Stichwort: Erkennen - Wirklichkeit Autor, Quelle: Sertillanges A. D. (Gilbert), Der heilige Thomas von Aquin Titel: Thomas: Erkennen - Wirklichkeit Index: Thomas: Logos - Wirklichkeit - Erkennen Kurzinhalt: Das Wirkliche, insoweit es wirklich ist, ist erkennbar, da es aus der höchsten Wirklichkeit, die das höchste Erkennbare ist [in prinicipio erat Verbum], hervorgeht. Der erkennende Geist aber, insofern er erkennender Geist ist, ist ebenfalls göttlich ... Text: 94 Der thomistische Intellektualismus ist etwas ganz anderes als eine 'Vergöttlichung' der abgezogenen Wesenheiten; er ist eine Vergöttlichung des Wirklichen, das heißt in dem Sinn, daß das Wirkliche, gerade insofern es göttlich ist, eine wesentliche Beziehung auf die Erkenntnis hat. Das Wirkliche, insoweit es wirklich ist, ist erkennbar, da es aus der höchsten Wirklichkeit, die das höchste Erkennbare ist [in prinicipio erat Verbum], hervorgeht. Der erkennende Geist aber, insofern er erkennender Geist ist, ist ebenfalls göttlich [signatum est super nos lumen vultus tui Domine]; er hat also ein Recht auf alle Wirklichkeit. Er kommt ihr gleich, und in dem höchsten Sinne dieser Worte sind der erkennende Geist als solcher und das Erkennbare als solches identisch. (56f; Fs) (notabene)
95 Es steht außer Zweifel, daß diese hohe Auffassung mehr als einen bedeutenden Denker gegen sich hat. Ein Descartes, ein so großer Intellektualist er auch auf seine Art ist, würde ihr keineswegs zustimmen. Aber auch einige Väter der Kirche würden ihr widersprechen, da sie unter der göttlichen Ordnung sich etwas dachten, was die geistige Ordnung ebenso überragt, wie diese die Sinne und wie die Sinne die chemische Tätigkeit, oder - anders ausgedrückt - etwas, was wie ein vierdimensionaler Raum unserm Raum transzendent wäre und alle unsere sogenannten Axiome zu falschen Sätzen machen würde. Daher kommt es aber, daß Descartes behaupten kann, Gott könne einen quadratischen Kreis schaffen. Thomas leugnete das und, wenn er auch so klar wie nur irgendeiner die göttliche Transzendenz festhält1, so erklärt er sie doch in einem Sinne daß sein hoher Intellektualismus durchaus unversehrt bleibt. (57; Fs)
96 Für ihn ist die Ordnung des Geistes die göttliche Ordnung selbst, 'denn Gott ist Geist', und daraus folgt, daß das Erkennen die 'Fähigkeit des An-Sich' ist, daß etwas in dem Maß, in dem es Erkennen ist - es gibt da unendliche Abstufungen -, das Sein erreicht, und daß es keine sogenannte höhere Ordnung gibt, für die die Gesetze des Seins, so wie der Geist sie erkennt, keine Geltung hätten. (57; Fs;)(notabene)
____________________________
|