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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Zeitung für katholische Theologie 89/1967

Titel: SEINSERFAHRUNG UND SEINSHORIZONT

Stichwort: Ursprung des Wissens um das Sein; Herkunft des Seinshorizontes bei Coretz

Kurzinhalt: das Wissen im Besitz des Gewußten als Vollzugswissen der Frage selbst; der Vollzug setzt sich als Sein

Textausschnitt: ... stellt sich Coreth im Paragraph dreizehn die Frage: woher dieser Seinshorizont, der unbegrenztes Wissen und Nichtwissen zugleich bedeutet, seinen Ursprung nimmt. Wie kommt es, daß wir das Ganze im voraus entwerfen, nach dem wir suchen, so daß alles von Anfang an für uns den Sinn von Sein erhält und deswegen erkannt wird, wenn die einzelne Frage ihre Antwort gefunden hat? Coreth gibt darauf, wenn wir ihn recht verstehen, folgende Antwort: Der Ursprung des Horizontes des Seins kann nicht nur ein rein vorgreifendes Wissen sein, ein Vorwissen, das Wißbares entwirft, sondern es muß ein Wissen im Besitz des Gewußten sein, als eines, das "ist". Nur von diesem aktuellen Besitz her kann ich das Sein im ganzen erkennen; von daher gewinnt für mich das Sein einen Sinn. Nun ist dieses Wissen im Besitz des Gewußten das Vollzugswissen der Frage selbst: "Indem ich den Vollzug meines Fragens setze, weiß ich unmittelbar um ihn als einen wirklich gesetzten Vollzug. Ich weiß, daß ich frage; ich weiß, daß ich der Fragende bin und im Vollzug des Fragens bin; ich weiß, daß ich den Vollzug des Fragens setze. Ich weiß, daß der Vollzug meines Fragens "ist", daß er an sich selbst als seiend gesetzt ist. Im Vollzug des Fragens und Wissens ist ein Sein gegeben, das mit dem Wissen unmittelbar zusammenfällt: im Vollzugswissen. Der Vollzug weiß sich als Sein. Das Sein weiß sich als Vollzug. Das Wissen setzt sich als Sein, und das Sein vollzieht sich als Wissen - in der unmittelbaren Einheit von Sein und Wissen im Vollzug" . (297f; Fs)
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11 Auf Grund dieser Identität von Sein und Wissen im Vollzug der Frage spricht Coreth von einer unmittelbaren Seinserfahrung, in der Sein und Wissen zusammenfallen. In dieser gelichteten Identität des Seins mit sich selbst gründet unser reines Vorwissen um das Sein: "Aus der unmittelbaren Seinserfahrung und Seinsgewißheit des Vollzuges weiß ich um das Sein des Vollzuges und ich weiß daraus um Sein oder den Sinn von Sein überhaupt. Es ist der Ursprung des Entwurfes eines Horizontes des Seins überhaupt, innerhalb dessen ein Fragen nach Anderem als Seiendem oder ein Wissen um Anderes als Seiendes allererst möglich ist" . (298; Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Zeitung für katholische Theologie 89/1967

Titel: SEINSERFAHRUNG UND SEINSHORIZONT

Stichwort: DasVollzugswissen als Ursprung des Seinshorizontes bei Coreth

Kurzinhalt: Das Vorwissen (nach Coreth) als der aktuelle Besitz des Seins

Textausschnitt: ... Coreth fragt nach dem Ursprung des Horizontes des Seins, jenes leeren und vorgreifenden Wissens, welches unser Wissen um das Sein ist, das konstitutiv in jede Frage eingeht. Offensichtlich muß dieser Ursprung, welcher er auch immer sein mag, dem Horizont des Seins gegenüber eine Priorität haben. Tatsächlich sagt Coreth: ... Nun, so bestimmt Coreth fort, ist dieser aktuelle Besitz des Seins, von dem her ich auf alles Erkennbare als Sein vorgreife, das Vollzugswissen selbst: Jenes Wissen, das in der Frage nicht thematisch (in diesem Sinne ist der Frage ein Mitwissen inne, das sie als diese oder jene bestimmt), wohl aber unthematisch als Wissen um das Sein der Frage selbst mitgesetzt ist: "Indem ich den Vollzug meines Fragens setze, weiß ich unmittelbar um ihn als einen wirklich gesetzten Vollzug" . (298f; Fs)
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15 Dieser Vollzug, den ich a) als Sein setze, b) als Sein erkenne, und c) von dem her ich den Seinshorizont entwerfe, innerhalb dessen jede Frage und jedes menschliche Erkennen möglich ist, ist uns nicht ganz klar. ... Was unseres Erachtens vor allem einer Klärung bedarf, ist Punkt c): jenes "von dem her", d. h., das Verhältnis zwischen dem Horizont des Seins im allgemeinen und dem Wissen um meine Frage als Sein. (299; Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Zeitung für katholische Theologie 89/1967

Titel: SEINSERFAHRUNG UND SEINSHORIZONT

Stichwort: Bewußtsein (Bewusstsein) als das operative Intelligible

Kurzinhalt: Das Bewußtsein ist nichts anderes als die Gegenwart des operativen Intelligiblen zu sich selbst

Textausschnitt: Das Bewußtsein ist nichts anderes als die Gegenwart des operativen Intelligiblen zu sich selbst und ist daher schon ein intelligere, da der Selbstbesitz des operativen Intelligiblen zu Recht ein intelligere genannt werden kann. Es ist jedoch ein intelligere, das verschieden vom intelligere ex parte obiecti im Bezug zu den empirischen Daten und viel ursprünglicher als dieses ist.

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Zeitung für katholische Theologie 89/1967

Titel: SEINSERFAHRUNG UND SEINSHORIZONT

Stichwort: Das Bewußstsein hat keinen Inhalt; ex parte obiecti, Immanentismus;

Kurzinhalt: das exercite Gegebene als die Gegenwart des Subjektes als Subjekt; Vorstellung eines geschlossenen Innenraumes

Textausschnitt: Versteht man das Bewußtsein als eine Wahrnehmung, dann gibt es in jedem psychischen Akt außer der Wahrnehmung des Objektes eine direkte und unmittelbare Wahrnehmung seiner selbst und seiner Akte. In welcher Beziehung jedoch das Hauptobjekt sozusagen zu den sekundären Objekten steht, ist schwierig mit einem solchen Begriff des Bewußtseins zu erklären. Man wird sagen, daß das erste das thematische Objekt sei, signate, während die anderen bloß unthematisch erlebt, exercite, das erste begleiten. Das kann richtig verstanden werden. Aber dieses richtige Verständnis ist solange gefährdet, bis man die Gleichsetzung von Erkanntem = Objekt aufgibt und jene Dimension des Erkenntnisaktes beachtet, die derjenigen, die sich auf das Objekt bezieht, entgegengesetzt ist, d. h. die Dimension zum Subjekt hin, so daß das Unthematische, das Erlebte, das exercite Gegebene nicht als ein mehr oder weniger verschwommenes Objekt, sondern als die Gegenwart des Subjektes gerade in seiner Funktion als Subjekt aufgefaßt werden kann.
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Wenn man nämlich das Bewußtsein als ein Wahrnehmen seiner selbst und der eigenen Akte ex parte obiecti betrachtet, so kommt man fast notgedrungen - da ja das, was wahrgenommen wird, etwas Begrenztes ist - zur Vorstellung eines geschlossenen Innenraumes. Von hier aus stellt sich nach der einmal falsch gestellten Frage das Problem, den Immanentismus zu überwinden, d. h. das Problem, ob unser Erkennen auf das begrenzt sei, was unmittelbar und daher unbezweifelbar im Bewußtsein wahrgenommen wird, auf die Bewußtseinsinhalte, oder ob es auch offen für die Wahrnehmung einer Wirklichkeit sei, die den begrenzten Bereich des Bewußtseins übersteigt. Wenn hingegen Bewußtsein nicht Wahrnehmung ex parte obiecti bedeutet, dann entsteht das Problem, von immanenten auf transzendente Objekte überzugehen, nicht. Es gibt simpliciter keine Bewußtseinsinhalte: Das Bewußtsein hat dem strengen Wortlaut nach keinen objektiven Inhalt. Es besteht nur die Frage nach dem Übergang von dem, was als rein Gegebenes erfaßt ist, zur Erkenntnis desselben als eines Seienden; das ist nichts anderes als die allgemeine Frage: Mittels welcher Akte vollzieht sich das menschliche Erkennen?

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Zeitung für katholische Theologie 89/1967

Titel: SEINSERFAHRUNG UND SEINSHORIZONT

Stichwort: Das geistige Bewusstsein ist prinzipiell unbegrenzt; Überwindung des Immanentismus

Kurzinhalt: Schon im Ansatz ist jeder Immanentismus und Idealismus überwunden. Das geistige Bewußtsein in seiner dynamischen Eigenschaft ist von keinem Prinzip der Immanenz gebunden

Textausschnitt: 40 Die epistemologische Folgerung der psychologischen Analyse unseres reinen Erkenntnisstrebens, insofern es sich als ein unbegrenztes herausgestellt hat, ist folgende: Schon im Ansatz ist jeder Immanentismus und Idealismus überwunden. Das geistige Bewußtsein in seiner dynamischen Eigenschaft ist von keinem Prinzip der Immanenz gebunden: "Da die Intention unbegrenzt ist, ist sie nicht auf den immanenten Inhalt des Erkennens, auf Bewußtseinsinhalte, beschränkt. Wir können wenigstens die Frage stellen, ob es über den Bewußtseinsinhalt hinaus etwas gibt und die bloße Tatsache, daß diese Frage möglich ist, zeigt, daß diese, in der Frage zum Ausdruck gebrachte Intention, von keinem Prinzip der Immanenz begrenzt ist. Nun beziehen sich die Antworten auf die Fragen, so daß auf transzendente Fragen Antworten mit entsprechendem Sinngehalt erfordert sind"

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Zeitung für katholische Theologie 89/1967

Titel: SEINSERFAHRUNG UND SEINSHORIZONT

Stichwort: Unserer Auffassung nach besteht die Transzendenz nicht im Überschreiten eines erkannten Erkennenden, sondern im Sich-Richten auf das Sein

Kurzinhalt: Transzendenz (Transzendieren) kein "Überstieg", sondern Sich-Richten auf das Sein

Textausschnitt: "Unserer Auffassung nach besteht die Transzendenz nicht im Überschreiten eines erkannten Erkennenden, sondern im Sich-Richten auf das Sein, innerhalb dessen es positive Differenzierungen gibt, darunter die Differenz zwischen Subjekt und Objekt. Insofern solche Urteile gegeben sind, gibt es tatsächlich Objektivität und Transzendenz". (Ebd. XIII 1:377.)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: Kirche - Moderne; Großkirche, Volkskirche - Anpassung

Kurzinhalt: ... aufgrund ihres noch aus der Aufklärungskritik stammenden Schuld- und Minderwertigkeitsgefühls unterwirft sich die Kirche fortwährend in hektischer Weise der Moderne und übernimmt vielfach unbesehen deren Parameter.

Textausschnitt: 168c Die Kirche steht im Zuge der unaufhaltsamen "zweiten Modernisierung"1 der Weltgesellschaft vor gewaltigen Problemen, die durch die einschneidenden sozio-ökonomischen Umbrüche und geistigen Verunsicherungen unserer Zeit an sie herangetragen und die, da die Christen zugleich auch Glieder der bürgerlichen Gesellschaft sind, zu ihren eigenen inneren Schwierigkeiten werden. So kann man im Blick auf die kirchliche Gegenwart unschwer den Eindruck gewinnen, die Kirche (d.h. die geweihten Träger des Leitungsdienstes sowie das übrige Gottesvolk!) taumle desorientiert in den heutigen Stürmen umher und sei weit stärker außengesteuert als selbsthandelnd und souverän reagierend. Das ist natürlich nicht verwunderlich, da die Orientierungslosigkeit aufgrund der Rasanz und Tiefe der Zeitbewegungen nahezu alle Institutionen des öffentlichen Lebens erfaßt hat und alle einigermaßen ratlos erscheinen läßt. Im Falle der Kirche kommt noch hinzu, daß sie immer noch mit der "ersten Modernisierung", d.h. der Aufklärung und dem Industrialisierungsaufbruch ringt, so daß sie sich wie gelähmt der Gegenwart nicht produktiv zu stellen vermag. Eine solche Lähmung wird u.a. an zwei eng zusammenhängenden Symptomen deutlich. (Fs)

169a Erstens, aufgrund ihres noch aus der Aufklärungskritik stammenden Schuld- und Minderwertigkeitsgefühls unterwirft sich die Kirche fortwährend in hektischer Weise der Moderne und übernimmt vielfach unbesehen deren Parameter. Einige Bereiche seien hier genannt: Die - aufgrund ihres Selbstverständnisses als Leib Christi ganz unsachgemäße - Verdemokratisierung und Verparlamentarisierung2, die Schleifung ihrer anstößigen Theologumena, die Konturlosigkeit vor allem der sittlichen Verkündigung, die bis zur Nullgrenze reichende Senkung ihrer Mitgliedsbedingungen, die allzu bereitwillige Akzeptanz all dessen, was mit Wissenschaftlichkeitsanspruch auftritt, die Marginalisierung des besonderen Weiheamtes und der mit ihrer sakramental-hierarchischen Struktur verbundenen Autorität usw. - durch all das will die Kirche zeitgemäß und so ein akzeptables Kind der Moderne sein. (Fs)

169b Zweitens, zugleich ist die Kirche jedoch auch wieder auf gefährliche Weise vor allem dort innovationslahm, wo sie meint, ihren gesellschaftlichen Einfluß durch ihre zivilreligiöse Relevanz sichern zu müssen. Aber genau diese zivilreligiöse Relevanz und damit ihre Öffentlichkeitsakzeptanz und -Präsenz hätte sie nicht mehr, wenn sie ihre überkommenen Strukturen aufgeben würde, wozu sie ja mittlerweile durch den weitgehenden Tod der volkskirchlichen Substanz Anlaß hätte. Damit die Struktur einer Großkirche aufrechterhalten werde, wird alles nur Erdenkliche unternommen, um die Massen rein formal zu halten: Die erschütternde und für die Priester so frustrierende Sakramentenpastoral der Billigstpreise; die Nivellierung aller unterscheidenden sittlichen Kriterien, welche ausgrenzend sein könnten; die markt- und konsumgerechte Offerierung ihres geistlichen Angebotes; die Beibehaltung sozialer, karitativer und kultureller Einrichtungen, die bei weitem ihre tatsächlichen Möglichkeiten übersteigen, diese Einrichtungen durch Gläubige zu führen, welche die Einrichtungen mit christlichen Inhalten füllen. Es stellt sich deshalb die Frage, wie die Präsenz der Kirche in der modernen Gesellschaft gestaltet werden soll, damit sie das erlösende Werk Christi aus dem Eigenen möglichst allen Menschen wirksam vermitteln kann. (Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: Ortskirche, Eucharistiegemeinschaft; Priestermangel (eg: Seelsorgeraum)

Kurzinhalt: Wenn die Eucharistie nicht mehr an die Gläubigen herangetragen werden kann, dann müssen sich die Gläubigen aufmachen ...

Textausschnitt: 11. Die Ortskirche als Eucharistiezentrum

173c Wie soll in der gegenwärtigen Situation die missionarische Präsenz der Kirche gewährleistet werden angesichts der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft nach außen und des akuten Priestermangels nach innen? Die Seelsorge der Kirche basiert hauptsächlich auf der Organisationskompetenz der Territorialpfarrei. Ein solches Territorialprinzip ist naheliegend und von der Sache her durchaus richtig. Denn auch heute, trotz erhöhter Mobilität, verbringen die meisten Menschen ihr Leben in einer örtlichen Gebundenheit, die sie nur selten wechseln wollen oder können. Daraus ergibt sich von selbst die Ortskirche, d.h. die Gemeinde derer, die am selben Ort an Christus glauben. (Fs)

174a Seit der Zeit der Urkirche tritt die Ortskirche in Erscheinung ganz besonders dadurch, daß die Gläubigen sich am Tag des Herrn versammeln, um das Gedächtnis des Opfers Christi zu begehen. Kirchliche Gemeinde ist wesenhaft Eucharistiegemeinschaft. Die Eucharistie aber kann nur dort gefeiert werden und die Gemeinde des Herrn nur dort entstehen und dauerhaft angemessen leben, wo es einen Priester gibt, der mit der Gemeinde die Eucharistie feiert, mit ihr auch zusammenlebt und sie leitet. Das Identitätsmerkmal der Gemeinde ist deshalb zuerst und grundlegend gnadenhafter Natur: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20). Diese Versammlung "in Seinem Namen" und Seiner versprochenen Gegenwart findet vom NT her gerade im eucharistischen Erinnerungsbefehl Jesu ihre Mitte und kann von daher keinesfalls als beliebige Privatversammlung gegen die sakramentale Objektivität der Kirche ausgespielt werden. (Fs)

174b Erst danach hat die Gemeinde der Gläubigen auch lokalen Charakter und bildet deshalb eine Ortskirche: die katholische, universale Kirche an diesem Ort. Auch für die Kirche gilt, daß "gratia supponit naturam". Wie der Mensch als Sozialwesen in einer räumlich umschriebenen Gesellschaft lebt, so lebt er als Glied des mystischen Leibes Christi in einer räumlich umschriebenen Gemeinde. In der Pfarrei entfaltet ein Mensch, im Normalfall, sein christliches Leben, das zwar in der Sonntagsmesse seine Mitte hat, das sich aber nicht auf sie reduzieren läßt. Aus der Quelle der eucharistischen Verbundenheit mit dem Mittler zwischen Mensch und Gott entspringt ein vielförmiges Gebetsleben, das Bemühen um eine lehrmäßige Vertiefung des Glaubens und die missionarische Tätigkeit in der bürgerlichen Gesellschaft. (Fs)

174c Wenn aber eine genuin katholische Gemeinde sich um den die Eucharistie feiernden Priester sammelt, dann müssen im Falle der ungünstigen Situation, in der eine beträchtliche Zahl der schon existierenden Pfarreien keinen Priester mehr hat, die verwaisten Gemeinden sich auf den Weg machen, um nicht nur sich in bestimmten Abständen an einen Ort zu begeben, wo ein Priester lebt und die Eucharistie feiert, sondern auch um sich an diese Eucharistiegemeinde in der Weise zu binden, daß sie nun zu ihr mit Verbindlichkeit gehören. Bei weitgehender Aufgabe früherer Territorialgemeinden entstünden so Eucharistiezentren, denen der einzelne aus bewußter Entscheidung heraus beitritt und aus denen er sich (etwa beim Ortswechsel) auch abmeldet. (Fs)

174d Wenn die Eucharistie nicht mehr an die Gläubigen herangetragen werden kann, dann müssen sich die Gläubigen aufmachen, ihr Wichtigstes und Heiligstes suchen und Eucharistie gemeinsam regelmäßig dort feiern, wo dies aufgrund der Anwesenheit eines Priesters eben möglich ist. Alle dagegen anführbaren Argumente greifen angesichts der unvergleichlichen Bedeutung der Sakramente letztlich nicht. Weder die organisatorischen und praktischen Schwierigkeiten (angefangen von der Schaffung eines Fahrdienstes bis hin zur Frage nach der Eignung herkömmlicher Kirchenbauten für solche Eucharistiezentren) noch die zumindest zunächst gegebene menschliche und geistliche Härte eines solchen Verlassens des Vertrauten und traditionell Gewachsenen; vor allem nicht der sich pastoral gerierende Einwand, damit würden jene nicht zu derartiger Mobilität bereiten Fernstehenden fallengelassen, die man im alten Rahmen noch irgendwie erreichen und ansprechen könne. (Fs)

175a Dem ist zu entgegnen: Wer nicht dazugehören will, sollte in diesem Willen auch ernstgenommen und auf die Konsequenzen seiner Position aufmerksam gemacht werden, zumal sich durch eine Konzentration des Gemeindelebens im Modell der Eucharistiezentren eine derartige Schärfung des Profils der Kirche erreichen ließe, daß das Wort dieser entschiedenen Gemeinden wohl eindrucksvoller und vernehmlicher in das Ohr der Fernstehenden zu tönen vermöchte, als das unsere heutigen Gemeinden überhaupt können und wagen. Zudem darf die Kirche schon aus notwendigem Selbstschutz die Gestaltung ihres Glaubenslebens nicht von denen abhängig machen, die sich von diesem Glauben abgewandt haben. Denn damit gewinnt sie - wie man leicht sehen kann - nicht nur keine Ungläubigen zurück, sie entwurzelt und vernachlässigt auch noch die Gläubigen, die sie besitzt und die in ihr keine geistliche Heimat mehr finden. (Fs)

175b Aus dem Gesagten ergibt sich, daß eine Diözese so viele Eucharistiezentren haben soll, wie die Zahl der Priester ist, die sie aktiv in der Seelsorge einsetzen kann. Dagegen wird freilich eingewendet, daß die Diözesen unter Priestermangel leiden. Welches ist aber der Bezugspunkt für diese numerische Einschätzung? In Relation zur Anzahl der gewachsenen und immer noch auf dem Papier existierenden Pfarreien stimmt gewiß die Einschätzung. Wenn man aber als Bezugspunkt die Gläubigen nimmt, die tatsächlich am Leben der Pfarrei teilnehmen, so kommt man zu einem anderen Ergebnis. Nimmt man einige zentral gelegene Kirchen in den Städten, einige besonders "gute" Pfarreien und Wallfahrtsorte aus, so bietet das Bild der meisten Sonntagsmessen alles andere als das eines zahlenmäßigen Mißverhältnisses zwischen Priestern und den ihnen anvertrauten Gläubigen. (Fs)

175c Hier ist der Punkt, wo die Situation die Kirchenleitung auffordert, auf die Realität der Gegenwart innovativ durch ein strukturell wirklich neues Grundmodell christlicher Gemeinde zu reagieren, ein Modell nämlich der Art, wie oben versucht wurde zu umreißen. (Fs)

175d Man sagt, daß "der Priestermangel die Gemeinden mündig und zum ersten Subjekt der Seelsorge werden lasse". Näher der Realität wäre es zu sagen, daß die in der Pastoral berufstätigen Laien Subjekte geworden sind, insofern ihnen ein von der Sakramentenpastoral weitgehend freies Feld offen steht, in dem sie ihre "pädagogischen, therapeutischen und sozialen Dienste"1 professionell einem Gottesvolk anbieten, dem nicht einmal die Initiative zu einer kleinen Fahrt, um die Hl. Messe mitzufeiern, zugetraut wird. Die so gerne gescholtene Versorgungskirche mit ihren zwei Klassen von Christen wird weitergeführt; nur sind es jetzt "bloße Laien" (die Objekte der Pastoral) und "Laien-Priester" (die Subjekte der Pastoral), und konsequenterweise ist das Angebot anders geworden, nämlich nach der Art der säkularen Gesellschaft und deshalb in Konkurrenz zu ihr. Damit wird eine Präsenz der Kirche aufrechterhalten, die geeignet ist zu verdecken, wie sehr die Kirche als Sakrament des Heiles in Wirklichkeit abwesend ist. In diese sakramental weitgehend verwaiste Kirche paßt die Figur des Pfarrbeauftragten als Bündelung der neuen kirchlichen Dienste, die das Amtspriestertum überflüssig machen. (Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: Zwei Modelle von Gemeinden; Pfarrei-Prinzip - Eucharistie-Prinzip; Pfarrverband (eg: Seelsorgeraum), Pfarrbeauftragter; professionelle Seelsorge von Laien

Kurzinhalt: De facto hat das Pfarrei-Prinzip im deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Priestermangel zur Bildung der sog. Pfarrverbände geführt ... die am Ende eine entsakralisierte und entsakramentalisierte "Kirche" entstehen läßt

Textausschnitt: 12. Zwei Modelle von Gemeinden

176a Der Priestermangel zwingt zu einer Konzentration in der Seelsorge. Die entscheidende Frage, die sich daraus stellt, lautet: Nach welchem Prinzip soll die Konzentration erfolgen? Unter Voraussetzung der geltenden Ordnung der Kirche (CIC) bieten sich zwei voneinander verschiedene Kriterien an, die m.E. zu zwei (unter theologischem wie praktischem Gesichtspunkt) sehr verschiedenen Arten von Konzentration führen. (Fs)

176b Das erste Kriterium ist das Pfarrei-Prinzip, so wie es im CIC im Abschnitt über "die innere Ordnung der Teilkirchen", Kap. 6, wo von Pfarrei und Pfarrer die Rede ist, vorliegt. Für unser Problem sind von unmittelbarer Bedeutung c. 518, in dem die Pfarrei "in aller Regel" als territorial abgegrenzt festgelegt wird und alle Gläubigen des betreffenden Gebiets umfaßt. Weiter nach c. 526,1: "Der Pfarrer soll nur für eine Pfarrei die pfarrliche Sorge haben; wegen Priestermangels oder anderer Umstände aber kann die Sorge für mehrere benachbarte Pfarreien demselben Pfarrer anvertraut werden". Gemäß dem schon zitierten c. 517,2 kann der Bischof wegen Priestermangels einen Diakon oder einen (oder mehrere) Laien an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei beteiligen lassen. Für diesen Fall hat der Bischof einen Priester zu bestimmen, der, mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet, die Seelsorge leitet. (Fs)

176c Aus dem so aufgefaßten Pfarrei-Prinzip folgt, daß für jede Pfarrei (oder mehrere benachbarte Pfarreien) ein Priester zuständig sein muß, der die Vollmacht eines Pfarrers hat. Wie aber die Seelsorge in dieser Seelsorgseinheit wahrgenommen werden soll, bleibt bis zu einem gewissen Grad (auch wenn man den anderen canones dieses Abschnittes Rechnung trägt) offen. Das Pfarrei-Prinzip läßt deshalb an sich mehrere Möglichkeiten für die Wahrnehmung der Seelsorge zu. (Fs)

176d De facto hat das Pfarrei-Prinzip im deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Priestermangel zur Bildung der sog. Pfarrverbände geführt, d.h. Seelsorgseinheiten, die mehrere Pfarreien umfassen, welche irgendwie bestehen bleiben, insofern die Gläubigen als (zunächst) ihrer früheren Pfarrei zugeordnet gelten, in der die Seelsorge soweit wie möglich weiterhin wahrgenommen wird. (Fs)

177a Die so erreichte Konzentration erweist sich als "Biotop" der neuen pastoralen Dienste. Der Pfarrer des Pfarrverbandes versucht zusammen mit Laien als hauptamtlichen Mitarbeitern/innen die Seelsorge in allen verschiedenen kleineren Gemeinden wahrzunehmen. Der in regelmäßigen Abständen gehaltene Wortgottesdienst in den unselbständig gewordenen Gemeinden, andere seelsorgliche Handlungen, die auch von Personen ohne Priesterweihe noch gültig vollzogen werden können, führen das Pfarrleben in der (weitgehend) priesterlosen früheren Pfarrei weiter. (Fs)

177b Eine Variante der Konzentration auf der Grundlage des Pfarrprinzips geschieht durch den neuerdings eingeführten und sich zunehmend ausbreitenden Pfarrbeauftragten, in dem die Übertragung der Seelsorge an Nichtpriester ihren deutlichsten und umfassendsten Ausdruck findet. In diesem Falle, in dem ein Laie die Pfarrei selbständig leitet und seelsorglich betreut, reduziert sich die Beteiligung des Priesters auf das Minimum einer bloßen Dienstaufsicht über den (oder die) Beauftragten und auf sakramentale Handlungen, die das Weiheamt absolut benötigen. (Fs)

177c Das auffallendste (und theologisch gravierendste) Merkmal dieses Modells ist, daß der Ersatzcharakter der durch Laien wahrgenommenen Seelsorge, allen voran der sonntäglichen Wortgottesdienste, auf die Dauer kaum wirksam bewahrt werden kann: Weder von den liturgischen Handlungen her noch vom pastoral tätigen Laien selbst; vom letzteren kann schon rein menschlich nicht erwartet werden, daß er auf dem Ersatz- und Vorläufigkeitscharakter dessen, war er tut, bestehen wird. Es wäre realitätsfern in der gegenwärtigen kirchlichen Großwetterlage und auf der Basis der prinzipiell unbegrenzten Zahl (soweit nämlich die Finanzen es gestatten) von Laientheologen, die zur Verfügung stehen, zu meinen, sie würden Gottesdienste "in Erwartung des Priesters und der Hl. Messe" halten. A fortiori gilt dies für das Sakrament der Beichte, das theologisch und pastoral eng mit der Eucharistie verbunden ist. Letzte Station der auf diese Weise in Gang gesetzten "Entflechtung" des Weiheamtes ist, daß die sakramentale Grundstruktur der Kirche unterlaufen und letztlich zerstört wird. (Fs)

177d Das zweite Kriterium für die unausweichliche Konzentration ist das Sakrament-Prinzip, näherhin das Eucharistie-Prinzip. Ausgangspunkt dieser alternativen Lösung der pastoralen Schwierigkeiten infolge des Priestermangels ist genau die sakramentale Grundstruktur der Kirche, die im ersten Modell zwar nicht negiert, deren tatsächliche Aufrechterhaltung aber auf dem Spiel steht, weil das kirchliche Leben der Gemeinde in zunehmendem Maße so geführt wird, daß es auch ohne sakramentale Praxis, in erster Linie ohne Eucharistie, auskommen kann. (Fs)

178a Die kirchenrechtlichen Bestimmungen, denen das erste Modell Genüge leisten soll, legen zwar den Leitungsdienst formal in die Hände eines geweihten Hirten, aber sie bestimmen nicht, in welcher Relation die Gläubigen der Seelsorgseinheit zu jener sonntäglichen Feier der Eucharistie stehen, die von Anfang an die Ortskirche, d.h. die Versammlung der Christen eines bestimmten Gebietes wesentlich konstituiert hat. (Fs)

178b In der Urkirche waren die "Pfarreien" soviele wie die Eucharistieversammlungen. Der Hinweis auf die Kirche des Anfangs ist in diesem Kontext kein nostalgischer Anachronismus. Denn die Menschwerdung Gottes und die Eucharistie bilden, schon rein religionsphänomenologisch, das einzigartige Merkmal des Christentums. Die transzendente Gottheit ist für den christlichen Glauben der "Gott mit uns". Die Eingliederung in die Heilsgemeinschaft der Kirche geschieht durch das Sakrament der Taufe, das das bleibende Fundament des christlichen Lebens darstellt. Aber das christliche Leben erhält seine Vollgestalt in der Teilnahme am sakramental vergegenwärtigten Opfer Christi und in der darin stattfindenden eucharistischen Vereinigung der Gläubigen mit dem Erlöser. Infolgedessen ist die Ortskirche die Versammlung derer, die am Tisch des Herrn teilnehmen und so "Hausgenossen Gottes" (Eph 2,19) geworden sind. (Fs)

178c Das Pfarrei-Prinzip, wie es im Pfarrverband und noch mehr in der Pfarrei eines Pfarrbeauftragten verwirklicht ist, sieht - von seinem Konzept her und in diesem Sinne konstitutiv - für die Bewältigung des Priestermangels Alternativen zur Eucharistiefeier vor. Damit wird eine Ortskirche ins Leben gerufen, die auch ohne Eucharistie, also ohne die sakramentale Grundstruktur (ausgenommen das Sakrament der Initiation) Kirche sein soll, während dies im zweiten Modell, das bis zur Urkirche zurückgeht, schlechthin unmöglich ist. Daß in einer Gemeinde nach dem Pfarrei-Prinzip-Modell irgendwo die Eucharistie gefeiert wird, geht das Leben der übrigen Gemeinde kaum etwas an, und daß in einer einem Laien anvertrauten Pfarrei die Leitung einem Priester zugewiesen wird, bleibt in der Wirklichkeit eine bloße Formalität. (Fs) (notabene)

178d Es ist diese Kluft zwischen der kirchenrechtlich festgelegten Leitung der Pfarrei durch einen Priester und der unbestimmt gelassenen Eucharistiefeier, die, freilich ungewollt, einer Entwicklung in der Seelsorge Vorschub geleistet hat, die am Ende eine entsakralisierte und entsakramentalisierte "Kirche" entstehen läßt; eine Kirche jedenfalls, in deren Mitte eine von Laien professionell betriebene Seelsorge steht, deren geistlicher Inhalt hier nicht weiter nachgefragt werden soll. Die Aufhebung des sakramentalen Amtes in der Reformation hat unaufhaltsam die genannte verhängnisvolle Entwicklung freigesetzt, deren Konsequenzen im Leben der protestantischen Kirche heute unübersehbar sind. (Fs)

178e Das Eucharistie-Modell schließt mit den oben genannten Eucharistiezentren die Kluft zwischen Eucharistie und Versammlung der Gläubigen von Anfang an aus, indem es das Prinzip der Leitung der Seelsorge mit dem sakramentalen Prinzip dahingehend koinzidieren läßt, daß die Seelsorgseinheit um die Eucharistiefeier entsteht und aus ihr lebt. Um dies zu verwirklichen, greift das Modell nicht zu einer "Entflechtung" des Weiheamtes und zur Mobilität eines sakramental neutralen "Pastoralteams", sondern bürdet die Mobilität den Gläubigen selbst auf. Zur Ortskirche gehören deshalb die Gläubigen, die sich sonntags auf den Weg machen, um an "der Zusammenkunft all derer, die in Städten oder auf dem Land wohnen", teilzunehmen, wobei die gemeinte Zusammenkunft in den zitierten Worten des hl. Justinus um die Eucharistiefeier stattfindet. Deswegen wurde "der Tag der Sonne", wie es in diesem an die Heiden adressierten Text noch heißt, für die Christen zum "Tag des Herrn" (dies dominica) schlechthin1. (Fs)

179a Nach diesem Modell von Ortskirche braucht das Territorialprinzip, auf dem der CIC besteht, nicht aufgegeben zu werden. Um so mehr gilt dies für unsere Länder, in denen die Kirche als eucharistische Zusammenkunft von den Gläubigen keine stundenlange Reise erfordert. In Frage käme eventuell die Bestimmung des c. 518, demzufolge die Pfarrei "alle Gläubigen eines bestimmten Gebietes zu umfassen hat". Denn heute stellt sich in einem nie vorher gekannten Ausmaß die Frage: Wer gilt als Gläubiger? All die Kartei-Katholiken, die (fast) jegliches kirchliches Leben aufgegeben oder gar nie praktiziert haben? Wenn man auf die automatische Zuordnung eines Getauften zu einem Eucharistiezentrum infolge der bloßen Adressenlisten des Einwohneramtes verzichtet (wofür ernste Gründe sprechen), bleibt die freiwillige Meldung der Gläubigen selbst bei dem Eucharistiezentrum übrig, um Mitglied der so entstandenen Pfarrei zu werden. (Fs)

179b Das Modell des Eucharistiezentrums bedeutet keineswegs den Verzicht auf die Mitarbeit von Laien, und zwar nicht nur in den organisatorisch-administrativen Aufgaben der Pfarrei, sondern auch in der Seelsorge. Ohne die gegenwärtige Institution der "pastoralen Dienste", die darauf angelegt ist, die Laien zu dauerhaften Ersatz-Priestern zu machen, hat die Tradition der Kirche immer eine solche Mitarbeit der Laien gekannt und in Anspruch genommen - freilich in einem jeweils anderen sozio-kulturellen Kontext. Man denke z.B. an die Weitergabe des Glaubens durch die Familie, an die katechetische Tätigkeit, an die christliche Erziehung der Jugendlichen durch Vereine von Laien usw. Heute wird die Kooperation von Priestern und Laien im Leben der Ortskirche wohl vielfältiger und umfassender sein; dazu können Laien auch hauptamtlich in der Seelsorge eingesetzt werden, wo dies sich als nötig und nützlich erweist. Dies braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. (Fs)

180a Wesentlich für das hier vorgeschlagene Modell ist ein Doppeltes. Zum einem konzentriert der Priester seine seelsorglichen Bemühungen auf die Sa-kramentenpastoral (Eucharistie, Beichte), auf die Verkündigung des Wortes Gottes, in erster Linie die Homilie der Hl. Messe, und auf die geistliche, persönliche Leitung der Gläubigen, vor allem derer, die gewillt sind, ein intensiveres geistliches Leben zu führen. Zum anderen kann die Mitarbeit der Laien wahrgenommen werden, ohne die Grenzen zwischen allgemeinem und sakramentalem Priestertum zu verwischen, weil die ganze Seelsorge nicht die Summe unzähliger Aktivitäten ist, die sich verschiedentlich dosieren, ausgestalten und verteilen lassen, sondern deutlich von der Eucharistie ausgeht und auf sie hinführt. Vor allen Dingen wird die Tendenz eines Wortgottesdienstes, der in Wirklichkeit keinen Ersatzcharakter mehr aufweist, zu einer Ersatz-Eucharistiefeier zu werden, gebannt. Die etwaige Ausübung von Aufgaben des priesterlichen Dienstes, die enger mit dem geweihten Amt verbunden sind, ohne jedoch absolut das Weihesakrament vorauszusetzen, wird eindeutig den Charakter einer ersatzweisen und vorläufigen Übernahme bewahren angesichts der klaren Stellung, die die Person des Priesters innehat. (Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: Das Wagnis des Loslassens; Aufbruch

Kurzinhalt: Es ist an der Zeit, die richtigen Aufbrüche zu wagen. Aufbrüche, die den authentischen Glauben der Kirche wieder sichtbar werden lassen ... Das Pfarrbeauftragtenkonzept ... als eine Umgehung der echten Reformen

Textausschnitt: 13. Das Wagnis des Loslassens

180b Vielleicht ist die gegenwärtige Krise des Priestermangels für die Kirche unserer Breitengrade eine historische Chance. Die Chance nämlich, daß die Kirche, durch die Zeitumstände gezwungen, aus ihrer bürgerlichen Erstarrung und weitverzweigten Einbindung in Dienste, die ihr gesellschaftliche Relevanz auf Kosten ihrer eigentlichen übernatürlichen Sendung gewähren, in eine neue, ihrer Aufgabe entsprechendere Gestalt hineinfindet. Eine solche zeitgemäße und zugleich genuin ursprüngliche Gestalt könnten konsequent eucharistisch orientierte Gemeinden sein. Noch sperrt sich die Kirche vielfach gegen derartige Veränderungen vor allem durch die Delegierung priesterlicher Funktionen an Laien, und zwar in einer Form, die keinen Vertretungs- und damit provisorischen Charakter erkennen läßt, sondern vielmehr da ist, um zu bleiben. Das Hinausschieben der notwendigen Veränderungen bzw. des Verlassens falscher Wege wird der Kirche dauerhaft gewaltige Schäden zufügen und die Probleme langfristig nur verschärfen. (Fs)

180c Es ist an der Zeit, die richtigen Aufbrüche zu wagen. Aufbrüche, die den authentischen Glauben der Kirche wieder sichtbar werden lassen und der Wahrheit die Ehre geben. Es ist an der Zeit, um der ungeschmälerten Lehre des Evangeliums willen die Bereitschaft aufzubringen, Liebgewonnenes und Gewohntes zu überschreiten. Wagte die Kirche auch strukturell solche Aufbrüche, die ja im Grunde nur verlebendigende Aufbrüche in ihre eigene Tradition sind, dann würde der Schmerz über die vielfältigen Verluste (der Mitgliedszahl, der Privilegien, der gesellschaftlichen Anerkennung, usw.) schon bald kompensiert durch ein erwachendes Glaubensleben, eine erhöhte Anziehungskraft gerade auf junge Menschen und ein gestärktes christliches Selbstbewußtsein in der Auseinandersetzung mit den Fragen unserer Zeit. Die Konzentrierung der priesterlichen Seelsorge auf die Heiligung des Gottesvolkes wird zugleich den Laien ihre in der Taufe gegründete missionarische Aufgabe in Orten und Einrichtungen bewußter machen, die jetzt nur eine offizielle, in Wirklichkeit aber kaum katholische Präsenz der Kirche erleben. (Fs)

181a Unsere Epoche könnte für die Kirche somit zur Chance werden, sich von innen her im Blick auf ihre Mitte zu reinigen, sich durch Abstoßung von Ballast, durch Schrumpfung und Loslassen zu sammeln und so neue Lebenskraft zu entwickeln. Versäumt sie auch weiterhin diese heilsamen Aufbrüche, die ihre dogmatische Substanz freizulegen vermöchten und wieder eine Übereinstimmung von Lehre und Praxis herstellten, dann werden weitere Abbruche die Folge sein, die das kirchliche Leben weitgehend paganisiert zurücklassen. Das Pfarrbeauftragtenkonzept kann darum nicht als Hoffnungszeichen, sondern eher als eine Umgehung der echten Reformen und daher als eine Verintensivierung des innerkirchlichen Versteppungsprozesses beurteilt werden. (Fs)

181b Niemand wird bezweifeln, daß der in mehreren Diözesen eingeschlagene Weg der neuen pastoralen Dienste einer echten Hirtensorge entspringt. Aus den Erfahrungen heraus scheint es aber dringend notwendig, endlich in aller Ehrlichkeit darüber nachzudenken, ob nicht die Liebe zur Kirche die Verantwortlichen dazu veranlassen sollte, mutig eher jene Wege zu beschreiten, die den übernatürlichen Glauben, das Wesen der eucharistischen Kirche und ihres sakramentalen Amtes erneut konturiert aufleuchten lassen. (Fs)

181c Freilich führt auch der richtige Weg nicht zum Ziel unabhängig von den Menschen, die sich auf ihn begeben. Es ergeht deshalb an alle Gläubigen eine Herausforderung: An die Laien, daß sie die "unzähligen Gelegenheiten zur Ausübung des Apostolats" in Familie, Beruf und Gesellschaft ergreifen1; an die Priester, daß sie als "amtliche Diener" der Kirche28 in der Verwaltung der "Geheimnisse Gottes" (IKor 4,1) den ihnen anvertrauten Menschen die Wahrheit und die Gnade Christi vermitteln. Nicht die "Professionalisierung" des kirchlichen Personals nach dem Muster eines Managers ist das Gebot der Stunde - bei aller Notwendigkeit von Formen des priesterlichen Dienstes, die unsere Zeitgenossen ansprechen -, sondern die Bemühung um eine Spiritualität, die den Dienern des "Allerheiligsten" angemessen ist. Denn "ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist es auch der ganze Teig" (Rom 11,16) - die Kirche als Volk Gottes. (Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); der Pfarrbeauftragte; Limburger "Pfarrbeauftragtenkonzept"; Priestermangel - Laien, Seelsorge

Kurzinhalt: Trotz der begrifflich-juristischen Absicherung sind die Pfarrbeauftragten de facto Pfarrer(innen) ihrer Gemeinden mit priesterlichen Assistenten.

Textausschnitt: 1. Einleitung: Der Pfarrbeauftragte

155a Die provisorische Betreuung von Pfarrgemeinden durch Laien ist nichts Neues. Sie wird schon seit längerem in den Diözesen Bamberg, München, Limburg, Trier und für Österreich in Linz praktiziert. Bisher geschah dies immer in Abhängigkeit von der leitenden Tätigkeit eines Priesters, der mit den Vollmachten eines Pfarrers die Leitung der Seelsorge innehatte, auch wenn er nicht immer am Ort präsent sein konnte1. (Fs)

155b In eine neue Phase tritt die Zuteilung der Amtsvollmachten an Laienkräfte, wenn man, wie es vor einiger Zeit im Bistum Limburg geschah, ein Statut erstellt, das die selbständige Gemeindeleitung durch "Pfarrbeauftragte" vorsieht, deren Leitungsvollmacht, abgesehen von den an die Weihevollmacht gebundenen Formen der Sakramentenspendung, vom geweihten Amt faktisch entkoppelt ist2. (Fs)

156a Was ist das Neue an dieser Zuteilung von Leitungskompetenz an Laien? Zwar haben Laien bisher schon als Kontaktpersonen am Ort faktisch Gemeinden geleitet, aber immer unter der grundsätzlichen Leitung eines Priesters, auch dann, wenn dieser nur wenig konkret in Erscheinung trat, weil er sich um die Gemeinde nicht intensiv kümmern konnte. Nun aber sollen Laien prinzipiell die Möglichkeit erhalten, Gemeinden eigenständig im Bereich der Seelsorge zu leiten. Zwar gibt es, um dem Kirchenrecht Genüge zu tun und die neue Planung juristisch nicht direkt angreifbar zu machen, auch im Limburger "Pfarrbeauftragtenkonzept" einen Priester, der pro forma die pfarrliche Seelsorge leitet. (Fs)

156b Dieser "leitende Priester" nimmt aber seine Funktion in der Gemeinde bloß nebenamtlich wahr. Nur für die Oberaufsicht zuständig, erfüllt er - häufig auch innerhalb der Liturgie selbst - nur noch den allerletzten Kernbestand der Sakramentenspendung, der nicht mehr delegierbar ist. Alles andere wird vom Pfarrbeauftragten übernommen: Katechese, nichtsakramentale Gottesdienste, in der Eucharistiefeier häufig auch die weitgehende Durchführung des Wortgottesdienstes bis hin zur Homilie (nicht selten läßt der zelebrierende Priester ihn auch Teile des Hochgebetes sprechen), Tauf- und Traugespräche, Beerdigungen, Seelsorgsgespräche, die vielfältig anfallenden praktisch-verwaltungsmäßigen Entscheidungen - eben all das, wozu die Konsekrations- bzw. Absolutionsvollmacht nicht zwingend erforderlich ist. Ungeschminkt besehen bedeutet dies: Trotz der begrifflich-juristischen Absicherung sind die Pfarrbeauftragten de facto Pfarrer(innen) ihrer Gemeinden mit priesterlichen Assistenten3. (Fs)

156c Das Resultat der vorliegenden Untersuchung kann wie folgt vorweggenommen werden: Das Neue an "Pfarrbeauftragtem und ihm anvertrauter Pfarrei" ist in seinem Inhalt und seiner realen Tragweite für die katholische Kirche durch ein Doppeltes gekennzeichnet:
1) Die Pfarrei ist auf Dauer ohne Priester und wird deshalb durch einen Laien betreut, der als Seelsorger selbständig in allem handelt, was nicht unbedingt das Weihesakrament erfordert. Letzteres kann weder von der Situation her, die es veranlaßt hat, noch (weniger) von der Person her, die den geweihten Hirten ersetzt, für bloß vorläufig gehalten werden. Ein Priester leitet weitgehend nur nominell die pfarrliche Seelsorge. Rein juridisch entspricht dies der Vorgabe von c. 517, 2. (Fs)

2) Infolge des andauernden Priestermangels und nicht minder infolge der bereits in Gang gesetzten "Weiterentwicklung" des Weiheamtes durch neue "pastorale Dienste", die keineswegs als vorläufige Notlösung sich etablieren, geht die Einrichtung des Pfarrbeauftragten im Umfeld der zunehmenden Übernahme der Seelsorge durch Laien dahin, allmählich die pastorale Tätigkeit in der Kirche von Grund auf zu ändern. Weil nun die ganze Pastoral in ihren Formen und in den dafür beauftragten Personen größtenteils abseits von den Sakramenten geschieht, ist die sakramentale Natur der Kirche, zusammen mit dem Prinzip der apostolischen Sukzession, tief tangiert. Aller menschlichen Voraussicht nach ist die Umwandlung der katholischen Kirche in eine protestantische Form von Kirche, ja auch in ein "freies" Kirchentum vorprogrammiert. Dieses zweite Kennzeichen geht offenkundig über den Sinn des c. 517,2 hinaus. Die zunächst eher pragmatische und vorläufige Notlösung setzt in der Tat - zumindest im Kontext der deutschsprachigen Länder - eine Dynamik frei, die für die katholische Kirche zerstörerisch wirkt. (Fs)

157a Im folgenden soll deshalb die Frage diskutiert werden, ob mit dem in Limburg schon vollzogenen und in anderen Diözesen geplanten Schritt nur juristisch Wirklichkeit wird, was auch vorher schon Praxis war, oder ob wir es hier nicht doch mit einer eklatanten Neuerung zu tun haben, durch die dem Weiheamt eine unter gewissen Bedingungen ersetzbare Funktion zugewiesen wird. Gibt es damit überhaupt noch eine nachvollziehbare theologische Grenze der Laienkompetenz in der Kirche? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Regelung für das kirchliche Leben?

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); Entkoppelung: Gemeindeleitung - Eucharistievorsitz; Verdunkelung: "in persona Christi capitis", sakramentale Grunddimension d. Kirche


Kurzinhalt: ... kirchliches Gemeindeleben (ecclesia im Kleinen) konstituiert sich nicht selbst, sondern ist eine eucharistisch gegründete und vollzogene Communio mit dem dreifaltigen Gott, wie er sich uns Menschen in Jesus Christus mitteilt; d.h. ...

Textausschnitt: 2. Gemeindeleitung und Eucharistievorsitz

157b Wenn nichtgeweihte Personen als Pfarrbeauftragte eine selbständige Leitungskompetenz in der Pfarrgemeinde wahrnehmen, werden Gemeindeleitung und Vorsitz in der Eucharistiefeier faktisch entkoppelt. Dies betrifft auch die Verkündigung, die aus dem sakramentalen Kontext, in dem sie bisher ihren Ort hatte, herausgenommen wird und von jetzt an auf der Privatkompetenz des entsprechenden Predigers beruht. Dieser Vorgang rührt nun an die Wurzel der kirchlichen Identität. Denn kirchliches Gemeindeleben (ecclesia im Kleinen) konstituiert sich nicht selbst, sondern ist eine eucharistisch gegründete und vollzogene Communio mit dem dreifaltigen Gott, wie er sich uns Menschen in Jesus Christus mitteilt; d.h der Seinsgrund der Gemeinde als Gemeinde Jesu Christi ist ein sakramentaler1. (Fs) (notabene)

158a Sie hat Teil am Leib-Christi-Sein der Gesamtkirche. Daraus ergibt sich, daß der Priester als Vorsitzender der Eucharistiefeier mit innerer Folgerichtigkeit der in dieser Feier geborenen, sakramental-eucharistisch vermittelten Gemeinschaft der Gläubigen auch im alltäglichen Vollzug des Gemeindelebens vorsteht. Ihr gegenüber repräsentiert er, daß diese Gemeinschaft exklusiv und beständig von Christus herkommt und Teilhabe an seinem Leib ist. (Fs)

158b Nicht aus eigener persönlicher Kompetenz heraus, sondern weil er durch das Weihesakrament vom Herrn selbst dazu bevollmächtigt wurde, kann der Priester, gerade weil er seinsmäßig in das Gegenübersein Christi zur Gemeinde hineingenommen ist, das Sakrament der Kirchengründung verwalten und in der liturgischen Feier vollziehen. Hier liegt auch der Grund, warum ein Laie nicht nur der Eucharistie nicht vorstehen, sondern auch die eucharistisch verfaßte Gemeinde nicht in persona Christi capitis leiten kann. Geschieht es jedoch durch eine Jurisdiktionelle Verfügung, daß Laien eine rein rechtliche Kompetenz für etwas erhalten, das sie im Prinzip dogmatisch gar nicht zu tun vermögen, so wird die sakramentale Grunddimension unserer kirchlichen Gemeinschaft in erheblichem Maße verdunkelt. (Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); Amt und Volk Gottes; Klerikerzentriertheit - Aushöhlung des sakramentalen Amtes; hauptberufliche Laientheologenschaft - Ordo; sakramentale Vergegenwärtigung Christi in der örtlichen Gemeinde


Kurzinhalt: Die stellenweise zurecht kritisierbare Klerusdominanz ist in eine Relativierung, ja bedrohliche Aushöhlung des sakramentalen Amtes umgeschlagen, die aus einem genuin theologischen Standpunkt nun ebenso zu kritisieren ist.

Textausschnitt: 3. Amt und Volk Gottes

158c Daß es in der Vergangenheit eine mitunter überzogene und für die Kirche selbst ungute Klerikerzentriertheit gab, soll hier nicht bestritten werden - wobei allerdings eine sachgerechte Beurteilung erfordert, daß man dem verschiedenen sozio-kulturellen Stand früherer Epochen Rechnung trägt. Ebenso unbestritten ist die Sinnhaftigkeit der vom II. Vatikanischen Konzil intendierten stärkeren Mitarbeit der Gläubigen in der Gemeinde und deren "actuosa participatio"1 am liturgischen Geschehen. Die Laien haben aufgrund ihrer Taufwürde und ihres allgemeinen Priestertums in der Kirche unersetzbare Aufgaben und Berufungen, die sie auch voll und ganz wahrnehmen sollen. Dadurch wird sichtbar, daß die Kirche nicht dem Weiheamt gehört, sondern eine übernatürliche Communio darstellt, in der alle Glieder des Leibes gleichwertig und mit ihren spezifischen Charismen (auch das Amt ist für Paulus ein Charisma!) füreinander da sind. Im Zuge dieser Reform bzw. Neuentdeckung der differenzierten Lebenswirklichkeit des einen Leibes Christi ist die Kirche in den letzten Jahrzehnten indes in das andere Extrem geraten: Die stellenweise zurecht kritisierbare Klerusdominanz ist in eine Relativierung, ja bedrohliche Aushöhlung des sakramentalen Amtes umgeschlagen, die aus einem genuin theologischen Standpunkt nun ebenso zu kritisieren ist. (Fs)

159a Aus der angemessenen Kooperation von Laien und Priestern ist, vor allem im deutschsprachigen Raum, eine Marginalisierung bzw. weitgehende Ersetzung des Amtes durch die Laien geworden. Damit wird die im Blick auf die Vergangenheit ursprünglich beklagte Vereinheitlichung des vielgestaltigen Leibes Christi erneut praktiziert: Nun wird nämlich das für den Aufbau der Kirche unverzichtbare Charisma des Weiheamtes zum Schaden des Gesamtleibes verflüchtigt. Diese Verflüchtigung begann in der Theologie schon vor Jahrzehnten mit der allmählichen Reduzierung des Amtes auf bloße Funktionalität und hat sich heute sowohl theoretisch als auch praktisch zu einem regelrechten Eliminierungsversuch gesteigert2. Dieser vom Klerus selbst oftmals mitgetragenen Substiruierungstendenz entspricht im übrigen das umgekehrte Phänomen, daß Priester sich mit Vorliebe in jene Aufgaben drängen, die das Konzil gerade als das geistliche Proprium der Laienberufung herausgestellt hat: Die Sorge um die Welt und die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens aus den Prinzipien des Evangeliums heraus. (Fs)

159b Ein wesentlicher Schritt auf diesem Weg der Relativierung des sakramentalen Amtes war im Grunde schon die dogmatisch kaum begründbare Etablierung einer hauptberuflichen Laientheologenschaft im Sinne eines bischöflich beauftragten, offiziellen Seelsorge-Amtes neben dem Ordo - und mittlerweile vielerorts in Konkurrenz zu ihm. Die Kirche hat hier eine neue eigenständige Kategorie eingeführt: Amtsträger, die aber nicht zum Ordo gehören und sich - in der dazu entwickelten Theorie und im konkreten Selbstverständnis - zugleich vom Kirchenvolk klar abgrenzen. Dieser Abgrenzungswille wird etwa dadurch unübersehbar, daß es z. B. in der Limburger Diözese für Pastoral- und Gemeindereferenten/innen eine vom Bischof vorgenommene liturgische Aussendungs- und Beauftragungsfeier gibt, die für einen Nichtspezialisten kaum noch von einer Priesterweihe unterschieden werden kann. (Fs)

160a Was dieses neue Amt jedoch dogmatisch neben dem Weiheamt und dem allgemeinen Priestertum aller Getauften positiv in sich sein soll, ist trotz angestrengtester Interpretationsbemühungen unerfindlich geblieben. Das kann in einer sakramental zentrierten Ekklesiologie auch gar nicht anders sein: Die Kirche als im Sakrament konstituierter Leib Christi und ihr sakramentales Amt sind so wesenhaft miteinander verbunden, daß es in der katholischen Kirche keinen theologisch angemessenen Ort für ein außerpriesterliches Amt mit faktisch priesterlichen Aufgaben geben kann. Wenn ein solcher Ort tatsächlich erfunden würde, ginge das nur um den Preis einer Wesensveränderung der katholische Kirche, eben durch eine systematische Relativierung ihrer Sakramentalität. Dieses dogmatisch unmögliche tertium beinhaltet die explosive Kraft, die seinsmäßige Grenze, die Priester und Laien unterscheidet, durchlässig zu machen, bis die Realität des Priesters als "Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten" (LG 32) auf das allgemeine Priestertum nivelliert wird. Damit aber verschwindet das Besondere des katholischen Priesters, das dem Volk Gottes dahingehend dient (und deshalb "sacerdotium ministeriale" genannt wird), "das ihm verliehene gemeinsame Priestertum getreu und vollständig auszuüben" ("Pastores dabo vobis" 17) und somit Volk Gottes zu sein. (Fs) (notabene)

160b Eben diese vom Dogma her unbefriedigend erscheinende Situation, wie sie sich durch die Etablierung amtlicher Pastoral- bzw. Gemeindereferenten/innen darstellt, erhält nun durch den Vorstoß des Pfarrbeauftragtenkonzeptes eine weitere Verschärfung. Denn ohne Zweifel wird die ständige und nahezu ausschließliche Präsenz des leitungsbevollmächtigten Laien in den entsprechenden Pfarreien geradezu notwendig dazu führen, daß das Proprium des Weiheamtes im Bewußtsein der Gläubigen ausgehöhlt wird. Kein Problem wird dadurch gelöst, die früher bestehende Aporie reproduziert sich nur - das allerdings in dramatischer Form: Der zum Amt des Pfarrbeauftragten Erhobene bleibt trotz dieses "Verpriesterlichungsversuches" doch Laie, und der das Weiheamt innehabende Priester tritt noch stärker in den Hintergrund und damit in die progressive Vergessenheit. Das gleiche gilt eo ipso für die Praxis der sakramentalen Beichte, die in vielen Pfarreien zu einem verschwundenen Sakrament geworden ist und immer mehr zu verschwinden droht. Mehr als alle Theorie prägt die Praxis das Bewußtsein, auch in der Kirche. (Fs)

160c Zudem verspricht die Pfarrleitung durch den hauptamtlichen Laien keineswegs die immer geforderte Verlebendigung der Gemeinden. Ihr wird der Leiter nicht nur vom Ordinariat zugeteilt; er steht als Laie sogar in der großen Versuchung, nun auch noch mit seiner Amtsautorität jene sinnvollerweise von den Gläubigen zu übernehmenden Aufgaben an sich zu ziehen, die der Priester mit weit größerer Souveränität den Laien anvertrauen kann. Mit anderen Worten: Es entsteht die neue Gefahr einer noch unfruchtbareren Konkurrenz zwischen "einfachen Laien" und "Berufslaien" oder "Laien-Priestern", als sie in dem spannungsreichen Verhältnis von Priestern und Laien mancherorts anzutreffen ist. (Fs)

161a In seinem Schreiben "Pastores dabo vobis", 15, sagt der Papst: "Die Priester sind in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten; sie verkünden mit Vollmacht sein Wort, sie wiederholen sein vergebendes Wirken und sein umfassendes Heilsangebot, vor allem durch die Taufe, die Buße und die Eucharistie, sie sorgen wie er liebevoll bis zur völligen Selbsthingabe für die Herde, die sie in der Einheit sammeln und durch Christus im Geist zum Vater führen. Mit einem Wort, die Priester leben und handeln für die Verkündigung des Evangeliums an die Welt und für den Aufbau der Kirche im Namen und in der Person Christi, des Hauptes und Hirten."

161b Fehlt diese sakramentale Vergegenwärtigung Christi in der örtlichen Gemeinde, so geht der Sinn für das Amt immer mehr verloren. Und diese Aushöhlung wird nicht nur das Amt des Priesters, sondern mit innerer Logik allmählich auch das bischöfliche Amt selbst treffen; denn der Priester ist nichts anderes als die sakramentale participatio an der Fülle des bischöflichen Amtes des Lehrens, des Heiligens und des Leitens. Dem kommt entgegen, daß in Ländern wie Deutschland, Österrreich und der Schweiz die Kompetenz des kirchlichen Lehramtes ohnehin grundsätzlich in Frage gestellt wird, besonders insofern es sich um die Ausübung des ordentlichen Lehramtes handelt. Aber dies ist nur die eine, sozusagen die theoretische Seite des Problems. Mit der praktischen Nivellierung des Unterschieds von Priestern und Pastoralreferenten in der Gemeinde gerät die sakramentale Grundstruktur der katholischen Kirche mehr und mehr in Vergessenheit. (Fs)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); Marginalisierung der Eucharistie; Übernatürlich, Gnade - aktionistisch, gremienhaft; Verprotestantisierung des Gemeindelebens

Kurzinhalt: So haben sich manche katholische Theologen daran gemacht, "die alten Vorstellungen von Kult und Priestertum zu lassen und eine zugleich biblische und moderne Kirche zu suchen, die sich entschlossen der Profanität stellte und allein nach funktionalen ...

Textausschnitt: 4. Marginalisierung der Eucharistie

161c "Das eucharistische Opfer", das nach dem II. Vatikanischen Konzil "der Quell und der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens"1 sein soll, wird durch die Einführung außersakramentaler Leitungsstrukturen selber notgedrungen marginalisiert. Schon durch die Erhebung Nichtgeweihter in die Gemeindeleitung wird ein eindeutiges theologisches Signal gesetzt; konkret aber wird dadurch, daß der das Sakrament gewissermaßen verkörpernde Priester nun auch strukturell und offiziell auf ein zweites, "nebenamtliches" Gleis verwiesen wird und so noch seltener in der Gemeinde sichtbar ist, die Eucharistie aus dem Mittelpunkt des Gemeindelebens weggerückt. (Fs)

162a Zudem wird der leitungsbevollmächtigte Laie in seiner alltäglichen Pastoral den Schwerpunkt ganz gewiß nicht auf Dimensionen legen, in die er wesensmäßig nicht eindringen kann. Oder man proklamiert - wie in Holland und der Schweiz - ganz allgemein "das Recht der Gemeinde auf Eucharistie" und verlegt sich ganz auf derart gestaltete Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung, bei denen der Unterschied zum sakramentalen Meßopfer kaum noch sichtbar wird, so daß die Gläubigen sich daran gewöhnen und mit solchen Formen Vorlieb nehmen, deren äußerer Unterschied zum eigentlichen Meßopfer ohnehin nicht recht augenfällig ist. Wen wundert es da, wenn der Sinn für die Heilige Messe und das Bedürfnis nach ihr auf diese Weise schließlich abhanden kommt?
162b Es ist unwahrscheinlich, daß ein solcher "Laienpfarrer" die tatsächliche Bedeutung des Sakramentalen in seiner Arbeit gebührend unterstreichen und auch die Auslegung der Hl. Schrift in die im Kontext des Sakramentes geschehende Verkündigung hineinstellen wird. Er wird vielmehr vor allem das tun, was er persönlich kann und wozu er von seiner privaten Kompetenz her am begabtesten ist. Daher ist wohl zu erwarten - und die Erfahrung bestätigt es ja schon -, daß die Arbeit in den Pfarrgemeinden noch unspiritueller, aktionistischer und vor allem gremienhafter werden wird. Das Übernatürliche, das gerade durch das Sakrament zur wirksamen Mitte und zugleich konkreten Realität der Ortskirche wird, das "Mystische" und "Marianische" am katholischen Christentum und die aus der Kraft des Sakramentes herkommende Atmosphäre des Heiligen wird schließlich verdunsten2. (Fs)

162c Statt dessen kommt es zu einer progressiven Verprotestantisierung des Gemeindelebens. Nach reformatorischem Verständnis beruht das neue Gottesverhältnis des Christen ausschließlich auf Verheißung und Gnade, die im strikten Gegensatz zu Kult und Priestertum gesehen werden. Hier gibt es die strenge Antithese von Kult und tätiger Liebe, Gesetz und Evangelium, Priester- und Prophetentum. J. Ratzinger schreibt dazu: "Dieser hermeneutische Entscheid Luthers hat die moderne kritische Exegese von ihrem Grund her geprägt."3 So haben sich manche katholische Theologen daran gemacht, "die alten Vorstellungen von Kult und Priestertum zu lassen und eine zugleich biblische und moderne Kirche zu suchen, die sich entschlossen der Profanität stellte und allein nach funktionalen Gesichtspunkten zu ordnen sein würde"4. Mit einer rein funktional bestimmten Sicht des Amtes nähern wir uns gerade den allerungünstigsten Auswirkungen des Protestantismus, unter denen viele evangelische Christen heute selber leiden, und die die evangelische Kirche, jedenfalls in unseren Breiten, nahezu an den Rand des Ruins gebracht haben. (Fs) (notabene)

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); Überforderung der Laien

Kurzinhalt: Die solchermaßen beauftragten Laien sind aufgrund der theologischen Unmöglichkeit dieses Vorgehens letztlich selber überfordert und werden in eine Rolle hineingehoben, für die ihnen die sakramentale Autorität und die durch das Sakrament vermittelte ...

Textausschnitt: 5. Überforderung der Laien

163a Die solchermaßen beauftragten Laien sind aufgrund der theologischen Unmöglichkeit dieses Vorgehens letztlich selber überfordert und werden in eine Rolle hineingehoben, für die ihnen die sakramentale Autorität und die durch das Sakrament vermittelte Gnade fehlt1. Die gnadenvermittelnde Vollmacht des Priesters wird dauerhaft für das geistliche Bedürfnis der Menschen objektiv - und wohl auch subjektiv - nicht zu ersetzen sein. (Fs)

163b In diesem Sinne lesen wir in "Pastores dabo vobis", 16: "So erscheint der Priester in seinem eigentlichen Wesen und in seiner sakramentalen Sendung innerhalb der Struktur der Kirche als Zeichen für den absoluten Vorrang und die Unentgeltlichkeit der Gnade, die der Kirche vom auferstandenen Christus als Geschenk zuteil wird. Durch das Weihepriestertum wird sich die Kirche im Glauben bewußt, daß sie ihr Sein nicht sich selbst, sondern der Gnade Christi im Hl. Geist verdankt. Die Apostel und ihre Nachfolger stehen als Inhaber einer Vollmacht, die ihnen von Christus, dem Haupt und Hirten, zukommt, mit ihrem Dienst der Kirche gegenüber, als sichtbare Fortsetzung und sakramentales Zeichen Christi, der der Kirche und der Welt als ewige und immer neue Heilsquelle gegenübersteht, er, 'der die Kirche gerettet hat, denn sie ist sein Leib' (Eph 5,23)."

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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); Identifizierung mit der Kirche; Relativierung des Priestertums -> Auswirkung auf d. Bischofsamt

Kurzinhalt: Hat sich nicht leider bei vielen Laientheologen eine offene und auch aggressive Emanzipation vom kirchlichen Amt und der Sakramentalität der Kirche entwikelt, so daß ...

Textausschnitt: 6. Identifizierung mit der Kirche

163c Wenn man von der Schaffung neuer Dienste in der Kirche spricht, die nichtsakramentalen Ursprungs sind, so muß man die Frage nach der subjektiven Identifizierung der betreffenden Personen mit dem Ganzen der Kirche stellen: Hat sich nicht leider bei vielen Laientheologen eine offene und auch aggressive Emanzipation vom kirchlichen Amt und der Sakramentalität der Kirche entwikelt, so daß eine selbständige Bevollmächtigung einer ganzen Reihe dieser Laientheologen dem Wachstum des Leibes Christi kaum förderlich sein kann? Wenn man dagegen einwendet, diese aggressive Distanzierung sei gerade aus der standesmäßigen Zweitrangigkeit der Laienmitarbeiter hervorgegangen und könne durch ihre Erhebung zu selbständigen Gemeindeleitern überwunden werden, so scheint dies auch deswegen nicht schlüssig, weil zum einen das Amt auch weiterhin universalkirchlich auf bischöflicher und päpstlicher Ebene hierarchische Leitungskompetenz beansprucht, und zum anderen die alte Kritik am Amt nun zwar nicht mehr hinsichtlich der Priester, sehr wohl aber noch dem bischöflichen Weiheamt gegenüber erhoben werden kann. Der alte Amtsvorbehalt ist also damit nicht nur nicht aus der Welt, sondern ist in seiner intendierten Wirksamkeit eine Stufe weiter vorgedrungen und wird sich nun, nachdem die ersehnte Relativierung des Priestertums erwirkt ist, um so gezielter auf das Bischofsamt konzentrieren. (Fs)

164a Die Kirche kann doch zu Recht erwarten, daß ein hauptamtlicher Pastoralreferent, der in der katholischen Kirche tätig sein will, den von der Theologie her gebotenenen unübersteigbaren Unterschied zwischen Weiheamt und kirchlicher Arbeit Nichtgeweihter akzeptiert. Wer nun diesen Unterschied nicht duldet, dürfte von daher für die Anstellung zum "Pfarrer" kaum geeignet sein. Muß nicht ein hauptamtlicher Mitarbeiter, der selber die größten theologischen und emotionalen Identifikationsprobleme mit der institutionellen Kirche hat, angesichts seines Ressentiments die ihm anvertrauten Gläubigen dieser Kirche innerlich entfremden und aus der Einheit mit dem Hirten, vor allem natürlich mit dem Papst, wegzerren und dies um so mehr, je einflußreicher seine kirchlichen Vollmachten sind?

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Autor: Sala, Giovanni B.

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Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); gefährdete Identität des Priesters; empirische Identität der Gemeinde - Heil, Gnade, Sakrament; deistische Grundtendenz der Moderne

Kurzinhalt: Hinter dieser Weigerung, einen fremden Priester kommen zu lassen, steht die Vorstellung, der entscheidende Wert sei die empirische Identität der Gemeinde ...

Textausschnitt: 7. Gefährdete Identität des Priesters

164b Bei zahlreichen Priesteramtskandidaten gibt es heute so etwas wie einen Erfahrungsverlust von Kirchlichkeit. Wer von ihnen hat denn noch ein lebendiges und intaktes Pfarrleben kennengelernt und ist in den liturgischen Ausdrucksformen der Kirche beheimatet? Es ist kaum überschätzbar, wie viele Priesterberufe früher durch die Vermittlung der Liturgie geweckt und aus dem Ministrantendienst am Altar bzw. aus der Begegnung mit dem die Hl. Messe feiernden Priester hervorgegangen sind. Die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering, daß die Präsenz des Pfarrbeauftragten und die von ihm konzipierten Gottesdienste junge Menschen motivieren werden, das Priestertum anzustreben. Die Kirche manövriert sich mit den Pfarrbeauftragten in einen unheilvollen Zirkel: Der aus der Not des Priestermangels geborene Plan, Laien Gemeinden leiten zu lassen, reproduziert nur wieder sich selbst und macht eine zukünftige Änderung, die vielleicht von den kirchlichen Autoritäten momentan noch gewünscht wird, realistisch immer unmöglicher. Die Ersetzung des Priesters ist faktisch kein Intermezzo: Sie funktioniert unweigerlich als ein sich selbst erhaltendes System, das seine eigene Unüberholbarkeit immer stärker unter Beweis stellt. (Fs)

165a In diesem Zusammenhang ist auch folgendes zu bedenken: In den letzten Jahren ist es in vielen priesterlosen Gemeinden üblich geworden, auf sonntägliche Aushilfen für die Feier der Hl. Messe ganz zu verzichten und zumeist unter der Leitung eines Laientheologen in der eigenen Gemeinde Wortgottesdienste (mit oder ohne Kommunionfeier) abzuhalten. Hinter dieser Weigerung, einen fremden Priester kommen zu lassen, steht die Vorstellung, der entscheidende Wert sei die empirische Identität der Gemeinde, die durch die wechselnden Priester und die Außenorientierung im Fall des auswärtigen Meßbesuches gefährdet werde. Diese Idee ist theologisch unter mehreren Rücksichten sehr angreifbar. (Fs)

165b Die Ideologie der um sich selbst zentrierten Gemeinde, die als solche ohne Quelle und Mittelpunkt im eucharistischen Opfer weiter bestehen kann, ist m.W. besonders in der Diözese Linz in den letzten Jahren, auch durch mehr oder weniger amtliche Anordnungen des Ordinariats, vorangetrieben worden. Damit wird aus der durch die Feier des Herrn entstehenden Ortskirche eine sich selbst feiernde Gemeinde. Da nun diese Ideologie von denselben Kirchenfunktionären vertreten wird, die auf das "Recht der Gemeinde auf Eucharistie" pochen - ohne freilich sich ernsthaft zu fragen, wieso die angeblich sich nach der Eucharistie sehnende Gemeinde so steril im Hinblick auf Priesternachwuchs geworden ist -, so bietet die genannte Gemeinde-Ideologie einen doppelten "Vorteil". Erstens, jedes Ausscheiden eines Priesters aus Altersgründen bedeutet das Freiwerden eines Posten für einen Laientheologen. Zweitens, die Forderung nach Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt (sprich: die Aufhebung des Priesterzölibats und das weiter im Visier gehaltene Priestertum der Frau) gewinnt immer mehr an Virulenz. (Fs)

165c Geradezu vernichtend wird aber diese Auffassung von der Gemeinde im Blick auf Priesterberufungen. Denn in dieser Vorstellung wird das Sakrament in der Güterabwägung hinter den - zweifelsfreien - Wert der lokalen Gemeinschaft zurückgestuft: Wichtiger als die Teilnahme an der Eucharistie ist das Beieinanderbleiben der Territorialpfarrei als solcher. (Fs)

165d Was aber würde ein junger Mensch aus dem umgekehrten Vorgang lernen, wenn die Eltern, vielleicht gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern, sich allsonntäglich auf den Weg machten, um in einer anderen Pfarrei an der Hl. Messe teilzunehmen? Durch einen solchen Vorgang würde auf ganz konkrete Weise unübersehbar, daß die Eucharistie von unvergleichlicher Bedeutung ist. Jedem, nicht nur dem Kind, stünde damit deutlich vor Augen: Die Meßfeier ist von einer derartigen Gewichtigkeit, daß jeder angebotene Wortgottesdienst in der eigenen Gemeinde und die hier eher mögliche Erfahrung menschlicher Vertrautheit hinter sie zurücktreten muß. So würde die Eucharistie sogar in der schweren Situation des Priestermangels noch einmal in ihrer zentralen Heilsbedeutung hervorgehoben. Die Gläubigen nähmen Entbehrungen mancherlei Art auf sich, um dieses Gutes teilhaft zu werden; der Mangel könnte so zum Zeugnis werden; die Not würde zur inständigen Bitte der Gläubigen an den Herrn, damit er "Arbeiter für seine Ernte aussende" (Mt 9, 38). (Fs)

166a Wenn in der Kirche innerhalb der gegenwärtigen Situation überhaupt noch Priesterberufungen geweckt werden sollen, dann nur durch eine solche Praxis, die allen unmißverständlich die unverzichtbare Bedeutung des Sakramentes veranschaulicht und damit zugleich das priesterliche Amt profiliert hervortreten läßt. Die theologische Bedingung der Möglichkeit einer solchen Praxis ist allerdings der Glaube daran, daß das Heil in der empirisch nicht unmittelbar erfahrbaren Gnade liegt. Daß heute dem menschlichen Erfahrungszusammenhang so große Bedeutung beigemessen wird, hängt mit folgendem Punkt entscheidend zusammen: Die deistische Grundtendenz der Moderne wirkt in einer zumeist präreflexiven Weise auch in den Raum des christlichen Lebensgefühls hinein und läßt viele Christen im Grunde gar nicht mehr davon ausgehen, daß Gott im Sakrament tatsächlich wirksam und gegenwärtig ist. Was dann noch an Befreiendem bleibt, ist allein das Menschliche, das den fehlenden Glauben an den wirkenden Gott kompensieren muß: Die gegenseitige Zuwendung in der Gemeinschaft, die Reflexion der Gemeinde auf sich und ihre Überzeugungen, die diversen Aktionen sozial-politischer Art, die sie unternehmen und die das Gefühl des Zusammenhaltens steigern usw1. (Fs) (notabene)

166b Das entwickelte Pastoralmodell des Pfarrbeauftragten entspricht nun in seinen vorgenommenen Wertsetzungen genau diesem geistigen Grundgefälle der Moderne. Um der natürlich erfahrbaren Gemeinschaftlichkeit willen (die, das soll nochmals betont werden, auch geistlich ein unbestritten wichtiges Gut ist) nimmt man die Relativierung des Sakramentes in Kauf. Die Ortsgemeinde erhält mit ihrem menschlichen Erfahrungsvorteil den Vorrang vor der Gemeinschaft, die "nur" durch die Feier der Eucharistie als Gnaden-Communio konstituiert wird und in der man sich vielleicht (noch) nicht kennt und noch nichts gemeinsam unternommen hat. Wenngleich das Sakrament in offiziellen Verlautbarungen sich noch immer höchster Wertschätzung erfreut, sprechen die Taten doch eine andere Sprache und offenbaren in bedrückender Weise, daß die eigenen Worte so ernst nicht gemeint sein können. (Fs)

166c Wie muß all dies auf einen Seminaristen wirken? Die strukturelle Ersetzbarkeit des Priesters muß jene, die sich auf dieses Amt vorbereiten, erheblich verunsichern und demotivieren. Wird nicht die Identität des Amtes von einigen Bischöfen, die das Pfarrbeauftragtenkonzept vorantreiben, selber in einer Weise verdunkelt, daß ein Alumne sich doch ganz zu Recht die Frage stellen muß, warum er sich denn ein Leben lang in den immer unbedeutender werdenden Dienst einer nebenamtlichen Rolle stellen und trotzdem die für die Weihe notwendigen Einschränkungen in seiner Lebensführung akzeptieren soll? Diese Frage entspringt gewiß nicht nur mangelnder Demut, sondern ist sachlich begründet: Das ehelose Priestertum wird doch nur versteh- und lebbar in einer Konzeption, die den Priester als Repräsentation des um des Reiches Gottes willen ehelosen Herrn selber sieht und dabei die Repräsentation Christi als des Hauptes seiner Kirche nicht nur auf den rein kultischen Raum einschränkt, was ja ganz sachwidrig wäre, sondern auf das ganze Gemeindeleben bezieht. Nur dann kann sich der Priester von seiner "Lebensehe" mit der ihm anvertrauten Gemeinde her begreifen. Nur wenn das "Berufsbild" des Priesters klar definiert und auch in der Praxis abgegrenzt bleibt, wird es überhaupt neue Anziehungskraft für die Zukunft gewinnen können. (Fs)

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