Inhalt


Stichwort: Vorsehung, providentia

Autor, Quelle: Rhonheimer, Natur als Grundlage der Moral

Titel: Vorsehung - Partizipation

Index: ... Partizipation an der Vorsehung

Kurzinhalt: ... zudem ordnet Gott alle Geschöpfe auf ihr Ziel hin. Die ratio, der "Plan", dieser Hinordnung ist die Vorsehung oder providentia ...

Text: 3.3 Die Partizipation der providentia

196a Die Abhängigkeit der Geschöpfe von Gott ist nicht nur eine Abhängigkeit in ihrer seinsmäßigen Konstituiertheit, zu der auch die Erhaltung (conservatio) im Sein gehört; denn zudem ordnet Gott alle Geschöpfe auf ihr Ziel hin. Die ratio, der "Plan", dieser Hinordnung ist die Vorsehung oder providentia.1 Das Unterworfensein unter dieser Ordnung der göttlichen Vorsehung ist selbst ein bonum, denn es bedeutet, über die seinsmäßige Teilhabe hinaus, auch eine operative Partizipation an der divina bonitas, welcher die Geschöpfe durch ihre Tätigkeit im Vollsinne teilhaftig werden. (Fs)

196b Es ist ohne weiteres einsichtig, daß der imago-Charakter der personalen Autonomie des Menschen selbst eine besondere Weise der Teilhabe an dieser ratio ordinis in finem begründen muß. Deshalb kann es nicht erstaunen, daß Thomas aus der "imago Dei" im Menschen gerade auch auf eine besondere, menschliche Art des Unterworfenseins unter die "providentia" schließt: Der Mensch ist als geistiges Geschöpf der göttlichen Vorsehung nicht als "provisus" unterworfen, sondern er ist selbst ein "providens", er hat also an ihr aktiv teil.2 Thomas sagt nicht: Der Mensch ist nur in einer bestimmten Hinsicht der Vorsehung unterworfen, und in anderer Hinsicht autonom. Das eigene, personal-autonome providere des Menschen ist selbst ein bestimmter Modus des Unterworfenseins unter die göttliche Vorsehung; indem der Mensch elektive Freiheit besitzt3 und so seine Handlungen selbst regiert und leitet, ist dies "Selbstregierung", insofern sie personale Akte betrifft, selbst Bestandteil der göttlichen Vorsehung.4 Thomas meint nicht: Die Selbstleitung der menschlichen Akte als personale Akte gehört zu einem Bereich theonom abgesteckter Autonomie oder "nur" menschlicher Vorsehung. Unbeschadet der Tatsache, daß diese Akte auch Akte der menschlichen providentia sind, ist vielmehr gesagt, daß sie, als solche, gerade auch immer Akte der göttlichen Vorsehung sind - eine Aussage, die mit der Autonomievorstellung nicht mehr zu vereinbaren ist. (Fs)

197a Tatsächlich liegt hier ja das entscheidende Verständnisproblem; Thomas denkt eben nicht anthropomorph. Er wahrt voll und ganz die radikale Verschiedenheit der göttlichen von der menschlichen Kausalität, so weit diese Verschiedenheit menschlichem Sprechen überhaupt zugänglich ist. Die "causa secunda" ist nicht als autonomes Ausführungsorgan eines als Rahmenordnung gedachten Regierungsplanes gedacht; Gott konzipiert den Plan seiner Vorsehung vielmehr aufgrund seiner Allmacht selbst. Dessen Ausführung ("execu-tio") überläßt er zwar nicht einfach den vernünftigen Geschöpfen, aber er läßt diese an der Ausführung dieses Planes dadurch teilhaben, daß er ihnen die Fähigkeit der Teilhabe an der providentia vermittelt; die ordinatio divina erstreckt sich dabei jedoch weiterhin auf alle Akte des Geschöpfes. Die menschliche Vorsehung, seine personale Autonomie, verhält sich zur göttlichen Vorsehung wie eine partikulare Ursache zur Universalursache.22 Mit diesem Verhältnis ist gemeint: Die Kausalität der menschlichen Vorsehung ist in der Kausalität der göttlichen Vorsehung selbst enthalten; die Partikularursache bezieht sich dabei auf einen Teil, während die Universalursache nicht einen anderen, wenn auch übergeordneten Teil zum Gegenstand hätte, sondern die ganze Wirkung. Die universale Ursache ist also in jeder partikularen Ursächlichkeit anwesend, wirksam, ja ermöglicht diese zweite erst. Die zweite ist ebenfalls wirkliche Ursächlichkeit, aufgrund eingestifteter Fähigkeit, aber nicht in unabhängiger Weise, sondern partizipativ, begründet und getragen von der Erstursache, deren Wirksamkeit zugleich im Innersten der Zweitursache präsent ist.1 (Fs)

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Stichwort: Vorsehung, providentia

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von, Über Seiendes und Wesenheit

Titel: Erkennen - stofflich, unstofflich

Index: F1_076a2ad4, Wird der Urgrund des Verstehens vervielfacht entsprechend der Vermehrung der Körper?; Erkennen (stofflich: Sinn, Einbildungskraft): Art, Gattung im Hier und Jetzt; Erkennen (unstofflich, Verstand): Natur in d. Allgemeinheit; Beispiel: Stein

Kurzinhalt: "Das Ding wird sinnlich wahrgenommen in der Verfassung, die es außerhalb der Seele hat: in seiner Besonderheit. Die Natur des Dinges dagegen, die vom Verstand erkannt wird, ist zwar außerhalb der Seele, sie hat aber außerhalb der Seele nicht jene ...

Text: [37] Zu S. 52.

Die Mehrzahl der Verstandesseelen (und der Verstandesvermögen) ist weder ein Hindernis für die Erkenntnis des Allgemeinen durch den einzelnen Verstand (wie der 3. Einwand dartun will), noch hebt sie die Einheitlichkeit und den allgemeinen Charakter des Verstandesgegenstandes auf (wie der 4. Einwand behauptet). Ersteres nicht, denn "nicht die Vereinzelung des Verstehenden oder des Erkenntnisbildes schließt die Erkenntnis des Allgemeinen aus", sondern die Stofflichkeit derselben. Erkennendes und Erkenntnisbild (Erkenntnisform) sind immer einzelgezählt. Ist aber das Erkennende wie z. B. der äußere Sinn und die Einbildungskraft stofflich, d. h. subjektiv im Sein und Tätigsein auf ein körperliches Organ angewiesen, dann nimmt es die Erkenntnisform stofflich und beschränkt auf: und es erkennt demnach die "Art- oder Gattungsnatur", z. B. den Menschen oder das Sinnenwesen, in ihrer Beschränkung auf das Hier und Jetzt, in ihrer stofflichen Einzelbestimmtheit. Ist dagegen das Erkennende unstofflich wie der Verstand, so nimmt es die Form unstofflich auf, losgelöst von den stofflichen Bedingungen: und dann erkennt es die Natur in ihrer Allgemeinheit. Deshalb aber geht die Einheitlichkeit und der allgemeine Charakter des Verstandesgegenstandes bei der Annahme von mehreren Verstandesvermögen nicht verloren, weil der einzelne Verstand den Gegenstand nicht nach seinem "natürlichen" Sein, sondern im Erkenntnis- oder Ähnlichkeitsbild nach seinem "geistigen" Sein (vgl. 78, 3) aufnimmt. So erkennen auf Grund dieser einzelbestimmten Erkenntnisbilder alle einzelnen Verstandesseelen einen und denselben Gegenstand, und weil sie als unstoffliche Erkenntnisträger die Erkenntnisbilder unstofflich aufgenommen haben, auch denselben allgemeinen Gegenstand. (Fs) (notabene)

426a Sehr bemerkenswert sind die Angaben, die Thomas in diesem Zusammenhang über die Natur der Gegenstände unserer Erkenntnisvermögen macht und die festgehalten zu werden verdienen. Erstens: "Der Stein ist nicht in der Seele, sondern das Erkenntnisbild des Steines. Und doch ist der Stein das, was erkannt wird, nicht aber das Erkenntnisbild des Steines, es sei denn, daß der Verstand sich über sich selbst zurückbeugt. Sonst gäbe es keine Wissenschaft von den Dingen, sondern von den geistigen Erkenntnisbildern." Also auf Grund des Erkenntnisbildes, das in der Seele ist, wird das erkannt, was außerhalb derselben ist. Unser Wissen hat vornehmlich die Dinge der Außenwelt zum Gegenstand, nicht die Bilder im Erkennenden (vgl. 85, 2). Zweitens: "Das Ding wird sinnlich wahrgenommen in der Verfassung, die es außerhalb der Seele hat: in seiner Besonderheit. Die Natur des Dinges dagegen, die vom Verstand erkannt wird, ist zwar außerhalb der Seele, sie hat aber außerhalb der Seele nicht jene Seinsweise, gemäß der sie erkannt wird." Deutlich ist hier zum Ausdruck gebracht, daß das, was die Sinne erkennen, außerhalb der Seele liegt, und daß die Sinne ihren Gegenstand in der Verfassung erkennen, die er außerhalb der Seele hat. Sicherlich erfassen also die Sinne nicht irgendein Bild des Außendinges oder sonst etwas in den Sinnen selbst Entstandenes. Und auch die "Natur" des Dinges, die Wesenheit des körperlichen Dinges (der Verstand erkennt die Naturen oder Wesenheiten der körperlichen Dinge in ihrem Freisein von den vereinzelnden Merkmalen) ist außerhalb der Seele, wenn sie auch nicht in der Seinsweise dort ist, in der sie im Erkennenden ist und erkannt wird. (Fs) (notabene)

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