Inhalt


Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Sertillanges, Der heilige Thomas von Aquin

Titel: Seele, Ursprung

Index: Der Ursprung der Seele; das besondere Sein der Seele

Kurzinhalt: Allein der geistige Akt der Seele übersteigt die Materie, und daraus ist zu schließen, daß der Träger einer solchen Tätigkeit seinem Sein nach eben unabhängig von der Materie sein muß.

Text: 1656 Hier auf Erden sind freilich die Bedingungen unseres geistigen Erkennens andere. Bevor wir seine Tätigkeit beschreiben, wollen wir noch, um nicht mehr darauf zurückkommen zu müssen, darlegen, was der heilige Thomas über den Ursprung der Seele sagt. (478; Fs)

1657 Die Art der Entstehung entspricht der Art des Seins. Wenn die Seele eine gewöhnliche Form wäre, die bloß als Seele des zusammengesetzten Wesens handelte und einzig in der Art seiner Existenz existierte, so läge kein Grund vor, für sie ein besonderes Werden anzunehmen; das aus einer materiellen Veränderung sich ergebende Werden des zusammengesetzten Wesens wäre für die Seele selbst ein hinreichender Grund. (478; Fs)

1658 Allein der geistige Akt der Seele übersteigt die Materie, und daraus ist zu schließen, daß der Träger einer solchen Tätigkeit seinem Sein nach eben unabhängig von der Materie sein muß. Eine reine materielle Veränderung vermag die Seele darum nicht zu erklären; da aber in der Zeugung - die nichts anderes als die Veränderung einer aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergehenden Materie ist - nur eine solche vorliegt, muß man sagen, daß die Seele ebensowenig gezeugt ist, wie sie als zerstörbar bezeichnet werden kann. Sie ist aber nicht immer gewesen, denn ihr natürliches Sein ist in dem Körper, und der Körper hat einen Anfang1. (478; Fs)

1659 Es liegt also hier ein absoluter Anfang vor, das will sagen: es ist etwas, das absolut nicht - weder in sich, noch in seinen eigenen Ursachen - gewesen ist. Da nun die Idee des Anfangs so wie übrigens die Idee eines unvollkommenen und begrenzten Seins, wie es die Seele ist - dem Absoluten im Sinne des Unabhängigen und Nichtverursachten widerspricht, so muß man als eigentliche Ursache der Seele das allein wirkliche Absolute ansehn, das heißt die in allen Fällen höchste, hier aber auch unmittelbare Quelle des Seins. Anthropomorphistisch heißt das: die von Gott geschaffene Seele wird von ihm in den Körper eingegossen. Aristoteles drückte es bildlich aus, wenn er sagte, die Seele komme von außen und gewissermaßen 'durch die Tür'. (478; Fs)

1660 Wie man sich den Vorgang der Erzeugung des Menschen zu denken hat, ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Was in dem Samen tätig ist, ist nicht die Seele, sondern eine aus materiellen Anlagen sich ergebende, bildende Kraft; die materiellen Anlagen haben für das erzeugende Prinzip die Bedeutung eines Werkzeugs. Hierbei sind zwei Auffassungen ausgeschaltet: erstens die Annahme, es sei die neue Seele, die von Anfang an sich ihren Körper schafft, zweitens die Annahme, die bildende Kraft, die in der keimhaften Entwicklung sich wirksam zeigt, sei der mütterlichen Seele zuzuschreiben. (478f; Fs)

1661 Die letzte Auffassung ist darum unhaltbar, weil das, was den Keim entwickelt, nichts ihm Äußerliches sein kann. Es ist ganz deutlich, daß das neue Wesen 'auf eigene Rechnung arbeitet', nicht 'auf Rechnung der Mutter'. Ferner besitzt es Sinnesempfindung, und da dies eine innere Tätigkeit ist, so kann man sie nicht auf zwei Träger verteilen, von denen der eine ihr tätiges Prinzip, der andere aber ihr Sitz wäre. (479; Fs)

1662 Die andere Annahme scheint auf den ersten Blick besser begründet zu sein; aber auch sie ist unannehmbar. Die Annahme, die Seele sei in dem Samen oder auch in dem Keim - in seinem noch anorganischen Anfangszustand -, vergißt, daß die menschliche Seele nicht ein reiner Geist, sondern ein Akt des organischen Körpers ist. Sie übersteigt ihn ihrem Vermögen nach; aber sie stützt sich auf ihn und kann natürlicherweise nur in ihm wohnen. Vor seiner wesensmäßigen Organisation ist der Körper nicht fähig, die Seele aufzunehmen, weil er im Anfang kein Körper und in den weitern Stadien kein Körper für diese Seele ist. (479; Fs) (notabene)

1663 Die Seele ist doch für den Körper dasselbe, was das Sehn [im ersten Akt] für das Auge ist. Ebensowenig wie das Sehen vor dem Auge da sein kann, kann die Seele vor dem Körper da sein, und auch die eigentlich menschliche Seele nicht vor dem eigentlich menschlichen Körper, das heißt vor dem Körper, der so organisiert ist, daß er das menschliche Leben [im ersten Akt] zu führen vermag. (479; Fs)

1664 Wann aber ist das der Fall? Darüber hat die positive Wissenschaft zu entscheiden. Philosophisch ist es für Thomas eine offenbare Häresie, eine Seele in dem Keim eines Körpers und erst recht in dem Samen anzunehmen. (479; Fs)

1665 Übrigens würde man, wenn man die menschliche Seele in den Samen verlegte, die menschliche Zeugung mit der pflanzlichen oder tierischen Spaltung zusammenwerfen. Diese erscheint uns als möglich auf Grund der elementaren Organisation ihrer Träger, deren Organismus sehr wenig differenziert ist2. Der Mensch ist schon durch seinen Körper auf das höchste differenziert; darüber hinaus hat er noch eine für-sich-bestehende Seele. Diese kann sich also nicht nach Maßgabe der Teilung ihres Trägers teilen, wie das bei einem rein organischen Akt der Fall ist. Und wer wollte behaupten, daß jede Ergießung des Samens zu einer Vervielfältigung von Seelen Anlaß gäbe? (480; Fs)

1666 Man soll also nicht mehr sagen, daß hier zwei Dinge vorliegen: die Materie des Samens und seine bildende Kraft, dergestalt, daß die erste zum Körper, die zweite zur Seele wird. Eine Seele wird und vervollkommnet sich nicht stufenweise, ebensowenig wie irgendeine andere substantielle Form. Die Form ist ein Unteilbares. Überdies würde aus dieser Auffassung noch folgen, daß, wenn die so der zeugenden Form zugeschriebenen Entwicklungen unaufhörlich eine Funktion des Körpers blieben, die geistige Seele als ihre letzte Stufe ebenso abhängig vom Körper wäre und später eben in seine Zerstörung mit hineingerissen würde. (480; Fs)

1667 Es ist also zu sagen, daß die in dem Samen eingeschlossene Formkraft weder eine Seele ist, noch in der Folge eine Seele wird; doch diese Kraft, die in dem Samen aus rein materiellen Anlagen sich ergibt, hat gegenüber der Seele des Erzeugers den Charakter einer Wirkung und gegenüber dem Leib des Erzeugten den Charakter einer Ursache. Sie - nicht die neue Seele, selbst wenn sie da ist - fährt fort, auf die Rechnung des Vaters zu arbeiten in materieller Zusammenarbeit mit den durch die Mutter gelieferten Elementen, so daß man sagen kann: der Mensch erzeugt den Menschen, nicht aber: der Mensch erzeugt sich selbst. Zu erzeugen vermag nur, was für sich selbst vollendet und fertig ist. Die Zeugungskraft, die dem Neugeborenen zukommt, kann also nicht ihm selbst zustatten kommen, sondern sie kommt der Art zustatten. (480; Fs) (notabene)

1668 Ferner beweist die Erblichkeit, daß die Angleichungstätigkeit, die das Lebewesen schafft, im Dienst der Eltern steht, nicht im Dienst einer selbständigen Seele. Die Formkraft des Vaters bleibt sich also gleich vom Anfang bis zum Ende der Zeugung; sie strebt danach, ein Gleiches zu setzen; aber es gelingt ihr nur in Stufen, so daß in der Entwicklung des Keims alle Reiche und gewissermaßen der ganze vorgeformte Plan der Natur wiederkehrt. (480f; Fs)

1669 Der Keim ist zunächst ein pflanzliches Wesen, er führt das Leben der Pflanze und' ernährt sich und wächst wie sie3. Dann wächst die Differenziertheit; er erwacht zur Sinnesempfindung, die dann weiter der geistigen Tätigkeit den Weg bahnt. Doch da alle diese Tätigkeiten innere Tätigkeiten sind, so setzt jede von ihnen ein eigenes Prinzip voraus. (481; Fs)

1670 Man muß also sagen, daß in der Materie, in der die Zeugungskraft wirkt, zuerst eine pflanzliche Seele entsteht, dann später eine höhere, zugleich pflanzliche und sinnliche Seele und endlich, wenn die Entwicklung zu dem ihr wesentlichen Ende gekommen ist, eine zugleich pflanzliche, sinnliche und vernünftige Seele. Da aber diese letztere - wie ihre über den Körper hinausgehenden Tätigkeiten beweisen - nicht bloß Akt des Körpers ist, so können wir sie nicht auf der gleichen Ebene gewissermaßen 'am Rande dieser Arbeit' der materiellen Organisation entstanden denken, sondern es muß hier etwas von außen hinzukommen: eine Tätigkeit, die teilhat an der geistigen Welt; es muß hier ein Abstieg des Idealen vorliegen, da der Aufstieg der Materie nicht bis zu diesem Punkt zu kommen vermag. (481; Fs)

1671 Darin liegt übrigens nichts irgendwie Wunderbares. In die 'natura naturans' ist Gott eingeschlossen. Gott ist nach einem Wort des heiligen Augustinus 'hineinverflochten in seine Werke'. Was er laufend - im Einklang mit dem von der Natur verwirklichten Plan - tut, ist kein Wunder. Es ist indessen eine Schöpfung, weil es eine Teilnahme am ersten Prinzip in der Form eines absoluten Anfangs - ohne Beziehung eines Ursachenzusammenhangs mit den vorausgehenden materiellen Bedingungen - ist4. (481; Fs)Januar 1995) eg: d. h., das beim Menschen ganz deutlich das wird, was Schöpfung meint.

1672 Es ist noch gut, hier zu bemerken, daß, wenn vom Standpunkt der experimentellen Wissenschaft aus die Entwicklungslehre wahr wäre, wenn - immer vom Standpunkt der experimentellen Wissenschaft aus - die Entwicklungslehre selbst für den Menschen Geltung hätte, Thomas sich ihr ohne große Mühe anpassen könnte. (481f; Fs)

1673 Ausgehend von der Tatsache, daß die embryogenetischen Phasen im kleinen eine Wiederholung des allgemeinen Lebens überhaupt sind, würde er das, was er bei der Frage nach der Seele dargelegt hat, auf die Bildung der Menschheit in ihrem ersten Paar anwenden. Der Organismus Adams wäre dann ein Werk von 'Jahrhunderten, das langsam hier auf Erden herausgearbeitet worden ist. Die Seele würde zu ihrer Stunde, ohne daß sichtbar etwas dazwischenträte, rein natürlich entstehn; aber Natur bedeutet hier die Gott einschließende 'natura naturans'; Gott allein wäre also auch dann die Erschaffung der Seele zuzuschreiben. Das wäre freilich darum kein Wunder; aber doch eine Schöpfung; die Erzählungen der Bibel würden, abgesehn von ihrer bildlichen Einkleidung, philosophisch wie religiös ihren Wert behalten. (482; Fs) (notabene)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Rhonheimer, Natur als Grundlage der Moral

Titel: Seele, Schöpfungsakt

Index: göttlicher Schöpfungsakt bezüglich der Seele

Kurzinhalt: Die Weitergabe des menschlichen Lebens besitzt nicht jene Autonomie der "causa secunda", die sonst allgemein allen Naturphänomenen zuzusprechen ist; sie ist vielmehr ein Zusammenwirken von geschöpflichem Wirken des Menschen ("causa secunda") und dem ...

Text: 102a In einer noch weitergehenden Durchdringung der Sinnfülle dieses Aktes und der Liebe, die seine Grundlage bildet, - ohne damit schon auf die eigentlich übernatürliche, theologische Ebene einzugehen -, unter der Berücksichtigung der Tatsache, daß beim Entstehen jeden menschlichen Lebens ein unmittelbarer göttlicher Schöpfungssakt bezüglich der menschlichen Seele impliziert ist, wird menschliche Fortpflanzung als direkte Mitwirkung an einem göttlichen Schöpfungsakt erkennbar.1 Damit wird auch deutlich - was hier nur am Rande vermerkt sei - daß die Weitergabe menschlichen Lebens (wie auch das menschliche Leben überhaupt) unter sämtlichen anderen in der Natur vorkommenden Phänomenen eine völlige Sonder- und Ausnahmestellung einnimmt. Die Weitergabe des menschlichen Lebens besitzt nicht jene Autonomie der "causa secunda", die sonst allgemein allen Naturphänomenen zuzusprechen ist; sie ist vielmehr ein Zusammenwirken von geschöpflichem Wirken des Menschen ("causa secunda") und dem schöpferischen Wirken Gottes, bezüglich dessen - d. h., was die Erschaffung der Seele und damit das menschliche Leben überhaupt betrifft - die "causa secunda" in etwa eine Art "causa instrumentalis" ist. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, aufgrund dessen die nur beschränkte Verfügungsgewalt des Menschen über das menschliche Leben (das eigene und jenes des Nächsten) zu begründen ist.2 Das unmittelbar-schöpferische Wirken Gottes beim Entstehen eines jeden einzelnen menschlichen Lebens ist letztlich auch der Grund dafür, weshalb man von der "Heiligkeit" dieses Lebens spricht: Denn menschliches Leben ist nicht nur ein Naturphänomen; es ist das einzige Phänomen der körperlichen Welt, das sowohl in seiner Entstehung wie auch in seinem Bestehen die Natur gleichzeitig in den konstitutiven Prinzipien seines Seins transzendiert. (Fs)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Schelsky, Helmut, Soziologie der Sexualität

Titel: Seele, Entdeckung

Index: A. Gehlen; Entdeckung der Seele; Verfall der sozialen Ordnungen und Institutionen

Kurzinhalt: ... Formel ...

Text: 108a Arnold Gehlen hat diesen Vorgang in seiner Schrift <Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft> auf die zusammenfassende Formel <gleichzeitige Entstehung und Entdeckung der Seele aus dem Verfall der sozialen Formen> gebracht. Sein Gedankengang ist etwa dieser: In sozial hochdurchgeformten Gesellschaften ist der personale Kontakt der Menschen untereinander bis in das intimste Verhalten hinein gesellschaftlich kanalisiert und vorgeformt, in sozialen Ordnungen und Institutionen, Symbolen und genormten Akten untergebracht. Erst wenn die Institutionen diese vorgeformte und distanzierende Kommunikation nicht mehr leisten, begegnen sich die Menschen in der ganzen Breite ihrer unmittelbaren und natürlichen Person. <Die Hautnähe und Ungeniertheit des psychologisch Eigenschaftlichen> drängt sich in der Begegnung distanzlos auf. Indem sich die sozial ungeformten, zufälligen Naturen der Individuen gegenseitig reflektieren und <darin ihre Seele ebensowohl entdecken wie produzieren> geht die Entwicklung der Psychologie mit der Entstehung ihres Gegenstandes, des Seelischen selbst, parallel. Nicht mehr untergebracht und abgesättigt in stabilen Institutionen und Verhaltenskonstanten, schlagen die freigesetzten Bedürfnisse und Affekte des Menschen als Selbstreiz und Unruhe auf den Menschen zurück. <Die komplizierte Seele des modernen Menschen ist zum Teil eine Selbstverarbeitung heimatloser Sozialinstinkte.> (Fs(

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Sertillanges A. D., Der heilige Thomas von Aquin

Titel: Seele - Universum

Index: Die Selle ist der Potenz nach alles

Kurzinhalt: Was die Seele werden soll, muß sie dem Vermögen nach sein; wer sie daher bis auf den Grund erkennte, der vermöchte in ihr wie in einem Hohlraum die Gesamtheit der Dinge zu finden.

Text: 1474 Ja, nicht allein im Zustand der Tätigkeit, sondern in gewisser Weise in ihrer Konstitution selbst ist nach dieser Lehre die Seele mit dem Weltall verbunden. Denn das Erkennen ist die Verwirklichung, deren 'Möglichkeit', der Erkennende als solcher ist. Wenn also die Möglichkeit und Wirklichkeit einander entsprechen, wenn weiter Erkennen heißt 'ein Anderes werden' durch Teilnahme an derselben 'Wirklichkeit', an derselben Realidee, so ist die Seele in gewisser Weise alles, was sie erkennen soll oder kann; denn wie wir sagen, die Materie enthalte der Möglichkeit nach alle Formen, die die Erzeugung aus ihr 'herausführt' so können wir auch sagen, die Seele enthalte der Möglichkeit nach jene Naturen, die ihre Begriffe uns nacheinander in ihr erkennen lassen. (432f; Fs) (notabene)

1475 Was die Seele werden soll, muß sie dem Vermögen nach sein; wer sie daher bis auf den Grund erkennte, der vermöchte in ihr wie in einem Hohlraum die Gesamtheit der Dinge zu finden. 'Sie unterscheidet sich von ihnen und die Dinge unterscheiden sich von ihr nur in der Richtung, daß sie alles dem Vermögen nach ist1.' (433; Fs) (notabene)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von / Wintrath, Petrus, Kommentar: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: Menschliche Seele - Tierseele

Index: Kommentar 75, a2,3: Vollwesen (einfach, zusammengesetzt), Teilwesen; Seele: kein Vollwesen, Wesensteil; Denken, Verstandestätigkeit: Unabhängigkeit vom Körper, Organ; Tierseel: im Sein abhängig vom Körper: stoffliche Form

Kurzinhalt: Der körperliche Stoff beschränkt naturgemäß ... Etwas Stoffliches oder Körperliches also, das der erkennende Grund, der alle körperlichen Naturen erkennt, besäße, würde dessen Weite und Aufgeschlossenheit beschränken, ja aufheben ...

Text: 2. UND 3. ARTIKEL -- Die Menschenseele selbständig, die Tierseele nicht

476b
1. Es gibt Voll- und Teilwesen, Substanzen und Akzidentien, stoffliche und unstoffliche (körperlose) Formen. Das Vollwesen (das immer auch Substanz ist), wie Pflanze, Tier, Mensch, ist etwas Selbständiges, in sich und für sich Bestehendes, ein "in Wirklichkeit Seiendes", das auf der Linie der Wesenheit keiner Ergänzung, keiner Vervollständigung bedarf. Und wie es für sich besteht, für sich Sein hat, so hat es auch seine Tätigkeit für sich und durch sich: es bedarf auf der Linie der Substanz, der substantiellen Natur, keines Mitgrundes, um tätig zu sein (die Tätigkeitsvermögen, durch die es unmittelbar tätig ist, sind Akzidentien). Denn die Tätigkeit richtet sich nach dem Sein: agere sequitur esse. Hierbei ist es gleichgültig, ob ein solches Wesen wie die körperlichen Dinge, Stein, Pflanze usw. aus Wesensteilen (Teilwesen: Stoff und Form, Körper und Seele) zusammengesetzt oder wie etwa der reine Geist einfach ist. Das zusammengesetzte und das einfache Vollwesen haben Sein und Tätigsein für sich. Teilwesen dagegen wie die stoffliche Form, z. B. die Wesensform des Steines, sowie die Akzidentien (z. B. die Wärme oder ein Vermögen) sind nichts Selbständiges: die stoffliche Form bedarf notwendig des Stoffes, um mit ihm ein zusammengesetztes Wesensganzes auszumachen; das Akzidens bedarf des Trägers, der Substanz, der es anhaftet. Selbstverständlich haben diese Seinsheiten auch keine Tätigkeit für sich, die Tätigkeit gehört dem Zusammengesetzten, bzw. dem substantiellen Träger, an. (Fs; tblStw: Seele)

476c Nun ist aber die menschliche Seele nicht nur, wie jede Seele, kein Körper, sie besitzt auch eine gewisse Unabhängigkeit vom Körper, eine gewisse Selbständigkeit. Thomas beweist dies auf Grund der der menschlichen Seele eigentümlichen Tätigkeit, der Verstandeserkenntis oder des Denkens. Tatsache ist, daß der Mensch durch den Verstand die Natur aller Körper erkennt. Das führt zu der Annahme, daß die menschliche Seele nichts Körperliches in sich enthält, da sie sonst gehindert wäre, alle Körpernaturen zu erkennen. Nach allgemein scholastischer Auffassung muß der Erkenntnisgrund, der entfernte substantielle, die Seele, nicht minder wie der unmittelbare akzidentelle, das Erkenntnisvermögen, seinsmäßig frei, leer sein von dem, was er erkennt: der Gesichtsinn muß der Farbe, der Geschmacksinn des Schmeckenden bar sein, andernfalls würde er an der Erkenntnis des ihm eigentümlichen Gegenstandes gehindert. (Demungeachtet bedeutet das Erkennen selbst ein erkenntnismäßiges Einswerden und Einssein des Erkennenden mit dem Erkannten, vgl. Anm. [4] u. S. 480 ff.) (Fs) (notabene)

477a Der körperliche Stoff beschränkt naturgemäß, denn er ist der Grund der Besonderung, der Vereinzelung dessen, was er aufnimmt (vgl. S. 486 ff.). Etwas Stoffliches oder Körperliches also, das der erkennende Grund, der alle körperlichen Naturen erkennt, besäße, würde dessen Weite und Aufgeschlossenheit beschränken, ja aufheben und so die Erkenntnis aller Körper verhindern. Aus dem gleichen Grund kommt auch kein körperliches Organ als Mitgrund der Verstandestätigkeit in Betracht. (Fs) (notabene)

477b Trotzdem kann der menschlichen Seele nicht die Selbständigkeit eines Vollwesens zugeschrieben werden. Thomas selbst beruft sich zur Begründung ihrer Selbständigkeit nur auf die Verstandeserkenntnis und legt ihr später noch andere Tätigkeiten bei, die sie nicht ohne Beteiligung des Körpers ausführen kann. Er bezeichnet sie ferner als Teil der menschlichen Art (Artnatur; Zu 1). Die menschliche Seele ist also kein Vollselbständiges, kein reiner Geist, da sie ihrer Natur nach Körperform ist. Deshalb unterscheidet Thomas ein zweifaches Selbständiges oder Fürsichseiendes (Zu 1 u. 2). Für sich seiend kann schon genannt werden, was nicht wie ein Akzidens einem Träger innehaftet oder wie eine stoffliche Form notwendig eines Mitgrundes, eben des Stoffes, bedarf, um sein und tätig sein zu können, mag es an sich auch "Teil", Wesensbestandteil (Wesensform) oder Ausdehnungsteil (= Größenteil, z. B. Hand oder Auge) sein. Im Vollsinn aber ist selbständig, was weder wie ein Akzidens innehaftet, noch wie eine stoffliche Form notwendig eines Mitgrundes bedarf, noch auch sonstwie Teil ist. Es besitzt eine in seiner Art vollständige Natur, hat an sich und für sich Sein und Tätigsein (vgl. Anm. [16]). Die Menschenseele ist also selbständig nur im ersten Sinne. Weil sie Wesensteil des Menschen ist, schreibt man richtiger selbst die ihr eigene Tätigkeit des Denkens dem ganzen Menschen zu: "Der Mensch denkt durch die Seele" (Zu 2, vgl. Anm. [7]). (Fs)

477c
2. Während so die menschliche Seele als Grund der Verstandestätigkeit etwas Selbständiges ist, muß der Tierseele jede Selbständigkeit abgesprochen werden, da sie keine Verstandestätigkeit besitzt, die ihr als einer sinnlichen Seele aber zukommende sinnliche Wahrnehmung nicht ohne körperliche Veränderung, folglich nicht ohne körperliches Organ, ohne Körper vor sich geht. Die Tierseele (oder die sinnliche Seele als solche) ist also auch im Sein vom Körper abhängig: sie ist eine "stoffliche" Form. Wohl ist auch sie wie jede Seele (auch die Pflanzenseele) kein Körper (Art. 1); sie hat aber Sein und Tätigsein nur im Wesensganzen und durch dasselbe. Sein und Tätigsein kommen in erster Linie dem aus Seele und Körper Zusammengefügten zu. Als dem Grund der sinnlichen Erkenntnis kommt der Sinnenseele ferner auch jene Erhabenheit über den Stoff zu, die das Erkennende als solches verlangt (vgl. S. 517 f.). Diese Erhabenheit über den Stoff braucht eben kein vollständiges Freisein vom Stoff zu sein, sie ist je nach der Natur des betreffenden Erkennenden ein solches Freisein, durch das dieses zu seiner eigenen Form andere Formen (erkenntnismäßig) aufzunehmen vermag. — "Die Materialisten suchen zwar zugunsten ihrer Weltanschauung den Unterschied zwischen Mensch und Tier zu verwischen, und auch manche neuere Psychologen sprechen von einem Tierverstand. Jedoch ist der wesentliche Unterschied zwischen dem Menschen und dem Tiere, dem vernünftigen und dem unvernünftigen Sinnenwesen, eine ganz allgemeine Überzeugung. Die neuere Psychologie hat diesen Unterschied auch experimentell nachgewiesen" (GrPh 1, 345 f., wo der Beweis dafür erbracht wird, daß das Tier nur Sinneswahrnehmung und keinen Verstand hat). (Fs)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas Aquinas / Timothy Suttor, Appendix: Summa Theologiae: Man 1a. 75-83

Titel: Seele - Unsterblichkeit (bis Thomas)

Index: Seele, Unsterblichkeit 1: bis Thomas (Bibelstellen, Plato, Augustinus, Anselm); Aristoteles: Syllogismus, Harmonie; Averroes ("äußere" Vernunft, sterbliche Seele)

Kurzinhalt: This is to say that Christian thought rejected the most original and the most constant theses of ancient metaphysics.' This was particularly true in the field of anthropology... The upshot in Averroes was a radical dichotomy between an external agent ...

Text: IMMORTALITY
(1a. 75, 2 & 6)

257a Plato's demonstration (as distinct from his conviction) of the soul's immortality is far less clearly etched than the current use of 'Platonist' would suggest. Aristotle, while still at the Academy, reduced it to a syllogism: 'Harmony has a contrary, namely, disharmony; but the soul has no contrary; therefore the soul is not a harmony,' i.e. not a material form. This syllogism, as Jaeger remarks, implicitly presupposes that the soul is a 'substance' in the technical sense,1 and hence Plotinus, who used Aristotle's Eudemus, was justified in reducing this argument to the form, 'the soul is a substance, but harmony is not'.2 Plotinus expands this in the same context by explaining that the soul does not possess being because it is the form of something; on the contrary it is substance, ousia. Now it appears that popular Greek mythical thinking, whence Plato and Aristotle drew much of their technical vocabulary in these matters, confused the problem of immortality with that of pre-existence, 'Orthodox Christian thought', writes Tresmontant3 'in the first centuries selected in Greek philosophy those elements which appeared to it to be capable of being turned to account, and rejected those metaphysical theses which seemed to it to be incompatible with its own principles and requirements. This is to say that Christian thought rejected the most original and the most constant theses of ancient metaphysics.' This was particularly true in the field of anthropology.4 The Christian Fathers refused to admit the soul's pre-existence, even though Origen gave this typically Greek notion wide currency. Nevertheless early Christian thought broadly speaking held to a Neoplatonic conception of the soul as a complete substance in its own right, and replaced pre-existence and recollection with the notion of divine illumination. (Fs; tblStw: Seele) (notabene)

257b Israel's prophetic preaching did in fact bring pressure to bear against the doctrine of the soul as a separate substance in its own right, while endorsing belief in immortality. With the Maccabee rebellion the doctrine of the resurrection of the body came out into Jewish thought, accompanied by an adoption of Greek soul-body talk: I suffer grievous things in body but in soul am well content.5 The doctrine of the resurrection of the body plainly involved the doctrine of the immortality of the soul, and raised the question of whether the soul is conscious in some way between death and resurrection. These questions were answered, not long before the time when Cicero was discussing immortality, by Wisdom, which uses the Greek words soul (psyche) and immortality (athanasia): The souls of the just are in the hand of God, they are in peace. For if before men, indeed, they be punished, yet is their hope full of immortality.6 This is the background for the New Testament writers, for instance Matthew 10, 28,1 Cor. 15, 53-4, though it had to jostle with the rhetorical opposition of spirit and flesh (cf. 1 Cor. 5, 3) and the tripartite division of man into body-soul-spirit (1 Thess. 5, 23). (Fs) (notabene)

258a After reading Augustine's polemic against the Platonic and Origenist anthropology in the City of God,7 it is strange to reflect how he is often spoken of as the arch-Platonizer of Christian thought. Steadied by the controversies regarding the Incarnation, where the orthodox Fathers had insisted on the integral soul-body completeness of Christ, and in so doing had outlined a philosophy of man almost without noticing it, he sought to formulate the unity of soul and body as a natural unity.8 At the same time, the cult of the saints and prayers for the faithful departed presupposed their existence and consciousness, even though disembodied. From Augustine on, consequently, it became a much bigger matter to prove the soul's future immortality, including the interval between death and resurrection, though it would be a mistake to treat his rapid intuitions as strict proofs, even in the Soliloquies and the De immortalitate animae. (Fs) (notabene)

258b Anselm, in this as in so much else, represented the culmination of the Augustinian tradition. His approach to the proof of the soul's immortality (Monologium, 66-74) cannot be extricated from his ontological proof of the existence of God. Just as it is impossible to conceive the non-existence of God, so it is impossible not to desire to possess him eternally once it is conceived, and impossible that God should disappoint this desire. (Fs)

258c To this point, Christian tradition in both East and West had proceeded without regard for Aristotle's analysis. Having given the middle-Platonic mood its most vigorous formulation, he proceeded to criticize and largely abandon the weighty arguments touching immortality which had been accumulated from the religious beliefs, myths and rites of all nations, on the ground that the essential principle in human psychology is the hylomorphic soul-body unity. (Fs)

258d The later Peripatetics of antiquity adopted the analysis of Alexander of Aphrodisias, which refuted the Platonic proof of the Eudemus and the Phaedo by pointing out that form in matter has privation as its opposite or contrary. His outlook was adopted with modifications by subsequent Arabian philosophers. The upshot in Averroes was a radical dichotomy between an external agent intellect which subsists, and the body-informing soul of man which dies, and also, consequently, between philosophy which disproves individual immortality and faith which counts on it. (Fs)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas Aquinas / Timothy Suttor, Appendix: Summa Theologiae: Man 1a. 75-83

Titel: Seele - Unsterblichkeit (ab Thomas)

Index: Seele - Unsterblichkeit: Thomas (De veritate - Reflexion; Summa - Erkennen, Sein); analoges Wissen (Denken) um Gott und d. Seele; Scotus; Bewusstsein (Butler, Newman)

Kurzinhalt: ... that knowledge means actually being some other thing (however imperfectly), rather than on doing something ... man's knowledge is of things as, precisely, existing or able-to-exist. Existence does not belong to the sense order. This means that ...

Text: 259a St Thomas pursued various analyses in arriving at his untrammelled conviction that man's immortal substance and destiny is something that lies open to proof. In the De veritate I, 9, he appeals to the intellect's power of complete reflection or reflection upon itself; Joseph Butler's analysis of reflection in his Fifteen Sermons is probably the most serious post-medieval development of this argument. Again, 11 Sent. 19, 1 uses a rather subtle variation based on the Neoplatonic text, the Liber de causis; 'Every knower which knows its own essence is returning to its own essence by a complete return.' This, St Thomas argues, is impossible for an organic power, hence human understanding, which understands itself, is non-organic and spiritual. (Fs; tblStw: Seele) (notabene)

259b The Summa, however, does not even allude to this line of reasoning, despite its attractions, but takes its stand on a principle which most moderns find opaque, though Cajetan calls it evident (per se nota).1 The force of the argument depends on the axiom that knowledge means actually being some other thing (however imperfectly), rather than on doing something. Man's ability-to-be (by knowledge) any material being would be impossible were he already fixed in his being to the essence of one material form. But since sense knowledge, in its own humble way, is other things, the analysis has to rise clear of the material order by insisting that man's knowledge is of things as, precisely, existing or able-to-exist. Existence does not belong to the sense order. This means that human knowledge finds, in its sense object, something that transcends the material order, something to which it can respond only provided it itself transcends the material order. (Fs) (notabene)

Kommentar (16/11/11): Kom06_476b (467c f.)

259c In maintaining the non-pre-existent yet immortal subsistence of the soul along with its essentially being the entelechy of an organism on which it is objectively dependent, he left a great deal to be tidied up by others. However, his tightly structured analysis of the question in the Contra Gentes had a large school committed to it from 1278 onwards. (Fs)

259d Scotus's critique of St Thomas amounts to this, that his position was not Aristotelean. Even a Thomist of such stature as Cajetan came to agree, and I think we ought now to be of the same opinion. A. C. Pegis remarks that St Thomas 'not only created that baffling Philosopher whose name appears so frequently in the Thomistic writings; he also gave to him a metaphysical setting and foundation that the ancient Stagirite never knew.'2 Van Steenberghen holds that 'to formulate his [eg: Thomas] own psychology in Aristotelean terms, it was necessary to go beyond Aristoteleanism itself'.3

259e St Thomas established the harmony of faith and reason by studies which took Aristotelean passages merely as points of departure. Like his doctrine of substance, his treatment of soul, anima, is the term of Latin Christian doctrinal development. Yet 'the word was so well accredited in the language of Latin Christianity', writes Chenu,4 'that even the truest Aristoteleans used it without reservation to designate the immortal soul of man, and this, to the exclusion of the word spiritus which was not used in the translations of Aristotle'. Which goes to prove two things; that Aristotle, for the main phylum of thirteenth-century thought, provided not the last word, but a reliable framework within which to elaborate an analysis in any major field; and that Boëthius remained a weightier authority even in philosophy. (Fs)

260a We know God for certain by analogy, according to Scripture.5 According to St Thomas and his followers we know the soul's immortality in the same way.6 The word analogy lifts St Anselm's argument clear of illuminism. It is a question, not merely of the need for talk to be analogical, but of the need for thinking to be analogical. Roman Catholic tradition is deeply committed to this body of thought. Some important developments, however, were to originate in the Anglican tradition. Butler and Newman held that we get to know God through conscience, and that what the N.T. meant by conscience is simply man's power of reflection over himself and his acts.7 This experience is fundamental in analogical thought, which is thus rooted in the very nature of human understanding. Note the importance for Butler, in contrast with Kant, of exploring the theological implications of the fact that God and human immortality cannot be disproved; failing to explore these implications means refusing to let faith analogize, and without analogical thought born of reflection or conscience faith must die. Thus, he argued, the Christian faith as a system is as intimately bound up with the analogical contuition of immortality as it is with the analogical contuition of God. There is, partly in consequence, a vast contemporary literature touching analogy, especially in English. But though it glimpses the promised land from afar it cannot safely be said to have entered it. In regard to the whole question we need to probe and ponder the historical, linguistic and logical continuity between St Thomas's analysis here and Newman's treatment of God, immortality, conscience and analogy as a doctrinal whole whose parts cannot survive separately. (Fs)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von, Anmerkung zu Band 06 der Deutschen Thomas-Ausgabe

Titel: Seele - Unzerstörbarkeit

Index: Kommentar zu F1_075a6; Seele, Unzerstörbarkeit aufgrund der Einfachheit; kein Ding hat eine Hinordnung zum Nichtsein; Wirkung: Streben nach Sein (Erkennen, Wille)

Kurzinhalt: In der Tat, ein an und für sich zerstörbares Wesen muß aus Teilen zusammengesetzt sein, und es ist nur zerstörbar durch Auflösung in seine Teile. Denn so erwirbt es ein Anderssein; und nur um ein solches, nicht um ein Nichtsein handelt es sich bei der ...

Text: 6. ARTIKEL Die Unzerstörbarkeit der Menschenseele

482a Die Lehre von der Unzerstörbarkeit oder der Unsterblichkeit der menschlichen Seele bildet den Höhepunkt der bisherigen Untersuchung. Und vieles von dem, was noch folgt, ordnet sich dieser Lehre ein und dient ihr als Stütze. Die Frage nach der Unsterblichkeit der Menschenseele ist kein rein spekulatives, sondern ein äußerst praktisches Anliegen der Menschheit (vgl. S. 562). Von mannigfaltigstem und ständigem Werden und Vergehen umgeben und persönlich in dasselbe hineingestellt, haben die Menschen immer wieder diese Frage erhoben. Und bis auf den heutigen Tag gibt es neben den vielen, die sie bejahen, noch genug solcher, die sie — eben aus praktischen Gründen, wegen der Folgen, die sich aus ihrer Bejahung notwendig ergeben — verneinen. Gegner der Unzerstörbarkeit der Menschenseele sind die obengenannten Materialisten, ferner die Pantheisten, nach denen beim Tode des Menschen die Seele als vorübergehende Erscheinung des Absoluten in diesem auf- und untergeht. Die Unsterblichkeit der Seele lehren die großen Philosophen des Altertums, die Kirchenväter und die Scholastiker. Auch ist es Glaubenssatz, daß die Seele des Menschen unsterblich ist. (Fs; tblStw: Seele)

482b Thomas tut dar, daß die menschliche Seele weder an und für sich noch mitfolgend zerstört werden kann. Zunächst nicht mitfolgend, wie eine stoffliche Form oder ein Akzidens, die mit-zerstört werden, wenn das Wesensganze der Zerstörung anheimfällt. Die stoffliche Form hat kein unabhängiges Sein für sich, sondern hat das Sein nur im zusammengesetzten Ganzen und mit ihm. Ebenso hat das Akzidens das Sein nur in Abhängigkeit von seinem Träger. Und wie sie mit diesen das Sein erhalten, oder erzeugt werden, so verlieren sie es auch mit ihnen, d. h. sie hören einfach auf zu sein. Die Tierseele ist eine solche unselbständige, stoffliche Form, sie wird daher mitfolgend zerstört. Die menschliche Seele aber nicht, denn sie hängt als geistige, substantielle Form im Sein nicht vom Stoff ab, sondern hat das Sein für sich, sie ist selbständig. (Fs)

482c Aus demselben Grund kann sie aber auch nicht an und für sich zerstört werden. Thomas sagt nur kurz: Da die menschliche Seele selbständig und nur Form ist, der Form aber als der Wirklichkeit das Sein an und für sich zukommt, müßte sie sich, um an und für sich zerstörbar zu sein, von sich selbst trennen können, wie ein aus Stoff und Form Zusammengesetztes dadurch zerstört wird, daß sich die Form vom Stoff trennt. Ihre Einfachheit, ihr Nichtzusammengesetztsein steht also in Verbindung mit ihrer Selbständigkeit ihrer Zerstörung im Wege. — In der Tat, ein an und für sich zerstörbares Wesen muß aus Teilen zusammengesetzt sein, und es ist nur zerstörbar durch Auflösung in seine Teile. Denn so erwirbt es ein Anderssein; und nur um ein solches, nicht um ein Nichtsein handelt es sich bei der Zerstörung eines Wesens. Da nämlich jedes Ding als Wesenheit Seinsweise, d. h. Hinordnung zum Sein ist, kann kein Ding an und für sich eine Hinordnung zum Nichtsein haben. Eine solche Hinordnung wäre eine Hinordnung, die zugleich keine wäre, da sie keinen Zielpunkt hätte, auf den sie ginge, wie eine Bewegung nicht sein kann, für die kein Ziel gegeben ist. Ein Wesen kann also nur nebenbei eine Hinordnung zum Nichtsein in sich tragen dadurch, daß es eine Hinordnung zum Anderssein hat. Diese Hinordnung zum Anderssein setzt aber voraus, daß das Ding aus Teilen, seien es Wesens- oder Ausdehnungs-(Ganzheits-) Teile, zusammengesetzt ist. Dadurch, daß es den einen Teil verliert und einen neuen erwirbt, ist sein bisheriges Sein zerstört, d. h. ein anderes geworden. So verliert ein aus Stoff und Form zusammengesetztes Wesen das Sein, wenn die Form verlorengeht und der stoffliche Untergrund eine neue Form empfängt. Mit ihr ist ein neues Sein da und, wenn es sich um eine substantielle Veränderung handelt, auch ein neues Wesen nach dem Grundsatz: Die Zerstörung des einen ist die Erzeugung des andern. Deshalb kann ein einfaches Wesen, ein Geist, nicht zerstört werden. Als einfache Hinordnung auf ein einziges, ihm entsprechendes, bestimmtes Sein kann er keine Hinordnung auf ein anderes Sein haben. Er trägt in sich keinen Grund der Zerstörung. Nun ist aber die menschliche Seele nicht aus Teilen zusammengesetzt, sondern ein einfaches, selbständiges Wesen. Sie hat weder Wesensteile — das ist ihr mit jeder Form gemeinsam —, noch hat sie als höhere, geistige Form Ganzheitsteile. Sie kann somit auch nicht 'an und für sich', also überhaupt nicht zerstört werden. Die menschliche Seele fordert ihrer Natur nach die Fortdauer im Sein. (Fs)

483a Obgleich nun Thomas bereits im vorhergehenden Artikel die Zusammensetzung der Seele aus Form und Stoff abgelehnt hat, will er hier doch noch, wohl um bei seinen Gegnern aus dem Franziskanerorden nicht den Anschein zu erwecken, als ob er sie für Leugner der Unsterblichkeit der menschlichen Seele halte, dartun, daß die Seele, auch wenn sie aus Stoff und Form zusammengesetzt wäre, unzerstörbar wäre. Nach Ansicht der Alten, die Thomas teilte, ist die irdische (sublunarische) Materie aus den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde zusammengesetzt, deren einander entgegengesetzte Beschaffenheiten aufeinander einwirken und so ständige Erzeugungen und Zerstörungen hervorrufen. Die Materie der Himmelskörper dagegen ist einheitlich, frei von Gegensätzen, weshalb die Himmelskörper der Zerstörung nicht unterworfen sind (vgl. 66, 2: Bd. 5 und oben Anm. [53]. Es kommt also auch nur eine solche Zusammensetzung aus Form und Stoff für die Zerstörung in Betracht, bei der im Stoff jene Gegensätze vorhanden sind. Wo dagegen im Stoff die Gegensätze fehlen, ist die Form unauflöslich mit dem Stoff vereint, da der Stoff nur zu dieser einen Form in Möglichkeit und diese Möglichkeit durch die eine Form vollständig verwirklicht ist (vgl. 84, 3 Zu 1 u. 97, 1: Bd. 7). Nun weist aber, wie Thomas aus dieser Annahme heraus geltend macht, die menschliche Seele, selbst wenn sie aus Form und Stoff zusammengesetzt wäre, keine Gegensätze auf, denn Dinge, die in Wirklichkeit einander entgegengesetzt sind und von ihr erkannt werden, nimmt sie nicht gegensätzlich auf, sondern in der Einheitlichkeit der Verstandesbegriffe; sie hat ein einheitliches Wissen von Entgegengesetztem und ist deshalb nicht zerstörbar. Von ihrer Weise aufzunehmen wird also wiederum auf ihre Weise zu sein geschlossen (vgl. S. 480). Die Materie der Seele ist ja nach Anschauung der Gegner eine "geistige", die auch der Ausdehnung entbehrt (vgl. Art. 7 Antw.). (Fs)

484a Endlich sieht Thomas noch das Naturstreben oder die Hinordnung der menschlichen Seele auf immerwährendes Sein als "Zeichen" ihrer Unzerstörbarkeit an. Es läßt sich aber aus dieser Hinordnung die natürliche Unsterblichkeit der Menschenseele, d. h. deren tatsächliche, immerwährende Fortdauer im Sein und im Tätigsein streng beweisen (vom Tätigsein der abgeschiedenen Seele ist erst in der 89. Frage die Rede). Denn die Hinordnung oder das Verlangen der Natur ist Ausdruck der Natur, diese äußert darin ihr Wesen. Die Natur muß daher dieser Hinordnung tatsächlich entsprechen, d. h. es muß der Natur tatsächlich das zukommen oder erreichbar sein, wonach sie verlangt, worauf sie hingeordnet ist, was Thomas in die Worte kleidet: "Ein natürliches Verlangen kann nicht vergeblich sein." Nun geht aber die natürliche Hinordnung der Menschenseele auf immerwährendes Sein und Tätigsein. Dies ergibt sich aus dem Verstandeserkennen des Menschen. Während nämlich jedes Ding von Natur aus danach strebt, sich im Sein zu erhalten, entspricht beim Erkennenden dieses Naturstreben seinem Erkennen. Das Erkennen ist das Maß für das Streben, auch für das Naturstreben des Erkennenden. Daher erkennt das Tier nur das augenblickliche konkrete Sein und ist deshalb darauf hingeordnet, für jeden Augenblick, "hier und jetzt", danach zu streben, sich im Sein zu erhalten. Der Verstand des Menschen dagegen erkennt das Sein und das Tätigsein schlechthin als ein Gut. Deshalb geht sein Streben über das gegenwärtige, augenblickliche Sein hinaus auf ein immerwährendes Sein und Tätigsein. Dem Verstandeserkennen folgt aber die natürliche Hinordnung im Willen, das als Gut erkannte Sein und Tätigsein zu wollen. Und so muß der menschlichen Seele von Natur aus die Unsterblichkeit tatsächlich zukommen. — Nur im Vorübergehen (Zu 1) sagt Thomas bezüglich des Ursprungs der menschlichen Seele: "Die Seele der Tiere wird von einer körperlichen Kraft hervorgebracht, die menschliche Seele dagegen von Gott." Als geistige Substanz ist sie in ihrem Sein vom Stoff unabhängig, folglich ist sie auch in ihrem Werden unabhängig von ihm; denn das Werden ist der Weg zum Sein. Sie kann also nur durch die schöpferische Tätigkeit Gottes entstehen. Näheres hierüber in Frage 90 ff., Bd. 7; zum Ganzen vgl. GrPh 1, 358 ff. u. 362 ff. (Fs)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von / Wintrath, Petrus, Kommentar: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: Thomas über die Seele - allgemein

Index: Seele (allgemein): weder etwas Körperliches noch reiner Geist, weder vom Körper abhängig noch vollselbständig, einfach in d. Wesenheit - vielfältig in d. Vermögen, von Gott unmittelbar geschaffen (mitabhängig v. d. Eltern)

Kurzinhalt: Die menschliche Seele ist ihm weder etwas Körperliches, noch reiner Geist, sondern erste Wirklichkeit des Körpers, die aber vom Körper nicht ganz in Beschlag genommen ist. Sie ist weder vom Körper abhängig wie die Sinnenseele, noch etwas Vollselbständiges

Text: 502a Bei der Eigenart der menschlichen Seele war es nicht leicht, ihre Wesenheit richtig zu bestimmen. Es hat solche gegeben, die die Seele unterschätzten, und solche, die sie überschätzten. Thomas hat nach beiden Seiten gekämpft und in der Seelenlehre den goldenen Mittelweg eingeschlagen. Er ging von den dem Menschen eigentümlichen, der Erfahrung zugänglichen Lebenstätigkeiten aus und schloß von ihnen auf den Lebensgrund, von den Eigenschaften auf den substantiellen Eigenschaftsträger, auf die Seele. Die menschliche Seele ist ihm weder etwas Körperliches, noch reiner Geist, sondern erste Wirklichkeit des Körpers, die aber vom Körper nicht ganz in Beschlag genommen ist. Sie ist weder vom Körper abhängig wie die Sinnenseele, noch etwas Vollselbständiges (der ganze Mensch), sondern Wesensform des Menschen, die aber auch ein Tätigsein für sich hat. Die vernünftige Seele ist weder für alle Menschen eine, noch auch nur eine neben anderen Seelen oder Formen im Einzelmenschen: sie ist in demselben Menschen in höherer Weise Nähr- und Sinnenseele zugleich und begreift in sich auch alle Formen der organischen Substanzen, die im Körper vorhanden sind. Sie ist einfach in der Wesenheit und vielfältig den Vermögen nach, Wirklichkeit des Körpers und in Möglichkeit zum Dasein und zur Verwirklichung durch ihre Tätigkeiten; sie ist Mitgrund des ernährenden und des sinnlichen Lebens und einziger substantieller Grund des geistigen Lebens; sie ist von Gott unmittelbar geschaffen und doch mitabhängig von den zeugenden Eltern, sie ist unzerstörbar im Wesen und besitzt doch nach dem Tode des Menschen die Vermögen und Tätigkeiten nicht mehr, die an den Körper gebunden sind. So bildet die menschliche Seele die Brücke zwischen der Körper- und der Geisterwelt, sie steht, wie Thomas sagt, im Grenzland beider Welten (77, 2 Antw.) und offenbart durch die Einzigkeit, die Einheitlichkeit und die Vielfalt ihres Wesens in besonderem Maße die Weisheit des Schöpfers. "Es gibt nichts Vollkommeneres unter den Dingen hienieden als die menschliche Seele" (79, 4 Antw.). Vgl. zum Ganzen auch G. M. Manser, Das Wesen des Thomismus, 1935, S. 184 ff. (Fs; tblStw: Seele)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von, Deutsche Thomasausgabe, F1_076

Titel: Licht : Leuchtenden wie Seele : Körper

Index: F1_076a4ad1; Mensch - Seele (noch andere Formen?); Definition: S. als "die Wirklichkeit eines natürlichen, gegliederten Körpers, der in Möglichkeit Leben hat"; Bild: Licht, Leuchtendes -> S., Körper; Bewegung - Seele

Kurzinhalt: Daher ist es klar, daß in dem, dessen Wirklichkeit die Seele ist, auch die Seele mit einbegriffen ist, wie man ja auch sagt: die Wärme ist die Wirklichkeit des Warmen, und das Licht ist die Wirklichkeit des Leuchtenden; nicht als ob das Leuchtende ...

Text: Zu 1. Aristoteles sagt nicht einfach, die Seele sei "die Wirklichkeit eines Körpers", sondern "die Wirklichkeit eines natürlichen, gegliederten Körpers, der in Möglichkeit Leben hat"; und von einer solchen Möglichkeit "wird die Seele nicht zurückgewiesen". Daher ist es klar, daß in dem, dessen Wirklichkeit die Seele ist, auch die Seele mit einbegriffen ist, wie man ja auch sagt: die Wärme ist die Wirklichkeit des Warmen, und das Licht ist die Wirklichkeit des Leuchtenden; nicht als ob das Leuchtende etwas für sich wäre ohne das Licht, sondern weil es durch das Licht leuchtend ist. Ebenso sagt man auch: die Seele ist "die Wirklichkeit eines Körpers" usw., weil durch die Seele der Körper sowohl Körper, als auch gegliedert, als auch in Möglichkeit Leben habend ist. Die erste Wirklichkeit ist aber in Möglichkeit in Hinsicht auf die zweite Wirklichkeit, d. h. die Tätigkeit [45]. Von einer solchen Möglichkeit nämlich wird die Seele 'nicht zurückgewiesen', d. h. nicht ausgeschlossen.1 (Fs; tblStw: Seele) (notabene)

Zu 2. Die Seele bewegt den Leib nicht durch ihr Sein, sofern sie mit dem Leib als Form vereint ist, sondern durch ihre Bewegkraft,2 deren Tätigkeit voraussetzt, daß der Leib durch die Seele bereits in die Wirklichkeit gesetzt ist, so daß die Seele durch die Bewegkraft der bewegende Teil und der beseelte Leib der bewegte Teil ist. (Fs)

Zu 3. In der Stoffwelt sehen wir verschiedene Stufen der Vollkommenheit: Sein, Leben, sinnliches und verstandliches Erkennen. Stets ist aber das Folgende, das über das Vorhergehende kommt, das Vollkommenere. Die Form also, die dem Stoff nur den ersten Vollkommenheitsgrad gibt, ist die unvollkommenste; die Form jedoch, die sowohl den ersten als auch den zweiten, den dritten usw. verleiht, ist die vollkommenste und dennoch unmittelbar mit dem Stoff verbunden. (Fs)

Zu 4. Avicenna hat behauptet, die substantiellen Formen der Grundstoffe blieben unversehrt in dem Gemischten zurück. Die Mischung aber geschehe, sofern die einander entgegengesetzten Beschaffenheiten der Grundstoffe auf einen mittleren Grad gebracht würden. — Das ist jedoch unmöglich. Denn die verschiedenen Formen der Grundstoffe können nur in verschiedenen Stoffteilen sein, für deren Verschiedensein man Ausdehnungen annehmen muß, ohne die der Stoff nicht teilbar sein kann.3 Nun findet sich aber ein der Ausdehnung unterworfener Stoff nur im Körper. Verschiedene Körper können jedoch nicht an demselben Orte sein. Daraus folgt, daß die Grundstoffe im Gemischten der Lage nach geschieden sind. Und so ist es keine wahre Mischung, die auf das Ganze geht, sondern eine Mischung dem Augenschein nach, die die kleinsten nebeneinanderliegenden Teile umfaßt. (Fs)

Averroes aber war der Auffassung, die Formen der Grundstoffe seien wegen ihrer Unvollkommenheit in der Mitte zwischen den substantiellen und den akzidentellen Formen; sie nähmen daher ein Mehr und Weniger an, würden darum in der Mischung abgeschwächt und auf eine mittlere Stärke herabgesetzt; und es bilde sich aus ihnen eine einzige Form. — Das ist aber erst recht unmöglich. Denn das substantielle Sein eines jeden Dinges steht in Unteilbarkeit, und jede Zugabe oder Wegnahme ändert die Art wie bei den Zahlen (Aristoteles) [45a]. (Fs)

Deshalb ist es unmöglich, daß irgendeine substantielle Form ein Mehr oder Weniger annimmt. — Nicht weniger unmöglich ist es, daß es ein Mittleres gibt zwischen Substanz und Akzidens. Deshalb muß man mit dem Philosophen sagen, daß die Formen der Grundstoffe nicht in Wirklichkeit, sondern der Kraft nach im Gemischten bleiben. Es bleiben nämlich die den Grundstoffen eigenen Beschaffenheiten, wenn auch in geminderter Stärke; und in diesen ist die Kraft der grundstofflichen Formen enthalten. Eine derartige Mischungsbeschaffenheit ist dann die eigentliche Zubereitung auf die substantielle Form des gemischten Körpers, z. B. auf die Form des Steines oder auf jedwede Seele [46]. (Fs)

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Stichwort: Seele

Autor, Quelle: Thomas, Aquin von, Deutsche Thomasausgabe, F1_076

Titel:

Index: F1_076a6c; Seele - Körper: Art d. Verbindung: substantiell nicht akzidentell; die Seele bewegt den Körper nicht direkt, sondern wird bewegt, insofern sie Wirklichkeit ders Körpers ist.

Kurzinhalt: Wenn aber die Verstandesseele mit dem Leib als substantielle Form vereint ist (Art. 1), so ist es unmöglich, daß irgendeine akzidentelle Zubereitung vermittelnd zwischen Seele und Leib oder zwischen irgendwelche substantielle Form und ihren Stoff tritt.

Text: ANTWORT: Wäre die Seele mit dem Körper nur als Beweger vereint, so stünde nichts im Wege, ja es wäre vielmehr notwendig, daß irgendwelche Zubereitungen zwischen Seele und Körper vermittelten: das Vermögen nämlich auf Seiten der Seele, durch das sie den Körper bewegt; und eine gewisse Bereitschaft auf seiten des Körpers, durch die der Körper für die Seele bewegbar ist (75, 3 Zu 3). (Fs; tblStw: Seele)

Wenn aber die Verstandesseele mit dem Leib als substantielle Form vereint ist (Art. 1), so ist es unmöglich, daß irgendeine akzidentelle Zubereitung vermittelnd zwischen Seele und Leib oder zwischen irgendwelche substantielle Form und ihren Stoff tritt. Der Grund hierfür ist folgender. Da der Stoff nach einer gewissen Ordnung in Möglichkeit zu allen Wirklichkeiten ist, so muß das, was schlechthin das Erste unter den Wirklichkeiten ist, auch als zuerst im Stoffe seiend gedacht werden. Das Erste unter allen Wirklichkeiten ist aber das Sein. Also ist es unmöglich, den Stoff früher warm oder ausgedehnt, als in Wirklichkeit seiend zu denken. Das In-Wirklichkeit-sein hat er aber durch die substantielle Form, die das Sein schlechthin gibt (Art. 4). Deshalb ist es unmöglich, daß irgendwelche akzidentelle Zubereitungen im Stoff vorhanden sind vor der substantiellen Form; folglich auch vor der Seele. (Fs) (notabene)

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