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Stichwort: Universalien

Autor, Quelle: Leppin, Volker, Wilhelm von Ockham

Titel: Ockham - Universalien

Index: Universalien: realistische - nominalistische Postion; Trinität, Möglichkeit der Erlösung

Kurzinhalt: Gibt es wirklich die "Art", die Spezies (species) Mensch - oder handelt es sich hier um eine willkürliche Grenzziehung, die auch ganz anders verlaufen könnte, um einen "Speziesismus", wie ihn der Philosoph Peter Singer diagnostiziert hat,

Text: 64b Wie eng hingegen bei Ockham noch beides beieinander liegt, zeigt ein Themenbereich, der ihn in alle philosophischen Lehrbücher hineingebracht hat und der doch erstmals im Zusammenhang einer theologischen Fragestellung, nämlich der Frage nach der Rede von Gott entworfen wurde: die Lehre von den Allgemeinbegriffen, den Universalien, worunter vornehmlich die Begriffe für Arten und Gattungen zu verstehen sind. Das Problem der Universalienlehre besagt in aller Kürze: Wie kann es sein, dass ein einziger Begriff - etwa die Artbezeichnung "Mensch" - mehrere reale Entitäten bezeichnet? Und die Antworten, die klassischerweise nach Nominalismus und Realismus ausdifferenziert werden, lauten grob gesagt: Die in dem Begriff ausgedrückte Einheit liegt in der extramentalen Realität, das heißt, alle Einzeldinge, die mit einem Begriff zusammengefasst werden, partizipieren letztlich an einem einheitlichen Sein - in dem Beispiel: an der Menschheit oder Menschennatur. Dies wäre die "realistische" Position. Oder, nominalistisch gedacht, die Einheit ist nicht, wie in diesem Falle, primär, den Einzelexistenzen voraufgehend, sondern sekundär: Sie entsteht durch eine nachträgliche Zusammenfassung unter einen Begriff, einen Namen, dessen Realität allein im Verstand ist. Das damit verbundene Problem ist bis heute aktuell, insofern es die Frage aufwirft, wie real die Gruppenbildungen eigentlich sind, die wir mit dem Verstand nachzeichnen oder der Natur vorgeben: Gibt es wirklich die "Art", die Spezies (species) Mensch - oder handelt es sich hier um eine willkürliche Grenzziehung, die auch ganz anders verlaufen könnte, um einen "Speziesismus", wie ihn der Philosoph Peter Singer diagnostiziert hat, der hieraus radikale Forderungen zum Schutz von Tieren einerseits und zur Entrechtung unheilbar kranker, nicht vernunftbegabter Säuglinge andererseits zog.1 (Fs; tblVrw f) (notabene)

64c Diese Dimension besaß die Frage innermittelalterlich natürlich noch nicht. Und doch war sie nicht ohne Brisanz. Wer zu der Meinung neigte, dass die Begriffe nur sekundär alles Existierende in Gruppen zusammenfassten, dass also die Realität letztlich nur aus Einzelentitäten bestehe, musste sich - wie etwa Roscelin von Compiegne (ca. 1050-1120/25)2 - die Frage gefallen lassen, ob denn dann überhaupt eine Trinität vorstellbar sei, ob es dann nicht einzig möglich und angemessen sei, von drei Göttern zu sprechen, da doch jedes Einzelding für sich existierte. Oder er musste die Frage klären, wie denn die in Jesus von Nazareth mit der göttlichen Natur verbundene Menschennatur zur Erlösung der Menschen beitragen könne. Wenn jeder Mensch für sich existierte, so wäre seinerzeit auch nur der Zimmermannssohn Jesus von Nazareth erlöst worden, eine Erlösung der Menschheit durch den Gott, der eben nur ein Mensch geworden wäre, wäre denkerisch gar nicht möglich.3 (Fs) (notabene)

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Stichwort: Universalien

Autor, Quelle: Lonergan, Bernard J.F., The Trinune God: Systematics

Titel: Universalien - 2 Arten

Index: Universalien - 2 Arten (durch Verstehen erfasst: warum, propter quid - durch Sinnesvermögen erfasst: das Universale im Partikularen)

Kurzinhalt: But there are two universals: one is that which is uttered because a 'why' has been grasped; the other is the universal in a particular individual, which is apprehended by some sensory faculty:

Text: 587a What leads many astray is the opinion of those who hold that universals are known only through the intellect, and therefore whenever they come to know a universal, they immediately think they have understood something. But there are two universals: one is that which is uttered because a 'why' has been grasped; the other is the universal in a particular individual, which is apprehended by some sensory faculty:

It is clear that the singular is sensed properly and per se, but sense is in a certain way also of the universal. For it knows Callias, not only as Callias, but also as this man; and similarly it knows Socrates as this man. And so it is that given such preceding sense knowledge, the intellective soul can consider man in each of them. But if it were the case that sense apprehends only what pertains to particularity and that it in no way along with this apprehends the universal in the particular, it would not be possible that from sense apprehension there would be caused in us a knowledge of universals (In II Post, anal, lect. 20; see also Summa theologiae, 1, q. 78, a. 4 c, where the evaluative ability in animals is compared to the cogitative power in a human being.)

587b Those, therefore, who claim to understand because somehow or other they perceive a universal are absolutely wrong. Take, for example, the case of the circle: those who know perfectly well the external shape, the Gestalt, of a circle yet have never thought about why a circle is necessarily round have really not progressed beyond the operations of their senses. (Fs; tblStw: Universalien)

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Stichwort: Universalien

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von, Über Seiendes und Wesenheit

Titel: Thomas: Allgemeines - Einzelnes

Index: Allgemeine Materie (materia non signata) : Formursache -- individuelle Materie : Form

Kurzinhalt: Frage, wie das Allgemeine sein Fundament im Einzelnen haben soll, da es doch zu ihm im Gegensatz steht. Die Antwort ist m. E. nach Aristoteles und Thomas die, daß die allgemeinen Begriffe ihr Fundament in den Ursachen der Einzeldinge haben.

Text: 50 Zur Beseitigung dieser Schwierigkeit muß man sehen, daß es bei dem vorliegenden Problem (wie auch bei den anderen, unten zu erörternden) um das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen überhaupt geht, das in 'De ente' (der aristotelischen Tradition folgend) so gelöst wird: Das begriffliche Allgemeine ist weder eine für sich bestehende, höhere Realität (wie die platonischen Ideen) über den konkreten Einzeldingen, noch bloß (nominalistisch) eine Benennung im Intellekt, sondern hat auch ein fundamentum in re. Sofern dies von Interpreten heute noch gesehen wird1, stellt sich aber wieder die Frage, wie das Allgemeine sein Fundament im Einzelnen haben soll, da es doch zu ihm im Gegensatz steht. Die Antwort ist m. E. nach Aristoteles und Thomas die, daß die allgemeinen Begriffe ihr Fundament in den Ursachen der Einzeldinge haben2. (XLIf; Fs; tblStw: Universalien) (notabene)

51 Damit löst sich dann auch das Problem hinsichtlich der allgemeinen Materie auf; denn ihr Begriff bezieht sich auf die Materie als Ursache für verschiedene Dinge einer Art und ist insofern unbestimmt, als sie durch die Formursache bestimmbar ist. (Die Allgemeinheit im Begriff der Materie entspricht also deren Unbestimmtheit, wonach sie durch die Formursache in vielen verschiedenen Dingen geformt wird.) Demgegenüber ist die individuelle Materie die von der Form bestimmte. (XLII; Fs) (notabene)

52 Die Materie eines Dinges hat somit zwei Aspekte, einen individuell bestimmten und einen ursächlichen, unbestimmten. Materie als Ursache sind ja (nach aristotelischer und thomistischer Lehre) letztlich die sog. Elemente, die sich zu gemischten Materien (Stoffen) aufbauen und sich zu den spezifischen sowie den individuellen Materien (Stoffen) an sich unbestimmt verhalten3. (XLII; Fs)

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Stichwort: Universalien

Autor, Quelle: Sertillanges, A. D. (Gilbert), Der heilige Thomas von Aquin

Titel: Wahrheit - Relation, Universalien

Index: Transzendentalien: Wahrheit (verum) 3; Thomas: ewige Wahrheiten - W. als Verhältnis (Beziehung); W. (Zukunft, Vergangenheit); Allgemeinbegriff (universalia)

Kurzinhalt: Die Wahrheit ist nichts Absolutes; sie ist ein 'Verhältnis', und zwar das Verhältnis des Seins zur Erkenntnis. Wenn es also keine Erkenntnis gibt, gibt es auch keine Wahrheit; wenn es kein Sein gibt, gibt es ebenfalls keine Wahrheit ...

Text: 113 Wie dem auch sei, der letzte Grund der Lehre von den Ideen ist unangreifbar. Wer nicht völlig in den Agnostizismus verfallen will, muß zugeben, daß unsere Analysen der Wirklichkeit, so unzulänglich sie auch sein mögen, und selbst wenn man als ihre erste Quelle die Tat ansähe, in der Natur begründet sind; wenn sie das sind, so muß auf die eine oder andere Weise die natura naturans sie enthalten. Von hier bis zu den Ideen ist nur ein Schritt, vorausgesetzt, daß die natura naturans etwas anderes ist als eine blinde Macht, ein unbewußtes Streben oder ein Wille ohne Ziel. (61; Fs)

114 Diese Lehre von der Wahrheit wird noch deutlicher werden, wenn wir die Gottes- und die Erkenntnisfrage aufgreifen. Sie wird schon klarer, wenn wir sehn, wie Thomas [ausgehend von seinen Prinzipien] die berühmte Frage nach den 'ewigen Wahrheiten 'behandelt. Die Frage nach den ewigen Wahrheiten hat der augustinische Platonismus im Mittelalter mit einer solchen Leidenschaft gestellt, daß Thomas nicht gut an ihr vorübergehen konnte. 'Nichts ist ewiger als das Gesetz des Kreises', hatte Augustin gesagt; 'nichts ist ewiger, als daß zwei und drei gleich fünf ist16.' 'Man mag die wahren Dinge zerstören, die Wahrheit bleibt17', fügt Anselm hinzu. (61f; Fs)

115 Sagt man nicht mit Recht, daß die Allgemeinbegriffe außerhalb von Raum und Zeit stehn? Was ist nun allgemeiner als die Wahrheit? Die Wahrheit hat also weder Anfang noch Ende; was heute ist, von dem ist immer wahr gewesen, daß es sein werde, und es wird immer wahr sein, daß es gewesen ist, so daß, wenn man an nähme, die Wahrheit habe angefangen oder höre auf, immer noch dies gelten würde, daß es in der angenommenen Vergangenheit oder Zukunft keine Wahrheit gäbe, und das wäre ja selbst eine Wahrheit; so sehr ist es also wahr, daß die Wahrheit von allem unabhängig und daß sie ewig ist. 'Mag man sagen: die Wahrheit hat einen Anfang und ein Ende, mag man behaupten, sie hat sie nicht: kein Prinzip und kein Ende schließen sie ein18.' (62; Fs)

116 Diese dunkeln Gedanken hat der heilige Thomas mit einer vollendeten Klarheit aufgehellt. Die Wahrheit ist nichts Absolutes; sie ist ein 'Verhältnis', und zwar das Verhältnis des Seins zur Erkenntnis. Wenn es also keine Erkenntnis gibt, gibt es auch keine Wahrheit; wenn es kein Sein gibt, gibt es ebenfalls keine Wahrheit; (62; Fs) (notabene)

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