Inhalt


Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Schooyans, Michel, Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Mussolini - Professoren

Index: Mussolini, Professoren

Kurzinhalt: 1931 schlossen sich in Italien fast 99 Prozent aller Universitätsprofessoren Mussolini an. Hitler kam auf parlamentarischem Wege zur Macht.

Text: Es stimmt nicht, daß sich Demokratie wesenhaft in der mechanischen und blinden Anwendung der Mehrheitsregel erschöpft (EV 70). 1931 schlossen sich in Italien fast 99 Prozent aller Universitätsprofessoren Mussolini an. Hitler kam auf parlamentarischem Wege zur Macht. (Fs)

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Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Brandmüller, Walter, Licht und Schatten

Titel: Universitäten - Mittelalter

Index: Universitäten als legitime Tocher der Kirche

Kurzinhalt:

Text: 42a So breitete sich nach 1200 ein weitmaschiges Netz Hoher Schulen über ganz Europa aus: Bologna, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca, Coimbra entstanden nebst Padua und Montpellier noch im 13. Jahrhundert. Eine Ausnahme stellt die 1220 von Friedrich II. gegründete Universität von Neapel dar, die ohne päpstliche Mitwirkung erfolgte. Das 14. Jahrhundert erlebte dann einen großen Aufschwung von Universitätsgründungen; die erste auf Reichsgebiet war die Gründung Karls IV. zu Prag im Jahre 1348. Um 1300 gab es in ganz Europa 13 Universitäten, gegen Ende des Jahrhunderts 28, und um 1500 waren deren 68. (Fs)

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Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Brandmüller, Walter, Licht und Schatten

Titel: Französische Revolution - Kirchenverfolgung

Index: Französische Revolution - Kirchenverfolgung

Kurzinhalt: ... eine "gewaltige Welle der Dechristianisierung" überspülte vom Sommer 1793 bis Sommer 1794 das Land. Allein in diesem Jahr zählte man 22938 Hinrichtungen bzw. Morde.

Text: 58b Als ein drittes Beispiel für einen kirchlichen Neuaufbruch sei jener erwähnt, den Frankreich nach der Revolution von 1789 erlebt hat. Die sich seit dem Ausbruch der Revolution in mehreren Schritten zunehmend verschärfende Kirchenverfolgung erreichte ihren Höhepunkt Ende August 1792, als alle romtreuen Priester, deren man habhaft werden konnte, deportiert wurden, und in den sogenannten Septembermorden allein in Paris 300 Priester, darunter drei Bischöfe, das Martyrium erlitten. Priestern, die nun - man schrieb das Jahr 1793 - Frankreich noch nicht verlassen hatten, drohte die binnen 24 Stunden zu vollstreckende Todesstrafe - eine "gewaltige Welle der Dechristianisierung" überspülte vom Sommer 1793 bis Sommer 1794 das Land. Allein in diesem Jahr zählte man 22938 Hinrichtungen bzw. Morde. (Fs)

59a Die meisten Kirchen wurden geschlossen und geplündert, sogar niedergerissen, der Sonntag wurde abgeschafft, ein eigener revolutionärer Kult der Göttin Vernunft sollte die Gottesverehrung ablösen. Nur einige tausend Priester harrten unter Lebensgefahr im Untergrund aus, um den verbliebenen Gläubigen die Sakramente zu spenden. Insgesamt dürften etwa 5000 Katholiken, darunter mehr als 1000 Priester, als Märtyrer im eigentlichen Sinn gestorben sein. Dank der heroischen Treue vieler Priester und Gläubigen, die auch unter dem Terror standgehalten hatten, bewahrheitete sich auch in diesem Fall die Devise "Succisa virescit": aus dem umgehauenen Baumstumpf schießt frisches Grün!

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Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Chaunu, Pierre, Die weiße Pest

Titel: Handel - Neuzeit, Rom

Index: Rom, Einwohner (unter Mark Aurel); Stadt-Land-Verhältnis; Regel für Handel in der Neuzeit

Kurzinhalt: ... Regel, die ich für die Neuzeit aufgestellt habe: 90% der Erzeugung wird in einem Umkreis von 5 km vom Produktionsort verbraucht. Die verbleibenden 10% gehen in den »Handel« und werden in »Marktflecken« verkauft, die maximal 40 km vom Erzeugungsort ...

Text: P. C.: Gar keine Frage. Seit Augustus bildet es im Bereich des Mittelmeerbeckens einen sehr losen Städtebund über ein Gebiet von 3300000 km2 und zählt 60 Millionen Seelen. Eine Größenordnung, die es zuvor noch nie gegeben hatte. Die römische Revolution, dieses blutige Geschehen, das Rom, Italien, Spanien, den Süden Galliens, Syrien, Ägypten über ein halbes Jahrhundert lang erschüttert, hatte es Oktavian ermöglicht, seine Macht über einen Großteil der gesamten damals bekannten Welt auszudehnen. Das Mittelmeer ist zu einem römischen Binnensee geworden. Unter Marc Aurel zum andern ist die Bevölkerung des Römischen Reiches zahlreich. Die genauen Zahlen kennen wir nicht, aber 60 Millionen ist eine annehmbare Größenordnung. Der Anteil der Stadtbevölkerung ist hoch, vielleicht 15%. Vergleichbare Bevölkerungsballungen gibt es bis zu den ersten Anfängen der industriellen Ära zu keiner Zeit. Die Erzeugung ist vielfältig, der Handel verhältnismäßig umfangreich, wenn man die damaligen Transportmittel berücksichtigt. Sie erinnern sich vielleicht an die Regel, die ich für die Neuzeit aufgestellt habe: 90% der Erzeugung wird in einem Umkreis von 5 km vom Produktionsort verbraucht. Die verbleibenden 10% gehen in den »Handel« und werden in »Marktflecken« verkauft, die maximal 40 km vom Erzeugungsort entfernt liegen (nebenbei: die meisten dieser Marktflecken sind heute genau dort angesiedelt, wo sie im 2. Jahrhundert lagen). Und nur ein Zehntel dieser 10% schließlich geht über das kleine Ursprungsland hinaus und überschreitet die Grenzen, manchmal sogar die Meere. Das nennt man den Welthandel, den Historiker und Wirtschaftler so aufregend finden, dieses winzige eine Prozent. Nun also, zur Zeit Marc Aureis gilt diese 1%-Regel vielleicht auch schon, trotz der armseligen Transportmittel. Zahlreiche Stadtbevölkerung, unverhältnismäßig große Mußeschicht haben zur Folge, daß das flache Land fürchterlich ausgesaugt wird. Da aber nun einmal die Gewalt bei der Stadt und der Mußeschicht liegt, kann keinerlei Sicherheitsventil das flache Land schützen. Bei einem solchen Stadt-/Land-Verhältnis ist der technische Fortschritt blockiert. Der Überbau erdrückt das tönerne Fundament dieses brillanten Kolosses (es bedarf keiner Erwähnung, daß 300 Jahre später praktisch nichts mehr übrig ist von dem großen Handelsnetz, noch auch von der städtischen Hyperkonzentration, nichts mehr von jenem Luxus, wie ihn die Kultur einer Elite darstellt). Unter Marc Aurel vereinheitlicht Rom weiterhin nach Kräften die Formen der Verwaltung des Reiches, die Gesetzgebung. Und der Bau gradliniger Straßen für die Boten (und nur für sie) beschleunigt sich noch, und so sind die fernsten Ecken der mittelmeerischen Welt mit der Hauptstadt verbunden. (Fs)

[...]

P. C.: Warum sich die Städte unablässig vergrößern? In diesem Städtebund liegt die ganze Macht bei den Städten. Sie entwickeln sich zwangsläufig und weil sie attraktiv sind. Ich werde nun nicht etwa anfangen, gegen die städtische Zivilisation zu Felde zu ziehen; vermutlich ist Zivilisation überhaupt nur städtisch denkbar. Ohne geballte Intelligenz, ohne Läden, Kolporteure, Manufakturen, Handwerker, Tempel, Agoras, Akademien gibt es nur geringe Möglichkeiten, Kenntnisse auszutauschen, miteinander zu verkehren. Intelligenz ist aber in erster Linie etwas Kollektives. Andererseits ist die Zulässigkeit der städtischen Konzentration außerordentlich stark begrenzt. Jenseits einer nicht mit letzter Sicherheit festzulegenden Schwelle, die aber jedenfalls beim technischen Stand der Antike zwischen 10 und 20% liegt, zerschlägt und erdrückt die Entnahme zugunsten der Mußeschicht die Lebensquellen, zieht sie die Nahrungs- und Menschenerzeugung, die auf dem Lande liegt, in ihren Strudel. Wir haben es ja noch nicht mit einer industriellen Zivilisation zu tun, d. h. mit einer Zivilisation, die die Nahrungsprobleme machtvoll und elegant gelöst hat; damals erzeugt die Stadt noch nicht viel. In gewisser Weise ähneln die damaligen Städte eher Washington als New York. Man wohnt da auf herrlichen Grundstücken, man ißt, man trinkt, man liebt sich, man diskutiert über das Geschlecht der Engel oder auch das Geschlechtsleben der andern, aber man erzeugt fast nichts. Vergessen Sie nicht, daß Rom ein Universum der Bauern, Händler und Soldaten ist. Fast alles, was dort verbraucht, gehandelt und gekauft wird, stammt vom Landboden. Da hätten wir also das erste wirklich gravierende Element. (Fs)

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Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Schooyans, Michel, Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Weltbevölkerung - Rückgang

Index: Abtreibung, Weltbevölkerung

Kurzinhalt: Die Abtreibungskampagne hatte niemals zum Ziel, die Bevölkerung zu verringern, sondern (neben ihrer hedonistischen Variante) immer zur Aufgabe, die vermeintliche Überbevölkerung der Welt unter Kontrolle zu bringen

Text: Die Abtreibungskampagne hatte niemals zum Ziel, die Bevölkerung zu verringern, sondern (neben ihrer hedonistischen Variante) immer zur Aufgabe, die vermeintliche Überbevölkerung der Welt unter Kontrolle zu bringen. (Fs; tblVrw)

a) Mitte 1997 wurde die Weltbevölkerung auf 5 840 000 000 Einwohner geschätzt.1

b) Weltweit gesehen verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum markant. Lag es 1989 noch bei 2,1 Prozent jährlich, so betrug es schon 1990 nur noch 1,7 Prozent; 1997 ist es auf 1,5 Prozent zurückgegangen. Nach dem Jahr 2000 wird in den Industrieländern - vor allem in Europa und Japan - nach drei Jahrzehnten ungenügender Fruchtbarkeit die Gesamtbevölkerung zu sinken beginnen. Ab Mitte des zweiten Jahrhunderts des bevorstehenden Milleniums könnte - auch nach neuesten UNO-Hochrechnungen - sogar die gesamte Weltbevölkerung abnehmen, sofern sich die beobachtete Senkung der Fruchtbarkeitsziffer fortsetzt.2

c) Das Phänomen des spektakulären Wachstums der Bevölkerung »zeigte sich im 20. Jahrhundert besonders beschleunigt in den Ländern des Südens. Doch dieses Tempo hat sich verlangsamt. Denn auch die Fruchtbarkeit in den Ländern der Dritten Welt geht rasant zurück. Zählte man dort 1962 noch 6,1 Kinder pro Frau, so waren es 1990 schon nur noch 3,8 und 1997 gerade noch 3,4 (China inbegriffen).«3 Fast überall auf der Welt gehen die synthetischen Fruchtbarkeitsraten zurück. (Fs)

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Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Schooyans, Michel, Der Babycrash

Titel: Geburtenrückgang - Folgen

Index: Geburtenrückgang;

Kurzinhalt: Gemäß Angaben des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen, wiedergegeben in der Zeitung ABC (Madrid) vom 24. April 1999, wird die Bevölkerung von Spanien 2050 die älteste der Welt sein. Auf eine Person unter 15 Jahren trifft es 3.6 mit 60 ...

Text: 40a Der Rückgang der Fruchtbarkeit ist ein Phänomen, das zwar unaufhaltsam weitergeht, aber nur langsam zur Kenntnis genommen wird. Man schenkt ihm und den daraus unweigerlich folgenden Konsequenzen im allgemeinen keine große Beachtung. Wir untersuchen einige dieser Konsequenzen, um Lehren daraus zu ziehen, und stellen dann Vergleiche an. (Fs; tblVrw)

1. Erste Konsequenz: Das Älterwerden der Bevölkerung. Um das zu zeigen, gibt es eine einfache Methode: Das mittlere Alter ist dasjenige, wodurch eine Bevölkerung in zwei gleiche Teile aufgeteilt wird, z.B. in die unter und über 30 Jahre alten. Ungefähr um 1900 war das mittlere Alter der Weltbevölkerung um 20 Jahre herum, während es sich heute in den Entwicklungsländern um 25, in den reichen Ländern um 40 Jahre bewegt. Es steigt also überall an. Gemäß einer im Wall Street Journal1 publizierten Studie dürfte dieses mittlere Alter bis 2025 in Japan 53, in Deutschland 55 und in Italien 58 Jahre betragen. Daraus ergeben sich unvermeidliche Fragen: Wie viele Frauen im Gebäralter wird es in diesen Ländern geben? Wie wird ihre Fruchtbarkeitsrate sein?

Dieses Alterungssignal wird ebenfalls bestätigt, wenn man das mittlere Alter zugrunde legt, das sich ergibt, wenn man die Summe der Altersjahre einer Bevölkerung durch den effektiven Bestand dieser Bevölkerung teilt. Gemäß Time war das mittlere Alter der Weltbevölkerung 1975 bei 22 Jahren, 2050 könnte es bei 38 Jahren sein2. (Fs)

Die Überalterung erreicht in gewissen Fällen dramatische Proportionen. Gemäß Angaben des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen, wiedergegeben in der Zeitung ABC (Madrid) vom 24. April 1999, wird die Bevölkerung von Spanien 2050 die älteste der Welt sein. Auf eine Person unter 15 Jahren trifft es 3.6 mit 60 und mehr Jahren. (Fs)

Für Italien stellt Jean-Claude Chesnais fest: "Der extremste Fall findet sich im Zentrum, in der reichen und dichtbesiedelten Emilia-Romagna mit der Hauptstadt Bologna, wo die Anzahl Personen über 70 Jahren zwei Mal höher ist als diejenige unter 20 Jahren"3. Die gleiche Feststellung macht Peter McDonald: "Bei einer gleichen Bevölkerung mit dem Fruchtbarkeitsniveau von 1995 würde der Bevölkerungsbestand in Italien in 100 Jahren auf 14% des Anfangsbestandes sinken. Die entsprechenden Prozente wären für Spanien 15%, für Deutschland 17%, für Japan 28%. Sogar wenn Frankreich seine Fruchtbarkeitsrate von 1995, d.h. auf 1.7 Kinder pro Frau aufrechterhielte, würde die Bevölkerung nach 100 Jahren auf 50% des Anfangsbestandes fallen4. (Fs)

41a Ähnliche Berechnungen über den "demographischen Zusammenbruch" wurden schon 1989 von Bourgeois-Pichat gemacht. Der bekannte Demograph hat berechnet, daß die Bevölkerung der reichen Länder gegen 2250 ausstirbt, wenn die Fruchtbarkeitsrate weiterhin so bleibt, wie sie in Deutschland 1990 war. Wendet man den gleichen Index auf die Entwicklungsländer an, würde die Bevölkerung um 2400 untergehen. Das zeigt Tabelle 15. (Fs)

2. Die Überalterung ihrerseits hat eine direkte Auswirkung: die Entvölkerung. Es ist klar: je älter die Menschen sind, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, daß sie sterben. Das ist auch der Grund, daß in den reichen Ländern die Sterblichkeitsrate heute schon höher ist als in den armen. In gewissen reichen Ländern mit sinkender Fruchtbarkeit wird diese Entvölkerung vorderhand noch durch den Geburtenüberschuß verdeckt, für die Demographen ein bekanntes Phänomen. Obwohl dies vom großen Publikum wenig wahrgenommen wird, kann man es leicht verstehen und in Westeuropa sehr gut beobachten. In diesen Ländern ist die Sterblichkeit der Kinder unter einem Jahr zehnmal kleiner als vor 70 Jahren. Von denen, die überlebt haben, sind viele gestorben - hauptsächlich als Kriegsfolge -, bevor sie das Alter erreichten, das man heute aufgrund der allgemeinen Zunahme des Lebensalters erwarten kann. Alle diese "vorweggenommenen" und heute vermiedenen Todesfälle werden sozusagen vergessen, was den falschen Eindruck (obzwar zahlenmäßig richtig) erweckt, die Geburten überträfen die Todesfälle. Wenn wirklich alle diese Leute, geboren 1921, bis 1998 77 Jahre gelebt hätten (heutige Lebenserwartung in den reichen Ländern), würden die Todesfälle heute die Geburten weit übersteigen. In 15 europäischen Ländern ist dies schon der Fall: die Zahl der Todesfälle übersteigt in Deutschland diejenigen der Geburten (und nur die Immigration verschleiert diese Tatsache). (Fs)

3. Weitere Konsequenz der Überalterung, die ihrerseits aus dem Absturz der Fruchtbarkeit resultiert: Zunahme des Anteils an alten, abhängigen Personen. In den entwickelten Ländern ist das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Pensionierten 3 zu 1. Wenn sich nichts ändert, wird dieses Verhältnis 2030 1.5 zu 1 sein. Dieses Phänomen verschont auch die Entwicklungsländer nicht. Für den Anstieg der alten Bevölkerung von 7% auf 14% der Gesamtbevölkerung brauchte es in Frankreich 100 Jahre. In China wird es kaum 25 Jahre dauern5. Der zunehmende Anteil an alten Personen zeigt sich klar in den Alterspyramiden. Als extremes Beispiel führen wir unten diejenige von Zürich an. (Fs)

Tabelle 15, 16 ausgelassen
44a

4. Angekündigter Kollaps des sozialen Sicherheitssystems im weitesten Sinne: Familienzulagen, Arbeitslosen- und Zusatzversicherungen, Invaliden-und Altersrenten etc. Um vor Augen zu führen, was mit den Pensionen passiert, erfinden wir ein vereinfachtes Beispiel: 1960 war das Rücktrittsalter in irgendeinem Land, wo man hoffen konnte, bis zum 67. Jahr zu leben, auf 60 fixiert. Die Pension mußte durchschnittlich für 7 Jahre ausgerichtet werden. 1995 wird das Pensionsalter im gleichen Land auf 65 Jahre festgelegt bei 79 Jahren Lebenserwartung. Die Pension muß folglich für 14 Jahre bezahlt werden, noch dazu an eine Bevölkerung mit wachsenden medizinischen Bedürfnissen.

44b Von jetzt an läßt sich in der Organisation der So
zialhilfen ein unheilverkündendes Krachen vernehmen. Gemäß Peterson, der sich auf offizielle Angaben stützt, müssen in 30 Jahren die entwickelten Länder zwischen 9 und 16% ihres PNB aufwenden, einzig um ihre Verpflichtungen für die Pensionen zu erfüllen6. Die regelmäßige Zunahme der Lebenserwartung erhöht diese Schwierigkeiten noch. Je älter die Leute werden, desto mehr Gesundheitsvorsorge benötigen sie. Diese wird ihrerseits hauptsächlich wegen der Spitzentechniken, nach denen die Medizin dauernd ruft, immer teurer.

Der voraussehbare Kollaps wird wegen der Tatsache, daß die reichen Länder heute schon über ihre Mittel leben, noch verschlimmert. Sie klammern sich besonders an ihre Sozialgesetzgebungen, über die nach dem Krieg in einem Prosperitätsklima abgestimmt wurde, die heute aber unhaltbar sind. So sind viele Übereinkünfte mit den Gewerkschaften aus dem Grund besitzwahrend geworden, weil ihre Experten und Apparatschiks die Probleme nicht berücksichtigen, die aus der demographischen Entwicklung resultieren. (Fs)
44c

5. Ganz diskret wurden die Budgets der sozialen Sicherheit bereits gedrosselt, aber diese kurzfristigen Maßnahmen sind total ungenügend. In Tat und Wahrheit sind die Jahre der umfassenden Staatsvorsorge definitiv gezählt. Weder die Parlamentarier noch die politischen Entscheidungsträger haben im allgemeinen den Mut, den Bürgern offen zu sagen, daß die sozialen Einrichtungen, speziell das Pensionssystem, unweigerlich nach Kürzungsmöglichkeiten durchsucht werden müssen. Im Gegenteil vermehrt man die Erklärungen, daß alles gesichert sei, und macht Versprechungen, die man nicht halten kann. Die Demographen und andere Spezialisten wissen genau, daß radikale Reformen unumgänglich und dringend sind. Aber die classe politique tut so, als ob alles in Ordnung wäre und trägt den Empfehlungen der Experten kaum Rechnung. Eine langfristige Planung ist ihnen fremd: Vogel Strauß ist an der Macht. Je länger man zuwartet, desto unpopulärer werden die Maßnahmen sein, die man auf jeden Fall ergreifen muß. Man wartet lieber, bis es zu spät ist... (Fs)

44d Politisch gesehen ist die Zukunft der Demokratie in Gefahr. Um heute Wahlen gewinnen zu können, retten sich die Parlamentarier, die politischen Parteien und die Regierungen mit der Behauptung, keine andere Wahl zu haben: die Wähler fordern von ihnen, daß sie vor allem die sozialen Verpflichtungen, die unter völlig andern Verhältnissen als heute eingegangen wurden, aufrecht erhalten. "Taste meine erworbenen Rechte nicht an!" Ohne Zweifel ist diese starre und schlußendlich scheinheilige Auffassung der Demokratie sogar eine Bedrohung für die Zukunft der Demokratie, da sie sich gegen jede Maßnahme stellt, welche die Herausforderungen, die durch den Rückgang der Fruchtbarkeit verursacht werden, ins Visier nimmt. (Fs)

45a
6. Auch das Erziehungssystem ist direkt bedroht. In den industrialisierten Ländern werden die Kinder bis zu 20 Jahren zu den abhängigen Personen gezählt. Praktisch umfaßt die Zahl der effektiv abhängigen alle bis zum Abschluß ihrer Ausbildung oder Studien, ja sogar so lange, bis sie eine bezahlte Beschäftigung ausüben können. Wie groß auch immer die Zahl dieser Jugendlichen ist, sie kommt zu den alten, abhängigen Personen von über 64 Jahren hinzu. Im allgemeinen werden in den Ländern der dritten Welt die Menschen unter 15 und über 64 Jahren als abhängig betrachtet. (Fs)

Daraus ergeben sich zahlreiche Schwierigkeiten. Wegen der schlechten Wirtschaftslage beschneiden die zuständigen Stellen schon jetzt die Erziehungsbudgets, da man annimmt, daß eine alte Person die Gesellschaft zweimal mehr kostet als eine junge! Da es zudem weniger Kinder hat, muß man Klassen schließen. Daraus ergeben sich wieder Rückwirkungen auf die Beschäftigung. Dabei passiert das gerade in einer Zeit, wo die Jugendlichen eine Masse von Kenntnissen aufnehmen müssen, die beträchtlich größer und komplexer sind als was ihre Eltern noch lernen mußten. Man muß diese Jugendlichen zu einer höheren und vor allem kreativeren Produktivität heranbilden. (Fs)

Dazu kommt, - unter gleichen Umständen - daß die Entdeckung von erfolgversprechenden Talenten - die seit dem Obligatorium der Schulpflicht auf einer sehr breiten Basis verlief mit einer großen Anzahl Kinder - sich von nun an auf einer viel engeren Ebene bewegt, d.h. mit einer kleineren Kinderzahl. Man bemerkt sofort die negative Auswirkung dieser Verkleinerung zu einem Zeitpunkt, wo man bereit ist anzuerkennen, daß das Humankapital und seine Ausbildung für die Welt viel wichtiger ist als das Sachkapital7. (Fs)

7. Die im Erwerbsleben stehenden Erwachsenen werden sich schnell des Gewichts bewußt, das für sie die Masse der alten, abhängigen Personen bedeutet. Diese ist für sie im wörtlichen Sinne zermalmend, wie das die Alterspyramiden mit ihrer Pilzform anschaulich zeigen. Es ist auch verständlich, daß die Erwachsenen - von denen Teile arbeitslos sind - das Gewicht dieser Alten, deren Menge ständig zunimmt, nicht endlos zu tragen gewillt sind. (Fs)

Aus diesem Ungleichgewicht werden zwischen den Generationen große Spannungen entstehen. Diese werden sogar aus zwei wichtigen Gründen noch verstärkt werden. Einerseits werden die Erwachsenen Kinder haben; sie werden also auf ihren Schultern nicht nur abhängige Alte von über 64 Jahren zu tragen haben, sondern auch eine Menge junger Abhängiger, für die sie die Ausbildungskosten aufbringen müssen. Andererseits werden diese gleichen Erwachsenen nicht erpicht sein, via Zunahme der Steuerschraube Pensionen und Fürsorge der Alten zu bezahlen, nachdem diese schon wegen ihres Wählergewichts zum Nachteil der Jungen und Erwachsenen von der Demagogie der Politiker "profitieren". (Fs)

46a Diese Spannung zwischen den Generationen wird noch radikalisiert, je mehr die Euthanasie als letzte Lösung für die Sackgasse der sozialen Sicherheit präsentiert wird. (Fs)

8. Eine kleinere Fruchtbarkeit zieht eine Schwächung des "sozial-kulturellen" Gedächtnisses nach sich, ein Phänomen, auf das Pierre Chaunu8 oft die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Effektiv wird Kultur nicht nur durch Bücher und Computer übermittelt. Die Träger der Kultur sind jene Menschen, welche sie gleichzeitig bereichern, wenn sie sie empfangen. Kunst, Handwerk und wissenschaftliche Disziplinen werden verarmen, sogar verschwinden, weil es an genügend Jungen fehlt, die sie kreativ aufnehmen können. (Fs)

Der demographische Zusammenbruch der industrialisierten Länder ist deshalb eine Katastrophe für die Länder mit einer reichen kulturellen Tradition, ja sogar für die ganze Welt. Die Stärke dieser Länder liegt in ihrer Fähigkeit, Wissen und Können auf allen Gebieten zu schaffen. Man stellt auch fest, daß diese Kapazität sich kumulierend auswirkt wie ein Schneeballeffekt. Sie konzentriert sich aber regional. Alle wichtigeren Entdeckungen des 20. Jahrhunderts wurden in den reichen Ländern gemacht, auch wenn diese von Beiträgen der Wissenschaftler aus Entwicklungsländern profitiert haben. Wenn diese kreative Kapazität mangels Menschen verloren geht, wird als Folge des Dominoeffekts schließlich die ganze Menschheit darunter leiden. (Fs)

9. Wenn die Kinder zu fehlen anfangen, wird es auch an Kunden mangeln. Dies ist schon der Fall für viele Industrien, besonders für große z.B. in Deutschland. Unternehmungen müssen mangels genügend Abnehmern unter ihrer Produktionskapazität arbeiten. Einmal mehr zeigt sich, daß die Arbeitslosigkeit noch andere Ursachen hat als nur die Erhöhung der Produktivität. (Fs)

Eine der Ursachen ist die Überdimensionierung der Fabriken als Folge von fehlender Nachfrage. Es nützt nichts, die Produktivität zu erhöhen und mehr zu produzieren, als der Markt aufnehmen kann. Die Verschwendung hat ihre Grenzen. Es ist deshalb nötig, daß auch eine dem Angebot entsprechende Nachfrage gegenübersteht, die mit den Gütern aus wachsender Produktivität übereinstimmt. Und diese Nachfrage kann nur von einer Bevölkerung kommen, die tendenziell wächst. (Fs)

Der wirtschaftliche, landwirtschaftliche, technische und industrielle Fortschritt haben die Zunahme der Bevölkerung gefördert. Dieses Phänomen läßt sich in großem Maßstab im heutigen Indien beobachten. Hier wurde die grüne Revolution "angekurbelt" durch den Agronom Norman Borlaug, Friedensnobelpreisträger von 19709. Vor weniger als 40 Jahren zählte Indien etwa 200 Mio. Einwohner und wurde von schrecklichen Hungersnöten geplagt. Noch sind nicht alle Probleme gelöst, aber Indien zählt heute über eine Milliarde Einwohner und exportiert Getreide... (Fs)

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Stichwort: Zahlen

Autor, Quelle: Schooyans, Michel, Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Generationenersatz

Index: [85] Wie stellt sich die demographische Lage aus europäischer Sicht dar?

Kurzinhalt: Ein jeder bilde sich selbst sein Urteil: Die letztverfügbaren Daten von Eurostat lauten: Vereinigtes Königreich: 1,70; Belgien: 1,55; Schweiz: 1,52; Deutschland: 1,30; Italien: 1,22; Spanien: 1,15 (alle Daten: 1996).

Text: Um in entwickelten Ländern den bloßen Generationenersatz sicherzustellen, muß die Fruchtbarkeitsrate mindestens 2,1 Kinder pro Frau betragen (dabei werden für ein bestimmtes Jahr die Kinder gezählt, welche die am 1. Januar des betreffenden Jahres zwischen 15 und 49 Jahre alten Frauen zur Welt gebracht haben, und diese Teilquotienten werden zusammengezählt).1
Dieser Fruchtbarkeitsindex liegt praktisch überall in Europa deutlich unter dem für den Generationenersatz notwendigen Grenzwert.2 In der Europäischen Gemeinschaft zeigen die 1993 von Eurostat veröffentlichten Zahlen einen Fruchtbarkeitsindex, der 1960 noch bei 2,61 lag und 1996 auf 1,44 abgerutscht ist. Einzig und allein Irland sicherte 1990 mit 2,10 noch den Generationsersatz, ist jedoch inzwischen ebenfalls unter die Ersatzrate abgefallen (1996: 1,71). Ein jeder bilde sich selbst sein Urteil: Die letztverfügbaren Daten von Eurostat lauten: Vereinigtes Königreich: 1,70; Belgien: 1,55; Schweiz: 1,52; Deutschland: 1,30; Italien: 1,22; Spanien: 1,15 (alle Daten: 1996). (Fs)

Noch aufsehenerregender ist der Zusammenbruch in den osteuropäischen Ländern: In Ostdeutschland ist die Zahl der Kinder pro Frau buchstäblich in einen Sturzflug übergegangen: von 1,80 vor dem Fall der Mauer auf 0,80 im Jahre 1992; mittlerweile (1996) bietet es den traurigen Weltrekord von 0,77. Aber auch Rußland fiel binnen zwei Jahren (1990-1992) von 1,90 auf 1,56 und lag 1994 bei 1,40. Das katholische Polen fiel von 2,33 Kindern pro Frau (1985) auf 1,95 (1992) und wies 1995 nur noch eine Rate von 1,61 auf. Ähnlich verheerend steht es in der Slowakei (1990: 2,09; 1995: 1,52), Slowenien (1995: 1,29), der Ukraine (1995: 1,40) oder der Republik Belarus (1995: 1,39).3 In Rußland sterben seit Ende 1991 sogar jährlich mehr Menschen, als geboren werden.4 Bis 1965/1970 hatte der synthetische Fruchtbarkeitsindex in Europa fast überall noch über 2,1 gelegen, ist aber seitdem um 30 Prozent zurückgegangen und liegt bei 1,5 Kindern pro Frau. Zum Vergleich: Dieser Index, der seit 1965 auf fast allen Kontinenten zurückgeht (s.a. 79), wird weltweit auf 3,0 und für die Entwicklungsländer (einschließlich Chinas) auf 3,4 geschätzt5. (Fs)

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