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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Strukturen katholischen Glaubens 1 - schöpfungsorientierte Grundstruktur; Werkoffenbarung; Bindung an Schöpfung - Moral, Ontologie; Hedonismus - Gnosis; Entgegnung auf Einwand: Ungeschichtlichkeit, kein personales Denken

Kurzinhalt: Die zwei wesentlichen Einwände gegen eine auf dem Schöpfungsverständnis begründete Moral- und Glaubenslehre lauten deshalb auf Ungeschichtlichkeit und auf mangelndes personales Denken. Aber diese Einwände sind widerlegbar; denn einmal besagt ...

Textausschnitt: II. Die elementare schöpfungsorientierte Grundstruktur

14b Der Einsatz beim Schöpfungsverständnis ist deshalb berechtigt, weil die Schöpfung nicht nur den Ursprung der Welt meint, an dem der Glaube mit einer sichtlichen Priorität festhält, sondern weil "Schöpfung" auch ein durchgehendes göttliches Handeln besagt, das in der Erhaltung der Welt fortbesteht, das in der neuen Schöpfung in Christus einen Höhepunkt erreicht und das in der Verklärung der Welt bei der Parusie die schöpferische Vollendung gewinnen wird. So entspricht der Schöpfungsgedanke tatsächlich den Anforderungen an eine durchgängige Struktur und an ein bleibendes Gestaltprinzip der Glaubenswirklichkeit. (Fs)

15a Das in dieser Weise als elementar, d.h. als grundlegend bezeichnete Schöpfungsverständnis verlangt aber nicht nur die Anerkennung der einzigartigen, unvergleichbaren Größe des Schöpfergottes, sondern auch das Ernstnehmen der relativen Eigenständigkeit, des Eigenwertes und der Eigenbedeutung der geschaffenen Welt, der materiellen wie der geistigen und des Kompositums von beiden, des Menschen. (Fs)

15b Der christliche Glaube versteht die Schöpfung näherhin als die erste Offenbarung Gottes, die in diesem seinem Werk als Werkoffenbarung erging und so stets auf Gott verweist. Darum wertet katholisches Glaubensdenken, in Abweichung vom protestantischen, die Schöpfung und die Natur als ein Gleichnis und als einen Spiegel Gottes, der trotz seiner Versehrung durch die Sünde immer noch zur Gotteserkenntnis dient, wofür auch Schriftaussagen wie Wsh 13,5 und Rom 1,20 zeugen ("Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit"). (Fs)

15c Dieser Nachdruck auf der göttlichen Herkunft und Bindung der Schöpfung hat sich im katholischen Bereich nicht nur Ausdruck in einer spezifischen Schöpfungsfrömmigkeit geschaffen, wofür u.a. Hildegard v. Bingen (+ 1179) und Franz v. Assisi (+ 1226) Beispiele sind, sondern auch zu einer bestimmten Naturnähe und Naturgebundenheit des gläubigen Denkens geführt, die mit Wirklichkeitssinn und einer Neigung zur Objektivität verbunden sind. So verleiht der Schöpfungsgedanke dem katholischen Denken im ganzen eine gewisse Bodenhaftung, wodurch es vor Ideologien und Utopien moderner Art geschützt wird. (Fs)

16a Aber die Bindung an die Schöpfung zeitigt noch speziellere Folgen, sowohl für die Moral wie für die Glaubenslehre, für das Sollen wie für das Denken. Unter der ersten Rücksicht ergibt sich aus der positiven Wertung der Schöpfung die Anerkennung eines sittlichen Naturgesetzes, das aus der Verbindung der schöpfungsgemäßen Bestrebungen im Menschen mit dem Licht der Vernunft entsteht, das seinerseits ein Widerstrahl des göttlichen Lichtes ist, an dem der Mensch als Ebenbild Gottes teilhat.1 Die Schöpfungsgebundenheit schenkt oder (vorsichtiger gesagt) schenkte dem katholischen Glaubensleben eine objektiv begründete und allgemein verbindliche Sittenlehre, die auch dem Verständnis von Nichtchristen geöffnet war. (Fs)

16b Die Existenz und Verbindlichkeit eines solchen sittlichen Naturgesetzes wird zwar heute von der "autonomen Moral" geleugnet, aber sie wird von den zu unserer Zeit allein noch als unbezweifelbare Repräsentanten des Katholischen auftretenden Päpsten unverrückbar festgehalten. Wie eng, aber auch wie bedeutsam für den Menschen diese Bindung an die Schöpfung und das sittliche Gesetz in ihr ausfällt, kann an einem aktuellen Beispiel deutlich werden, nämlich an den Gedanken von "Familiaris Consortio" über die Eltern als Mitarbeiter Gottes, des Schöpfers, bei der Weitergabe des Lebens.2
16c Diese Verbindungen zum sittlichen Schöpfungsgesetz kehren u.a. heute besonders deutlich bei den Begründungen des Ethos des Leiblichen, des Geschlechtlichen und der legitimen Geburtenregelung wieder. Ein realistischer Blick auf unsere Gegenwart führt zur Gewißheit, daß es zu diesen Grundsätzen, trotz des Widerstandes gegen sie, keine echte Alternative gibt. Wo eine solche dennoch versucht wird, kommt es auch in der Kirche nur zur Rechtfertigung des Libertinismus und des Hedonismus, der im Grunde aus einer gnostischen Verachtung der Schöpfung und des Leiblichen stammt, verbunden mit dem Vorwand eines höheren Wissens und geistiger Überlegenheit. Diesen Einschlag der alten schöpfungsfeindlichen Gnosis kann man etwa an der Behauptung eines katholischen Moraltheologen ersehen, die zur Neubewertung der Homosexualität dienen soll. Er sagt mit Bezug auf die Verurteilung der Widernatürlichkeit durch den hl. Paulus in Rom l,26f: Das Wort des Apostels sei nicht mehr verbindlich, weil er das alles noch nicht wußte, was wir heute wissen. Er meint vor allem das Wissen der Humanwissenschaften, das freilich meistens völlig wertfrei gehalten ist. So liegt auch in der heutigen Vergötzung des Leibes in Wirklichkeit, trotz Behauptung höheren Wissens und größerer Freiheit, ein Stück gnostischer Leibverachtung, die ihrerseits aus einer Mißachtung der Schöpfung und ihres Gesetzes kommt. (Fs) (notabene)

17a Aber, wie angedeutet, hat die Verbindlichkeit des Schöpfungsgedankens auch eine bedeutsame Folge für den realistischen, heilserfüllten christlichen Glauben insgesamt. Der Schöpfungsgedanke besagt nämlich in einer tiefergehenden Fassung die Setzung von neuer Wirklichkeit oder - philosophisch ausgedrückt - von neuem Sein. Er beinhaltet die Setzung von endlicher Wirklichkeit durch die absolute unendliche Wirklichkeit des göttlichen Schöpfers. Mit der Anerkennung des Schöpfungsgedankens und der Schöpfung als der ersten Offenbarung Gottes ist zugleich die Existenz von objektiver, dem Menschen vorgegebener Heilswirklichkeit anerkannt, die nicht aus der Subjektivität des Menschen hervorgeht, aus Ahnung, Gefühl oder existentieller Erfahrung. Mit der Schöpfung als erster Offenbarung ist alle Offenbarung als objektive Wirklichkeit und Wahrheit angenommen, als Wirklichkeit, die auch von der menschlichen Vernunft mit wirklichkeitserfüllten natürlichen Begriffen aufgenommen werden kann und aufgenommen werden muß. Dazu gehören Begriffe wie Wesen, Person, Materie, Form, Seele, Leib, um nur die wichtigsten zu nennen. Freilich können diese Begriffe auf die eigentlichen Geheimnisse des Glaubens nur in analoger Weise, d.h. ähnlich - unähnlich angewandt werden. (Fs)

18a So wird von der Schöpfung her verständlich, daß der Glaube eine vernunftgemäße Wirklichkeitslehre zur Voraussetzung hat oder, wie der Fachausdruck sagt, eine Ontologie, die freilich nicht mit einer bestimmten Philosophie, etwa der des Aristoteles, gleichgesetzt werden muß. Anders löst sich der Glaube in existentielle Anstöße oder Bedeutsamkeiten auf, wie bei den Existenztheologen, oder er reduziert sich auf menschliche Ideen und anthropologische Erkenntnisse wie bei den Idealisten, die alle im Grunde keine Schöpfungslehre kennen. (Fs)

18b Freilich wird sowohl gegen die das Naturgesetz anerkennende Moral wie gegen die die Ontologie benutzende Glaubenslehre eingewandt, daß sie aus dem christlichen Heil eine rein statische, gegenständliche, unpersönliche und ungeschichtliche Gegebenheit machen, was sowohl der Größe Gottes als auch der Spontaneität des Menschen widerspricht. Die zwei wesentlichen Einwände gegen eine auf dem Schöpfungsverständnis begründete Moral- und Glaubenslehre lauten deshalb auf Ungeschichtlichkeit und auf mangelndes personales Denken. Aber diese Einwände sind widerlegbar; denn einmal besagt der Gedanke vom Ursprung der Schöpfung und der Offenbarung, daß beide eine Geschichte haben, die mit dem Anfang nicht schon am Ziele ist. Nur wird damit nicht schon jede geschichtliche Entwicklung gerechtfertigt, sondern es muß zwischen legitimer Entwicklung und Korrumpierung unterschieden werden, was letztlich nur am Maßstab bleibender Wirklichkeit und Wahrheit möglich ist. (Fs) (notabene)

19a Auf den vom modernen einseitigen Personalismus kommenden Einwand ist zu erwidern: Sowohl die Anerkennung des aus der Schöpfung kommenden Naturgesetzes wie die Verwendung sogenannter statischer neutraler Begriffe schließen den Menschen als Person nicht aus, sondern ein.3 Der Mensch ist in beiden Fällen in »einer Verantwortung und in seiner Entscheidungsfähigkeit ernst genommen und aufgerufen. Alle theologischen Aussagen gehen von der Person Gottes aus und sind für die Person des Menschen bestimmt. Das Personale bleibt so Ursprung und Ziel auch des ontologisch gefaßten theologischen Denkens.4

19b Trotzdem wird, zumal von evangelischer Seite, gegen die Hochschätzung der Schöpfungsstruktur als letzter Einwand der folgende erhoben, daß nämlich dadurch die Naturordnung verselbständigt würde, daß die Einheit von Natur und Gnade aufgelöst und ein Dualismus zwischen Natur- und Heilswirklichkeit aufgerichtet würde. Aber dieser Einwand wäre nur treffend, wenn das elementare Schöpfungsprinzip die einzige Struktur des katholischen Glaubens wäre. In Wirklichkeit wird diese überhöht durch die christologische Struktur der Christozentrik. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Strukturen katholischen Glaubens 2 - Christozentrik; Anthropozentrik; Geheimnis des Gottmenschen; erste, zweite Schöpfung


Kurzinhalt: An der Zentralstellung Christi wird deutlich, daß das Christentum ... nicht zuerst aus einer Idee oder einer Wahrheit besteht, daß es sich auch auf Christus nicht allein wie auf einen Gründer zurückbezieht, sondern daß es im Wesen diese einzigartige ...

Textausschnitt: III. Die Christozentrik als Wesensstruktur

20a Während mit dem Schöpfungsbezug ein fundamentales und elementares Strukturgesetz katholischen Glaubensverständnisses genannt ist, stellt sich der Bezug auf Christus als das schlechthin zentrale Strukturprinzip dar. Jesus Christus ist nicht nur im Sinne eines unreflektierten religiösen Glaubens das A und O des Katholischen (vgl. Offb 1,8; 21,6; 22,13), er ist dies auch unter dem Aspekt höchst reflektorischen theologischen Denkens. Der heute in den Vordergrund gerückte programmatische Begriff der Anthropozentrik kann mit dem der Christozentrik nicht konkurrieren. Wenn Anthropozentrik besagen soll, daß Glaube und Offenbarung im Menschen einen Anknüpfungspunkt finden können und daß sie auf die Anliegen des Menschen eingehen wie auch seinem Verständnis angepaßt werden müssen, dann ist der Begriff als legitim anzusehen. Wenn er aber mehr besagen soll, etwa, daß der Mensch mit seinen Fragen das Auswahlprinzip für die Offenbarung bilde oder daß er selber die Offenbarung implizit in sich trage oder er die Norm der Offenbarung sei, dann ist er nach Art der alten griechischen Sophisten zum Maß aller Dinge gemacht und die Theologie in Anthropologie aufgelöst. (Fs)

20b Daß dies im katholischen Glauben nicht geschieht, verbürgt die Zentralstellung Christi, von dem das Christentum nicht nur seinen Namen hat (vgl. Apg 11,26), sondern sein ganzes Wesen. Von ihm gehen alle Wahrheit, alles Licht und alles Leben aus und münden auch wieder in Ihn zurück, der dies alles vom Vater her vermittelt hat und ihm am Ende unterwirft (vgl. 1 Kor 15,28). An der Zentralstellung Christi wird deutlich, daß das Christentum, verglichen mit anderen Religionen, nicht zuerst aus einer Idee oder einer Wahrheit besteht, daß es sich auch auf Christus nicht allein wie auf einen Gründer zurückbezieht, sondern daß es im Wesen diese einzigartige Person selbst ist und aus ihr lebt. (Fs)

21a Die Bedeutung dieses personalen Zentrums für das Verständnis der Catholica ist vom biblisch-christlichen Denken unter den verschiedensten Aspekten erörtert oder gewürdigt worden. Unter dem Aspekt der ursprünglichen Gründung des Christlichen erklärt der hl. Paulus 1 Kor 3,11: "Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, Jesus Christus". Unter dem Blickwinkel der Wahrheit und ihrer Erkenntnis hat Pascal den bezeichnenden Satz gesprochen: "Ohne Jesus Christus wissen wir weder, was unser Leben, noch was unser Tod, noch was Gott ist, noch was wir selber sind"1, eine Aussage, die in einer modernen Relektüre auch dahingehend gedeutet werden darf, daß der Christ nicht durch transzendentale Meditation oder innere Erfahrung zur Wahrheit über Gott, die Welt und über sich selber kommt, sondern nur im Blick auf Christus und auf das Christusereignis, das er in Bezug zu seinem Leben setzt. (Fs)

21b Unter aszetischem Aspekt erweist sich die Christozentrik als Weg der Nachfolge Christi, aber nicht nur in moralischer Bemühung, sondern in seinsmäßiger Verinnerlichung entsprechend dem Pauluswort: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20). An Christus wird das Geheimnis Gottes auch in seiner trinitarischen Fülle offenbar, gemäß seinem Wort: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh 14,9). An seinem Werk, vor allem an Kreuz und Auferstehung, geht dem Menschen der Plan Gottes mit der Welt auf. (Fs)

21c Die Zentralstellung Christi hat Bonaventura (+ 1274) in das Bildwort gekleidet, daß Christus derjenige ist, der "tenens medium in omnibus".2 Er ist die Mitte von allem, aber nicht nur formal und äußerlich, weil der Vater ihm diese Stellung und Position eingeräumt hat. Er ist diese Mitte inhaltlich und wesentlich, weil er "sowohl das ungeschaffene wie das fleischgewordene Wort ist". So ist er ein Spiegel, "in dem und von dem aus die Fülle und Schönheit aller Heiligkeit und Weisheit aufleuchtet"3. Er ist "omnis perfectionis exemplar"4, d.h. auch Ur- und Leitbild allen christlichen Seins und Strebens, sei es des einzelnen, sei es der gläubigen Gemeinschaft. Die Person Jesu Christi und ihr Werk sind der Maßstab, nach dem sich die christliche Wahrheit, die Lehre und das Leben bestimmen. (Fs)

22a Mit dem Gesagten ist auch der Grund benannt, dessentwegen Christus diese Zentralstellung beansprucht. Es ist die Menschwerdung, die das Geheimnis des Gottmenschen konstituiert. In der Menschwerdung des Sohnes "hat [Gott] beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen" und "in Christus alles zu vereinen, was im Himmel und auf Erden ist" (Eph 1,10). Im Menschgewordenen "wollte Gott mit seiner ganzen Fülle wohnen" (Kol 1,19). Er war "von der ganzen Fülle Gottes erfüllt" (Eph 3,19). Darum haben Theologen, die der Struktur des christlichen Glaubens nachsannen, auf dieses Geheimnis als auf das zentrale hingewiesen, so etwa J. Adam Möhler mit dem Wort: "Die Grundlage der Kirche ist der lebendige Christus, der Mensch gewordene Gott, nicht das Suchen, wer er sein möge."5
22b Auch dieses Wort findet in unserer Gegenwart einen merkwürdigen Widerhall. Vieles spricht dafür, daß man sich aus Gründen der Bibelkritik, des modernen Weltbilddenkens und der vorgeblichen intellektuellen Redlichkeit von dieser Grundlage losgemacht und auf die Suche nach einem neuen Jesusbild gemacht hat, das Jesus als den gottinnigen Propheten, als den Freund der Armen und Entrechteten oder als den gottinnigen Menschen preist, aber den als unmöglich erachteten Anspruch des Gottseins von ihm fernhält. Denn angeblich können zwei Naturen nicht nebeneinander existieren, und "Person" ist nach neuzeitlichem Verständnis kein in sich stehendes Selbstsein, sondern ein Selbstvollzug zum Gewinn von Identität.6 Darum ist auch Jesus nur der Mensch, der sich in besonderer Weise in der Hingabe an Gott und an den anderen verwirklichte. Hier wird darum auch nicht mehr von einem Geheimnis Jesu gesprochen. Wo aber das Geheimnis des Gottmenschen entschwindet, ist die zentrale und finale Struktur des katholischen Christentums preisgegeben. (Fs) (notabene)

23a Wenn man freilich den Gottmenschen so zum Zentrum, zum Maßstab und zur Norm christlichen Glaubens und Lebens nimmt, dann scheint das, was über die Normativität der Schöpfung für das christliche Denken gesagt wurde, irgendwie vergessen oder bedeutungslos geworden zu sein. So könnte die Christozentrik des katholischen Glaubens als ein Widerspruch zu seiner starken Schöpfungsgebundenheit gedeutet werden und auch ein Gegensatz zwischen der ersten und der zweiten Schöpfung, zwischen Natur und Gnade, zwischen Menschsein und Christsein konstruiert werden. Daß dem nicht so ist, verbürgt eine neue Eigenschaft an Christus, die seine Gestalt erst zur vollen Größe aufwachsen läßt. Er ist nämlich nicht nur der Erlöser, sondern er ist als Wort des Vaters auch der Schöpfer des Alls. Die Schrift spricht von ihm als von dem, "durch [den] alles ist, und wir sind durch ihn" (1 Kor 8,6). Sie rühmt ihn als den, "durch den" und "auf den hin alles geschaffen" ist (Kol 1,16). Danach ist Christus auch der Urgrund der Schöpfung und derjenige, der sie umgreift. Darum wird alles über die Schöpfung Gesagte - die Natur, das sittliche Gesetz, die Vernunft und ihre Bedeutung für den Glauben - nicht desavouiert und entwertet, sondern in seiner Gültigkeit vom schöpferischen Logos anerkannt und überhöht. Allerdings ist vom Zentrum der Menschwerdung her auch zu sagen: Dies alles hat nun keine absolut eigenständige Würde und Bedeutung mehr. Es ist auf die Offenbarung in der Menschwerdung ausgerichtet und empfängt von ihr her neue Motivation, endgültige Bedeutung und das volle Licht. (Fs) (notabene)

24a Wenn man die Fülle des Christusereignisses so erhebt, kann man es nicht mehr nur als ein punktuelles historisches Geschehen oder gar als eine Episode gelten lassen, man muß es mit geschichtlicher Dauer und zeitloser Gegenwart ausstatten. Diese Gegenwärtigkeit gewinnt nach katholischem Glauben Christus in der sakramentalen Kirche. Damit ist aber die sakramentale Kirchlichkeit als einer der dominanten Wesenszüge des Glaubens anerkannt. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Strkuturen katholischen Glaubens 3 - ekklesial-sakramentale Struktur; Christus, Fülle -> Kirche (Paulus);
Leib Christi, geistiger Leib - Sichtbarkeit; Ursakrament (Christus, Ganzsakrament (Kirche); "anima ecclesiastica"; Amt, Hierarchie

Kurzinhalt: Die Einheit von Unsichtbar-Gnadenhaftem und Sichtbarem in der Kirche führte nun aber dazu, die Kirche selbst sakramental zu verstehen und dies in Entsprechung zum Gottmenschen Jesus Christus selbst, der in der Einheit von Gottheit und Menschheit als ...

Textausschnitt: IV. Die ekklesial-sakramentale Struktur

24b Es ist der Glaube der Kirche, daß die im Gottmenschen der Welt geschenkte Fülle in die Kirche eingegangen ist. Dieselben paulinischen Aussagen, die von der in Christus erbrachten Fülle sprechen (so Eph 1,10; Kol 1,20), schreiten zu der Folgerung weiter, daß diese Fülle in die Kirche eingegangen ist, denn "sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht" (Eph 1,23). Dabei herrschte auch die unangefochtene Überzeugung vor, daß diese einzige Kirche Christi, die seinen Leib bildet und dessen Haupt Er ist, die katholische Kirche ist, was heute auch schon mit Bezug auf die Formel von "Lumen Gentium" (8) bestritten wird, so daß "Kirche Christi" und "Katholische Kirche" auseinandertreten.1 Freilich bedeutet eine Preisgabe dieser Identität die Verleugnung des Katholischen im Sinne der von Christus kommenden Ganzheit und Fülle überhaupt. (Fs)

25a Das Festhalten an dieser Identität aber begründet das einzigartige Geheimnis der Kirche, das der hl. Paulus in der Leib-Christi-Vorstellung konkretisiert (vgl. 1 Kor 12,12-27; Rom 12,4f.). Die christliche Tradition hat daraufhin unter dem Eindruck dieses Geheimnisses (mit Augustin) von der Kirche als von einem "totus Christus, caput et membra" gesprochen oder mit Bossuet vom "Christ repandu", vom Großchristus, von dem aus dem Haupt und den menschlich-personalen Gliedern gebildeten Leib. (Fs)

25b Natürlich verstand der Glaube diesen Leib nicht als einen materiell-physischen, sondern als einen geistigen Leib, dem aber durchaus äußere Sichtbarkeit und geschichtliche Greifbarkeit zukam. Diese Sichtbarkeit gründet nicht zuletzt auf dem gemeinsamen Bekenntnis und auf der in der Liebe zutage tretenden Communio, der Gemeinschaft der Heiligen, die aber niemals rein horizontal, sondern vor allem auch vertikal verstanden werden muß. Die Einheit von Unsichtbar-Gnadenhaftem und Sichtbarem in der Kirche führte nun aber dazu, die Kirche selbst sakramental zu verstehen und dies in Entsprechung zum Gottmenschen Jesus Christus selbst, der in der Einheit von Gottheit und Menschheit als das "Ursakrament" zu verstehen ist, aus dem heraus sich die Kirche als "Ganzsakrament" entfaltet, dem wiederum die sieben Einzelsakramente entspringen. (Fs)

26a Schon die Abfolge dieser Begriffe läßt das tiefe organische Verständnis der Kirche im Katholizismus aufleuchten, die als Heilsgemeinschaft zugleich Heilsmittlerin ist, woraus sich für das gläubige Denken auch die Kennzeichnung der Kirche als "Mutter" der Glaubenden ergab, die heute nur noch in der Liturgie ein verborgenes Dasein führt. (Fs)

26b Eine solche organische sakramentale Auffassung von der Kirche, in der der einzelne sich als Glied des vom Haupte Christus geleiteten und von seinem Geist erfüllten sakramentalen Leib verstand, machte die Kirche zu einer das Leben und Denken des Glaubens bestimmenden und durchdringenden Struktur. Die Kirche erkannte der Gläubige als die Künderin der Weisheit Gottes (Eph 3,10), als die Säule und Grundfeste der Wahrheit (1 Tim 3,15), als die lebendige "Gemeinde Gottes" (1 Kor 1,2), in der er sein persönliches Heil durch Hingabe an die anderen wirken konnte. Die Einheit mit der Kirche war den Christen so wesentlich, daß Origenes den einzelnen Christen als eine "anima ecclesiastica" bezeichnen konnte. Die heutige "partielle Identifikation" wäre dem Christen als ein Unding erschienen, obgleich es immer auch Raum für Kritik an den menschlichen Schwächen und Fehlern gab2, die im Mittelalter sogar sehr drastisch geübt wurde, bei der es aber niemals, außer bei den häretischen Sekten, um eine Strukturänderung dieser Kirche ging, während die Kritik heute das Wesen und das sogenannte "System" im ganzen erfaßt. (Fs) (notabene)

26c Dieses organische Kirchenbewußtsein hat noch in neuerer Zeit der evangelische Theologe D. Bonhoeffer als so vorbildlich erachtet, daß er mit Bewunderung schrieb: "Es gibt ein Wort, das bei dem Katholiken, der es hört, alle Gefühle der Liebe und Seligkeit entzündet; das ihm alle Tiefen des religiösen Empfindens aufwühlt - Kirche heißt das Wort".3 Der Ausdruck "Mutter" aber meint nicht ein schmückendes Beiwort, sondern die lebenspendende Wirksamkeit der Kirche, die sich in Wort und Sakrament vollzieht und die in den sieben Sakramenten das ganze Leben des katholischen Christen von der Wiege bis zum Grabe durchwirkt, um es Christus gleichförmig zu machen. (Fs)

27a Will man diesen intensiven Kirchenglauben und die daraus erwachsende Kirchenfrömmigkeit an ihrem höchsten Konkretionspunkt fassen, dann darf man auf die Verdichtung des Kircheseins in der Eucharistie hinweisen, was P. Claudel zu dem tiefempfundenen Bekenntnis animierte: "Der Inbegriff des Katholizismus, der unendlich feine und gewichtige Punkt, in dem er sich zusammenfassen läßt, ist die Eucharistie. Dank der Eucharistie können wir wirklich jenen Satz wiederholen, der sonst empörend und unverständlich wäre: 'Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist gut, daß ich hingehe'. Denn er verläßt uns nicht."4 In den Sakramenten gewinnt die Gegenwart Christi ihre höchste Aktualität und verleiht dem Leib immer neue Lebenskraft und Einheit. (Fs)

27b Innerhalb dieser sakramentalen Struktur der Kirche hat aber auch das hierarchische Amt seine Stellung, das heute weithin auf Unverständnis und Ablehnung stößt, weil es als Ergebnis rein formaler Autorität zur Aufrechterhaltung zweier Klassen, nämlich des Klerus und der Laien, mißdeutet wird und so als Mittel zur Entmündigung der Gläubigen verdächtigt wird. In Wirklichkeit hängt es mit der ekklesial-sakramentalen Struktur der Kirche zusammen, in der das Amt in allen seinen Stufen bis hin zum Petrusamt des Papstes nicht den aus vielen Gliedern bestehenden Leib, sondern das Haupt des Leibes wirkmächtig symbolisieren soll. Der dem Katholizismus wohlwollend-kritisch gesonnene evangelische Rechtshistoriker R. Sohm (+ 1917) hat einmal über das Wesen des Katholischen das Urteil gefällt: "Im Katholizismus fällt alles unter den Sakramentsbegriff, was das Wesen der Kirche widerspiegelt."5 Dazu gehört in bestimmter Hinsicht auch das Amt. Natürlich ist es selbst kein Sakrament. Aber es ist bezeichnend, daß das Amt im eigentlichen Sinne durch ein Sakrament übertragen wird, nämlich durch das Sakrament der Weihe. Dieses aber macht den Empfänger zu einem Zeichen und zu einem personalen Werkzeug der Hauptesstellung Christi in seinem Leib. (Fs)

28a Die Idee des kirchlichen Amtes gründet deshalb nicht in Zweckmäßigkeitserwägungen oder in einem rein menschlichen Ordnungsdenken. Sie ist wesentlich in der lebendig und wirksam fortbestehenden Hauptesstellung Christi begründet, die zeichenhaft und d.h. repräsentativ in der Kirche weiterbestehen soll. Sie hat ihre eigentümliche Wurzel im Stellvertretungsgedanken, den Paulus zur Erklärung des apostolischen Amtes heranzieht, wenn er 2 Kor 5,20 sagt: "Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt." Dieser knappe formelhafte Ausdruck besagt, daß im Amtsträger Gott oder Jesus Christus am Werk ist und die Heilszuwendung in der Kirche selbst in Händen halten will. Damit soll zeichenhaft sichtbar bleiben, daß Christus allein Ursprung des Heils ist und daß der Mensch sich nicht selbst in Unmittelbarkeit zu Gott Gnade verschaffen kann, sondern daß dies nur durch den einzigen vollkommenen Mittler Jesus Christus geschehen kann (vgl. 1 Tim 2,5), der sich in seinem Beauftragten repräsentiert. (Fs) (notabene)

29a Das Zweite Vatikanum hat diese Wahrheit mit der aus der Tradition stammenden Formel bekräftigt, daß der Geweihte "in persona Christi" handelt, ja "in persona Christi capitis".6 Damit soll nicht nur die gottgewollte, durch die ganze Geschichte gehende Heilsordnung aufrechterhalten werden, sondern den Gläubigen auch Sicherheit bezüglich der objektiv und wirklich geschehenden Heilsvermittlung geschenkt werden. Würde es nämlich diese Ordnung nicht geben, dann müßte jedes Glied des Leibes, jeder Gläubige also, dem anderen die Sakramente und das Heil spenden können. Damit träte aber nicht nur die Hauptesstellung Christi nicht mehr in Erscheinung, weil die Glieder als solche nicht das Haupt darstellen können, sondern es würde auch die Heilsvermittlung der Subjektivität und dem Gutdünken der einzelnen anheimgegeben; denn der einzelne könnte ohne einen speziellen Auftrag zur Vertretung Jesu Christi, der eben nur in der Weihe ergeht, nur in eigener Autorität als Glied unter Gliedern handeln und so, losgelöst von einer besonderen Beauftragung Christi, der Gnadenübermittlung niemals die Objektivität und Gewißheit verleihen, die sie durch den Amtsträger tatsächlich gewinnt. Darum geht es bei der Begründung des Amtes letztlich um das "Extra nos" des Heils. (Fs)

29b So erweist sich die Struktur des Amtlichen als ein Dienst im Auftrag Christi zur Befestigung und Sicherung des Heils der Gläubigen. Sie schafft natürlich die schon genannte hierarchische Ordnung, die "communio hierarchica"7, in der Kirche. Wer darin aber eine Herrschaftsordnung zur Unterdrückung einer Klasse durch die andere findet8, der sollte nur einmal die schlichte Tatsache bedenken, daß auch der Amtsträger jeder Stufe zur Verwirklichung seines Heils auf den anderen Amtsträger angewiesen ist. Keiner kann sich selbst ein Sakrament spenden. In bezug auf die Heilsvermittlung in Wort und Sakrament ist der Priester dem Laien gleichgestellt, was beweist, daß sein Amt keinen Herrschaftsanspruch über den Laien erbringt, sondern nur die Christusordnung einhält, der er selbst auch unterliegt. (Fs)

30a Das heute in die Kirche künstlich eingeschleuste, aus dem Marxismus stammende Klassendenken, widerspricht aber auch der Wahrheit vom "Allgemeinen Priestertum", das den Gläubigen als Glieder des Leibes Christi zukommt und daß ihnen Anteil gewährt am Priestertum Christi9 im geistigen Opfer ihres Lebens, im Apostolat und in Ausübung ihrer Charismen10 zum Aufbau der Kirche. In Verfolgung dieses wesentlichen Strukturelementes des Allgemeinen Priestertums, das heute bei dem Machtanspruch vieler Laien auf Altar und Kanzel wegen seines geistlich-sakramentalen Charakters kaum noch Beachtung findet, fällt der Blick auf ein letztes Formprinzip katholischer Wirklichkeit, nämlich auf die dem Haupt Christus gegenüberstehende, das Heil empfangende und weitertragende Gemeinde der Gläubigen, die eine Mitursache der Heilsverwirklichung ist und in Kooperation mit dem Haupte steht. Dieses Prinzip besitzt wiederum eine zeichenhaft-personale Konkretion in Maria als "alma socia Christi"11, als gütige Gefährtin des Erlösers. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

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Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Strkuturen katholischen Glaubens 4 - marianische Struktur der Mitwirkung am Heil; petrinisch - marianisch; Mitwirken (cooperatio), Gnade; Mythos d. Androgyn: Einebnung d. Geschlechtlichen

Kurzinhalt: Im ganzen kann die marianische Struktur der Kirche auf das Prinzip der Mitwirkung, der Cooperatio des Menschen am Heil, zurückgeführt werden, was freilich zum protestantischen Prinzip des "sola fide" und des "sola gratia" in Spannung steht.

Textausschnitt: V. Die marianische Struktur der Mitwirkung am Heil

31a Wenn man das Strukturgesetz des Autoritativ-Amtlichen, das man auch als das petrinische Prinzip1 bezeichnen kann, als das in der Kirche allein gültige ansehen wollte, würde man einer Fehldeutung anheimfallen und sich einer gänzlichen Unterbewertung des Anteils der Gläubigen am Sein und Werden des Leibes Christi schuldig machen. Tatsächlich gilt aber, was das Zweite Vatikanum im Dekret über das Laienapostolat erklärt, daß auch die Laien "aktiven Anteil am Leben und Tun der Kirche"2 haben. Sie sind zwar Empfänger des Heils, aber deshalb nicht reines Objekt im Leben der Kirche, sondern auch Subjekt beim Aufbau des Leibes Christi. Ihre Empfangshaltung gegenüber dem Heil ist keine bloße Passivität, sondern aktive Empfänglichkeit, durch die die Empfänger der Gnade zu einem Konprinzip und einer Mitursache der gesamten Heilsverwirklichung in der Kirche werden. Darin ist grundsätzlich jene Haltung und jenes Mittun notwendig, das Maria in ihrem von Glaube und Liebe erfüllten Fiat bewährte, das tatsächlich in der von Gott verfügten Heilsordnung zur Vollverwirklichung der Erlösung von Seiten der empfangenden Menschheit notwendig war. (Fs)

31b Die Hl. Schrift und die Tradition haben diesen Gedanken in realsymbolischen Begriffen ausgedrückt, in denen sie die das Heil empfangende Kirche als Jungfrau, als Braut, als Frau oder als Mutter bezeichneten. Hier deutet sich eine symbolhafte, aber durchaus wirklichkeitserfüllte Unterscheidung an zwischen dem väterlichen Amts- und Autoritätsprinzip in der Kirche, das an die Apostel gebunden ist, und einem fraulich-mütterlichen Lebensprinzip, das die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden von innen her bestimmt. Das männlich-väterliche Prinzip tritt besonders deutlich in dem Wort des Apostels hervor: "In Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden" (1 Kor 4,15), das fraulich-mütterliche Prinzip findet seinen Ausdruck in dem anderen Wort des Paulus, in dem es heißt: "Ich habe euch einem einzigen Manne verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen" (2 Kor 11,2). Es kann kein Zweifel sein, daß diese Grundbefindlichkeit der Kirche prototypisch in Maria verkörpert ist. (Fs)

32a Durch die Differenzierung und den lebensvollen Ausgleich zwischen dem männlich-väterlichen Prinzip und dem fraulich-mütterlichen, personifiziert in Maria, erweist sich die katholische Kirche heute in der Welt auch als die einzige Kulturmacht, die dem zerstörerischen Unwesen der Einebnung der Geschlechter und dem wiederaufkommenden heidnischen Mythos vom Androgyn Widerstand leistet. (Fs) (notabene)

32b Durch die jungfräuliche Gottesmutter empfängt die Kirche im ganzen ein marianisches Gepräge. Es besteht in den Eigenschaften, die auch den Personalcharakter Marias ausmachen: in der Haltung des hingabevollen Glaubens, in restloser Verfügbarkeit für den Erlöser, im dienenden Magdsein gegenüber dem Herrn und Urheber des Heils. Maria setzt den menschlich-personalen Aspekt frei, der zum Verständnis der Erlösung als autoritativ von oben ergehendes Wort Gottes und als demütige, empfangende, aber so mitbeteiligte Antwort der Menschheit und der Kirche notwendig ist. Es handelt sich um ein Mitwirken, das schon unter der Macht der Gnade steht, aber das trotzdem den Menschen in seiner ganzen Geschöpflichkeit in das Erlösungsgeschehen miteinbezieht. Im ganzen kann die marianische Struktur der Kirche auf das Prinzip der Mitwirkung, der Cooperatio des Menschen am Heil, zurückgeführt werden, was freilich zum protestantischen Prinzip des "sola fide" und des "sola gratia" in Spannung steht. (Fs)

33a Maria ist so die stärkste, höchste Garantie für die Konkretion des Göttlichen im Geschöpflichen, des Übernatürlichen unter Beanspruchung des Natürlichen. Die Frau, die Christi Mutter war, ist wie kein anderes göttliches Werk dafür geeignet, die Verwurzelung des göttlichen Heils im Menschlichen und Natürlichen zu intensivieren, seine Konkretisierung im Weltlichen zu befördern und damit auch die totale Beanspruchung des Menschlichen durch Gott in der Erlösung aufzuzeigen. (Fs)

33b Das hat verständlicherweise auch Auswirkungen auf die katholische Spiritualität. Es ist der katholischen Spiritualität, die den ganzen Menschen in die Begegnung mit Gott bringt, eigen, daß sie auch den ganzen Menschen anfordert. In diesem Sinne sind katholische Frömmigkeit und Spiritualität im Gegensatz zu jedem Quietismus eine tätige, entschiedene, aktive Geisteshaltung, die dem Menschen Hohes abverlangt in Entsprechung zu dem höchsten Einsatz des Gottmenschen, den er schon in der Menschwerdung und dann am Kreuz leistete. Katholische Spiritualität vertritt diese Entschiedenheit trotz des Wissens um die Schwäche und Hinfälligkeit des Menschen, für die die Kirche, die auch eine Kirche der Sünder ist, ein eigenes Sakrament der Versöhnung bereithält. Zu diesem entschiedenen Einsatz gehören auch grundsätzlich in der Kirche die Berufung zum Leben nach den evangelischen Räten, zur Gleichgestaltung mit Christus in seiner Nachfolge, zum priesterlichen Zölibat; sogar die Berufung zum Martyrium, das der Kirche als ganzer niemals fehlte, was Maria ebenfalls schon unter dem Kreuz bewies. (Fs)

33c Das menschlich-personale Prinzip, das im Mittun Marias, im ma-rianischen Fiat als Kraft des Glaubens und der Liebe zum Ausdruck kommt, verleiht auch dem Amtsprinzip in der Kirche eine Ausgewogenheit, die das Amt ohne das marianische Grundelement nicht besäße. Das autoritativ bevollmächtigte Amt, das wegen des einzigartigen Ursprungs des Heils in Christus notwendig ist, empfängt durch die demütig dienende und liebende Gestalt Marias gleichsam eine innere Beseelung, die es der Versuchung der Macht entziehen kann und ihm den Charakter eines demütigen Dienstes aufprägt. So erweist sich Maria als eine Seelenmacht in der Kirche und darüber hinaus auch als eine geistige Formkraft im Bildungsprozeß des Einzelmenschen wie der ganzen Menschheit.31

34a Das alles gilt auch dann, wenn solche aus den Tiefen des Glaubens hervorgeholten Gedanken (wie diese ganze Lehre von den Strukturen des Katholischen) heutigen Ohren fremd sind und in der Verkündigung der Kirche allgemein keinen Widerhall finden. Die Kirche muß zu ihnen zurückgehen und sie in der Neuevangelisierung mutig verkünden. Nur so wird sie in der tiefgreifenden Identitätskrise wieder ihr Selbst finden. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Eucharistie; Vatikanum II; Sakramente: der Vergebung - Einheit;

Kurzinhalt: Ein Vergleich mit dem protestantischen Verständnis macht noch einen weiteren Unterschied bewußt. Für Luther sind sowohl die Taufe als auch die Beichte, soweit sie als Sakrament gewertet wird, als auch das Abendmahl Sakramente der Sündenvergebung.

Textausschnitt: 183b Die hier vorgestellten Gedanken über die Zentralität der Eucharistie finden sich nicht nur in der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums, sondern auch in anderen Konzilstexten. So lehrt das Priesterdekret Presbyterorum Ordinis, daß alle Sakramente "auf die Eucharistie hingeordnet" sind, ebenfalls "die anderen kirchlichen Dienste und Apostolatswerke. Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle" (Nr. 5). "Die christliche Gemeinde wird nur auferbaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat" (Nr. 16). (Fs)

184a Ehe diese Sicht des Zweiten Vatikanums von der Eucharistie theologisch entwickelt, begründet und erklärt wird, seien ihre Konsequenzen für die konkrete Lebensgestaltung des Christen aufgezeigt. Einmal wird ein rein innerliches und privates Beten, so wichtig das vertraute Sprechen mit dem Vater im stillen Kämmerlein (vgl. Mt 6,6) sein mag, auf die Eucharistie als Mitte verwiesen. Eine Meditationsübung, bei der man z.B. mangels eines geeigneten anderen Raumes in die Kirche ging und sich bewußt vom Tabernakel abwandte, um nicht dadurch in der Selbstversenkung gestört zu werden, muß sich fragen lassen, ob sie noch christlich ist. Aber auch ein christlicher Quietismus, ob er sich außerhalb der katholischen Kirche oder in ihr findet, verfehlt in seinem nur inneren Bedenken des Evangeliums die "Quelle und den Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens". Auch die Anbetung hat demnach ihre Höchstverwirklichung in der eucharistischen Anbetung. (Fs)

184b Die Mitte des christlichen Lebens kann aber auch nicht die Lektüre der Hl. Schrift und ebensowenig ein Wortgottesdienst sein. Die Wortverkündigung bildet den Mittel- und Höhepunkt des protestantischen Gottesdienstes. Nach protestantischem Verständnis hat das Abendmahl eine reduzierte Bedeutung im Vergleich zur katholischen Eucharistie, abgesehen von den bekannten anderen Differenzpunkten (Weihesakrament, Opfercharakter, Weise der Realpräsenz). Ein Vergleich mit dem protestantischen Verständnis macht noch einen weiteren Unterschied bewußt. Für Luther sind sowohl die Taufe als auch die Beichte, soweit sie als Sakrament gewertet wird, als auch das Abendmahl Sakramente der Sündenvergebung.1 Alle Sakramente sind demnach Mittel der Sündenvergebung bzw. der inneren Tröstung und Glaubensstärkung angesichts der Übermacht der Sünde. Dem katholischen Verständnis nach ist dagegen zu unterscheiden zwischen den Sakramenten der Vergebung, d.h. den Mitteln zur Einheit, und den Sakramenten der Einheit. Bei diesen, vor allem bei der Eucharistie und auch beim Ehesakrament, wird die Einheit mehr dargestellt und gefeiert und nur auf sekundärer Ebene durch die Feier auch vertieft. Zum Beleg sei nochmals LG 11 zitiert: "Durch den Leib Christi in der heiligen Eucharistiefeier gestärkt, stellen sie (= die Gläubigen) sodann die Einheit des Volkes Gottes, die durch dieses hocherhabene Sakrament sinnvoll bezeichnet und wundervoll bewirkt wird, auf anschauliche Weise dar." Die Einheit wird also durch die Eucharistie "dargestellt und verwirklicht" (LG 3) und nicht umgekehrt: verwirklicht und dann dargestellt. Weil die Eucharistie primär die Einheit darstellt und erst sekundär verwirklicht, muß ihr im Fall der schweren Sünde das Bußsakrament vorgeschaltet werden. Wo dieses ausfällt - wie es bei der protestantischen Pastoral der Fall ist und in der katholischen der Fall zu werden droht -, wird die Eucharistie zum Sakrament der Sündenvergebung verzerrt und kann nicht mehr Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens sein. (Fs) (notabene)

185a Der Konzilstext spricht ferner von der "Teilnahme am eucharistischen Opfer, der Quelle und dem Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens". Demzufolge kommt diese Höchstqualifizierung nicht einem anderen Gottesdienst zu, etwa einem priesterlosen Gottesdienst. Eine bloße Kommunionfeier kann nicht "Quelle und Höhepunkt" des christlichen Lebens sein. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Eucharistie, Opfer, Realpräsenz; Konzil von Trient (wahres Opfer); Jesus am Kreuz "ein für allemal": Vergegenwärtigung (katholisch) - Erinnerung (protestantisch); priesterlose Gottesdienste; Opferbewegung, "Ganzchristus"


Kurzinhalt: Deshalb kann auch die Eucharistie nur dann reines, heiliges, lebendiges, Gott wohlgefälliges Opfer ... sein, wenn sie dieses Opfer Christi ist. Da Jesus am Kreuz "ein für allemal" das Opfer dargebracht hat, kann die Eucharistie keine Wiederholung des ...

Textausschnitt: 191a Zwei wesentliche Momente müssen noch besonders hervorgehoben werden, nämlich die Eucharistie als Opfer und Realpräsenz. Was ist ein Opfer? Beim Opfer, einer religionsgeschichtlich weit verbreiteten religiösen Handlung, werden z.B. das erste Junge eines Tieres oder die ersten Früchte der Ernte geschlachtet bzw. verbrannt - entweder ganz (= ein Holokaustum, ein Ganzopfer bzw. Brandopfer) oder nur partiell, d.h. nur ein Teil wurde verbrannt und der andere als Zeichen für die Huld Gottes dem Volk gegeben. Das Opfer ist also ein realsymbolischer Akt, in dem zum Zeichen der inneren Hingabe ein innerweltlich, für das natürliche Leben brauchbarer und sogar notwendiger Gegenstand dem natürlichen Gebrauch entzogen wird, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß die Huld und die Gemeinschaft mit Gott oder die Vergebung der Schuld wichtiger ist als der irdische Nutzen, den man sich im allgemeinen von diesen Gegenständen erwartet. So ist das Opfer mehr als ein inneres Gebet, es ist eine Gebetshandlung, bei dem der ganze Mensch, mit Leib und Seele und seinem Besitz und Erwerbsstreben mit einbezogen ist. (Fs; tblStw: Opfer) (notabene)

191b Entscheidend ist bei diesem Geschehen letztlich die innere Einstellung, die Liebe, das Kreaturgefühl als bittender Ausdruck der totalen Abhängigkeit vom Schöpfer oder das Schuldgefühl. So kann das Opfer ein Bitt-, ein Dank-, ein Lob- oder ein Sühnopfer sein. Die Gefahr des Opfers ist die Veräußerlichung, wenn die entsprechende innere Einstellung fehlt. Das ist der Fall, wenn die Meinung aufkommt, Gott bedürfe der Opfergabe und der Mensch könne durch seine Leistung Gott versöhnen, oder wenn statt gesunder Tiere, des Ersten und Besten, kranke und hinkende geopfert wurden, die man sonst nicht mehr brauchen konnte oder vielleicht bald krepiert wären, oder wenn einerseits große Opfergaben dargebracht, aber andererseits die Mitmenschen ausgebeutet werden. Dagegen richtet sich die oft sehr strenge Opferkritik der Propheten. Sie bringen eindringlich zu Bewußtsein: Mit Ausschußware könne man auch vor keinen irdischen König hintreten, Barmherzigkeit, d.h. soziale Einstellung, sei besser als Opfer und Gott sei der bedürfnislose Schöpfer1. Trotz scharfer Formulierungen ist die Opferkritik nicht grundsätzlicher Art, vielmehr wird für die Endzeit ein neues Opfer angekündigt. (Fs)

192a Dieses neue Opfer ist die Selbsthingabe Jesu Christi am Kreuz. Der Opfertod ist einmal ausgesagt in den Einsetzungsberichten: "Das ist mein Fleisch für euch" (1 Kor 11,24; vgl. Lk 22,19). Das Kelchwort: "Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird" - so Mk 14,24 und Mt 26,28 - knüpft an Ex 24,8 ("Das ist das Blut des Bundes"), d.h. an die Besiegelung des Bundes mit einem Opfer, an. Paulus (1 Kor 11,25) und Lk 22,20 überliefern dagegen die Wendung: "der Neue Bund in meinem Blut". Sie betonen - wohl in Rückgriff auf Jer 31,31 - die Neuheit dieses mit dem Opferblut besiegelten Bundes. Auf den Opfercharakter des Todes Jesu weisen noch Mk 10,45 ("Leben hingeben als Lösepreis für viele") die gesamten Paulusbriefe, ebenso 1 Tim 2,6 ("der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle"), Offb 1,5; 5,6.9; 1 Petr 2,24; 1 Joh 2,2 und vor allem der Hebräerbrief (8,6.10ff; 9,11-17.25-28; 10,4-14) hin, der das einzigartige und vollendete Priestertum Jesu Christi herausstellt. In der Hingabe seines Lebens ist Jesus Christus Priester und Opfergabe zugleich, wobei das Opfer nicht durch das Übermaß an Leiden vollendet wird, sondern durch seinen auch im Leiden bewährten Gehorsam (vgl. Phil 2,8; Hebr 5,8). (Fs)

193a Der Sühne- und Opfercharakter des Todes Jesu ist eine allgemeine Lehre des Neuen Testaments und kann von daher nicht bestritten werden. Die Frage, die besonders seitens der reformatorischen Theologie gestellt wird, lautet jedoch, ob es nach dem Tod Jesu noch ein weiteres eigenständiges Opfer geben und deshalb vom eucharistischen Opfer gesprochen werden könne. Jesu Tod ist nicht nur gradmäßig mehr oder stärker als die alttestamentlichen Opfer, sondern ist das Opfer schlechthin, das deshalb einen neuen und ewigen Bund begründet. Jesus muß nicht "Tag für Tag" wie der jüdische Hohepriester für die eigenen und des Volkes Sünden Opfer darbringen. Er hat das Opfer "ein für allemal (dargebracht), als er sich selbst dargebracht hat" (Hebr 7,27; vgl. 10,10.12.14,18; 1 Petr 3,18). Da das Kreuzesopfer "ein für allemal" wirkt, "gibt es kein Sündopfer mehr". Wenn nun die Eucharistie, so die Argumentation der Reformatoren, ein wahres Opfer im eigentlichen Sinn wäre und nicht nur eine Erinnerung an das universale Opfer Christi, würde die allgemeine Wirksamkeit des Kreuzesopfers Christi eingeschränkt werden. Demgegenüber unterstreicht das Konzil von Trient die traditionelle Lehre der Kirche, daß "in der Messe Gott (ein) wahres und eigentliches Opfer dargebracht werde" und die Opferhandlung nicht auf ein reines Mahlgeschehen reduziert werden dürfe (vgl. DH 1751; 1743). (Fs)

193b Der Opfercharakter der hl. Messe ergibt sich schon aus den erwähnten Einsetzungsberichten des Neuen Testaments und aus 1 Kor 10,18ff, einer Passage mit opfertheologischem Kontext. Bei dem Satz: "Ihr könnt nicht teilhaben am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen" meint Tisch einen Altar, wie auch bei Mal 1,7-14: "Ihr bringt auf meinem Altar eklige Speisen dar ... ihr sagt: Der Tisch des Herrn ist nicht so wichtig ... Auf dem Tisch des Herrn darf man eklige Speisen darbringen ... ihr bringt von geraubten Tieren die lahmen und kranken als Opfer dar" (vgl. DH 1742). Dieser Opfercharakter der Eucharistie ist von Anfang an bei den Kirchenvätern zu fassen.2

194a Ohne die geschichtliche Linie weiter zu verfolgen, sei nun eine systematische Zusammenfassung gegeben: Das einzig vollkommene Opfer ist nur das Opfer Jesu Christi am Kreuz; sündige Menschen können nie dieses reine Opfer darbringen. Deshalb kann auch die Eucharistie nur dann reines, heiliges, lebendiges, Gott wohlgefälliges Opfer - so die Hochgebete der hl. Messe - sein, wenn sie dieses Opfer Christi ist. Da Jesus am Kreuz "ein für allemal" das Opfer dargebracht hat, kann die Eucharistie keine Wiederholung des Kreuzesopfers sein, sondern nur seine Vergegenwärtigung, aber - und das ist sogleich anzufügen - eine wirklichkeitserfüllte Vergegenwärtigung und nicht eine der bloßen Erinnerung, etwa nach Art eines Passionsspiels. In der Eucharistie bringt daher die Kirche dem Vater das vergegenwärtigte Kreuzesopfer des Sohnes in unblutiger Weise dar, aber dieses Darbringen ist ein echtes Opfer und ein vollkommenes Opfer wegen der Vollkommenheit der Opfergabe, die Christi Fleisch und Blut ist. (Fs) (notabene)

194b Hier stellt sich nun, nicht zuletzt in Hinblick auf die priesterlosen Sonntagsgottesdienste, die Frage, warum so großes Gewicht auf den Opferteil gelegt werden soll. Genügt angesichts der Priesternot nicht der Empfang des am Kreuz hingegebenen Leibes in der Kommunion? M.a.W: Soll man nicht doch auswärts eine hl. Messe besuchen? Ist schließlich das Fehlen des Opfercharakters beim Abendmahl der Reformatoren ein so gravierender Unterschied?

195a Zu diesen Fragen sei in aller Kürze gesagt, daß die Realpräsenz, d.h. die volle Gegenwart Christi in den eucharistischen Gestalten, nicht nur in Hinblick auf den gläubigen Empfang bei der Kommunion wichtig ist, sondern ebenso und noch mehr in Hinblick auf die Vergegenwärtigung des vollkommenen Opfers an den Vater. Wäre Christus nicht gegenwärtig, würde dem Vater kein vollkommenes Opfer in totaler Hingabe, sondern nur etwas Geschöpfliches dargebracht. Nur aufgrund der Realpräsenz kann "in Ihm und mit Ihm und in Ihm" dem Vater "alle Herrlichkeit und Ehre" zuteil werden, jetzt so wie in der Ewigkeit. Die Gemeinde kann sich in die Opferbewegung mit Christus hineinbegeben und es mitvollziehen. Es ist nicht nur Christus allein, sondern der "Ganzchristus", d.h. das Haupt mit seinem Leib, das sich dem Vater hingibt. (Fs) (notabene)

195b Wer dagegen von der reformatorischen Voraussetzung ausgeht, daß der Mensch durch die Ursünde durch und durch verderbt ist und auch durch die Taufe nicht neu geschaffen werden kann, daß er sich nur passiv der stellvertretenden Sühne Christi vergewissern kann, kann auch die Möglichkeit einer inneren Bewegung mit Christus zum Vater hin nicht für realisierbar halten. Der Mensch bleibt deshalb in einer inneren Distanz zum Kreuzesgeschehen. Das Abendmahl ist letztlich nur ein Sakrament der Sündenvergebung. (Fs)

195c Dabei ist nun folgende katholisch-reformatorische Differenz interessant: Auch nach katholischer Auffassung hat die Eucharistie als Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers mit der Sündenvergebung zu tun, aber nicht unmittelbar; vielmehr wird durch das eucharistische Opfer die Gnade der Bekehrung und zum Empfang des Bußsakraments erwirkt. So lehrt das Konzil von Trient: "Durch seine (= des Sühnopfers) Darbringung versöhnt, gewährt der Herr nämlich Gnade und das Geschenk der Buße und vergibt auch noch so große Vergehen und Sünden" (DH 1743). Nach Nikolaus Kabasilas (+ um 1391) "verleiht als einzige Einweihung die Eucharistie den anderen Mysterien, daß diese vollkommen seien. Sie hilft ihnen, da sie ohne die Eucharistie, ohne selber eingeweiht zu werden, gar nicht einzuweihen vermochten"3. Verallgemeinert besagt dies: Die Sakramente dienen nicht gleicherweise der Sündenvergebung, sondern sind einander organisch zugeordnet. Obwohl bei allen Sakramenten Christus der zwar unsichtbare, aber eigentliche Spender ist - ex opere operato -, ist die Eucharistie aufgrund der inneren Einheit von Haupt und Gliedern die höchste Form der Gottesverehrung, ist Sühne und Bitte, deren Wirkung die Empfänger der übrigen Sakramente zum innerlichen Empfang disponiert. Insofern ist das eucharistische Opfer Quelle der Wirkmöglichkeit jeden Sakraments. So bekommen z.B. auch die Krankensalbung und die Ehe die Kraft zum lebendigen Vollzug von der Eucharistie, und zwar nicht nur aufgrund der Einübung der Hingabe beim Mitvollzug des Opfers, sondern durch die Vergegenwärtigung der von Christus und seiner Kirche erwirkten Gnade. Fehlt das Opfer oder wird es zuwenig verstanden, fehlt das Bewußtsein von der Priorität der in einer aktiven Empfänglichkeit aufzunehmenden Gnade und von der Möglichkeit des Mitwirkens, und besteht die Gefahr der Verflachung und Veräußerlichung der Kommunion zu einem passiven und einseitigen Empfangsgeschehen, weil gleichsam der Dialog zwischen Darbringung und Empfang fehlt. Auf alle Fälle: Der Höhepunkt im Leben Jesu ist nach allen Evangelien seine Passion. Wenn "Gott die Welt so sehr geliebt (hat), daß er seinen einzigen Sohn hingab" (Joh 3,16) und "seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle hingegeben" hat und uns deshalb "alles schenken" (Rom 8,32) wird (auch das ewige Leben), wenn der Gedanke des Füreinanders der Glieder des Leibes Christi im stellvertretenden Leiden des Hauptes ihren Ursprung hat, dann ist es zweifellos ein großes Defizit, wenn das wirklichkeitserfüllte Gedächtnis des Leidens Christi nicht vergegenwärtigt wird. Dieses ist der eigentliche Höhepunkt und die eigentliche Quelle des ganzen christlichen Lebens. Aber auch folgender Aspekt fällt ins Gewicht: Wenn das Opfer der Kirche dadurch vollkommen wird, daß sie das vollkommene Opfer Christi darbringt, und das Priestertum der Gläubigen vor allem darin besteht, daß sie "kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mitwirken" (LG 10), ist ohne diese eucharistische Darbringung auch das königliche Priestertum ihrer eigentlichen Wirkmöglichkeit beraubt und verliert ihre Mitte. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Eucharistie: Realpräsenz, Transfinalisation (Brot, Wein: anderer Sinnzusammenhang), Transsignifikation; Transsubstantiation

Kurzinhalt: ... erkennt man, daß Transfinalisation nur eine Änderung der Sicht oder der Bedeutung von Brot und Wein besagt - es ändert sich nur etwas im Menschen, aber nicht im objektiven Sein von Brot und Wein.

Textausschnitt: 197a Die Eucharistie ist ein Opfer in der Form des Mahles. Die Realpräsenz besagt die personale leibliche Gegenwart Christi unter den Gestalten von Brot und Wein. Diese Gegenwart suchte man in den letzten Jahrzehnten auch mit dem Begriff der Transfinalisation zu erläutern. Damit ist gemeint, daß Brot und Wein - nicht aufgrund eines menschlichen Entscheids, sondern aufgrund der Weisung Christi - nach dem Sprechen des Einsetzungsberichts in einen anderen Sinnzusammenhang gestellt und zu einem der Leib-Seele-Konstitution des Menschen angemessenen Zeichen für die geistige Gegenwart Jesu in der Gemeinde (Mt 18,20: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen") werden. Bei genauerer Hinsicht erkennt man, daß Transfinalisation nur eine Änderung der Sicht oder der Bedeutung von Brot und Wein besagt - es ändert sich nur etwas im Menschen, aber nicht im objektiven Sein von Brot und Wein. Unter diesen Voraussetzungen könnte man aber vor den eucharistischen Gestalten weder eine Kniebeuge machen noch sie anbeten; eine solche Denkweise spricht übrigens mehr von den Einsetzungs- als von den Wandlungsworten. Aber auch der Versuch, im Gegensatz zum Transfinalisationsmodell die objektive Wirklichkeit realistisch zu berücksichtigen und mit dem Begriff Transsignifikation/Zeichenumwandlung die eucharistische Wandlung zu erläutern, wobei allerdings dann Substanz als Sinn verstanden wird, kann nicht befriedigen. Denn einmal ist der Sinn von Leib Christi nicht der Leib Christi selbst. Zu diesem kann eine personale Beziehung bestehen - man denke an den Hymnus: Adoro te devote, latens deitas -, aber nie ist eine personale Beziehung zum Sinn des Leibes Christi möglich. Dann wird das Einmalige und Besondere der eucharistischen "Zeichenwandlung" nicht von der Zeichenwandlung bei den übrigen Sakramenten (Wasser-Taufwasser) abgehoben.1 Die Wandlung muß sich auf die Wirklichkeit von Brot und Wein selbst beziehen. Schon Paulus verlangt (vgl. 1 Kor 11,29), den Leib des Herrn vom natürlichen Brot zu unterscheiden, und in Joh 6 wird "Fleisch" gerade in antignostischer Frontstellung betont. Auch die Kirchenväter haben immer an eine Wandlung der objektiven Wirklichkeit gedacht. So ist nach wie vor der seit dem 12. Jahrhundert gebräuchliche und vom Konzil von Trient herausgehobene Begriff "Transsubstantiation" die angemessenste Bezeichnung. Dieser Begriff will nicht den Vorgang der Wandlung erfassen, sondern nur die wesentlichen Momente festhalten. Diese sind die Verwandlung des Wesens, wobei die Akzidentien, d.h. alles Sinnenhaft-Wahrnehmbare, bleiben. In der Eucharistie sind "der Leib und das Blut zugleich mit der Seele und mit der Gottheit (Jesu Christi) enthalten" (DH 1651), und zwar kraft der Wandlungsworte. (Fs) (notabene)

Kommentar (01.12.10): Von der Transsubstantiation her lässt sich einfach die "Jungfrauengeburt" entstehen.

198a Aufgrund dieser wunderbaren Wandlung der inneren Wirklichkeit gelangt nicht nur der einzelne Gläubige in eine tiefe personale Einheit mit Jesus Christus, sondern werden auch die einzelnen Glieder des Leibes Christi untereinander zu einem Leib verbunden und aufgebaut. So schreibt der Apostel Paulus (1 Kor 10,16f): "Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Teilhabe am Leib Christi? Weil es ein Brot ist, sind wir ein Leib als die Vielen; denn wir nehmen alle teil an dem einen Brot." Wenn zwei oder viele mit einem dritten eins sind, sind sie in dem dritten auch unter sich eins. So bildet die Eucharistie das Band der Einheit, das die Kirche zusammenhält. (Fs)

199a Nichts unterstreicht mehr den Glauben an die Realpräsenz als die eucharistische Anbetung. Die Anbetung außerhalb der hl. Messe bzw. unabhängig vom Kommunionempfang beginnt im 12. Jahrhundert, als die Gegenwart Christi immer mehr bedacht wurde. Allerdings stellte sich Augustin bei der Erläuterung von Ps 98,82 die Frage, was wir hier auf Erden anbeten sollen, da man nur Gott anbeten dürfe. Hier auf Erden, so stellt er fest, dürfe man nur Jesus Christus anbeten, der "Fleisch von der Erde ist und Fleisch vom Fleisch Mariens angenommen hat. Und weil er hier im Fleisch wirklich gewandelt ist und dieses Fleisch zum Heil uns zum Essen gegeben hat. Niemand aber ißt dieses Fleisch, ohne es vorher anzubeten: Gefunden ist also, wie angebetet werden soll..." In ähnlicher Weise sagt auch Theodoret von Cyrus (+ 453) im Zusammenhang mit der christologischen Frage, daß die eucharistischen Gestalten "angebetet werden, da sie jenes sind, als die sie geglaubt werden"3. (Fs)

199b Der bekannte evangelische Theologe Adolf von Harnack behandelte im Jahr 1891 die für einen selbstbewußten Protestanten überraschende Frage, "Was wir von der Römischen Kirche lernen und nicht lernen sollen"4. Er nennt u.a. den Wert der Beichte, als erstes aber das "Moment der Anbetung", ohne die das Christentum formelhaft und schal wird.5 Wo und wie allerdings diese Anbetung geschehen soll, kann Harnack - im Gegensatz zu Augustin - nicht sagen, denn er glaubte weder an die Gottheit Jesu Christi noch an die Realpräsenz. Ohne die Anbetung Christi in der Eucharistie wird Anbetung nur zum Ausdruck gefühlsmäßigen Überschwangs wie: Ich bete an die Macht der Liebe; letztlich fehlt aber der Zielpunkt der Anbetung. (Fs)

200a Anbetung, wie wir sie jetzt schon zusammen mit den Engeln der Präfation zufolge darbringen, bedeutet Lobpreis und Bejahung des Schöpfers und Erlösers, der die Schöpfung gut gemacht und nach der Sünde wieder hergestellt hat. Diese Anbetung, die alles gutheißt, ist ein freudiger Lobpreis. Sie findet ihren Konzentrationspunkt im aktuellen Vollzug der Eucharistie und in der eucharistischen Anbetung. Würde diese Anbetung in der Kirche wieder gelingen, wären der Ungeist des Kritischen und die Anklagementalität überwunden, denn Anbetung ist grundsätzliche und frohe Bejahung. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Maria; AT: Bund zw. Gott und Volk im Bild der Ehe; Mulieris dignitatem; "marianisches" - "apostolisch-petrinisches" Profil (Prinzip)

Kurzinhalt: "Dieses marianische Profil ist ebenso - wenn nicht noch mehr - grundlegend und charakteristisch für die Kirche wie das apostolische und von Petrus geprägte Profil, mit dem es zutiefst verbunden ist ... In diesem Sinn geht die marianische Dimension ...

Textausschnitt: 212b Als neue Eva zieht Maria die Kennzeichnungen auf sich, die für das Gottesvolk als Ganzes gelten: sie ist "Tochter" und "Mutter" Sion. Immerhin scheint bemerkenswert, daß schon im Alten Testament der Bund zwischen Gott und seinem Volk dargestellt wird im Bild der Ehe1: Gott erscheint im Bild des Bräutigams, das Volk im Symbol der Braut. Der Epheserbrief überträgt dieses Bild auf das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche. Wenn die Kirche auf diese Weise symbolhaft als "weiblich" dargestellt wird, so zeigt sich darin ihre Hinordnung auf Christus, von dem sie das Heil empfängt. Die göttliche Initiative, die das Heil wirkt, zeigt sich dagegen im männlichen Bild des Bräutigams. (Fs)

213a Papst Johannes Paul II. erinnert an diese Typologie in seinem Schreiben zur Würde der Frau, Mulieris dignitatem.2 Dabei unterscheidet er im Anschluß an Hans Urs von Balthasar in der Kirche ein "marianisches" und ein "apostolisch-petrinisches" Profil.3 Für "Profil" setzt Balthasar gerne den Terminus "Prinzip". Das "apostolisch-petrinische Prinzip" steht für die Weihehierarchie, in der Christus als das Haupt der Kirche sich menschlich-konkret als wirksam erweist. Das "marianische Prinzip" dagegen bedeutet die Grundhaltungen des Christen, die sich im gemeinsamen Priestertum aller Getauften widerspiegeln. In den von Balthasar inspirierten Gedanken des Papstes heißt es:
"Dieses marianische Profil ist ebenso - wenn nicht noch mehr - grundlegend und charakteristisch für die Kirche wie das apostolische und von Petrus geprägte Profil, mit dem es zutiefst verbunden ist ... In diesem Sinn geht die marianische Dimension der Kirche der Petrusdimension voraus, wenn sie mit dieser auch eng verbunden ist und sie ergänzt. Maria, die Makellose, hat den Vortritt vor jedem anderen, selbstverständlich auch vor Petrus und den Aposteln: nicht nur, weil Petrus und die Apostel der unter der Sünde geborenen Schar des Menschengeschlechtes entstammen und zur Kirche gehören, die 'aus Sündern geheiligt ist', sondern auch, weil ihr dreifaches Amt auf nichts anderes hinzielt als darauf, die Kirche nach jenem Ideal der Heiligkeit zu formen, das in Maria bereits vorgeformt und vorgestaltet ist."4

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Mitwirkung am Heilsgeschehen, Mittlerin der Gnade; Newman; Leugnung der Mitwirkung im Heilsprozess: Protestantismus (Luther) , Ursprung der Feministischen Theologie (Feminismus)

Kurzinhalt: Die "Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers" schließt "im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie" ... Von daher erklärt sich als Reaktion der gewaltige Einfluß ...

Textausschnitt: II. Die prägende Rolle der mariologischen Hauptdogmen

214a Die prägende Aufgabe Mariens als Urbild und Fülle des katholischen Glaubens sei nun konkretisiert anhand der vier mariologischen Hauptdogmen: Gottesmutterschaft, Jungfräulichkeit, Unbefleckte Empfängnis und leibliche Aufnahme in den Himmel. Eingefügt seien dabei zwei weitere zentrale Perspektiven, die Mitwirkung bei der Erlösung und die Gnadenmittlerschaft. (Fs)

1. Die Mitwirkung Marias im Heilsgeschehen als Mutter Gottes und Mittlerin der Gnade

214b Die Bedeutung des Titels der Gottesmutter hat einmal sehr schön Anfang der 50er Jahre der evangelische Landesbischof Wilhelm Stählin hervorgehoben, zusammen mit Kardinal Jaeger einer der Initiatoren der Ökumenischen Gespräche in Deutschland1: Das Interesse für Maria, so Stählin, schwanke "je nach dem Ernst, mit dem die Menschwerdung geglaubt wird oder entleert wird zu einem Auftauchen erhabener Ideen. Ideen haben vielleicht Väter, aber sie haben keine Mütter. Das Fleisch gewordene Wort, welches eben keine Idee ist, sondern der inkarnierte göttliche Logos, hat eine Mutter."2 (Fs)

215a Wo der Glaube an die Menschwerdung Gottes lebendig ist, bekommt auch die Gottesmutter ihren angemessenen Platz im Leben der Kirche. Und umgekehrt: wo Maria verschwindet, verliert sich auch der Glaube an ihren göttlichen Sohn. Marienverehrung ist keine Konkurrenz für die Anbetung Christi, wie gerade im protestantischen Bereich oft gemutmaßt wird. John Henry Newman wies schon im letzten Jahrhundert auf die Tatsache hin, "daß es nicht die religiösen Gemeinschaften mit einer betonten Marienverehrung sind, die aufgehört haben, ihren Sohn anzubeten, sondern gerade die Gemeinschaften, die auf ihre Verehrung verzichtet haben ..."3 In der Tat ist die Leugnung der Gottheit Christi seit langem typisch für den liberalen Teil des Protestantismus, selbst wenn man leider hinzufügen muß, daß es heute auch an gleichgestimmten Theologen katholischen Ursprungs nicht mangelt. Aber auch dort ist der Ausfall der Marienverehrung symptomatisch. (Fs)

Die Gottesmutterschaft Mariens ist nicht auf das Verhältnis zu Jesus Christus selbst zu reduzieren, sondern verlängert sich gleichsam in analogem Sinne auf alle Christgläubigen. Das Konzil betont mit Augustinus: Maria ist auch "Mutter der Glieder Christi, ... denn sie hat in Liebe mitgewirkt, daß die Gläubigen in der Kirche geboren würden, die dieses Hauptes Glieder sind".4 Maria ist nicht nur Mutter Christi im physischen Sinne, sondern auch Mutter der Glieder Christi in der Ordnung der Gnade.5
215b Diese mütterliche Aufgabe Mariens stützt sich auf die einzige Mittlerschaft Christi6, die sie nicht verdunkelt, sondern zur Geltung bringt. "Jeder heilsame Einfluß der seligen Jungfrau auf die Menschen", so das Konzil, "kommt nämlich nicht aus irgendeiner sachlichen Notwendigkeit, sondern aus dem Wohlgefallen Gottes und fließt aus dem Überfluß der Verdienste Christi, stützt sich auf seine Mittlerschaft, hängt von ihr vollständig ab und schöpft aus ihr seine ganze Wirkkraft."7 Die "Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers" schließt "im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie".8

216a Die vom Konzil betonte Mitwirkung Mariens bei der Vermittlung der Gnaden ist ein kritisches Korrektiv für ein fragwürdiges Menschenbild, das durch die lutherische Rechtfertigungslehre im evangelischen Raum immer noch nachwirkt.9 "Allein Gott", "allein die Gnade" hatte Luther betont und dadurch die Integration des menschlichen Beitrages bei der Rechtfertigung zurückgedrängt. Maria dagegen ist ein lebendiges Zeichen für die Mitwirkung des Menschen im Heilsprozeß. Oder, wie es die Konvertitin Gertrud von le Fort betont: "... das marianische Dogma bedeutet, auf eine kurze Formel gebracht, die Lehre von der Mitwirkung der Kreatur bei der Erlösung".10 (Fs) (notabene)

216b Die Leugnung der geschöpflichen Mitwirkung im Heilsprozeß durch die Reformatoren steht indirekt auch mit am Ursprung der Feministischen Theologie.11 Durch die Reduzierung der Mariengestalt ist die religiöse Symbolwelt des Protestantismus fast exklusiv vermännlicht worden; das weibliche Moment wurde weitgehend ausgeschaltet. Von daher erklärt sich als Reaktion der gewaltige Einfluß des theologischen Feminismus im protestantischen Raum. Aber auch hier werden im Grunde die alten reformatorischen Muster weitergeführt: Anstatt die Mitwirkung des Geschöpfes in der Gestalt der Gottesmutter zu werten, wird die "Mütterlichkeit Gottes" in den Vordergrund gestellt oder gar die "Große Göttin" beschworen. Für die genuin katholische Glaubenswelt ist dagegen Maria nicht zunächst Symbol der "Mütterlichkeit" Gottes, sondern die menschliche Mutter Gottes in ihrer Mitwirkung beim Heilsgeschehen. (Fs) (notabene)

217a Die Gnadenmittlerschaft Mariens stützt sich auf die Wirksamkeit der Gottesmutter als "Gefährtin des Erlösers", wie das Konzil es formuliert. "Indem sie Christus empfing, gebar und nährte, im Tempel dem Vater darstellte und mit ihrem am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter."12

217b Die Mutterschaft Mariens spiegelt sich wider in der Tatsache, daß auch die Kirche selbst "Mutter" genannt wird. "Durch Predigt und Taufe nämlich gebiert sie die vom Heiligen Geist empfangenen und aus Gott geborenen Kinder zum neuen und unsterblichen Leben."13 Jeder einzelne Christ trägt durch sein Wirken dazu bei, daß Christus in dieser Welt gleichsam Gestalt annimmt. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Leibhaftigkeit des Glaubens im Zeichen der Jungfräulichkeit; "Caro cardo salutis" (Tertullian); Eu. Drewermann; Kirche als "Jungfrau"; Gnosis: Dualismus: geistig - biologisch



Kurzinhalt: Verantwortlich für dergleiche Thesen sind nicht neue exegetische Erkenntnisse, sondern die philosophischen Vorgaben der Bultmann-Schule, die wiederum auf das deistische Weltbild der Aufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgehen: Gott als der ...

Textausschnitt: 2. Die Leibhaftigkeit des Glaubens im Zeichen der Jungfräulichkeit

218a Von Tertullian stammt der Ausspruch: "Caro cardo salutis", "das Fleisch (ist) der Angelpunkt des Heils."1 Diese Formulierung richtet sich gegen die Gnosis, die das Ärgernis der Menschwerdung Gottes idealistisch verdünnte. Das Christentum, so muß betont werden, ist nicht zunächst das Verkündigen interessanter Ideen, sondern die Verbindung mit dem ewigen Wort, das Fleisch geworden ist.2 Diese leibliche Konkretion ist nicht idealistisch oder existentialistisch aufhebbar. In dem leibhaften Moment des Heilsprozesses zeigt sich das lebendige Einwirken Gottes in die Geschichte. Die geschöpflichen Voraussetzungen werden dabei überstiegen. (Fs)

218b Zu den typischen Ausdrucksformen der leiblichen Konkretheit der Heilsgeschichte gehören die Jungfräulichkeit Mariens und die Auferstehung Jesu, die das leere Grab voraussetzt. Beide Glaubenswahrheiten werden heute auch im katholischen Raum heftig angegriffen bzw. symbolistisch umgedeutet. Ein typisches Beispiel ist hier Eugen Drewermann, für den der Leichnam Jesu im Grab verfault ist und der die Jungfräulichkeit Mariens für unmöglich erklärt.3 Verantwortlich für dergleiche Thesen sind nicht neue exegetische Erkenntnisse, sondern die philosophischen Vorgaben der Bultmann-Schule, die wiederum auf das deistische Weltbild der Aufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgehen: Gott als der Uhrmacher, der zwar im Anfang das Weltengetriebe geschaffen hat, aber dann nicht mehr einwirkt. Das Wunder als unmittelbares Einwirken Gottes wird dabei auf mehr oder weniger subtile Weise philosophisch ausgeschaltet.4

219a Ein solches Weltbild ist allerdings nur zu halten bei einer totalen Ausblendung der konkreten Erfahrung mit den Heiligen, in deren Leben oder auf deren Fürbitte hin es an übernatürlichen Manifestationen nicht mangelt. Jedes Ereignis, das offensichtlich die natürlichen Kräfte übersteigt und zugleich eine intelligente Struktur besitzt, ist geeignet, den Deismus geistig zu Fall zu bringen.5 Doch die geistige Isolation gerade auch theologischer Kreise gegenüber dem Wunder ist fast vollkommen: das Leben der Heiligen oder auch die Marienerscheinungen kommen im akademisch-theologischen Betrieb praktisch nicht vor.6 Nur bei einem solchen Erfahrungsverlust ist verständlich, daß ein Teil der deutschen katholischen Universitätstheologie heute Positionen vertritt, wie man sie geistesgeschichtlich eher im liberalen Protestantismus am Ende des letzten Jahrhunderts vermuten würde. (Fs) (notabene)

219b Gegenüber einem offenen oder latenten Deismus ist die Jungfräulichkeit Mariens ein heilsames Zeichen für die leibliche Konkretheit des Glaubens. Gewiß zeigt sich hierin auch die Geheimnishaftigkeit des Geschehens, das sich einem platten Rationalismus verschließt. Die Jungfräulichkeit Mariens ist dabei stets zu sehen in ihrem ganzheitlichen Zusammenhang: Sie ist Zeichen für die Initiative Gottes, der mit seinem schöpferischen Wirken einen neuen Anfang setzt; ein neuer Anfang, der nicht ableitbar ist aus dem Menschlichen. Ein solcher Neuanfang ist angemessen als Zeichen für die Gottheit Jesu. Der hl. Athanasius erklärt etwa: "Die Geburt aus der Jungfrau ist der sichtbarste Beweis für die Gottheit des Sohnes."7 Und umgekehrt ist die Leugnung der Jungfrauengeburt ein deutliches Indiz dafür, daß der Glaube an die Gottheit Jesu entweder fehlt oder zumindest dabei ist, Schiffbruch zu erleiden. (Fs)

220a Der jungfräuliche Lebensursprung Jesu als Zeichen der göttlichen Initiative ist für die Väter ein Vorbild der Taufe, die das Menschsein über sich selbst hinaushebt durch die Teilnahme am Leben Gottes. Der Realismus im leiblichen Bereich entspricht dem Realismus im Kraftfeld der Gnade, die den Menschen innerlich umformt zu einer neuen Schöpfung. In diesem Sinne spricht etwa Tertullian, wenn er betont: "Auf eine neue Art mußte derjenige geboren werden, welcher der Urheber einer neuen Geburt werden sollte."8

220b "Für Maria selbst besagt ihre Jungfräulichkeit, weit über den biologischen Tatbestand hinausreichend, die Haltung exklusiver Hingabe an Gott in Jesus Christus, die durch kein zweites, ähnliches Verhältnis zu einem Menschen abgelenkt sein sollte. Marias Jungfräulichkeit ist das Stigma und Zeichen jener vollkommenen Haltung der Empfänglichkeit, die die Menschheit und jeder einzelne in ihr gegenüber der Gnade Gottes bezeugen und besitzen sollte."9 Ohne das leibliche Moment, so betont René Laurentin, wäre "Maria nicht mehr die Jungfrau schlechthin, die Ikone der Jungfräulichkeit und (nach der tiefen Auffassung der Väter) die vollkommene Ikone des Glaubens, der die Seele der Jungfräulichkeit ist."10

221a Analog zur Jungfräulichkeit Mariens ist die Bezeichnung der Kirche als "Jungfrau" zu sehen. Das Konzil umschreibt die Jungfräulichkeit der Kirche als Bewahrung der Treue mit unversehrtem Glauben, fester Hoffnung und aufrichtiger Liebe.11
"Jungfräulichkeit" in einem weiteren Sinne ist von allen Christen zu leben, auch von den Verheirateten. Freilich ist dabei wichtig, daß der Stand der Jungfräulichkeit in der Kirche lebendig präsent ist. "Die Kirche bedarf wegen ihres geistigen marianischen Gepräges Menschen ..., die Jungfräulichkeit auch im Sinne einer konkreten Lebensform verwirklichen. Sonst wäre die Kirche nicht real-marianisch strukturiert."12

221b Wo die Lebensform der Jungfräulichkeit nicht mehr lebendig ist, wo ein Kampf geführt wird gegen den priesterlichen Zölibat - eine solche Situation ist ein Alarmzeichen. Denn hier kündigt sich letztlich das Unverständnis für die Transzendenz an, für den Einbruch Gottes in diese Welt, für die Inkarnation, deren personales Zeichen die Jungfrau Maria ist. (Fs) (notabene)

221c Der geistige und symbolhafte Zusammenhang, in den die Jungfräulichkeit Mariens einzuordnen ist, darf nicht ausgespielt werden gegen das leibliche Faktum, das zur personalen Prägung Mariens hinzugehört. Maria ist Dienerin des Heils nicht nur für eine begrenzte Periode, sie ist keine "Jungfrau auf Zeit", sondern "allzeit Jungfrau". "Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leib oder seine negative Sicht, die Aufteilung des Menschen ins Geistige (als dem 'eigentlichen Menschen') und ins Leibliche (Biologische), kennzeichnet die Gnosis. Gerade diese hat deshalb im Altertum die Vaterschaft Josefs vertreten. Maria war jungfräulich dem Geiste und dem Leib nach, ganz-menschlich, im Sinn einer integrativen Anthropologie."13

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Tradition und Lehramt; Reifung des Glaubensbewußtseins; orthodoxe Theologie (unbefleckte Empfängnis; Aufnahme in den Himmel)


Kurzinhalt: Weder das Bekenntnis zur "Gottesmutter" und noch weniger die bleibende Jungfräulichkeit Mariens kann rein "historisch-kritisch" aus dem Neuen Testament abgeleitet werden.

Textausschnitt: 3. Die Mariengestalt als Hinweis auf das Gewicht von Tradition und Lehramt

222a In der Konkretisierung des Glaubens an die Jungfräulichkeit Mariens zeigt sich, wie schon beim Titel der "Gottesgebärerin", die Bedeutung der Überlieferung der Kirche, die wie Maria das Wort Gottes in ihrem Herzen bewegt und in seiner inhaltlichen Fassung verdeutlicht. Weder das Bekenntnis zur "Gottesmutter" und noch weniger die bleibende Jungfräulichkeit Mariens kann rein "historisch-kritisch" aus dem Neuen Testament abgeleitet werden. Sicherlich finden wir im Neuen Testament genügend Hinweise, die den Titel der "Gottesgebärerin" nahelegen. Aber um hier den "Punkt" zu machen, war das Konzil von Ephesus notwendig. Gewiß läßt sich die Jungfrauengeburt mit guten historischen Gründen etwa gegen die Annahme einer mythologischen Erklärung verteidigen. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß die sog. "Brüder Jesu" keine leiblichen Kinder Mariens sind. Aber die bleibende Jungfräulichkeit Mariens, die auch die Geburt umfaßt, setzt eine ganzheitliche Betrachtung der Mariengestalt voraus, eine innige Verbindung von leiblicher und geistiger Jungfräulichkeit. Die Gewähr für die Richtigkeit dieses Glaubens bietet uns nicht die "Schrift allein", sondern nur die verbindliche Deutung des Wortes Gottes durch die Kirche in der Tradition der ersten Jahrhunderte. Dieser verbindlichen Deutung begegnen wir auch heute in den Äußerungen des Lehramts, z. B. im "Katechismus der Katholischen Kirche."1

223a Das gleiche gilt erst recht für die Dogmen der Unbefleckten Empfängnis Mariens und ihrer leiblichen Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit. Hier bedurfte es einer jahrhundertelangen Reifung des Glaubensbewußtseins, bis 1854 und 1950 die formelle Definition erfolgte. Gerade die beiden letzten Mariendogmen zeigen mit aller Deutlichkeit, wie konkret das "marianische" und das "petrinische" Prinzip in der Kirche verbunden sind: der Petrusdienst klärt den Bereich des Marianischen. (Fs)

223b Wo dieser Dienst fehlt, läuft selbst ein Teil des altkirchlich formulierten Glaubens (wie die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel) Gefahr, zum Bereich der frommen Poesie gerechnet zu werden. So wird in der Orthodoxen Theologie zwar Maria als die "ganz Heilige" (Panhagia) gepriesen, aber in aller Regel die Unbefleckte Empfängnis abgelehnt und eine Reinigung Mariens bei der Verkündigung angenommen. Die von der Liturgie bekannte leibliche Aufnahme Mariens wird von einem Teil der orthodoxen Theologen geglaubt, während andere von einer dichterischen oder frommen Erfindung ausgehen bzw. allenfalls von einer theologischen Meinung sprechen.2 Selbst im katholischen "Marienlexikon" kommt ein orthodoxer Theologe zu Wort, der die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel als "symbolisch und erbaulich" versteht, Produkt einer legendären Überlieferung, die bestimmt sei "für das einfache Volk"3. René Laurentin hält es jedenfalls für erstaunlich, wie sehr die orthodoxe Theologie ihre eigenen Quellen außer Acht gelassen und sich protestantischem Denken geöffnet habe, sobald es um Maria gehe. Verantwortlich dafür sei der gemeinsame Widerstand gegen die päpstliche Unfehlbarkeit.4 (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

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Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Maria als personaler Kern der heiligen Kirche, Zeichen der Hoffnung; "Kirche der Sünder" - "sündige Kirche"; M. als Urbild der Kirche

Kurzinhalt: In Maria finden wir die einzige menschliche Person, in der die Erlösung durch Jesus Christus vollkommen zum Zuge gekommen ist ... Maria als heiler Kern der Kirche zeigt, daß die vollkommene Heiligkeit nicht nur als Ziel oder als Idee existiert.


Textausschnitt: 4. Maria als personaler Kern der heiligen Kirche

224a Daß Maria ohne Erbsünde empfangen und nie vom Makel der Sünde getrübt wurde, hat eine gewichtige Bedeutung für das Verständnis der Kirche. In Maria finden wir die einzige menschliche Person, in der die Erlösung durch Jesus Christus vollkommen zum Zuge gekommen ist, auch das Bewahrtsein vor der Erbsünde und das Freisein selbst von läßlichen Sünden. Maria ist die neue Eva, in der sich der paradiesische Ursprung erneuert und vollendet. In ihr finden wir den heilen Kern der Kirche, der von keinem Schatten der Sünde verdunkelt werden kann. (Fs)

224b Gäbe es Maria nicht, läge die Versuchung nahe (und manche Theologen haben ihr nachgegeben), die "Kirche der Sünder" als "sündige Kirche" zu erklären. Zweifellos besteht die Kirche aus Sündern und bedarf, wie das Konzil erklärt, stets der Reinigung, Buße und Erneuerung.1 Dennoch ist zu betonen, daß die konstituierenden Elemente, die die Kirche als Kirche begründen, als solche nicht pervertiert werden können (dazu gehören z. B. der Glaube, das sakramentale Leben und die hierarchische Struktur).2 In dem, was die Kirche als Kirche ausmacht, bleibt sie heilig. Und Maria als heiler Kern der Kirche zeigt, daß die vollkommene Heiligkeit nicht nur als Ziel oder als Idee existiert. In Maria, der ohne Sünde Empfangenen, begegnen wir der heiligen Kirche ganz konkret. Maria und Kirche befinden sich, wie Scheeben es formuliert, in Perichorese, in gegenseitiger Durchdringung.3

5. Die Vollendung Mariens als Zeichen der Hoffnung

225a Maria als die makellose Jungfrau und Gottesmutter ist das Urbild der Kirche. Zugleich stellt sie aber auch deren Fülle dar, deren Vollendung. Dies zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit in der leiblichen Aufnahme in den Himmel. Das endgültige Geschick der glorreichen Auferstehung, das wir für uns als Folge der Wiederkunft Christi erwarten, ist in Maria schon Gegenwart. Das Konzil schreibt: "Wie die Mutter Jesu, im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn (...) als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran."4

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Papsttum; Anfänge (drei Stufen); Mt 16,18 f.: Ideologisierung einer faktischen historischen Entwicklung?; altkirchliche "Communio ecclesiarum": sichtbare und feststellbare Gemeinschaft im Bekenntnis des einen Glaubens



Kurzinhalt: Der Primat hat seine Geschichte. Er war nicht von Anfang an "fertig da", sondern allenfalls embryonal, keimhaft. Er hat sich im wesentlichen bis zum 4-/5. Jahrhundert durch folgende Anfangsstufen herauskristallisiert.

Textausschnitt: 231a Der Primat hat seine Geschichte. Er war nicht von Anfang an "fertig da", sondern allenfalls embryonal, keimhaft. Er hat sich im wesentlichen bis zum 4-/5. Jahrhundert durch folgende Anfangsstufen herauskristallisiert1: Am Anfang steht eine allgemeine religiös-geistliche Bedeutsamkeit der römischen Kirche, verbunden mit einer erhöhten brüderlichen Verantwortung der römischen Kirche für andere Kirchen, nicht nur materiell-caritativ, sondern vor allem auch geistlich, freilich noch nicht verbunden mit juridisch faßbaren Rechten. Die zweite Stufe, etwa seit Ende des 2. Jahrhunderts feststellbar, ist Rom als Ort privilegierter Tradition (Parádosis): ihre Überlieferung hat im Zweifel besonderes Gewicht. Die dritte Stufe, die im 3. Jahrhundert langsam beginnt und im 4. und 5. deutlichere Gestalt annimmt, heißt: Rom ist Zentrum der kirchlichen "Communio". Bei tiefgreifenden Spaltungen, zumal dann, wenn auch das Bischofskollegium zerrissen ist und Bischöfe sich gegenseitig exkommunizieren, kommt es darauf an, mit Rom Gemeinschaft zu haben. Die Frage stellt sich natürlich: Wieweit ist diese historische Entwicklung notwendig? Sie stellt sich umso mehr, als das besondere Ansehen der römischen Gemeinde zwar, soweit wir blicken können, auf den Aposteln Petrus und Paulus und der Präsenz ihrer Gräber in Rom beruht, eine ausdrückliche Berufung der römischen Bischöfe auf die Petrus-Nachfolge im Sinne von Mt 16,18 f. jedoch erst nachträglich und relativ spät faßbar ist, am frühesten um die Mitte des 3. Jahrhunderts, deutlicher erst im 4. und 5. Jahrhundert. Der Einwand liegt nahe und wird oft genug erhoben, daß es sich somit um eine Ideologisierung einer faktischen historischen Entwicklung handele, die daher nicht für die ganze Kirche verbindlich sei und auch wieder rückgängig gemacht werden könne. Weshalb also ist diese Entwicklung zum Primat hin theologisch notwendig? Dies soll in drei Schritten belegt werden: (Fs) (notabene)
232a

1. Wenn üblicherweise immer wieder betont wird, die Kirche der ersten Jahrhunderte sei eine Communio gleichberechtigter Kirchen ohne Unterordnung gewesen, dann ist dies nur halb wahr, bzw. es wird dann leicht aus modern-liberaler Perspektive in diese "Communio" etwas hineingelesen, was ihr fremd ist: das im Grunde unverbindliche Nebeneinander, die "Autonomie". Die Vorstellung, daß auch in wesentlichen Fragen des Glaubens und der Kirchenordnung jede Kirche ihren eigenen Weg geht, widerspricht dem Grundprinzip altkirchlicher "Communio". Diese ist vielmehr eine höchst fordernde und verbindliche Wirklichkeit. Dazu gehört, daß Glaubensentscheidungen anderer Kirchen übernommen werden, daß Häretiker, die in bestimmten Kirchen verurteilt und ausgeschlossen wurden, nicht anderswo aufgenommen werden. Es ist wahr: feste Strukturen dieser "Communio" bilden sich erst langsam heraus. "Communio" ist aber nie "Autonomie". Zu ihr gehört immer schon die Dynamik zum Konkreten, Verbindlichen, auch schließlich zu festeren Strukturen, um über die Einzelkirche hinaus die gemeinsame Überlieferung festzustellen: Konzilien (zunächst regionaler Art), ferner "apostolische" Kirchen, die einen besonderen Rang für die Glaubensüberlieferung haben. Wenn man das Wesen der altkirchlichen "Communio ecclesiarum" nur im Negativen festmacht (etwa im Fehlen einer "Überordnung" Roms im späteren Sinne), verfehlt man gerade ihren tiefsten Sinn: nämlich die sichtbare und feststellbare Gemeinschaft im Bekenntnis des einen Glaubens und in den Sakramenten, vor allem der Eucharistie. (Fs) (notabene)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Papsttum; theologisch notwendige Entwicklung: Kanon der Heiligen Schrift, trinitarische Bekenntnisse - Bischofsamt vs, Gnosis; ein reiner "Episkopalismus": theologisch inkonsequent, praktisch unmöglich



Kurzinhalt: Ausbildung des Bischofsamtes am Ende des 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts in engstem Zusammenhang steht mit einer Reihe von anderen Entwicklungen und Fixierungen, die alle darauf hinauslaufen, daß ...

Textausschnitt: 233a
2. Nach dieser Vorbemerkung im ersten Schritt zunächst der Nachweis, daß das Bischofsamt, also die Letztverantwortung eines einzelnen Amtsträgers für die Ortskirche, keine bloß historisch-faktische, sondern eine theologisch notwendige und für die Kirche dauernd verbindliche Entwicklung ist. Als entscheidenden Grund dafür sehe ich an, daß die Ausbildung des Bischofsamtes am Ende des 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts in engstem Zusammenhang steht mit einer Reihe von anderen Entwicklungen und Fixierungen, die alle darauf hinauslaufen, daß sich die Kirche, um nicht in Gestaltlosigkeit zu zerfließen, auf Ordnungen, Strukturen und Formeln besinnt, die die Bedingungen ihrer geschichtlichen Dauer ausmachen. Dazu gehört die Grundstruktur der Liturgie, dazu gehören die (im wesentlichen identischen) trinitarischen Glaubensbekenntnisse, dazu gehört insbesondere die beginnende Festlegung und Fixierung des Kanons der heiligen Schriften des Neuen Testamentes, bzw. die Abgrenzung der echten Evangelien und sonstigen neutestamentlichen Schriften von den unechten ("apokryphen"). Dauert dieser Prozeß auch bei einigen Schriften (Hebräerbrief, Apokalypse) bis zum 4. Jahrhundert, so ist er doch für die meisten, vor allem für die Evangelien, schon im 2. Jahrhundert abgeschlossen. Gerade die Ausbildung des Bischofsamtes und des Kanons der Heiligen Schrift sind jedoch engstens miteinander verzahnt; im Grunde handelt es sich bei ihnen um zwei Seiten ein und derselben Grundentscheidung. In beiden Fällen geht es darum, gegen häretische Richtungen (vor allem der sog. "Gnosis")) die sich auf "Geheimtraditionen" oder esoterische "Erfahrungen" berufen, die verbindliche und wahre "Tradition" festzulegen, die öffentlich zugänglich und auch für den einfachen Christen erkennbar und nachprüfbar ist: in den anerkannten Schriften des Neuen Testamentes, im Bischofsamt als lebendigem Garanten und Wächter der Überlieferung, von den Aposteln aus in Handauflegung weitergegeben. Ist das eine konstitutiv für die Kirche, dann auch das andere; ist im einen die Kirche vom Heiligen Geist geleitet (wie der ganze bekenntnisgläubige Protestantismus voraussetzt), dann auch im andern. Dazu sind beide Prozesse viel zu sehr miteinander verzahnt und bilden gleichsam zwei Seiten derselben Medaille: Heilige Schrift und Bischofsamt, gleichsam ein Buch (besser: eine Büchersammlung) und lebendige Personen als Fixpunkte und Garanten der Überlieferung. Es ist die Urkunde und die lebendige Autorität, die diese auslegt. Beide allein wären unvollständig; mehr noch: beide allein (die Heilige Schrift ohne lebendiges Lehramt oder ein Lehramt ohne Bindung an die Schrift) würden zu Instanzen der Willkür. (Fs) (notabene)

234a
3. Damit sind wir bei der bleibenden Notwendigkeit des Bischofsamtes für die Kirche. Diese Notwendigkeit erkennen mit uns alle "Episkopalkirchen" an, d.h. die Orthodoxen, Anglikaner und auch die nordeuropäischen Lutheraner. Die weitere Argumentation will aufzeigen, daß ein reiner "Episkopalismus" theologisch inkonsequent und praktisch unmöglich ist:
234b Er ist theologisch inkonsequent. Denn wenn die Ortskirche im Bischof ein Zentrum ihrer Einheit, ja den Stellvertreter Christi hat, der der Gemeinde gegenüber noch einmal (so sehr er zunächst in der Gemeinde steht) die Vollmacht Christi vertritt, dann ist nicht einzusehen, wieso die universale Kirche, die weltweite "Communio ecclesiarum" nicht auch ein "Centrum unitatis" hat, das ähnlich in der Vollmacht Christi handelt. Andernfalls wäre die "universale" Kirche nur die Summe von Einzel-(Orts)-Kirchen. Sie wäre im Grunde keine theologische Größe. Eine solche Hypostasierung der "Ortskirche" ist jedoch heute im Zeichen weltweiter Vernetzung und Kommunikation erst recht unvollziehbar. Was ist denn dieser "Ort"? In der Antike war es die Stadt (Polis, Civitas) als überschaubare Lebenswelt, als klar abgegrenzte Kommunikationseinheit. Schon die "Diözese" ist keine ursprüngliche "Ortskirche" mehr; sie erscheint dem normalen Christen mehr als Verwaltungseinheit. "Ort" ist ein sehr relativer Begriff, erst recht im Zeichen von Telephon, Fax und Internet. Kurz: Wenn die "Ortskirche" ein persönliches Einheitszentrum hat, mit verbindlichen Vollmachten ausgestattet, dann ist es inkonsequent, wenn die Universalkirche ein solches nicht besitzt. Was immer man gegen ein solches einwenden mag, könnte man auch gegen die Autorität des Bischofs anführen, ja mit erhöhtem Recht dann, wenn dieser keine höhere Autorität über sich hat. (Fs)

235a Ein reiner Episkopalismus im Sinne der Autonomie jedes Einzelbischofs ist auch praktisch unmöglich. Schon im 4. Jahrhundert zeigte sich, daß er nicht mehr möglich war und daß es hier nur folgende Alternativen gab: entweder Rom als Einheitsinstanz - oder kaiserliche Kirchenherrschaft - oder die Autonomie (Autokephalie) bestimmter Regionalkirchen (Patriarchate), wobei dann meist doch die kaiserliche Kirchenherrschaft das letzte Dach bildete.1 Faktisch gibt es auch fast nirgends einen reinen Episkopalismus ohne verbindliche Instanz über den Einzelbischof hinaus. Es gibt Patriarchalkirchen, National- oder Landeskirchen, die alle überbischöfliche Strukturen, aber eben nicht universalkirchlicher Art, kennen. (Fs) (notabene)

235b Letzten Endes liegt der theologische Sinn des Petrusamtes darin, daß es Garant und Zeichen der Verbindlichkeit des Wortes Gottes ist. In der äußeren Instanz, die mir unverwechselbar gegenübertritt, der ich nicht ausweichen und die ich nicht nach meinem Belieben gegen andere austauschen kann, wird deutlich, daß ich das Wort Gottes nicht nach meinen Bedürfnissen zurechtbiegen kann. Eine solche Autorität, wenn sie für die Gesamtkirche spricht, muß nun zwei Linien repräsentieren und vereinigen: die (zeitliche) Vertikale und die (räumliche) Horizontale, den Ursprung und die Verbindung mit den Aposteln über die Gegenwart hinaus, und die Universalität über regionale Eingrenzungen hinaus. Gerade das Petrusamt, auf Petrus und die römische Petrustradition (dazu aber auch noch auf Paulus als den universalen Völkerapostel) gegründet, ist die Verbindung beider Linien: des Apostolischen und des Universalen. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

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Stichwort: Papsttum; kirchenhistorisch dauernde Notwendigkeiten: Problem der Macht; "Kanon im Kanon"; Unmöglichkeit: absolute Klarheit der Tradition; Standort jenseits d. "Modernismus" und "Fundamentalismus"





Kurzinhalt: Gerade in Krisenzeiten ... gibt es gewöhnlich zwei entgegengesetzte Weisen, wie eine christliche Kirche sich ihrer Identität vergewissern kann: die (vereinfacht gesagt) "modernistische" und die "fundamentalistische".

Textausschnitt: 236a Ich möchte hier jedoch primär von bestimmten kirchenhistorischen Erfahrungen sprechen. Es sind wiederum solche, in denen sich mir nicht rein zeitbedingte, sondern dauernde Notwendigkeiten zu spiegeln scheinen. Ich nenne hier vier:

1. Im Primat hat die katholische Kirche das Problem der Macht nicht verdrängt, sondern auf es eine Antwort zu geben versucht, und zwar nicht nur eine rein pragmatisch-politische, sondern eine theologische aus Schrift und Tradition, vom neutestamentlichen Petrusbild und der römischen Petrustradition aus. Nun zeigt die geschichtliche Erfahrung, daß das Problem der Macht sich nicht verdrängen läßt. So oder so dringt es in den Raum der Kirche ein: Im ersten Jahrtausend in der Form der kaiserlichen Kirchenherrschaft, im zweiten im Nationalkirchentum der "autokephalen" orthodoxen Kirchen, in den Reformationskirchen im landesherrlichen Kirchenregiment, dann im neuzeitlichen Staatskirchentum, heute vielleicht in neuer Form in der Herrschaft einer säkularisierten Öffentlichkeit durch die Massenmedien. Wo man sich kirchlich-theologisch weigerte, in anderen Kategorien als denen des "Dienstes" oder der "Communio" zu denken, sind dafür andere geschichtliche Mächte eingebrochen. Sofort liegt dabei freilich der Einwand nahe, daß die Ausbildung dieses innerkirchlichen "Machtzentrums" oft in theologisch sehr fragwürdiger Weise in Analogie staatlicher Herrschaft, ja als Abbild des Staates erfolgt ist. Dies beginnt bereits in der Spätantike, und der zitierte Text der Leo-Predigt ist davon nicht ausgenommen: Rom als "Haupt der Welt" (Caput mundi), das der Welt die Gesetze gibt, prägt die überlieferte römische Petrusidee um; Gesetzgebung und Regierung lösen den Zentralbegriff des "Zeugnisses" ab. Aber selbst hier kann man sich fragen: Ist nicht vielleicht diese konkrete, zentralistische und mit Rechtsansprüchen überladene Gestalt des Primates innerhalb der konkreten "Kirche der Sünder" und auch der "sündigen Strukturen" ein notwendiger Preis für einen letztlich geistlichen Wert: daß nämlich die universale Kirche kein Abstraktum bildet, daß sie vielmehr eine konkrete, verbindliche und auch fordernde Wirklichkeit bleibt, die nicht in staatliche oder nationale Ordnungen eingefügt werden kann?

237a Wenn hier davon die Rede ist, daß das Problem der "Macht" nicht verdrängt wird, dann ist damit mehr gesagt, als daß es in der Kirche Ordnung, Recht und Vollmacht gibt. Macht hat mit realer Durchsetzbarkeit (wenn auch nicht unbedingt auf der Ebene der physischen Gewalt) zu tun. Es geht um die Frage, wie eine kirchliche Instanz beschaffen sein muß, um in den realen Belastungen der Geschichte und gegen starke Widerstände die kirchliche Einheit und den überlieferten Glauben zur Geltung zu bringen. Letzten Endes zeigt sich immer wieder in der Geschichte: Wenn es hart auf hart kommt, wenn aller Dialog und alles Diskutieren nicht weiterführt, wenn es gar darauf ankommt, Verfolgung und äußerem Druck standzuhalten, dann ist für die Kirche die elementare Frage, wo der Mittelpunkt der Einheit ist, an dem sie sich letztendlich orientiert, von dem sie um keinen Preis getrennt sein will und von dem her sie ihre Identität als Kirche Christi gewinnt: im Staat, in der eigenen Nation, in der Übereinstimmung mit einem bestimmten Zeitimpuls, oder in Rom. Natürlich ist diese Identität letzten Endes Christus selbst als der Gekreuzigte und Auferstandene. Aber es entspricht der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche, daß dies auch in einem greifbaren kirchlichen Zeichen sichtbar wird, das nicht identisch ist mit den Mächten dieser Welt und von ihnen unabhängig ist. (Fs) (notabene)

238a
2. Durch die Primatsstruktur hat die katholische Kirche eine besondere Chance, Stabilität und Tradition einerseits, Dynamik und Innovation andererseits miteinander zu verbinden. Gerade in Krisenzeiten, in denen die Identität des überlieferten Glaubens nicht mehr selbstverständlich ist, gibt es gewöhnlich zwei entgegengesetzte Weisen, wie eine christliche Kirche sich ihrer Identität vergewissern kann: die (vereinfacht gesagt) "modernistische" und die "fundamentalistische". Entweder findet man sie in möglichst reibungsloser Harmonie und Übereinstimmung mit den Wertvorstellungen und Bedürfnissen der Zeit. Oder man findet sie alleine in der eigenen Überlieferung. Das Problem ist jedoch, daß letztere, ob als Schrift oder Tradition, gar nicht die gewünschte eindeutige und einheitliche Größe darstellt. Sie ist vielfältig und widersprüchlich und darum, gerade in Momenten der Krise, selbst interpretationsbedürftig. Zwangsläufig kommt es dann zur Verengung: der Punkt, mit dem die Kirche steht und fällt, wird die buchstäblich genommene Heilige Schrift oder ein bestimmter "Kanon im Kanon", die mehr oder weniger unveränderlich zu bewahrende Tradition des ersten Jahrtausends oder auch die mit der "Kirche aller Zeiten" identifizierte Lehrtradition der nach-tridentinischen Zeit. Typisch ist dabei, daß die Tradition, faktisch auf einen Ausschnitt verengt, als absolut eindeutige Größe verstanden wird, die nicht mehr der Interpretation und Normierung durch das Lehramt bedarf. Der Mainzer Bischof Ketteier, auf dem 1. Vatikanischen Konzil Gegner der Definition der päpstlichen Lehrunfehlbarkeit, nach der Konzilsentscheidung ihr Verteidiger, vermerkte Anfang 1871 gegen die "Altkatholiken", die unter Berufung auf die "Tradition" die päpstliche Unfehlbarkeit als "Neuerung" verwarfen, zu Recht: "Die Behauptung der absoluten Klarheit der Tradition... steht eigentlich auf derselben Linie mit der reformatorischen Behauptung der absoluten Klarheit des Wortes Gottes."1 (Fs)

239a Für die katholische Kirche ist nun im Zweifelsfall das lebendige kirchliche Lehramt und hier wieder besonders die päpstliche Autorität dieser Punkt der Selbstvergewisserung der Identität. Dies aber ermöglicht wenigstens, einen Standpunkt jenseits von "Modernismus" und "Fundamentalismus" zu gewinnen, bzw. Stabilität und Dynamik, Beweglichkeit und Einheit, neue geschichtliche Schritte und Tradition miteinander zu verbinden, die schon im religionsgeschichtlichen Vergleich einmalig ist. Es ermöglicht, ein Verhältnis zur eigenen Tradition zu gewinnen, jenseits sowohl beliebiger Auswahl, die dann letztlich von der Moderne diktiert ist, wie fundamentalistischer Verengung. (Fs)

239b Ein herausragendes Beispiel ist das Zweite Vatikanum und die ihm nachfolgende Reform. Bei allen Krisen und Mängeln im einzelnen ist ein solcher Reformprozeß, wie er durch und infolge des Konzils erfolgt ist, gerade in einer so delikaten und heiklen Sache wie der Liturgie, in einer großen Gemeinschaft ohne Bruch der Einheit nur möglich, weil es das Papsttum als Einheitszentrum gibt. Dabei ist durchaus nicht in erster Linie entscheidend, wie oft oder wie autoritativ in einem solchen Prozeß das Papsttum eingreift. Auch wenn es sich manchmal zurückhält und eher einen konziliaren gesamtkirchlichen Entscheidungsprozeß fördert, wirkt es einfach dadurch, daß es da ist und den Weg der Gesamtkirche als richtig bestätigt. Dadurch gibt es der Kirche Sicherheit, daß dieser Weg kein Irrweg ist. Daß letzten Endes traditionalistische Abspaltungen wie die von Lefebvre nur eine sehr kümmerliche Anhängerschaft um sich sammeln können, hat darin seinen Grund, daß die meisten Katholiken in Krisensituationen dem Prinzip folgen "Ubi Petrus, ibi Ecclesia" (Wo Petrus, da ist die Kirche) und daher im Zweiten Vatikanum und dem von der ganzen Kirche gegangenen nachkonziliaren Reformprozeß nicht einen Abfall der Kirche von ihrer Tradition sehen können. Und dies sicher zu Recht. Man vertritt sicher keinen exzessiven Unfehlbarkeitsbegriff, wenn man sagt, daß eine Liturgie, die von der zuständigen kirchlichen Autorität und von Rom legitimiert und mit moralisch einstimmigem Konsens von der Gesamtkirche angenommen ist, jedenfalls nicht glaubensgefährdend oder das Wesen der Liturgie verratend sein kann. Wäre so etwas möglich, gerade in der Meßliturgie als der Herzmitte und dem innersten Geheimnis der Kirche, wüßte ich nicht, welchen Sinn dann noch die Unfehlbarkeit der Kirche hat. Dies heißt sicher nicht, daß der neue Meß-Ordo jeder Kritik entzogen ist, genauso wenig wie der alte, der ja deshalb auch reformierbar war. Man kann sich subjektiv in der alten Messe mehr zu Hause fühlen und sie deshalb wünschen. Aber die neue Form kann nicht ungültig, glaubensgefährdend und objektiv minderwertig sein. (Fs)

240a Ein anderer Aspekt, wo der Primat die Verbindung von Stabilität und Ordnung einerseits, Innovation und Dynamik andererseits ermöglicht, ist die Existenz der zentralen Orden, von den Bettelorden des 13. Jahrhunderts bis zu den Jesuiten und den neuzeitlichen sozial-caritativen und seelsorglichen Orden. Solche Orden, die nicht an einen Ort, sondern an die Weltkirche gebunden sind, sind jedoch institutionell nur durch das Papsttum möglich. Hier ermöglicht der Primat charismatische Dynamik und Offenheit auf die Zeitnotwendigkeiten hin, und zwar einfach als Institution, unabhängig davon, wie weitsichtig oder kurzsichtig die einzelnen Päpste sind. (Fs)

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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Papsttum; Primat: Ermöglichung konziliarer Entscheidungsfindung; Wertepriorität im äußersten Konfliktfall; Plausibilitäten für die eigene Sonderposition; Petrus: Fels - Versucher; Schwachheit d. Menschen - Geheimnis d. Kirche


Kurzinhalt: Die Verheißung schließt das Versagen und die Notwendigkeit der Zurechtweisung nicht aus. Aber Versagen und Zurechtweisung heben auch die Verheißung nicht auf.

Textausschnitt: 241a
3. Schließlich bedeutet gerade der Primat Ermöglichung gesamt-kirchlicher Kollegialität und konziliarer Entscheidungsfindung. Denn die geschichtliche Erfahrung zeigt, daß gesamtkirchliche Konzilien über den Rahmen eines Landes oder einer Region hinaus meist an einem persönlichen Einheitszentrum hängen. Allgemeine Konzilien haben in der Geschichte funktioniert, wenn entweder ein Papst oder ein Kaiser dahinterstand, für ihr Zustandekommen sorgte, tote Punkte überwand, schließlich nachher die Entscheidung trug und zielstrebig zu ihnen stand - oder sie haben nicht funktioniert. Bezeichnend ist u.a., daß die orthodoxe Kirche nach der Trennung kein panorthodoxes Konzil mehr feierte. Konzilien hängen wesentlich an einem solchen Einheitszentrum. Diese Funktion teilt freilich das Papsttum im ersten Jahrtausend mit dem Kaisertum, bzw. sie kommt eher letzterem zu. Aber schon sehr früh, im Grunde seit dem 4. Jahrhundert, erfüllt hier Rom eine äußerst wichtige Funktion. Sie besteht weder in der Leitung noch in der Einberufung, sondern in etwas anderem: in der Sorge für Kontinuität und eine klare Legitimitätslinie. D.h.: einmal anerkannte Konzilien werden um jeden Preis festgehalten und gegen alle nachträgliche Abschwächung und Infragestellung verteidigt; einmal zurückgewiesene bleiben abgelehnt. Dies war nicht selbstverständlich, weil Konzilien als solche eine zwar sehr lebendige, aber auch chaotische und sehr wenig verläßliche Institution darstellten: Ständig annullierten sie sich gegenseitig, produzierten neue Glaubensformeln, wodurch die früheren überholt wurden. Es war hier langfristig äußerst wichtig, daß Rom wie keine andere Institution Stabilität und Kontinuität und letztlich Verläßlichkeit verkörperte, selbst wenn dies manchmal mit einer gewissen Sturheit und nicht immer mit genügend Einfühlungsvermögen in die diffizilen theologischen Probleme des Orients geschah. (Fs)

242a
4. Die historische Erfahrung zeigt, daß kirchliche Einheit durch Rom angesichts der realen geschichtlichen Belastungen dieser Einheit - gerade auch dann, wenn sie bedingt oder mitbedingt sind durch ein Fehlverhalten Roms selbst - nur funktionieren kann durch eine theologisch begründete Option für die Einheit. Dies ist hier näher auszuführen. Wir gehen davon aus, daß kirchliche Einheit immer wieder in der Geschichte in Spannung und manchmal in unlösbaren Konflikt mit anderen Werten tritt, die mit Pluralität, Eigenständigkeit der Ortskirchen oder auch "Inkulturation" umschrieben werden können. Das Bestreben, dem Glauben und kirchlichen Leben eine Gestalt zu geben, die von den Erfordernissen des Hier und Heute her als die überzeugendste und optimalste erscheint (in sich berechtigt und notwendig, zugleich aber auch immer in Gefahr einer allzu leichten "Anpassung"), läßt sich nicht immer harmonisch mit der gesamtkirchlichen Einheit und ihren oft "harten" Forderungen versöhnen. Die Gründe dafür können ebenso in Starrheit und Unverständnis der Zentrale wie in der Kurzsichtigkeit einer Ortskirche liegen, die vielleicht nicht sieht, daß sie drauf und dran ist, wesentliche christliche Werte oder Glaubensinhalte hintanzustellen, oder auch in historischen Grenzen des Verstehenkönnens, die nicht in moralischen Kategorien zu fassen sind. Für alle drei Fälle lassen sich genügend historische Beispiele nennen; meistens sind übrigens alle drei Momente miteinander verquickt. Und die Grenzen zwischen der "notwendigen" Einheit und der Pluralität im "Nicht-Notwendigen" sind selten eindeutig bestimmbar, sondern meist sehr unscharf. Die harte Frage nach der Wertepriorität im äußersten Konfliktfall ist daher auf die Dauer unumgänglich. Wenn ein (selbst vielleicht in sich berechtigtes) Beharren einer Kirche auf dem eigenen Weg zum Abbruch der Communio mit den übrigen Kirchen und mit dem "Centrum unitatis" fuhrt, welcher Wert hat dann im äußersten Konfliktfall den Vorrang? Diese Frage ist um so mehr unumgänglich, als ein Ausweichen vor ihr de facto in den Konsequenzen auch eine eindeutige Antwort bedeutet. Sucht man ihr nämlich auszuweichen, indem man sagt, man könne eine solche Antwort nur jeweils von Fall zu Fall angesichts der anstehenden Probleme geben, so bedeutet dies de facto in wirklich harten Konflikten eine Wertepriorität gegen die Einheit und für die Vielheit, weil in solchen Konflikten zunächst einmal alle Plausibilitäten für die eigene Sonderposition sprechen. Hinzu kommt, daß man sich nur bei einer solchen hart gestellten Frage nach der Priorität im äußersten Konfliktfall nicht bloß an einem platonischen Ideal kirchlicher Einheit (oder eines immer nur "im Geiste des Evangeliums" ausgeübten Papstamtes) orientiert, sondern an der sehr unromantischen, harten und konfliktreichen Wirklichkeit kirchlicher Communio als Sich-ertragen sündiger Menschen. Der Traum eines "Papa angelicus" führt im Spätmittelalter wie heute nur weg von der Realität. Auch das Petrusamt kann nur als immer auch sündiges angenommen werden. (Fs)

243a In diesem Sinne hat das Verständnis katholischer Einheit als konkrete Einheit mit der römischen Kirche, speziell in der Fassung des Jurisdiktionsprimats des 1. Vatikanums, den Sinn einer eindeutigen Option für die Einheit. Will man aber grundsätzlich eine Einheit, die nicht nur "im Geiste", sondern in der tatsächlichen Gemeinschaft und gegenseitigen Anerkennung besteht, dann erscheint schon von der historischen Erfahrung her eine Prioritäten-Option für die Einheit sinnvoll. Denn nur eine solche klare Option blickt den realen historischen Belastungen der Einheit ins Angesicht und ist nicht bloß an einem Ideal christlicher Einheit orientiert. Sie macht auch damit ernst, daß eine solche Einheit ihren Preis hat. Sie hat nicht nur Vorteile, sondern auch Kehrseiten. Die Frage freilich, was von beiden schwerer wiegt, kann nicht durch bloßes Abwägen beantwortet werden, erst recht nicht durch subjektive Optionen. Hier stellt sich vielmehr zunächst die Frage, welchen glaubensmäßigen Stellenwert konkrete kirchliche Einheit hat. Vom christlichen Glauben her aber empfängt eine solche Option ihren Sinn daher, daß sie die ekklesiologische Form des Glaubens an die unbedingte Treue Gottes zu seinem Volk in der Kreuzeshingabe Christi ist. Sie macht damit ernst, daß Gott seine Kirche nie verläßt und daß diese Kirche, entsprechend der sichtbaren Ordnung der Inkarnation, konkret festzumachen ist: eben als Gemeinschaft mit dem Sitz Petri. Es geht hier um den Glauben an die Treue Gottes auch in allen Sünden der Menschen, und dies in kirchlicher Konkretheit. (Fs)

244a Ich habe schon betont, daß das Petrusamt nicht bloß als Idealgestalt, sondern immer auch als sündiges akzeptiert werden muß. Petrus selbst ist in den Evangelien keine Idealgestalt, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Vorzügen und Schwächen, bereit und offen, aber auch immer wieder mißverstehend und versagend. Auf sein Christusbekenntnis und die darauffolgende Verheißung Jesu (Mt 16,16-19) folgt sein Unverständnis gegenüber der Leidensweissagung Jesu und die darauffolgende Zurechtweisung durch Jesus (V. 22 f.). Der Petrus der Verheißung und der Zurechtweisung. Einmal ist Petrus der "Fels", dann ist er der "Versucher", weil er den Herrn überlegen "beiseite" zu nehmen sucht und besser den Willen Gottes zu kennen meint als Jesus selbst. Einmal erklärt Jesus ihm, daß "nicht Fleisch und Blut" ihm sein Bekenntnis geoffenbart haben, sondern der Vater im Himmel; dann wiederum denkt er "nicht Gottes Gedanken, sondern menschlich". Und beides zusammen macht die Realität des Papstamtes in der Geschichte aus: der Petrus, der gegen alle Modeströmungen "der Menschen" den unverkürzten Glauben an Jesus Christus und seine Offenbarung bekennt und hochhält - und ebenso der Petrus, der "mißversteht", der den Weg des Kreuzes nicht akzeptiert und in irgendeiner noch so sublimen Weise seinen Auftrag als irdische Macht und die Verheißung als bruchlose Selbstbestätigung mißversteht. Die Geschichte des Papsttums ist weder eine bloße Ruhmesgeschichte noch eine einseitige Skandalgeschichte. Die andere, dunkle Seite gehört dazu. Wir sollen nicht einseitig auf sie starren, aber wir brauchen sie auch nicht zu verdrängen. (Fs)

245a Und weil das Petrusamt immer "menschlich" ausgeübt wird, ist es auch in seiner Gestalt immer korrektur- und reformbedürftig, wie nicht zuletzt Johannes Paul II. in seiner Ökumenismus-Enzyklika "Ut ommes unum sint" anerkannt hat. Hier wäre manches zu sagen, was ich an anderer Stelle ausgeführt habe.1 Falsch und trügerisch wäre es jedoch, das Ja zum Papstamt von diesen Reformen abhängig zu machen. Und es wäre auch ein Mißverständnis, "Verheißung" und "Zurechtweisung", den Jesus "bekennenden" und "mißverstehenden" Petrus einfach nur dialektisch nebeneinanderzustellen (was in der Konsequenz leicht bedeutet: der Petrus, der mir nicht paßt oder Unpopuläres verkündet, ist der Petrus des "Mißverständnisses" - es könnte in Wirklichkeit genau umgekehrt sein!). (Fs)

245b Wie verhält sich nun beides zueinander? Die Verheißung schließt das Versagen und die Notwendigkeit der Zurechtweisung nicht aus. Aber Versagen und Zurechtweisung heben auch die Verheißung nicht auf. Wohl tragen sie dazu bei, die Verheißung in ihrem wahren Licht erscheinen zu lassen: nicht als menschlicher Ruhm und Bestätigung einer Institution, die es immer richtig gemacht hat, sondern als Geheimnis der Erwählung unvollkommener Menschen, als Gottes Kraft in menschlicher Schwachheit. In dem schwachen Petrus, der immer wieder seinen Herrn mißversteht, der ihn gar dreimal verleugnet, der aber dennoch zum Fels erwählt wird, wird deutlich, was es mit dem Papsttum auf sich hat. Christus selbst ist das unerhörte Wagnis eingegangen, auf diesen immer wieder auch versagenden Petrus seine Kirche zu bauen, jemanden zum Felsen zu erwählen, auf den rein menschlich kein Verlaß ist, damit umso deutlicher wird, daß Er alleine der Fels ist. Und dies gerade nicht, damit wir mit Fingern auf Petrus (oder das Papsttum) zeigen, um uns irgendwie besser zu dünken oder gar in der Rolle von "Propheten" zu gefallen, die von vornherein besser die Zeichen der Zeit erkennen. Dies wäre gerade mißverstanden. Niemand kann auf "Petrus" herabsehen. In seinem Versagen und seiner "Schwachheit" spitzt sich nur das Geheimnis der Kirche zu: daß Gott schwache und sündige Menschen wie uns zu Instrumenten Seines Heiles erwählt. In diesem Petrus hat der Herr ein Amt der Einheit für die Kirche geschaffen, nicht damit wir auf Menschen vertrauen, am wenigsten damit wir auf das Papsttum vertrauen, sondern damit wir gerade so alleine auf IHN vertrauen. Ablehnung jeder äußeren Autorität, unter dem hehren Schein, so auf Gott allein zu vertrauen, ohne etwas in der Hand zu haben - dies kann leicht wieder eine sublime Form des bloßen Selbstvertrauens in die eigene Einsicht sein. In dem Angewiesensein auf einen andern, auf eine äußere Instanz, kommt in der Kirche zum Ausdruck, daß wir nicht über das Heil und die Wahrheit Gottes verfügen. Und daß auch die Päpste unvollkommene, gebrechliche Menschen und nicht "Übermenschen" sind, bedeutet, daß wir gerade in der Treue zum Papsttum auf Gott allein vertrauen. (E10, 07.12.2010)

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