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Stichwort: Kontingenz

Autor, Quelle: Beckmann, Jan P., Wilhelm von Ockham

Titel: Ockham - Kontingenz

Index: Das Kontingente, Mögliche - das Notwendige als Gegenbegriff

Kurzinhalt: Danach heißt 'kontingent' alles dasjenige, was zwar so ist, wie es ist, aber auch widerspruchsfrei anders sein könnte, als es ist. In diesem Sinne gibt es nur ein einziges Seiendes, das nicht kontingent, sondern notwendig ist: Gott, ...

Text: 80b An dieser Stelle ist ein Blick auf die logische Bedeutung von 'Kontingenz' am Platz. 'Kontingenz' (von lat. contingere, als Verbum intransitivum = zutreffen, eintreten, sich fügen) meint wörtlich das Sich-Fügende. Wenn die mittelalterlichen Denker die Welt und alles in ihr als kontingent bezeichnen, so in dem Sinne, daß die Welt so beschaffen ist, wie Gott es gefügt hat. Da Gott aber gänzlich frei in seinem Tun und Lassen ist, unterliegt er in seinem Schöpfungsakt keinerlei Zwang. Diese Zwangslosigkeit ist in seine Schöpfung eingegangen: Die Welt ist nicht Ausdruck irgendwelcher Notwendigkeiten, sondern sie ist das von Gott aus Freiheit Gefügte. D.h., sie ist kontingent im Sinne desjenigen, was nicht notwendig ist. Nun ist aber auch das Nur-Mögliche etwas Nicht-Notwendiges. Das Kontingente und das Mögliche haben also denselben Gegenbegriff, den der Notwendigkeit. Gleichwohl unterscheiden sich Kontingentes und Mögliches in einem wichtigen Punkt voneinander: Das Kontingente kann möglich sein, es kann aber auch wirklich sein. Kontingent ist nämlich zum einen dasjenige, was noch nicht ist, aber widerspruchsfrei sein könnte, mithin möglich ist; zum anderen ist kontingent dasjenige, was wirklich ist, auch wenn es ohne Widerspruch anders sein könnte, als es ist. Man kann in diesem Sinne von einer Kontingenz des Möglichen und einer Kontingenz des Wirklichen sprechen. Beide Bereiche unterliegen der gleichen Forderung nach Widerspruchsfreiheit und stehen in Opposition zur Notwendigkeit. Die Welt, so könnte man sagen, ist insoweit im doppelten Sinne kontingent: einmal, weil sie der Inbegriff alles dessen ist, was ist, aber auch anders sein könnte, sofern kein Widerspruch entsteht; zum zweiten, weil sie eine mögliche Welt unter anderen möglichen Welten ist. (Fs; tblVrw) (notabene)

81a Der Hintergrund dieser Unterscheidung ist modallogischer Natur: 'kontingent' ist ein bestimmter logischer Modus im Unterschied zu anderen Modalitäten wie Möglichkeit und Notwendigkeit. Eine Aussage steht im Modus der Kontingenz, wenn sie möglich, aber nicht notwendig ist. Man kann aber auch wie folgt definieren: Eine Aussage ist kontingent dann, wenn weder sie selbst noch ihr Gegenteil notwendig ist. In beiden Fällen muß freilich Widerspruchsfreiheit gegeben sein. Von diesem modallogischen Gebrauch des Ausdrucks 'kontingent' zu unterscheiden ist der ontologische Gebrauch. Danach heißt 'kontingent' alles dasjenige, was zwar so ist, wie es ist, aber auch widerspruchsfrei anders sein könnte, als es ist. In diesem Sinne gibt es nur ein einziges Seiendes, das nicht kontingent, sondern notwendig ist: Gott, das unverursacht Seiende, das nicht anders sein kann, als es ist. Wenn die mittelalterlichen Denker die Welt kontingent genannt haben, so deswegen, weil die Welt und alles in ihr Seiende in sich keinen hinreichenden Existenzgrund hat, sondern sich von etwas anderem herleitet, nämlich von der Erstursache Gott. Hier meint Kontingenz ganz offensichtlich eine Sachqualität. Von dieser ontologischen Verwendung von Kontingenz ist die modallogische zu unterscheiden: Kontingent ist eine Aussage, die weder notwendig noch unmöglich ist und deren Gegenteil keinen Widerspruch einschließt. Eine Aussage p ist kontingent dann, wenn weder p noch nicht-p notwendig wahr ist, das eine oder das andere aber widerspruchsfrei möglich ist. In diesem Fall bezeichnet Kontingenz ersichtlich keine Sachqualität, sondern eine Satzmodalität. Ist eine kontingente Aussage, d.h. eine solche, die weder notwendig noch unmöglich ist, wahr, dann ist sie faktisch wahr. (Fs)

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