire now for that fifth cocktail, then that desire had better be fulfilled if one is to be happy— that is Callicles' view, and that is the kind of hedonism which Plato and Socrates disavow. In fact, it is to Plato's credit that by means of the argument between Callicles and Socrates he allows us to distinguish between what may properly be called 'pleasure', and what should properly be called 'satisfaction of desire'. (Fs)

XVIIIc This type of hedonism was, for Plato, self-contradictory, since it emphasizes the satisfaction of desire, which is a kind of pain or discomfort. The more intense the pleasure, the more intense the desire. Therefore, to seek to maximize this kind of pleasure is to seek to maximize one's physical discomfort. However, he has nothing against a less intense kind of pleasure, which is to be found in philosophical activities, as long as these activities involve no preceding perceived pain, so that the pleasant component easily outweighs the unpleasant component. Throughout the dialogues (especially in Republic and Philebus) he expresses approval of these pleasures, and at Gorgias 499d ff. he expresses guarded approval of pleasures which promote genuine goods, such as health. The main differences between Plato and a Calliclean hedonist are that the latter seeks short-term gratification, whereas Plato looks for a life in which, in the long term, pleasure outweighs pain, and that a Calliclean hedonist makes desire-satisfaction his yardstick for assessing the goodness of an event, whereas for Plato pleasure was an accidental concomitant of events, which should in the first instance be assessed as good or bad by other criteria. (Fs) (notabene)

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