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Stichwort: Reduktionismus

Autor, Quelle: Spaemann, Robert (und andere Autoren), Grundvollzüge der Person

Titel: Polare Struktur d. Wirklichkeit - Zirkel

Index: Wirklichkeit: polare Struktur (Gestalt - Wahrnehmung, Zahlen - Gedachtwerden; Werte - Fühlen)

Kurzinhalt: ... Reduktionismus. Er reduziert die eine Seite der polaren Struktur auf die andere. Er ist monistisch. So glaubt er zum Beispiel, eine evolutionstheoretische Erklärung könne uns sagen, was Bewußtsein und Erkenntnis sind. Aber solche Erklärungen sind ...

Text: 33a Es wäre nun ganz falsch, diese Daseinsrelativität relativistisch zu interpretieren, also so, als ob Gestalten etwas, wie man sagt, „nur Subjektives" seien, etwas von Wahrnehmenden Konstruiertes. Was es gibt, sind Gestalten und deren Wahrnehmung, Farben und deren Wahrnehmung, Zahlen und deren Gedachtwerden, Werte und deren Gefühltwerden. Beide Seiten aber haben ihre Wirklichkeit jeweils nur in dieser Beziehung aufeinander. Es hat deshalb ebenso wenig Sinn zu sagen, die Gesetze der Mathematik und der Logik seien Produkte der menschlichen Psyche, wie es Sinn hat zu sagen, diese Gesetze würden auch dann existieren, wenn es überhaupt kein Denken gäbe. Wirklich ist jeweils das Ganze dieser polaren Struktur. Wirklich sind Farben und Töne, weil Sehen und Hören wirklich sind, aber Sehen und Hören sind nur wirklich, weil Farben und Töne wirklich sind. Wirklich ist jedes noch so ephemere Ereignis der oikeiosis, der Aneignung eines objektiven Gehaltes durch einen subjektiven Pol. (Fs) (notabene)

33b Das verkennt der Reduktionismus. Er reduziert die eine Seite der polaren Struktur auf die andere. Er ist monistisch. So glaubt er zum Beispiel, eine evolutionstheoretische Erklärung könne uns sagen, was Bewußtsein und Erkenntnis sind. Aber solche Erklärungen sind immer zirkulär. Sie setzen Gestalten voraus, zum Beispiel die des tierischen und des menschlichen Gehirns, sie setzen Kausalität voraus. Mutation und Selektion sind ja kausale Prozesse. Und dann nehmen sie diese Kategorien in Anspruch, um mit ihrer Hilfe Gestaltwahrnehmung und das Entstehen der Kategorie der Kausalität zu erklären. Das heißt, sie können das Entstehen der Kategorie gar nicht erklären, ohne diese Kategorien bereits in Anspruch zu nehmen. Aus der Wirklichkeit einer Beziehungsstruktur von Gestalt, von Bild und Wahrnehmung wird ein reduktionistisches Verfahren, in dem die eine Seite dieser Beziehung zum Epiphänomen und die andere allein als wirklich erklärt wird. Aber der Preis für diesen Reduktionismus ist die Zirkularität, die stillschweigende, unbewußte Voraussetzung dessen, was man beweisen wollte. Butlers Satz „Everything is what it is, and not another thing" kann nur befolgt werden, wenn als das eigentlich Wirkliche die Beziehung verstanden wird. Im Begriff der Person aber kommt dieser Gedanke erst zur Vollendung, weil in der gegenseitigen Anerkennung und in der Liebe von Personen die Beziehung von der Art ist, daß sie das in dieser Beziehung Stehende als jemanden, und das heißt als Selbstsein jenseits aller Beziehung konstituiert. (Fs; tblStw: Reduktionismus) (notabene)

34a Die Glieder dieser Beziehung sind relativ aufeinander. Aber die Beziehung selbst ist das Wirkliche. Und sie als das Wirkliche, also Wirklichkeit als Wirklichkeit auffassen zu können, ist das Eigentümliche des Menschen. Es ist die höchste Form von geistiger Aktivität, Selbsttranszendenz. Es ist ein ganz falscher Gedanke, etwas werde um so adäquater erkannt, je passiver der Erkennende sich verhält. Wir wissen das doch aus dem gegenseitigen Verhältnis von Menschen. Ich kann nicht hoffen, dem Wesen eines anderen Menschen näherzukommen, wenn ich von mir selbst nichts investiere. Ich bleibe dann ganz an der Oberfläche. Wenn ich aber etwas investiere, wenn ich mich selbst in diese Beziehung einlasse, dann trägt die Erkenntnis natürlich die Spuren des Erkennenden, sie ist eine sehr persönliche. Aber anders ist Erkenntnis von Wirklichkeit nicht zu haben. (Fs)

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