Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Christentum, Kirche - Mittelalter (Sklaverei, Armut); Irrtum des sekundären Christentums Kurzinhalt: Man beurteilt die Religion nach ihren sekundären und untergeordneten Auswirkungen in zivilisatorischer Hinsicht, gibt diesen primäre Bedeutung und stellt sie über die der Religion eigentümliche, auf das Jenseits bezogene Wirksamkeit. Textausschnitt: 3. Der Irrtum des sekundären Christentums
3a Aufgrund dieses wechselhaften Charakters kann denjenigen nicht beigepflichtet werden, die bestreiten, daß es Zeitabschnitte gab, wo die Kirche die Welt besser durchdrang als in anderen und das Christentum größeren Erfolg hatte, d.h. der ihm eigenen Wirkungsweise besser Folge leistete. Dazu gehörten sicherlich die Zeiten der mittelalterlichen Christenheit im Vergleich gerade zur modernen Epoche. Wer das Vorhandensein solcher hervorragenden Jahrhunderte leugnet, stützt sich vor allem auf den Fortbestand, heute wie damals, von Kriegen, Sklaverei, Unterdrückung der Armen, Hunger und Unwissenheit, die alle als unvereinbar mit der Religion angesehen werden, ja sogar als Beweise für ihre Wirkungslosigkeit. Da das Menschengeschlecht diese Makel nach wie vor an sich habe, sei es durch das Christentum offenbar weder erlöst worden noch erlösbar. Diese Meinung dürfte jedoch dem Irrtum unterliegen, den wir »sekundäres Christentum« nennen: Man beurteilt die Religion nach ihren sekundären und untergeordneten Auswirkungen in zivilisatorischer Hinsicht, gibt diesen primäre Bedeutung und stellt sie über die der Religion eigentümliche, auf das Jenseits bezogene Wirksamkeit. Hier macht sich genau jener Zivilisations- und Fortschrittsbegriff bemerkbar, der später behandelt wird (§§ 207-208 und 218-220). (Fs) (notabene)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirche: 2. Das Leugnen der Krise
Kurzinhalt: Textausschnitt: 2. Das Leugnen der Krise
2b Einige Autoren verneinen die Existenz oder die Besonderheit der gegenwärtigen Verwirrung in der Kirche1. Sie führen sie einfach auf die Zweiheit und den Widerstreit zwischen Kirche und Welt sowie zwischen dem Reich Gottes und dem Reich des Menschen zurück, einen Widerstreit, der mit dem Wesen der Welt und dem der Kirche zusammenhänge. Aber diese Leugnung erscheint uns unzulänglich, denn der wesenhafte Gegensatz besteht nicht etwa zwischen Evangelium und Welt, verstanden als Gesamtheit der Geschöpfe, der Christus das Heil bereitet, sondern zwischen Evangelium und Welt, wofern diese im Bösen liegt (I. Joh. 5,19), von der Sünde befallen und ihr zugewandt ist, der Welt, für die Christus nicht bittet (Joh. 17,9). Dieser wesenhafte Gegensatz kann in dem Maße geringer oder stärker werden, als die Welt in ihrer Gesamtheit weniger oder mehr mit der Welt des Bösen übereinstimmt, doch sollte man niemals den Unterschied vergessen und niemals einen Gegensatz für wesenhaft halten, der, in Ausmaß und Stärke wechselhaft, nur akzidentell ist.
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirche: Krise durch mangelnde Anpassung (aggiornamento); Kondeszendenz; Anpassung - Widerspruch - höhere Bestimmung
Kurzinhalt: Allerdings besteht die der Kirche wesensgemäße Angleichung nicht darin, mit der Welt übereinzustimmen, .... sondern darin, daß sie ihren Widerspruch zur Welt auf die je verschiedenen historischen Zusammenhänge einstimmt und ... Textausschnitt: 4. Krise durch mangelnde Anpassung
3b Noch verbreiteter ist das Urteil, wonach die Krise der Kirche auf der fehlenden Anpassung an die fortschreitende moderne Kultur und Zivilisation beruhe und die Überwindung der Krise durch eine Öffnung oder nach dem Motto Johannes' XXIII. - ein aggiornamento - eine »Verheutigung« - des Geistes der Religion zu erstreben sei, der auf diese Weise veranlaßt wird, im Einklang mit dem Zeitgeist zu wehen. (Fs)
3c Dazu ist der Hinweis geboten, daß es der Kirche von ihrer Natur her gegeben ist, die Welt zu durchdringen. Sie, Sauerteig für die Welt (Lk. 13,21), schritt, wie die Geschichte zeigt, zur Einvernahme aller Bereiche des irdischen Lebens. Schrieb sie nicht sogar den Kalender und die Speisen vor? Diese Einvernahme ist so weit gegangen, daß man die Kirche anklagt, sie habe über die weltliche Sphäre widerrechtlich Macht ergriffen, und man sich für die Notwendigkeit stark macht, daß sie sich gewissermaßen läutere und davon lossage. In Wirklichkeit ist die Angleichung der Kirche in der Welt ein Gesetz der Religion, die einen aus Kondeszendenz Mensch gewordenen Gott verkündet. Sie ist auch ein Gesetz der Geschichte, die die bald zu-, bald abnehmende, doch stets erfolgende Beschäftigung der Kirche mit den Dingen der Welt zeigt. Allerdings besteht die der Kirche wesensgemäße Angleichung nicht darin, mit der Welt übereinzustimmen, siehe Röm. 12, 2: »werdet dieser Welt nicht gleichförmig«, sondern darin, daß sie ihren Widerspruch zur Welt auf die je verschiedenen historischen Zusammenhänge einstimmt und jenen wesensgemäßen Widerspruch abwandelt, ohne ihn aufzugeben. Dementsprechend entfaltete das Christentum gegenüber dem Heidentum eine diesem entgegengesetzte Wirkkraft, verwarf es doch Vielgötterei, Götzendienst, Knechtung durch die Sinne, Ruhmsucht, Größenwahn, und erhob es doch letztendlich alles Irdische auf ein an Gott orientiertes, von der Antike ungeahntes Ziel hin. Dennoch lebten die Christen, wenn sie diesen Gegensatz zur Welt in die Tat umsetzten, in der Welt wie Wesen, die auch eine irdische Bestimmung haben. Nach Aussage des Diognetbriefes waren sie in allen Lebensgewohnheiten von den Heiden nicht zu unterscheiden1.
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirche: Leugnung der Krise; Unterschied: absolute, ordentliche Potenz Kurzinhalt: Es fehlt nicht an Leuten, allerdings sind es wenige, die die gegenwärtige Verwirrung in der Kirche verneinen, und an solchen, die diesen Zeitabschnitt geradezu als einen der Erneuerung und Blüte betrachten. Textausschnitt: 6. Das Leugnen der Krise. Weitere Überlegungen
5c Es fehlt nicht an Leuten, allerdings sind es wenige, die die gegenwärtige Verwirrung in der Kirche verneinen, und an solchen, die diesen Zeitabschnitt geradezu als einen der Erneuerung und Blüte betrachten. Die Leugnung der Krise könnte sich auf einige Ansprachen Pauls VI. stützen, die aber von mindestens ebensovielen Worten, die nach dem Gegenteil klingen, ausgeglichen und in den Schatten gestellt werden. Ein einzigartiges Dokument päpstlichen Denkens ist die Rede vom 22. Februar 19701. Der Papst gibt zunächst zu, daß der Glaube Rückschläge erleide, um dann zu versichern, es sei jedoch »ein Fehler, beim menschlichen und soziologischen Aspekt zu verweilen, weil die Begegnung mit Gott sich aus Prozessen ergeben kann, die über rein wissenschaftliche Erwägungen hinausgehen: Die Zukunft liegt außerhalb jeder unserer Vorkehrungen«. Anscheinend wird hier das Wirken Gottes aus absoluter Potenz, wie die Theologen es bezeichnen, mit seinem Wirken aus ordentlicher Potenz, d.h. innerhalb der von ihm nach freiem Ratschluß gestifteten und real existierenden Natur- und Heilsordnung, verwechselt2. Aufgrund dieser Verwechslung wird das Problem der Krise umgangen. Kommt nämlich die Idee von einer Tat ins Spiel, die Gott außerhalb der von ihm so gewollten Ordnung vollbrächte, wird es unmöglich zu beklagen, was in der Religion, sieht man sie geschichtlich, beklagenswert ist: eben die Krise. Daß »die Begegnung mit Gott trotz der Unempfänglichkeit für den Glauben geschehen könne«, ist sehr richtig, doch es tut nichts zur Sache. Wenn man das ins Auge faßt, wozu Gott aus absoluter Potenz fähig ist, geht man zur Thaumatologie über. Dann kann es so weit kommen, daß der Widerspruch außer acht gelassen und behauptet wird, wie es der Papst in einer anderen Ansprache tut: »...je weniger aufgeschlossen der moderne Mensch für das Übernatürliche ist, desto aufgeschlossener ist er«. Warum sollte er auch nicht, wenn man nur die absolute Potenz Gottes erwägt? (Fs) (notabene)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirche; Eingeständnis der Krise (Paul VI., Johannes Paul II; Ansprachen)
Kurzinhalt: ... »... die Öffnung zur Welt hat geradezu eine Invasion der Kirche durch weitläufiges Denken gezeitigt«. Diese Invasion nimmt der Kirche die Kraft zur Gegenwehr und bringt sie um ihren Eigencharakter. Textausschnitt: 6a In vielen Augenblicken, wo Paul VI. gegen das »loquimini nobis placentia« (Isai. 30,10)1 eingestellt war, faßte er den Niedergang der Religion in dramatische Wendungen. In der Ansprache vom 7. Dezember 1968 an das Lombardische Seminar in Rom sagte er: »Die Kirche befindet sich in einer unruhigen Stunde der Selbstkritik, oder besser gesagt, der Selbstzerstörung. Es ist wie eine heftige und komplexe Zerrüttung, die niemand nach dem Konzil erwartet hätte. Mit der Kirche ist es beinahe so weit, daß sie sich selbst angreift«. Ich halte mich nicht weiter auf mit der berühmten Rede vom 30. Juni 1972, in der der Papst bestätigte, er habe den Eindruck, »daß von irgendwoher der Rauch Satans in den Tempel Gottes eingedrungen sei«. »Auch in der Kirche«, fuhr er fort, »herrscht dieser zweifelhafte Zustand. Man glaubte, nach dem Konzil werde ein Sonnentag für die Geschichte der Kirche kommen. Gekommen ist dagegen ein Tag voller Wolken, Sturm und Finsternis«. In einem gleichermaßen berühmt gewordenen Passus sah der Papst den Grund für diesen allgemeinen Schaden im Handeln des Teufels, der Wirkkraft des Bösen, der ein Verderben stiftendes, personales Wesen ist. Somit brachte er seine geschichtliche Analyse insgesamt auf einen Nenner mit der rechtgläubigen Ätiologie. Diese erblickt gerade im Fürsten dieser Welt (»Welt« ist hier das Wort für den richtig verstandenen Gegensatz, vgl. § 2) nicht etwa nur eine Metapher für die rein menschliche Sünde und das Kantische radikal Böse, sondern ein personales Wesen, das unleugbar gegen den menschlichen Willen ankämpft und in ihm mitzuwirken sucht. Mit der Rede vom 18. Juli 1975 schritt der Papst dann von der Diagnose und Ätiologie zur Therapie dieses historisch zu nennenden Übelstands der Kirche und bewies, dabei, bestens erkannt zu haben, daß der innere Verfall die Kirche schlimmer heimsucht als der Ansturm von außen. Tief im Herzen bewegt, fordert er: »Schluß mit dem Hader im Innern der Kirche. Schluß damit, den Pluralismus in zersetzender Weise auszulegen. Schluß damit, daß die Katholiken selbst ihren unbedingt notwendigen Zusammenhalt zerstören. Schluß mit dem als Freiheit ausgegebenen Ungehorsam«. (Fs)
7a Der Irrweg wird auch von den Nachfolgern bezeugt. Johannes Paul II. schilderte anläßlich eines Treffens zum Thema Volksmission die Lage der Kirche wie folgt: »Man muß realistisch und mit tiefem Nachempfinden zugeben, daß heute zahlreiche Christen sich verloren, verwirrt, ratlos und sogar enttäuscht fühlen; mit vollen Händen sind Ideen ausgesät worden, die in Widerspruch zur offenbarten und seit jeher gelehrten Wahrheit stehen; es sind ausgesprochene Häresien im dogmatischen und moralischen Bereich verbreitet worden, was zu Zweifeln, Verwirrungen und Auflehnungen geführt hat; man hat die Liturgie manipuliert; eingetaucht in den intellektuellen und sittlichen »Relativismus« und somit in die Permissivität, werden die Christen vom Atheismus verführt, vom Agnostizismus, vom moralisch verschwommenen Aufklärertum, von einem soziologischen Christentum ohne definierte Dogmen und ohne objektive Moral« (OR 7. Februar 1981). (Fs)
[...]
9. Weitere Eingeständnisse der Krise
10a Die Seinsverfassung jedes Wesens entspricht seiner inneren Einheit, sei es ein Individuum im körperhaften Sinne, sei es eine Gesellschaft oder eine juristische Person. Wird der Organismus zerstückelt und zerrissen, geht das Individuum zugrunde und verwandelt sich in eine andere Substanz. Gehen die Überzeugungen und Bestrebungen der gesellschaftlich Zusammengeschlossenen auseinander und treten Spaltungen ein, dann ist es vorbei mit dem Zusammenwirken der einzelnen Glieder auf ein Ziel hin, und die Gemeinschaft geht zugrunde. So schädigt die innere Zerrissenheit auch im Falle der Kirche, die ohne Zweifel eine Gesellschaft ist, deren Einheit und folglich deren Seinsweise. Tatsächlich wird der Schaden an der Einheit in der Ansprache Pauls VI. vom 30. August 1973 weitgehend zugegeben, beklagt er doch »die Spaltung, die Zersetzung, die jetzt in nicht wenigen Bereichen der Kirche eingetreten ist«, und erklärt er doch ohne Umschweife: »... die Wiederherstellung der spirituellen und greifbaren Einheit im Innern der Kirche ist heute eines der ernstesten und dringendsten Probleme der Kirche«. Sodann, in der Ansprache vom 23. November 1973, spricht der Papst auch die Ursache der gewaltigen Verwirrung an und bekennt den eigentlichen Fehler, wenn er eingesteht: »... die Öffnung zur Welt hat geradezu eine Invasion der Kirche durch weitläufiges Denken gezeitigt«. Diese Invasion nimmt der Kirche die Kraft zur Gegenwehr und bringt sie um ihren Eigencharakter. Dramatisch in dieser Ansprache ist der Gebrauch des Personalpronomens in der ersten Person Plural, allerdings ohne eindeutigen Bezug. »Wir«, so sagt er, »sind vielleicht zu schwach und unbedacht gewesen«, usw. Meint er wir oder Wir?
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirche; Krise - positive Deutung: falsche Theodizee; das Üble bringt nichts Gutes hervor Kurzinhalt: ... der hl. Thomas von Aquin lehrt, daß »das nachfolgende Ereignis einen Akt, der gut war, nicht in einen bösen wandelt, noch einen Akt, der böse war, in einen guten« Textausschnitt: 10. Zur positiven Deutung der Krise. Falsche Theodizee
11a Der unberechtigte Optimismus im Hinblick auf den Glaubensverfall, die Apostasie der Gesellschaft, die Abwendung vom Gottesdienst und die Sittenverderbnis entspringt einer falschen Theodizee. Es heißt1, die Krise sei etwas Gutes, weil sie die Kirche zur Bewußtseinsnahme und Suche nach einer Lösung zwinge. In solchen Behauptungen ist einschlußweise die Leugnung des Übels nach Art des Pelagius enthalten. Wenn es stimmt, daß die Übel Anlaß zu guten Dingen geben, so bleiben sie dennoch, um es zu unterstreichen, Übel und verursachen als solche keinerlei Gutes. Heilung ist unleugbar etwas Gutes, gemessen an der Krankheit, und durch diese bedingt, aber sie ist weder ein der Krankheit innewohnendes Gutes, noch hat sie in dieser ihre Ursache. (Fs)
11b Die katholische Philosophie hat die Dinge niemals derart verwechselt, und der hl. Thomas von Aquin lehrt, daß »das nachfolgende Ereignis einen Akt, der gut war, nicht in einen bösen wandelt, noch einen Akt, der böse war, in einen guten«2. Nur mit der Geisteshaltung des Circiterismus, typisch für unser Jahrhundert, kann man die Krise positiv einschätzen und an gute Ereignisse denken, die bald daraus hervorgehen würden. Letztere sind, wie es der hl. Thomas von Aquin scharfsinnig ausdrückt, eben keine Auswirkungen des Übels, zu dem lediglich Mängel gehören, sondern bloß Ereignisse. In ihnen sind andere Ursachen als das Übel wirksam geworden. Die Ursachen für eventuelle gute Folgeerscheinungen der Krise stehen in keinem Kausalkonnex mit der Krise, die bloß Krise ist, sondern in einem anderen Kausalitätsverhältnis. (Fs)
11c Hier ist offensichtlich die gesamte Metaphysik des Übels mitbetroffen, in die wir nicht weiter vordringen wollen. Es ist allerdings wichtig, im Gegensatz zu jenem unberechtigten Optimismus folgendes zu betonen: Verbinden sich mit der Krise gnadenvolle Ereignisse, wie z.B. mit der Verfolgung das Martyrium, dem Leid die Lektion (Aischylos), der Prüfung reichlicherer Lohn, der Häresie die Klärung der Wahrheit, so ist das Ereignis keine Auswirkung des Übels, sondern eine Ausweitung des Guten, die das Übel von sich aus nicht vollbringen kann1. Mißt man der Krise Gutes bei, das sich ja außerhalb der Krise befindet und aus etwas anderem hervorgeht, dann liegt dem ein unzulänglicher Begriff von der Ordnung der Vorsehung zugrunde. In dieser Ordnung verharren nämlich Gutes und Übel bei der ihnen jeweils innewohnenden Essenz (Sein und Nichtsein, Effizienz und Defizienz), gelangen aber in ein Gesamtgefüge der Gutheit. Gut ist das Gesamtgefüge, nicht die dort hinein gelangenden Übel, obwohl man sie in diesem Falle katachrestisch gute Übel nennen könnte, wie es Niccolò Tommaseo getan hat. Führt man sich die Ordnung der Vorsehung vor Augen, wird verständlich, daß »in die Welt von oben die von unten sich einfügt« (Dante, Paradiso IX,108), d.h. die Vorsehung auch das Abirren des Geschöpfs von der Ordnung (und selbst die Verdammnis) in die endgültige Ordnung einbezieht. Es ist die Ordnung, die das Endziel des Universums begründet, die Glorie Gottes und der Auserwählten. (Fs)
11. Weiteres zur falschen Theodizee
12a Das erfreuliche Ereignis, das auf die Krise der Kirche bald folgen werde, ist also a posteriori und ändert nichts am negativen Charakter der Krise, geschweige denn, daß es sie wünschenswert macht, wie einige ohne Zögern behaupten. Der unberechtigte Optimismus ist auf dem Holzweg, weil er dem Übel die Fähigkeit zuschreibt, gute Früchte zu tragen, die hingegen nur dem Guten eigen ist. Der hl. Augustinus hat den Sachverhalt sehr gelungen formuliert: »Derart ist nämlich (Gottes) Allmacht, daß Er selbst aus Übeln Gutes machen kann, sei es durch Verzeihen, Heilen, Umstellen und Wenden zum Nutzen hin, sei es auch durch strafendes Einschreiten: all dies ist ja Gutes«12. Nicht das Übel erzeugt im nachhinein von sich selbst aus das Gute, vielmehr hat dieses Vermögen allein eine andersgeartete, positive Wesenheit (letztendlich Gott). Daß die Übel sich schließlich, obwohl von der Vorsehung zugeordnet, nicht in Gutes verwandeln können, geht vor allem aus der Möglichkeit hervor, die Augustinus am Schluß nennt, aus der strafenden Gerechtigkeit. Etwas Gutes ist, daß die Sünden mit Verdammnis gestraft werden, aber deswegen sind die mit Verdammnis gestraften Sünden keine guten Dinge. Nach der Lehre der katholischen Theologie erfreuen sich die Seligen somit der gerechten Ordnung, in die die Vorsehung die Sünder gestellt hat, doch nicht ihrer Sünden selbst, die Übel bleiben. Die Abhängigkeit gewisser Güter von gewissen Übeln ist eine Verkettung, auf die sich einige - eben durch Defekte bedingte - Tugenden gründen. So ist die Bußfertigkeit durch Sünde, die Barmherzigkeit durch Elend, das Verzeihen durch Schuld bedingt. Gleichwohl bedeutet dies nicht, daß Sünde, Elend und Schuld Gutes wären, so wie es die Tugend ist, die durch sie bedingt ist. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Jerusalem; Trennung: theoretisches - praktisches Urteil; Dogma - Geschichte
Kurzinhalt: Die Sphäre der Geschichtlichkeit wird ein für alle Mal von der des Dogmas unterschieden.
Textausschnitt: 12. Die Krisen der Kirche. Jerusalem (50 n. Chr.)
14a Heutzutage pflegt man die Phänomene unseres Jahrhunderts als völlig neu hinzustellen, als seien sie ihrem Wesen und Ausmaß nach beispiellos gegenüber den Ereignissen der Vergangenheit. Die gegenwärtige Krise sei ohne Entsprechung in der Kirchengeschichte und demnach ebenso die derzeitige Erneuerung. Wir werden später sehen, ob diese Auffassung stichhaltig ist, zunächst aber dürfte es zweckmäßig sein, die von den Geschichtsschreibern erfaßten früheren Krisen der Kirche zu beleuchten. (Fs)
Da wäre, so meinen wir, an erster Stelle das Konzil von Jerusalem im Jahre 50 zu erwähnen. Da nun jede Krise den im Gegensatz zu ihr stehenden Synkretismus ausschließt, beseitigt das berühmte, von Judas und Silas der Heidenchristengemeinde von Antiochia überbrachte Dekret den entstehenden Synkretismus, der durch die Vermischung von Evangelium und Thora der neuen Botschaft ihre Eigenart und Transzendenz genommen hätte. (Fs)
14b Das Konzil von Jerusalem war aber auch in anderer Hinsicht überaus krisenhaft, denn es trennte für immer das theoretische und das praktische Urteil voneinander, das Bewerten der Prinzipien und das ihrer Anwendungen, in der Weise, daß nicht für die Prinzipien, sondern für deren Umsetzung in biegsamen Situationen eine Biegsamkeit besteht, die sich im Bereich der Religion an der Nächstenliebe orientiert. So ging es bei dem bekannten Auftritt des Paulus gegen Petrus in Antiochia, nachdem die beiden Apostel bereits in Jerusalem das jüdische Gesetz einmütig als veraltet, d.h. überwunden, angesehen hatten, um das »conversationis vitium, non praedicationis«, wie Tertullian sagt (De praescript. haeret. 23), um die Folgerungen aus dem Prinzip, nicht um das Prinzip an sich. (Fs)
15a So verhielt es sich mit der Praxis des Petrus, der sich gegenüber der rituellen Sensibilität der aus der Synagoge stammenden Brüder nachgiebig verhielt, - eine Praxis, die von seiner eigenen Haltung gegenüber den aus dem Götzendienst stammenden Brüdern abwich und die von Paulus, dann aber auch von Petrus selbst, wie man sah, sowie von der gesamten Kirche getadelt wurde. Es sind Meinungsverschiedenheiten über das praktische Verhalten oder, so kann man es auch nennen, Fehler, die daher rühren, daß nicht sofort oder nicht klar das Band erkannt wird, das zwischen einem Prinzip und einer konkreten historischen Lage besteht. Solche Meinungsverschiedenheiten und Fehler lebten in der Kirche fort, von Paschalis IL, der das mit Heinrich V. unterzeichnete Konkordat kündigte, über Clemens XIV., der den Jesuitenorden aufhob und das non possumus seiner Vorgänger verwarf, bis zu Pius VIL, der die Abkommen mit Napoleon widerrief, sich dann öffentlich bezichtigte, der Kirche Ärgernis gegeben zu haben, und sich selbst als Strafe auferlegte, für einige Zeit von der Zelebration der Messe abzusehen. Diese Unterscheidung zwischen der veränderlichen Sphäre der Disziplin, des Rechts, der Politik und der unveränderlichen Sphäre des porro unum est necessarium* setzte ohne Zweifel mit dem Konzil von Jerusalem ein und stellt die erste Krise der Kirche dar: Die Sphäre der Geschichtlichkeit wird ein für alle Mal von der des Dogmas unterschieden. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Nizäa; Arianismus
Kurzinhalt: Die Krise von Nicäa bedeutet die Trennung des Dogmas von der Philosophie und die Ausrichtung des Christentums als übernatürliche und vom Mysterium getragene Religion.
Textausschnitt: 13. Die Krise von Nicäa (325 n. Chr.)
15b Die Krise von Nicäa bedeutet die Trennung des Dogmas von der Philosophie und die Ausrichtung des Christentums als übernatürliche und vom Mysterium getragene Religion. Der Arianismus war nämlich der Versuch, die Einmaligkeit des Ur-Kerygma durch dessen Einbeziehen in die breite gnostische Bewegung zu verwässern. Letztere räumte, indem sie aus den Seinsstufen von der Hyle bis zum Nous ein allgemeines Schema der Wirklichkeit herstellte, den Schöpfungsgedanken aus dem Wege und gab die Transzendenz auf. Daß das Wort nicht eines Wesens mit dem Vater, sondern diesem nur ähnlich sei, befriedigte zwar das Verlangen menschlichen Fassungsvermögens, beseitigte aber das Spezifikum des Glaubens, der von einem Wesen kündet, für das diese beiden Sätze gelten: Dieses Wesen hier ist Mensch und Dasselbe Wesen ist Gott. Mit den Definitionen des Konzils von Nicäa und den Folgekonzilen von Ephesus (431) und Chalzedon (451) hebt sich die Kirche ab von der antiken Vorstellung von Gott als dem vollkommenen Menschen und der Religion als Kult innerweltlicher Werte unter Ausschluß jegliches Außerweltlichen. Christus konnte nicht Gott sein nach Art Caesars oder der göttlichen Augusti oder der unsterblichen Götter Epikurs, die vollkommen und glückselig, jedoch von einer dem Menschen gleichgearteten Substanz waren. Er konnte kurzum nicht der sein, über den die Philosopheme nie hinausgegangen waren, sondern mußte geradezu derjenige sein, der von jedem anderen verschieden und ihm doch nicht fremd ist, wie ihn keine Philosophie je erdacht, oder den die Philosophie, hätte ihn tatsächlich die Vorstellung ersonnen, als Torheit abgetan hätte. Gott hört also auf, der unerreichbarste Grad einer dem Menschen und dem Gott gemeinsamen Vollkommenheit zu sein, vielmehr ist er eine alles Menschliche übersteigende Wesenheit. Gottmensch wird Christus genannt nicht nach heidnischer Vorstellung, etwa im Sinne einer größtmöglichen Angleichung an die Vollkommenheit Gottes oder aufgrund einer Art inniger moralischer Verbundenheit mit Gott (Nestorius), ebensowenig nach Art des stoischen Paradoxon, wonach der Weise Gott gleich sei, ja ihn sogar überrage, weil Gott von Natur aus glückselig sei, während der Weise aus sich selbst heraus glückselig werde. Christus ist ontologisch Mensch und Gott zugleich, und somit ist seine ontologische gottmenschliche Beschaffenheit ein Mysterium. (Fs)
16a Daß das Mysterium durchaus nicht der Vernunft widerspricht, erhellt aus der von der neuen Religion eingebrachten Vorstellung vom göttlichen Sein als »Monotriade« (Einheit in der Dreiheit), in deren Schoß das Unendliche mit sich selbst als Unendlichem im Denken und in der Liebe verbunden ist und sich mithin jenseits der Grenzen befindet, in denen der geschaffene Verstand waltet. Man verletzt also das Anrecht der Vernunft auf das Übernatürliche, wenn man ihr verwehrt, sich der VERNUNFT schlechthin unterzuordnen. Ja, durch das Verwehren einer solchen Unterordnung verwehrt man der Vernunft im Grunde, sich selbst zu kennen, weil man sie auf diese Weise hindern würde, Kenntnis von ihrer Begrenztheit zu nehmen und folglich etwas jenseits der eigenen Grenzen Befindliches zu erkennen. (Fs)
17a Die Krise von Nicäa ist also ein wirklich ausschlaggebendes Moment in der Religionsgeschichte, und da jede Krise eine Wesenheit einerseits vom Andersartigen löst, andererseits den der Wesenheit eigenen Typus bewahrt, läßt sich gleichermaßen feststellen, daß in Nicäa die christliche Religion schlechthin erhalten blieb. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Mittelalter; Gesetz der historischen Erhaltung der Kirche; pilgernde Kirche
Kurzinhalt: Die Kirche ginge jedoch nicht zugrunde, falls sie sich nicht nach der Wahrheit ausrichten, sondern falls sie die Wahrheit verlieren würde. Die pilgernde Kirche ist zum praktischen Versagen und zur Buße aus sich selbst sozusagen verurteilt.
Textausschnitt: 14. Die Irrwege des Mittelalters
17b Die vielen und ernsten Zerrüttungen der Kirche in den Jahrhunderten des Mittelalters waren keine eigentlichen Krisen, weil die Kirche damals nicht Gefahr lief, ihr Wesen zu ändern und in etwas anderes aufzugehen. Die Sittenverderbnis des Klerus, die Gier nach Reichtum und Macht entstellten zwar das Antlitz der Kirche, fügten jedoch ihrem Wesen keinen Schaden zu, denn sie wurde nicht von ihrem Fundament verdrängt. (Fs)
17c An dieser Stelle ist es angebracht, das eigentliche Gesetz der historischen Erhaltung der Kirche zu formulieren, das zugleich oberstes Kriterium für ihre Apologetik ist. Die Kirche gründet auf dem fleischgewordenen Wort, d.h. auf einer geoffenbarten göttlichen Wahrheit. Gewiß sind ihr auch genügend Kräfte gegeben, ihr Leben nach dieser Wahrheit auszurichten. Einem Glaubenssatz zufolge ist die Tugend jederzeit möglich. Die Kirche ginge jedoch nicht zugrunde, falls sie sich nicht nach der Wahrheit ausrichten, sondern falls sie die Wahrheit verlieren würde. Die pilgernde Kirche ist zum praktischen Versagen und zur Buße aus sich selbst sozusagen verurteilt. Heute sagt man, sie stehe in einem ständigen Akt der Bekehrung. Sie richtet sich jedoch nicht zugrunde, wenn menschliche Schwächen sie in Widerspruch zu sich selbst setzen (dieser Widerspruch ist mit dem Pilgerzustand verknüpft), sondern nur, wenn die praktische Verderbnis so weit geht, auf das Dogma einzuwirken und die im Leben vorhandenen Entartungen in theoretische Sätze zu fassen. (Fs)
17d Daher wurden die Bewegungen, die die Kirche in den Jahrhunderten des Mittelalters aufwühlten, von ihr zwar bekämpft, aber nur dann verurteilt, wenn, wie im Beispielsfall des Pauperismus, dieser sich zur Theologie der Armut mit totaler Verachtung der weltlichen Güter verstieg. Der Sittenverfall der Kirche, gegen den die reformatorische Bewegung des 11. Jahrhunderts wacker anging, war deshalb keine wirkliche Krise. Auch der Konflikt mit dem Kaisertum war es nicht, obwohl die Kirche danach trachtete, sich von der Lehnsknechtschaft zu lösen, mit der die politische Herrschaft über die Bischöfe verbunden war, ebenso wie von der mit der Priesterehe implizierten Knechtschaft. Auch die Bewegungen der Katharer und Albigenser im 13. Jahrhundert und der Fraticellen, ihren Ablegern, brachten keine wirkliche Krise mit sich. In der Tat fanden diese Bewegungen, die von mächtigen sentimentalen Aufwallungen hervorgerufen wurden und mit ökonomischen und politischen Impulsen verquickt waren, nur selten ihren Niederschlag in spekulativen Formeln. Geschah dies dennoch, wie z.B. mit der regressiven, von der Rückkehr zur apostolischen Einfachheit kündenden Doktrin, oder mit dem Mythos von der Gleichheit aller Gläubigen im allgemeinen Priestertum, oder mit der Theologie vom Zeitalter des Heiligen Geistes, das als drittes Zeitalter das des Sohnes ablöse, welches seinerseits das des Vaters abgelöst habe, so stießen all diese dogmatischen Abweichungen auf die in Ausübung ihres didaktischen und korrektiven Amtes vorbereitete und standhafte hierarchische Kirche. Dieser stand dabei oft der weltliche Arm bei, je nach der im Sozialgefüge vorhandenen Solidarität. Es erfolgte ein Angriff auf, aber kein Eingriff in die Glaubenswahrheiten, und die Funktion des Lehramtes war intakt. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Luther; Verneinung des katholischen Prinzips; Gewissen - Lehramt Kurzinhalt: Da es sich um Ablehnung des Prinzips handelt, ist die lutherische Häresie theologisch unwiderlegbar. Ihr gegenüber befindet sich die katholische Apologetik in der Lage, wie sie der hl. Thomas von Aquin klar umrissen hat ...
Textausschnitt: 17. Verneinung des katholischen Prinzips in der lutherischen Lehre
22b Es geht nun darum zu erkennen, weshalb die Lehre Luthers in den weiten Bereich des katholischen Systems nicht einbezogen werden konnte, und inwiefern der Angriff nicht diesen oder jenen Folgesatz in Frage stellte, sondern direkt das Prinzip des Systems. (Fs)
22c Da es sich um Ablehnung des Prinzips handelt, ist die lutherische Häresie theologisch unwiderlegbar. Ihr gegenüber befindet sich die katholische Apologetik in der Lage, wie sie der hl. Thomas von Aquin klar umrissen hat (Summa theol. I, q. I, a.8): Sie kann die Einwände des Gegners zu Fall bringen, aber sozusagen nicht für den Gegner selbst, weil dieser das Prinzip ablehnt, von dem die Beweisführung ausgeht, um ihn zu widerlegen. Von Luther wird nämlich weniger dieser oder jener Artikel des Lehrgebäudes abgelehnt (natürlich tut er das auch) als vielmehr das Prinzip aller Artikel, d.h. die göttliche Autorität der Kirche. Bibel und Überlieferung haben für den Gläubigen nur deshalb Autorität, weil die Kirche beides in Besitz hat; sie besitzt das eine wie das andere nicht nur in dinglicher philologischer Hinsicht, sondern auch deren Sinngehalt, den sie in der Geschichte nach und nach entdeckt. (Fs)
23a Luther dagegen überläßt die Bibel und ihren Sinngehalt dem einzelnen Gläubigen, weist die Mittlerrolle der Kirche zurück und vertraut alles der privaten Erleuchtung an, indem er die Autorität der Institution durch die Unmittelbarkeit des alles beherrschenden Gefühls ersetzt. Das Gewissen entzieht sich dem Lehramt der Kirche, und das Empfinden des Einzelnen begründet, zumal wenn es ihn lebhaft überkommt, die über alle Norm erhabenen Rechte auf eine feste Überzeugung und die Äußerung der eigenen Gedanken. Wie der antike Pyrrhonismus im Bereich der philosophischen Erkenntnis, so geht der protestantische Pyrrhonismus im Bereich des religiösen Denkens vor. Die Kirche - der in der Geschichte und Moral unteilbare Leib des Gottmenschen Christus - wird ihres auf Autorität beruhenden Wesens beraubt, während die Lebendigkeit des subjektiven Empfindens »Glaube« genannt und zur unmittelbaren Gnadengabe gemacht wird. Durch die beherrschende Stellung des Gewissens wird allen Glaubensartikeln die Grundlage entzogen, weil diese, je nachdem, ob das Einzelgewissen ihnen zustimmt oder nicht, stehen oder fallen. Somit wird das Prinzip des Katholizismus, die göttliche Autorität, entwurzelt und mit ihm die Glaubensdogmen: Nunmehr verleiht nicht die göttliche Autorität der Kirche den Dogmen Geltung, sondern das subjektive und individuelle Empfinden. Und wenn Häresie bedeutet, daß man an einer Wahrheit nicht deshalb festhält, weil sie offenbar wurde, sondern weil sie der subjektiven Erkenntnisfähigkeit entspricht, so kann man feststellen, daß im Luthertum der Begriff »Glaube« als ganzer in den Begriff »Häresie« umgewandelt wird, weil das göttliche Wort nur Aufnahme findet, sofern es die Gestalt der individuellen Überzeugung annimmt. Nicht die Sache gebietet Zustimmung, sondern die Zustimmung verleiht der Sache Wert. Außerdem läßt die einer solchen Auffassung innewohnende Logik die Kritik vom theologischen Prinzip der göttlichen Autorität her zur Kritik vom philosophischen Prinzip der Vernunftautorität her werden. Dieser sich a priori aus der Logik zwangsläufig ergebende Vorgang ist a posteriori bezeugt durch die geschichtliche Entwicklung des deutschen Denkens bis hin zu den absolutesten Formen des Immanenzrationalismus. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Luther; Bulle Exsurge, Domine Nr. 29; Nichtertragen der Autorität
Kurzinhalt: Um mich mit den Wendungen der Scholastik auszudrücken: id quo intelligitur hat den Vorrang vor id quod intelligitur.
Textausschnitt: 18. Weitere Überlegungen zur Häresie Luthers. Die Bulle »Exsurge, Domine«
24a Der Keim des durch Luther ausgelösten gewaltigen Umschwungs liegt gänzlich in den 41 Artikeln, die Leo X. mit der Bulle Exsurge, Domine vom 25. Juni 1520 verurteilte. Gewiß ahnte der Papst nicht, wie sehr der Setzling menschlichen Denkens emporwachsen würde. In der Tat ist, wie bereits gesagt, das Prinzip des eigenständigen Prüfens in jeder Häresie mitenthalten, und selbst wenn die Kirche es nicht ausdrücklich zu Fall bringt, so tut sie dies dennoch implizit, wann immer sie gegen ein dem Glauben widersprechendes Theologumenon angeht. Hier jedoch finden wir, wenigstens in einem der verurteilten Artikel, das Prinzip des eigenständigen Prüfens ausdrücklich formuliert. (Fs)
24b In dieser Folge von verurteilten Sätzen läßt sich kaum ausmachen, welche Sätze genau die Bulle als häretisch zu brandmarken beabsichtigt. Hier werden nämlich, wie in der römischen Kurie üblich, zunächst die 41 Artikel aufgelistet und dann ohne jede Unterscheidung samt und sonders verurteilt »respektive als häretisch oder skandalös oder falsch oder fromme Ohren beleidigend oder geeignet, einfache Geister zu verführen«1. Diese mangelnde Unterscheidung erschwert den Durchblick, wie sich die Zensuren verteilen, und ebnet den Weg für Streitgespräche der Theologen. Eine häretische, das Dogma angreifende Behauptung ist jedenfalls eine Angelegenheit für sich, doch etwas ganz anderes bedeutet das einfältige Menschen verführende Wort, weil dies Sünde gegen die Klugheit und die Nächstenliebe, doch nicht gegen den Glauben ist. (Fs)
24c Die Sätze enthalten, ausführlich dargelegt, die Lehre Luthers über die Buße, deren sakramentale Wirkung gänzlich auf dem Dafürhalten des Gläubigen, daß er losgesprochen worden sei, beruht. Einige Artikel schwächen den freien Willen ab, der voll und ganz von der Gnade bewegt werde und nur noch eine Sache des bloßen Namens sei. Andere Artikel betreffen den Vorrang des Konzils vor dem Papst, die Nichtigkeit der Ablässe, das Unvermögen der guten Werke, die Todesstrafe für Häretiker, die als gegen den Willen des Heiligen Geistes gerichtet befunden wird. (Fs)
25a Darunter ist jedoch ein Artikel, Nr. 29, in dem die Häresie von Luther offen bekannt wird, und zwar die Auswahl des zu Glaubenden aufgrund persönlicher Eingebung. Einzig dieser Artikel, der das eigentliche Prinzip der gesamten Bewegung verkündet, erweist sich als die wirklich denkwürdige These: »Ein Weg ist uns gegeben, die Autorität der Konzile zu entkräften und ihren Akten frei zu widersprechen und alles, was wahr erscheint, zuversichtlich zu bekennen«2. Hier zeigt sich die tiefste Wurzel und das Kriterium, über das hinauszugehen nicht gegeben ist: die persönliche Eingebung, die all jenem, das wahr erscheint, Geltung verleiht. Von den beiden Seiten des Erkenntnisvorgangs, bei dem der Verstand das objektive Sein durch einen eigenen subjektiven Akt erkennt, herrscht nicht mehr das erkannte objektive Sein, sondern das Erkennen selbst vor. Um mich mit den Wendungen der Scholastik auszudrücken: id quo intelligitur hat den Vorrang vor id quod intelligitur. Wenn Luther ferner mit Artikel 27 der Kirche das Festlegen der Glaubensartikel und der Sittengesetze aus der Hand nimmt, ist dies nichts anderes als die Übertragung des Artikels 29 vom individuellen Bereich auf die gesellschaftliche Funktion der Religion. (Fs) (notabene)
25b Abschließend sei festgestellt, daß letztendlich nicht Ablaß, Messe, Papsttum, Priesterzölibat, Prädestination und Rechtfertigung des Sünders Luther zum Abfall bewegten. Die Triebfeder war vielmehr jenes dem Menschengeschlecht verhaftete, ihm zutiefst innewohnende Unvermögen, das offen zu bekennen Luther sich erdreistete: das Nichtertragen der Autorität. Die Kirche, der einende Leib des Gottmenschen in der Geschichte, bezieht ihre organische Einheit aus dem göttlichen Prinzip. Wie kann der Mensch, in einen solchen Vergleich einbezogen, etwas anderes darstellen als das in Bindung an das Prinzip und im Gehorsam gegenüber dem Prinzip lebende Glied? Wer dieses Band zerreißt, kommt zwangsläufig vom Gestaltungsprinzip der Religion ab. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Missbräuche; Papst Alexander VI; Dogma - Praxis
Kurzinhalt: Der Grund, weshalb die Verderbnis der Hirten keine Krise, sondern nur eine Verirrung bewirken konnte, liegt darin, daß der praktische Verrat an der Sache nicht zum theoretischen Dogma erhoben wurde, wie es bei Luther der Fall war. Textausschnitt: 19. Das Prinzip der Unabhängigkeit und die Mißbräuche in der Kirche
26a Die Erörterung der sittlichen Verfehlungen der Prälaten und der damit verbundenen Verderbnis der Institution, Nährboden für den Anspruch auf eigenständiges Prüfen, wird nunmehr, nachdem das Problem auf diese Weise angegangen ist, zweitrangig, obgleich sie sehr wichtig ist. Gewiß waren die Mißbräuche, die die Diener der Kirche mit dem Heiligen trieben, ungeheuer, und als abscheuliches Beispiel dafür kann man das Alexanders VI. anführen, der seiner Konkubine die Exkommunikation androhte, wenn sie nicht in die alten Sünden zurückfiele1. Jedoch abgesehen davon, daß ein Verurteilen des Mißbrauchs kein Verwerfen des Mißbrauchten rechtfertigt, bleibt bestehen, daß die Reform der Kirche erfolgen mußte und in rechtgläubigen Bahnen auch erfolgt ist. Dies dank Menschen, die - wie der hl. Franziskus von Assisi, der hl. Dominikus, die hl. Katharina von Siena und alle Ordensgründer im 14. und 15. Jahrhundert - es stets als unmöglich für Katholiken erachteten, den geraden Weg zu gehen, hätten sie nicht Brief und Siegel gerade jener Kirchenmänner gehabt, deren Autorität sie anerkannten, aber deren Laster sie geißelten. Der Grund, weshalb die Verderbnis der Hirten keine Krise, sondern nur eine Verirrung bewirken konnte, liegt darin, daß der praktische Verrat an der Sache nicht zum theoretischen Dogma erhoben wurde, wie es bei Luther der Fall war. Das theoretische Dogma ist im Gegensatz zur stets begrenzten Praxis unbegrenzt, denn seine Allumfassenheit enthält die Anlage zu einer Unzahl praktischer Handlungsmöglichkeiten. Befindet sich daher das theoretische Dogma auf sicherem Boden, dann mit ihm auch die gesamte Praxis, und das Prinzip der Gesundheit bleibt unversehrt. (Fs) (notabene)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Französische Revolution; Konstitution Auctorem fide; Synode von Pistoia (Pistorienser) Kurzinhalt: Mit Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit verhält es sich durchaus so, daß sie schon von der Weisheit der griechischen Antike als Werte erkannt und in der christlichen Religion zum umfassenden Merkmal erhoben wurden. Textausschnitt: 22. Das Prinzip der Unabhängigkeit. Die Konstitution »Auctorem fidei«
30a Wer das klassische Enchiridion überfliegt, mag erstaunt sein, unter den Lehrdokumenten aus der Zeit der so großen und heftigen Erschütterung durch die Französische Revolution keines mit direktem Bezug auf die theoretischen Voraussetzungen zu finden, die der Reformgesetzgebung der verschiedenen Versammlungen bis zum Konsulat und Kaiserreich zugrunde lagen. Was in den sieben einander ablösenden Konstitutionen allzu anmaßend und unvereinbar mit der katholischen Religion war, schaffte der Mittler zwischen den beiden Jahrhunderten zu guter Letzt zwar ab, beließ jedoch an der Grundlage der Neuerungen das Gestaltungsprinzip der modernen Welt. Dieses Prinzip besteht, wie ich bereits mehrmals sagte, in der Einsetzung der menschlichen Werte als reinweg menschlich, unabhängig und aus sich selbst heraus bestehend, woraus dementsprechend die Absetzung der Autorität folgt. (Fs)
30b Mit Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit verhält es sich durchaus so, daß sie schon von der Weisheit der griechischen Antike als Werte erkannt und in der christlichen Religion zum umfassenden Merkmal erhoben wurden. Von woher sonst wären sie gekommen? Aber die Stoiker verknüpften sie mit dem natürlichen Logos, der jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt, wenn auch nicht sehr wirksam (wie die Geschichte der Sklaverei beweist). Das Christentum dagegen verknüpfte sie mit dem übernatürlichen, Mensch gewordenen Logos, der das Menschenherz erleuchtet und wirkungsvoll bewegt. Da nun der natürliche Logos nicht real, sondern ideal ist, kann er nicht das eigentliche Prinzip sein, mit dem alles zu verknüpfen wäre; ihm gebührt also nicht uneingeschränkt Achtung und Gehorsam. Das wahre Prinzip ist ein sehr reales Wesen, das die Idee in sich schließt und im Christentum Realität geworden ist, bewirkt durch die Inkarnation. (Fs)
31a Der Gottmensch, der in seinem Sein unteilbar ist, wird in der Kirche zu einem gesellschaftlich Unteilbaren. Die Kirche ist - nach der berühmten Unterweisung des hl. Paulus - sein mystischer Leib, und daher spiegelt sich die Abhängigkeit von Christus in der Abhängigkeit von der Kirche wider. Dies ist das Prinzip der Autorität, das das theologische Gesamtgefüge beherrscht. Das Prinzip erlitt, wie gesagt, einen Eingriff durch die lutherische Revolution, weil diese an Stelle der Autoritätsnorm die persönliche Eingebung in religiösen Dingen setzte. Das Korrelat der Autorität ist der Gehorsam, und man kann sagen, daß das oberste Prinzip des Katholizismus die Autorität ist, oder, mit gleicher Geltung, daß es der Gehorsam ist. Auch dies wiederum findet man in berühmten paulinischen Texten, wo es heißt, daß der Gottmensch gehorsam war, ja gehorsam bis zum Tode, d.h. mit der Ganzheit des Lebens. Dies geschah nicht in erster Linie um der Rettung der Menschen willen (wenngleich man das auch sagen kann), sondern damit das Geschöpf sich dem Schöpfer füge und ihm vollständige und uneingeschränkte Huldigung erweise, die das Ziel der Schöpfung selbst ist. Daher bringt die Kirche Christi stets die einzelnen Personen dazu, sich durch die Tugenden des Gehorsams und der Selbstverleugnung zusammenzuordnen und in dem gesellschaftlich Unteilbaren aufzugehen, das der mystische Leib Christi ist. Sie bringt es zuwege, indem sie die Isolation des Einzelwesens und seiner Taten aufhebt und jede Abhängigkeit beseitigt, die nicht der Abhängigkeit von Gott untergeordnet ist. (Fs) (notabene)
31b Die politische Unabhängigkeit des Menschen aber, die die Revolution lehrte, war bereits mitenthalten in der von Luther und dann von den Jansenisten gelehrten religiösen Unabhängigkeit. Die sie verurteilende Konstitution Pius' VI., Auctorem fidei (1794), kommt in dieser Hinsicht an Bedeutung der Enzyklika Pascendi Pius' X. gleich. Der Jesuit Denzinger und seine Mitautoren bewiesen ihren geschärften Blick für die Lehre, als sie in ihrem Enchiridion symbolorum die beiden Dokumente vollständig veröffentlichten. Auch Auctorem fidei enthält nur einige wenige grundlegende Artikel, aber viele Artikel, die gleichsam als Parerga, Beiwerke, deren Anwendung betreffen. Erstere werden als Häresien gekennzeichnet, letztere mit milderen Bewertungen versehen. Wie Luther zwischen WORT und Gläubigen das persönliche Empfinden schob und damit die universale Kirche ausschaltete, so schoben die Pistorienser mit der Autoritätsübertragung vom universalen Ganzen auf den Teilbereich die Teilkirche dazwischen. Das bedeutet, die Kirche vervielfachen und zersprengen, ein bißchen weniger zwar, doch nicht ungleich dem, was die private Eingebung, von Luther mit Krone und Mitra versehen, anrichtete. (Fs)
32a Wie es sich bei jedem Ruf nach Reform gehört, warteten die Pistorienser damit auf, allgemeine Dunkelheit habe sich im Laufe der vorangegangenen Jahrhunderte über wichtige religiöse Wahrheiten verbreitet (Satz 1). Dieser Satz richtet sich gegen das Wesen der Kirche, in der die Wahrheit zuverlässig am Wirken ist und in deren Lehramt die Wahrheit niemals in Dunkel gehüllt werden kann. Aber diesem Satz, den man als ein geschichtliches Werturteil ansehen könnte, folgen weitere als häretisch geächtete Sätze, in denen man bekennt, die Autorität, Glaubensdogmen zu verkünden und die kirchliche Gemeinschaft zu leiten, liege in der Gemeinschaft selbst und leite sich von der Gemeinschaft auf die Hirten ab. Dieser Satz erhebt nicht mehr die private Eingebung der Einzelperson, sondern die der einzelnen Teilkirche auf den Thron; an die Stelle der universalen Autorität rückt eine noch gesellschaftliche, aber partikuläre Autorität. Der Gehorsam dem WORT gegenüber ist immer noch vorhanden, wird aber sozusagen mittelbar geübt, in eigenständigem Prüfen durch die kleineren Kircheneinheiten. Daß der Papst zwar Oberhaupt der Kirche, als ihr Diener jedoch von ihr abhängig sei und nicht etwa von Christus, ist ein Folgesatz, der auch in einem anderen Artikel als Häresie gewertet wird. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Französische Revolution; Absolutismus; Zivilkonstitution des Klerus
Kurzinhalt: Die Französische Revolution war ... ohne es in den weltlichen Organismus umsetzen zu können. Dieses Prinzip entfernt die religiöse, die gesellschaftliche und die moralische Ordnung von ihrem Mittelpunkt und ...
Textausschnitt: 23. Die Krise der Kirche in der Französischen Revolution
32b Der Revolution des Volkes war eine andere vorausgegangen, nämlich die des königlichen Absolutismus. Dieser hatte sich, zumindest in moralischer Hinsicht, von der Bindung an die Kirche gelöst und den Despotismus der Lex regia erneuert, wonach was auch immer den Fürsten gefällt, Gesetzeskraft hat1, und sich gefestigt, indem er auf die Geister der lutherischen Gewissensfreiheit zurückgriff. Einerseits hatte der neue Cäsarismus die Unabhängigkeit von der Richtschnur der Kirche behauptet, die die Herrschergewalt zum Schütze des Volkes zugleich stärkte und zügelte. Andererseits hatte er Privilegien, Freibriefe, Immunitäten, uralte Gepflogenheiten, Freiheitsgarantien für die Untertanen geschluckt. Nur wenige Schriftsteller haben zu klären versucht, wieviel an purer Reaktion, verursacht durch die soziale Mechanik, und wieviel dagegen an Bestrebungen und Verschwörungen doktrinärer Art bei dem gewaltigen Revolutionstumult im Spiel war. Sicher ist, daß die Ereignisse über alle Maße gingen und Prinzipien wie Überzeugungen zunichte machten gleich einem ventus exurens et siccans, einem sengenden und ausdörrenden Wind. Abtrünnigkeit und Apostasie befielen ein Drittel des Klerus, was allerdings durch Episoden unbeugsamen Widerstandes ausgeglichen wurde; Priester und Bischöfe gingen die Ehe ein (die später, durch das Konkordat von 1801, mit Ausnahme der Ehe von Bischöfen, rechtskräftig wurde); Kirchen und Klöster wurden geschändet und zerstört (von 300 Kirchen in Paris blieben nur 37 bestehen); Kennzeichen der Religion wurden verabscheut und vernichtet oder verboten (daher trugen Kardinal Consalvi und seine Begleiter, als sie zu Verhandlungen nach Paris kamen, Zivilkleidung); Ausschweifungen; zügellose und extravagante Reformen in Gottesdienst und Katechese; gotteslästerliches Durcheinanderwerfen patriotischer und religiöser Dinge uferten aus. Im wesentlichen enthielt die im Juli 1790 verabschiedete und von Pius VI. im März des darauffolgenden Jahres verurteilte Zivilkonstitution des Klerus einen prinzipiellen Irrtum, denn sie säkularisierte die Kirche, deren Eigenschaft als eine dem Staat übergeordnete und von ihm völlig unabhängige Gesellschaft annulliert wurde. Dank ihrer Ablehnung durch nahezu den gesamten Episkopat, der überwältigenden Mehrheit der Priester und aufgrund der Willensäußerung des großen Mittlers zwischen beiden Jahrhunderten wurde die Zivilkonstitution fallengelassen. Wäre es aber gelungen, sie durchzusetzen, hätte man es mit ihrer Hilfe zuwege gebracht, vom Boden Frankreichs jede Einrichtung und jeden Einfluß des Katholizismus wegzufegen. Die Verurteilung der Zivilkonstitution des Klerus ist also ein Lehrdokument, das die Substanz der Religion betrifft. Es ist erstaunlich, daß Denzinger es nicht aufgenommen hat. (Fs)
33a Die völlige Trennung von Kirche und Staat erschien den Verfassern des Syllabus als ein Irrtum, aber immerhin ermöglicht sie den Fortbestand beider Gesellschaften, der theokratischen und der demokratischen, je nach ihrem Wesen und Endzweck. Der Irrtum aber, wonach die Kirche sich im Staate auflöst und dieser mit der universalen Gesellschaft der Menschen identifiziert wird, ist dagegen tödlich! Die Französische Revolution war, auf ihr logisches Wesensbild reduziert, eine wahre und eigentliche Krise des katholischen Prinzips, weil sie das Prinzip der Unabhängigkeit festsetzte, allerdings ohne es in den weltlichen Organismus umsetzen zu können. Dieses Prinzip entfernt die religiöse, die gesellschaftliche und die moralische Ordnung von ihrem Mittelpunkt und zielt darauf ab, den gesellschaftlichen Organismus, zuerst den theokratischen und danach den demokratischen, an einen ganz anderen Standort abzudrängen. (Fs) (notabene)
34a Sollte jedoch dann von Krise keine Rede sein können, wenn der mystische Organismus an seiner - um es so zu nennen - Sinnenseele, nicht aber an seiner Vernunftseele und Geistseele Schaden erleidet und wenn der mit dem Charisma der Unvergänglichkeit begabte Kern unversehrt bleibt, wenngleich das Elend alle physiologischen Vorgänge des Körpers ergreift, so wird man mit Fug und Recht daran zweifeln dürfen, ob diese Erschütterung des Katholizismus eine Krise der Kirche gewesen ist. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Zeitgeist, Alessanaro Manzoni
Kurzinhalt: Ist der Zeitgeist womöglich eine zerlegbare Zusammensetzung, oder ist er statt dessen eine Quiddität (von deren Definition ich jetzt absehe), die die Teile des zusammengesetzten Gebildes zusammenhält und einem jeden von ihnen ein Sein verleiht, ... Textausschnitt: 25. Der Zeitgeist. Alessanaro Manzoni
37c Im zweiten Teil der Morale cattolica1 Alessandro Manzonis trägt ein Kapitel die Überschrift Spirito del secolo, Zeitgeist. In diesem Kapitel, das mehr Mühe gekostet hat als an die anderen des Werkes, ja seines Gesamtwerkes überhaupt, steht Manzoni dem gleichen Problem gegenüber, das auch uns beschäftigt: Ist der Zeitgeist mit der katholischen Religion vereinbar oder nicht? Er findet die Lösung in einem analytischen und unterscheidenden Verfahren. Gegen das fehlerhafte systematische Vorgehen eingestellt, das entweder alles aufnimmt oder alles verwirft, prüft Manzoni bis ins einzelne die verschiedenen Teile jener heterogenen Zusammensetzung, in der wahre, nützliche und gerechte sowie falsche, irreligiöse und schädliche Ideen nebeneinander bestehen. Nach Freilegen der guten Teile zeigt er, daß sie der Religion, die sie in sich barg, entstammen und allenfalls Schuld vorlag, wenn sie aus ihr nicht erschlossen wurden, sondern man ihr Erschließen den Feinden der Religion überließ. Ferner darf die Analyse des Zeitgeistes nicht mit dem Zeitgeist selbst (weder mit dem der Vergangenheit noch mit dem der Gegenwart) vorgenommen werden, sondern mit dem Lichte der religiösen Wahrheit, die von Geschlecht zu Geschlecht die werdenden Intelligenzen erleuchtet, selbst aber kein Werdendes ist und alle Zeiten in einer Art Ou-chronie [eg: sic], Zeitlosigkeit, überragt2. Vergleicht man die in einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit vorherrschenden Überzeugungen miteinander, so kann man jene discretio spirituum, Unterscheidung der Geister, vornehmen, die nicht charismatisch, sondern philosophisch ist und das zusammengesetzte Gebilde nicht als Ganzes ablehnt oder annimmt, sondern Werte und Unwerte mit einem jenseits der Geschichte angelegten Maßstab unterscheidet. (Fs)
38a Hier jedoch erhebt sich ein Zweifel. Ist der Zeitgeist womöglich eine zerlegbare Zusammensetzung, oder ist er statt dessen eine Quiddität (von deren Definition ich jetzt absehe), die die Teile des zusammengesetzten Gebildes zusammenhält und einem jeden von ihnen ein Sein verleiht, das anders ist als nur Teil-Sein? Ist der Geist nicht etwa jenes quid, das durch Formen der Teile diese aus der Vielheit und Teilung herausführt und sie zu einer unverkennbar gekennzeichneten Einheit macht, zu einem Unteilbaren geradezu, in sich ungetrennt und abgetrennt von allem anderen?
39a Gesichert bleibt jedenfalls der von Manzoni in diesen Seiten beleuchtete Punkt, daß nämlich der Zeitgeist nicht geschichtlich beurteilt werden darf, sondern nur nach ou-chronischer, zeitloser, Maßgabe, sprich von der Religion und nicht von der Geschichte. Dieses Kriterium wird sicher nicht anerkannt von Vertretern einer Wertlehre ohne wahre und vom Noumenon getragene Werte, aber es ist das katholische Kriterium, mit dem wir hier zu erkennen beabsichtigen, wo Krise vorliegt. Dieses Kriterium ist also nicht nur rechtmäßig, sondern das allein rechtmäßige. (Fs)
39b Das Werturteil, das der Katholizismus und die ihm entgegengesetzten Systeme über ein und dieselbe Sache abgeben, z.B. über die Hoch- und Wertschätzung einer Person, kann sich identisch darstellen. Aber diese Übereinstimmung im Urteil ist nur scheinbar, weil diese Wertschätzung sich für den Katholizismus auf etwas anderes gründet als für die entgegengesetzten Systeme. Hier wie dort liebt man einen Menschen, aber hier ist der Mensch liebenswert um seiner selbst willen, während er dort nicht um seiner selbst willen liebenswert ist, sondern das oberste Prinzip seiner Liebenswertigkeit ein in sich LIEBENSWERTES ist, das den Menschen liebenswert macht. (Fs)
39c Aus diesem Beispiel kann erhellen, was der Geist einer Epoche, der Geist einer Gesellschaft, der Geist eines Systems ist. Es ist das Letztendliche, das sich auf kein Darüber-hinaus zurückführen läßt und das jedes Moment des Systems und jeden Moment des Jahrhunderts erkennbar macht. Es handelt sich um das caput mortuum, d.h. jenen endgültigen Gedanken, in dem sich alles löst, der umgekehrt aber in nichts anderem auflösbar ist. Der Zeitgeist ist also kein Ideenkomplex, sondern das, was den Komplex zusammenfügt, doch selbst nicht zerlegbar ist. Analog dem Zeitgeist im Leben der Gesellschaft ist im Leben des Einzelnen der Baum oder das Herz, wie es in der Bibel heißt (Mt. 7,7 und 15,18), das eine als Quelle der guten oder bösen Gedanken des Menschen, des Heils oder des Verderbens, das andere als Erzeuger der guten oder der schlechten Früchte, je nachdem, ob der Baum beziehungsweise das Herz gut oder schlecht ist. Der Mensch ist nämlich nach der Religion im ganzen gut oder im ganzen böse, und sein Los wird in puncto besiegelt (s. hierzu § 202). (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; die modernistische Krise - der zweite Syllabus; Modernismus; Dekret Lamentabili, Enzyklika Pascendi; Kirche - moderne Kultur - Naturwissenschaft
Kurzinhalt: Aus dem Vergleich beider ergibt sich, daß kein Gleichheitszeichen zwischen moderner Kultur und wahrer Wissenschaft gesetzt ist. Die Kirche trennt moderne Kultur und wahre Wissenschaft voneinander, ...
Textausschnitt: 26. Die modernistische Krise. Der zweite Syllabus
40a Die im ersten Syllabus aufgezeigte Krise war eher eine Krise der Welt als der Kirche. Der spätere Syllabus, der das Dekret Lamentabili vom 8. Juli 1907 und die Enzyklika Pascendi vom 8. September 1907 umfaßt, zeigt dagegen eine Krise der Kirche auf. Bereits im Titel wird der Unterschied zwischen dem Dokument Pius' X. und Pius' IX. deutlich erkennbar. Pius IX. listet die Hauptirrtümer unseres Zeitalters auf, »praecipuos nostrae aetatis errores«, Pius X. dagegen zeigt die Irrtümer der Modernisten bezüglich der Kirche, der Offenbarung, Christus und der Sakramente, »errores modernistarum de Ecclesia, revelatione, Christo et sacramentis«, auf. Jede Philosophie enthält virtuell eine Theologie. Was an rein Theologischem in der Lehre Pius' X. Gegenstand der Betrachtung ist, ist die ausgereifte Frucht der im ersten Syllabus angeprangerten Philosophie der Unabhängigkeit. Dem Unterschied im Titel entspricht die Andersartigkeit der 65 verurteilten Sätze. Sie betreffen nicht mehr eine der Welt eigene, noch außerhalb der Kirche waltende Geistigkeit, sondern just das schädliche Einwirken auf den katholischen Nous, nicht mehr die abgegliederten Teile eines Systems, sondern eher den all seinen Teilen innewohnenden Geist. (Fs)
40b Es wird auch von daher klar, daß, wie die Enzyklika hervorhebt, der Modernist »mehrere Personen darstellt und sie sozusagen in sich miteinander vermengt«1, da er zugleich Historiker, Philosoph, Gläubiger, Theologe, Kritiker, Apologet und Reformator ist. Was die Vielzahl der Personen anbelangt, zielt Pius X. meines Erachtens nicht auf ein von Doppelzüngigkeit oder Heuchelei bestimmtes moralisches Fehlverhalten (Vielzahl der Masken) ab, wenngleich irgendwie Spuren einer Arglist wie die des Achitophel (2. Sam. 15,12ff.; 1. Chron. 27,33f.) bei einigen Verfechtern jener Doktrinen sichtbar werden (wohl etwa bisweilen nicht auch bei den Gegnern?). Ich halte diese Vielzahl von Personen oder Gesichtern vielmehr für den Beweis dafür, daß das Dokument eben keine vereinzelten Glieder verdammt, sondern einen Geist, welcher letztlich der Geist der Unabhängigkeit ist. (Fs)
40c Wir verfahren wieder so wie mit dem ersten Syllabus, prüfen also einige Hauptartikel, um zu erkennen, daß gerade dieser Geist im Dokument verurteilt wird. Mit Satz 59 (Denzinger 2059) wird der Irrtum verworfen, wonach der Mensch die keinem Werden unterworfene geoffenbarte Wahrheit von seinem im Werden begriffenen Urteil abhängig macht, indem er die Wahrheit der Geschichte unterordnet. Eine solche Beschränkung der Wahrheit auf das fortschreitende menschliche Befinden, das in der Religion Vorgegebenes wie eine Art von unerkennbarem Noumenon ein- und absetzt, wird auch mit Artikel 20 zurückgewiesen, weil sie jedwede Abhängigkeit der Religiosität von der Autorität der Kirche beseitigt2. Die Kirche wird somit (wie man es auch ausdrücklich sagte) in ihren Funktionen derart beschnitten, daß sie nur noch feststellt und bestätigt, was an Ansichten in der lernenden Kirche, die in Wirklichkeit nicht mehr lernt, vorherrscht. Satz 7 bestreitet, daß die geoffenbarte Wahrheit zur inneren Zustimmung verpflichtet, wobei es im Grunde um die Zustimmung der einzelnen Person und nicht nur des Kirchenglieds geht. Gerade hierin kommt zum Ausdruck, daß im einzelnen ein innerer Kern der Unabhängigkeit von der Wahrheit stecke und daß diese als subjektiv Erfahrenes und nicht als Wahrheit bindend sei. (Fs)
Fußnote (2; 17); 17 Als Quintessenz des Modernismus ist in der Tat die Meinung anzusehen, die gläubige Seele beziehe Glaubensgegenstand und -motiv aus keiner anderen Quelle als aus sich selbst heraus. Diese Diagnose stellte Kardinal D. Mercier in seinem Hirtenbrief zur Fastenzeit des Jahres 1908.
41a Ebenso schwerwiegend ist Satz 58: »Die Wahrheit ist nicht unwandelbarer, als es der Mensch ist, denn sie entwickelt sich mit dem Menschen, im Menschen und durch den Menschen«3. Darin liegt das Bekenntnis zweier Unabhängigkeiten. Die erste ist die Unabhängigkeit des geschichtlichen Menschen vom Wesen des Menschen, das in der Geschichtlichkeit des ersteren völlig aufgeht. Der Satz bedeutet im Grunde so viel, wie das Vorhandensein der ewigen Idee leugnen, in der die realen Wesen ihr Urbild finden, Leugnung also des unumstößlichen Grundbegriffs aus dem Platonismus, ohne den der Gottesgedanke hinfällig würde. Die zweite bekannte Unabhängigkeit ist, weiter gefaßt, die der Vernunft von der VERNUNFT. Die menschliche Vernunft, das größte uns in der Welt bekannte Erfassende4, ist ihrerseits eingefaßt in einem anderen Erfassenden, der göttlichen Vernunft. Dieses andere Erfassende wird im Satz 58 geleugnet. Die Aussage des geächteten Artikels, die Wahrheit entwickle sich mit dem Menschen, im Menschen und durch den Menschen, ist also falsch. Zwar gibt es eine Entwicklung dieser Art, aber nicht für die Wahrheit als Ganzes. Es ist unzutreffend, daß die Wahrheit im werdenden Menschen im Werden begriffen sei: Im Werden sind die geschaffenen Intellekte, auch die der Gläubigen und des gesellschaftlichen Leibes der Kirche, die mit ihren eigenen, je nach Einzelperson, Generation und Zivilisation unterschiedlichen Handlungen jedoch in ein und dieselbe Wahrheit einmündet. Die Unabhängigkeit der Vernunft von der unveränderlichen Wahrheit führt dazu, dem Inhalt und dem Umfassenden der Religion den Charakter des Mobilismus (s. §§ 157-162) zu verleihen. (Fs)
42a Hochinteressant und viel Nachdenken erfordernd ist, so meine ich, Satz 65, wenn man ihn mit dem vorletzten Satz des ersten Syllabus vergleicht. Pius IX. erklärte den Katholizismus für unvereinbar mit der modernen Kultur. Von Pius X. wird verurteilt, wer den Katholizismus für unvereinbar mit der modernen Wissenschaft erklärt. (Fs)
42b Das besagt, Kirche und moderne Kultur sind zwar unverträglich miteinander, doch sind moderne Kultur und Wissenschaft nicht deckungsgleich. Vereinbar ist die Religion mit dem menschlichen Denken nicht in dem Sinne, als billige sie alle geschichtlichen Festlegungen des Denkens auf seinem - manchmal in die Irre führenden - Weg, sondern in dem Sinne, daß sie stets mit dem Wahren, das mit diesen Festlegungen angestrebt wird, in Einklang steht. Das Dokument bringt diesen Unterschied zum Ausdruck, indem es auf die Vereinbarkeit der Religion mit dem wahren Wissen verweist. Jedenfalls haben wir es mit zwei verurteilten Sätzen zu tun: Der Katholizismus ist vereinbar mit der modernen Kultur (Pius IX.) und Der Katholizismus ist unvereinbar mit der wahren Wissenschaft (Pius X.). Aus dem Vergleich beider ergibt sich, daß kein Gleichheitszeichen zwischen moderner Kultur und wahrer Wissenschaft gesetzt ist. Die Kirche trennt moderne Kultur und wahre Wissenschaft voneinander, gibt jedoch die Verurteilung des Zeitgeistes nicht auf. Es kann wahres Wissen in einer von der Wahrheit abgekehrten Kultur dasein, doch umhüllt vom Geist der Unwahrheit, und es gilt, eine Art Rückgewinnungsaktion einzuleiten, um dieses Wissen des Ungeistes zu entledigen und es wieder anzukleiden mit der im katholischen System vorhandenen Wahrheit, deren Prinzip es unterstellt wird. (Fs) (notabene)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Krisen der Kirche; Syllabus 3, Enzyklika Humani generis
Kurzinhalt: Der Irrtum, der einst von außerhalb kam, stammt jetzt aus dem Innern der Kirche her. Es ist kein Ansturm der Außenwelt mehr, sondern innerliche Verderbnis, ...
Textausschnitt: 27. Die vorkonziliare Krise und der dritte Syllabus
43a Mit diesem kurzen geschichtlichen Ausblick wollten wir die vorausgegangenen Krisen der Kirche summarisch aufzeigen. Fast ganz unberücksichtigt bleiben die politischen Begleitumstände dieser Krisen, auch äußern wir uns nicht zu den gesellschaftlichen Rückwirkungen und streifen lediglich die disziplinarischen Veränderungen, weil die Disziplin der Kirche sich von der Lehre herleitet. (Fs)
43b Bei unserer Untersuchung über die Krisen der Kirche haben wir herausgefunden, daß sie nur eintreten, wenn sich in der Kirche selbst, nicht in der Welt, ein Widerspruch gegen das die Kirche tragende und lenkende Prinzip erhebt. Ein Widerspruch dieser Art, der das grundlegende Element trifft, ist die Konstante (wie die Mathematiker sagen) aller Krisen. Ebenso wie der erste Syllabus die in der Welt vorgebildete Krise aufzeigte und dann Pius X. zu Beginn des Jahrhunderts dies tat, als sie erstmals auf die Kirche und in ihr vordrang, so wurde die Krise auch von Pius XII. im dritten Syllabus aufgezeigt, als sie sich in der Mitte des Jahrhunderts im Innern der Kirche weiter ausgebreitet hatte. Der dritte Syllabus ist die Enzyklika Humani generis vom 12. August 1950. Sie stellt mit den Texten des II. Vatikanischen Konzils die Hauptakte der kirchlichen Lehraussage nach Pius X. dar. (Fs)
43c Natürlich gibt es im Werdegang des sensus communis der Kirche der Erinnerung verhaftete Momente, die bestimmte Teile des Glaubensgutes im Brennpunkt der Aufmerksamkeit festhalten, sowie Momente des Vergessens, die vom Brennpunkt ablenken und auch andere Teile des katholischen Systems in die Dunkelheit verbannen1. Dies bewirkt die beschränkte Zielgerichtetheit des Geistes, der nicht allzeit bei allem verweilen kann, sowie die daraus folgende Tatsache, daß die Aufmerksamkeit lenkbar ist. Auf diese wesentliche Tatsache stützt sich die Kunst der Erziehung und - viel weiter unten, ja ganz unten angesiedelt - die Kunst der Propaganda. Da die Lenkbarkeit nun einmal, so wie die Menschen geartet sind, als etwas Notwendiges da ist, kann man sie weder bedauern noch beseitigen. Es ist jedoch geboten, daß dieser relative Zustand der Vergessenheit, in den einige Artikel des katholischen Systems geraten, nicht vollends zu deren Tilgung führt. Die geschichtlichen Abläufe bringen es mit sich, daß bald dieser, bald jener Aspekt herausgestellt oder ins Dunkel gerückt wird; aber nicht aufgrund der Tatsache, daß er ins Licht gerückt wird, ist der eine oder andere Aspekt im Bewußtsein der Kirche vorhanden, ebensowenig wie der eine oder andere Aspekt gänzlich abhanden kommen könnte aufgrund der Tatsache, daß er ins Dunkel gerät. (Fs)
44a Neigt das allgemeine Empfinden der großen Mehrheit dazu, gewisse Wahrheiten ein Schattendasein fristen zu lassen, so ist es erforderlich, daß die lehrende Kirche sie mit aller Macht bewahrt und somit das katholische System in allem und jedem voll und ganz erhält, selbst wenn dieses oder jenes Teilstück dem Empfinden der Masse kaum noch zugänglich ist. Wenn nun gegenwärtig die drei Syllabi unleugbar in den Hintergrund getreten sind, kann diese Tatsache ihnen nicht die außerordentliche Eigenschaft nehmen. In diesem Zusammenhang sei betont, daß die Gleichartigkeit und Stetigkeit der päpstlichen Verlautbarungen in den Augen der Neuerer der größte Fehlgriff ist, denn mit dieser Beharrlichkeit stemme sich die Kirche gegen den Fortschritt. Die Kirche aber ist in einer zeitlosen Wahrheit verankert, und mit dieser beurteilt sie die Zeiten. Die Formel der Kirche lautet bis in idem, ja sogar pluries in idem, und vollends semper in idem, weil die Kirche in ständiger, unzerstörbarer Verbindung mit dem Prinzip steht, und wenn sie die wandelbaren geschichtlichen Umstände nach Maßgabe des Prinzips beurteilt, ist dieses, und nicht die kontingenten Umstände, ihr Anliegen. (Fs)
28. Die Enzyklika »Humani generis« (1950)
44b Im Titel der Enzyklika erregt der thetische, entschiedene Stil, der sich nicht der in anderen Lehrdokumenten üblichen zurückhaltenderen Wendungen bedient, sogleich die Aufmerksamkeit. Statt des »non videntur consonare« (»scheinen nicht übereinzustimmen«) oder ähnlicher Formeln (die allerdings auch hier zum Thema Polygenismus vorkommen) wird gleich von vornherein angekündigt, daß man auf falsche Ansichten abziele, »die die Grundlagen der katholischen Lehre zu untergraben drohen«1. Die Lage ist bedrohlich, eine Zerrüttung zeichnet sich ab, und angesichts der echten Bedrohung lautet es nicht »subruere videntur« (»scheinen zu untergraben«), sondern ohne Umschweife »subruere minantur« (»drohen zu untergraben«). Die Irrtümer schädigen die katholische Wahrheit, auch wenn sie deren Zerrüttung nicht zuwege bringen. (Fs)
45a In der Präambel des Verzeichnisses wird ein Wesenszug der Krise berührt, der ihren Grad verdeutlicht und ihre Neuartigkeit zum Ausdruck bringt. Der Irrtum, der einst von außerhalb kam, stammt jetzt aus dem Innern der Kirche her. Es ist kein Ansturm der Außenwelt mehr, sondern innerliche Verderbnis, kein Versuch mehr, die Kirche zu zerstören, sondern nach dem berühmten Ausspruch Pauls VI. Selbstzerstörung der Kirche. Indes dürften falsche Ansichten in der Kirche keinen Raum finden, weil die menschliche Vernunft, unbeschadet ihres natürlichen Vermögens, hienieden von der Offenbarung stets gefestigt und erweitert wird. Jedoch liegt in der Forderung nach Unabhängigkeit von der Offenbarung das prOton pseudos, die Anfangslüge, und die in der Enzyklika beschriebenen Irrtümer sind lediglich deren Formen, oder genauer, deren Namengebungen. So bringt der für die moderne Geisteshaltung wesentliche Pyrrhonismus vor, unsere Erkenntnis erfasse nicht das Wirkliche, sondern stelle lediglich veränderliche Bilder einer immer flüchtigen Wirklichkeit her. Diese Art Erkenntnis ist unabhängig von der Wahrheit. (Fs)
45b Auch die Existenzphilosophie stützt sich auf das Prinzip der Unabhängigkeit. Die existenten Dinge stehen in keiner Beziehung zu Essenzen, die ihnen voraus sind und an der Absolutheit des göttlichen Seins teilhaben, dessen Gedanken sie sind. Die Enzyklika brandmarkt die moderne Geisteshaltung, nicht, weil sie modern ist, sondern insofern sie sich anmaßt, von jenem firmamentum, jener Stütze unwandelbarer Werte, abzugehen, um ganz und ausschließlich bei der Existenz zu verweilen. Diese Geisteshaltung läßt sich selbst bei Richtigstellungen nicht in Einklang mit dem katholischen Dogma bringen (Denzinger 2323). (Fs)
45c Die folgenden Artikel erklären die Herkunft der übrigen Irrtümer, die sämtlich mit dem Irrtum von der Unabhängigkeit der Kreatur in Verbindung gebracht werden. Der Historismus, der den Gedanken von der Loslösung der Existenz von der Essenz vertritt, kann die Wirklichkeit nur in einer ständigen Bewegung finden und führt zu einem umfassenden Mobilismus. Leugnet man nämlich das gerade von den Essenzen gebildete, jenseits des Zeitlichen befindliche Element alles Zeithaften, löst sich das Sein im Werden auf, da jede unauflösbare Grundlegung, die sogar notwendig wäre, um das Werden selbst begrifflich zu fassen, zum Verschwinden gebracht worden ist (Denzinger 2323). (Fs)
46a Auch die Verurteilung des Sentimentalismus (Denzinger 2324) ist nichts anderes als eine Verurteilung des Gefühls, wofern es nicht in die Ganzheitssicht des Menschen gestellt wird. In der Tat besteht im Innersten des Menschen eine wesenhafte Beziehung zu seiner Vernunft, und im Innersten der Vernunft ist eine Essenz, die zwar geschaffen ist, aber am Absoluten teilhat. Der Ursprung des Pyrrhonismus, der Existenzphilosophie, des Mobilismus und des Sentimentalismus aus dem Prinzip der Unabhängigkeit, das im Gegensatz zum katholischen Prinzip steht, macht den theoretischen Kern des Dokuments Pius' XII. aus. Die Verwerfung einzelner, vom prOton pseudos abgeleiteter Irrtümer, als da sind die Ablehnung der Metaphysik (sei sie thomistisch oder nicht), der allgemeine Evolutionismus, die liberale Bibelkritik, der religiöse Naturalismus und die anderen spezifisch theologischen Irrtümer (unter den größten die Ablehnung der Transsubstantiation) sind nur zweitrangig und beiläufig. Als solche muß man sie ansehen, beabsichtigt man auszumachen, wo das ureigentliche Prinzip des Katholizismus beeinträchtigt worden ist. Dieses Prinzip besagt die Abhängigkeit der gesamten Anthropologie vom Göttlichen; verneint man jedoch diese Abhängigkeit, so wird die Grundlage jeder Axiologie beseitigt, wie das Dokument aussagt (Denzinger 2323). (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; der Konzilsgeist Kurzinhalt: Dieses Überschreiten geschah im Zeichen eines vielschichtigen, mehrdeutigen, schillernden und verworrenen Etwas, genannt »Konzilsgeist«
Textausschnitt: 47. Die Schritte über das Konzil hinaus. Der Konzilsgeist
101a Das Konzil hat, wie wir sahen, mit seiner gesamten Vorbereitung gebrochen; sein Ablauf kommt einer Überschreitung des projektierten Konzils gleich. Zudem ist es in der Nachkonzilszeit, die zur Verwirklichung der Beschlüsse hätte führen sollen, erneut zur Überschreitung gekommen. Daß dies tatsächlich geschehen ist, wird auch in der päpstlichen Ansprache häufig beklagt, so z.B. ausdrücklich von Paul VI., der am 31. Januar 1972 auf »kleine, aber anmaßende und höchst zersetzende Minderheiten« verwies. Die Tatsache wird darüber hinaus von den nicht wenigen Stimmen bewiesen, die die konziliaren Neuerungen als unzureichend erachten und daher für ein III. Vatikanum laut werden. Dieses müsse der Kirche zu dem Schritt nach vorn verhelfen, den sie in den ersten beiden Kirchenversammlungen ablehnte oder zu unternehmen zögerte. (Fs)
101b Die Überschreitungen zeigen sich vor allem im liturgischen Bereich, hat doch die Messe eine radikale Veränderung erfahren. Desgleichen im institutionellen Bereich, der vom demokratischen Geist der allseitigen Beratung und des fortwährenden Referendums heimgesucht worden ist. Noch deutlicher aber zeigen sie sich in der Mentalität, die jetzt bereit ist, sich mit Doktrinen zu arrangieren, die dem katholischen Prinzip fremd sind. (Fs)
101c Dieses Überschreiten geschah im Zeichen eines vielschichtigen, mehrdeutigen, schillernden und verworrenen Etwas, genannt »Konzilsgeist«. So ist das Konzil also über seine Vorbereitung hinausgegangen, oder besser, es hat sie beiseite gelegt, und der Geist des Konzils ist über das Konzil selbst hinausgegangen. (Fs)
101d Die Vorstellung vom »Konzilsgeist« entbehrt der Klarheit und Eindeutigkeit. Es handelt sich aber um eine Metapher, mit der genaugenommen die vom Konzil erfahrene Eingebung gemeint ist. Rein logisch gesehen, ist die Geist-Metapher mit der Vorstellung dessen verknüpft, was in einem Menschen die Hauptsache ausmacht und ihn bei all seinen Handlungen bewegt. Die Bibel spricht vom Geist des Moses und berichtet, Gott habe vom Geist des Moses genommen und auf die siebzig Ältesten kommen lassen (Num. 11,25). Der Geist des Elias ist in dessen Schüler Elisäus gedrungen (IV. Kön. 2,15). Oftmals wird auch der Geist des Herrn erwähnt. In all diesen Schriftstellen ist der Geist das, was im Innern eines Menschen jedem Akt vorausgeht und alle Akte als erstes Bewegendes leitet. Die siebzig Ältesten, bei denen Weissagungen einsetzten, als Gott den Geist des Moses auf sie kommen ließ, waren vom gleichen Ideal, vom gleichen erhabenen Beweggrund erfüllt wie Moses. Der Geist des Elias in Elisäus ist das Elisäus zu eigen gewordene Ideengut des Elias. Der Geist des Herrn ist der Herr selbst, der Ursache und treibende Kraft im Wirken aller wurde, die den Geist des Herrn besitzen. Entsprechend ist der Geist des Konzils das ideale Prinzip, das die Konzilsvorgänge anregt und belebt, und, um es nach Art der Stoiker zu sagen, to hEgemonikon, das leitende Prinzip des Konzils. (Fs)
102a Nach diesen Worten wird klar, daß der Geist des Konzils, d.h. das, was den Konzilsdekreten zugrunde liegt und gewissermaßen das a priori des Konzils ausmacht, sich gewiß nicht völlig mit dem Buchstaben des Konzils deckt, aber natürlich auch nicht vom Buchstaben gelöst ist. Worin findet sonst ein beschließendes Kollegium seinen Ausdruck, wenn nicht in dem, was es verfügt und beschließt? Daher ist die Berufung auf den »Konzilsgeist«- vor allem seitens derer, die das Konzil zu überschreiten gedenken - ein fragwürdiges Argument, eine Art Vorwand, um den eigenen Geist der Neuerung auf das Konzil zu übertragen. (Fs)
102b Noch etwas ist an dieser Stelle zu bemerken: Da dieser Geist nichts anderes als das Prinzip des Konzils ist, läuft dies, wenn man dort eine Pluralität von Geistern vermutet, praktisch auf das gleiche hinaus, wie bei Konzilen eine Pluralität festzustellen, die von einigen Autoren als Bereicherung angesehen wird. Die Annahme, der »Konzilsgeist« habe viele Seiten, ist nur möglich aufgrund der Unbestimmtheit und Verworrenheit, durch die gewisse Konzilsdokumente verderbt sind und die Theorie von der Überschreitbarkeit des Konzils mittels seines Geistes entstehen konnte. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; keine authentische Erläuterungen des Konzilstexte
Kurzinhalt: Offen über das Konzil hinaus geht man auch dann, wenn der Buchstabe des Konzils nicht beachtet wird und die Reformen dem gesetzgebenden Willen des Konzils zuwiderlaufen.
Textausschnitt: 48. Die Schritte über das Konzil hinaus. Mehrdeutiger Charakter der Konzilstexte
103a Faktisch erfolgt die Überschreitung des Konzils unter Berufung auf den »Konzilsgeist« so, daß man sich bald offen über den Buchstaben hinwegsetzt, bald Begriffe weiter faßt und deren Sinn entstellt. (Fs)
Das offene Überschreiten ist jeweils dann gegeben, wenn in der Nachkonzilszeit als konziliar ausgegebene Leitgedanken entwickelt werden, die in den Konzilstexten keinen Rückhalt finden und dort nicht einmal vom Wort her vorkommen. Die Vokabel »Pluralismus« z.B. ist dort nur dreimal zu finden und jedesmal mit Bezug auf die bürgerliche Gesellschaft1. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff »Authentizität« (im Sinne von a) Glaubwürdigkeit, b) natürliche Offenheit, s. § 88/Anm. d. Übers.) als moralischer und religiöser Wert eines Humanverhaltens. Er erscheint in keinem Dokument, und wenn das Wort »authenticus« achtmal vorkommt, dann noch allemal in der eigentlichen sprachlichen und dem kirchlichen Gebrauch entsprechenden Bedeutung. So steht authentisch in bezug auf die biblischen Schriften, das Lehramt und die Traditionen, niemals aber auf jene unmittelbar psychologisch relevante Eigenschaft, die heute als sicheres Indiz für einen religiösen Wert gerühmt wird. Schließlich fällt das Wort »Demokratie« samt Ableitungen nirgendwo in den Konzilsaussagen, obwohl es in den Sachregistern approbierter Textausgaben aufgeführt ist. Dennoch ist die Modernisierung der nachkonziliaren Kirche großenteils ein Demokratisierungsprozeß. (Fs)
103b Offen über das Konzil hinaus geht man auch dann, wenn der Buchstabe des Konzils nicht beachtet wird und die Reformen dem gesetzgebenden Willen des Konzils zuwiderlaufen. Das augenfälligste Beispiel ist nach wie vor der allgemeine Ausschluß der lateinischen Sprache aus den lateinischen Riten, in denen sie laut Artikel 36 der Konstitution über die Liturgie erhalten bleiben sollte. Statt dessen wurde sie praktisch geächtet, indem man die Messe allenthalben in den Volkssprachen zelebriert, sowohl im didaktischen Teil als auch im Teil der Opferung; s. §§ 277-283. (Fs)
103c Doch wird das offene Überschreiten noch dadurch übertroffen, daß man unter Berufung auf den »Konzilsgeist« den Gebrauch neuer Vokabeln einführt, die dazu dienen, eine eigenständige Auffassung als Botschaft des Konzils zu vermitteln, und sich zu diesem Zwecke gerade die Unbestimmtheit gewisser Konzilsaussagen zunutze macht2. Von äußerster Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß das Konzil zwar wie üblich eine Kommission für die authentische Auslegung seiner Dekrete eingesetzt hat, diese aber niemals authentische Erläuterungen herausgegeben hat und nirgends angeführt wird. So wurde die Nachkonzilszeit zu einer Zeit der Ausdeutung statt der Ausführung des Konzils. Mangels einer authentischen Auslegung fiel die Klärung der Stellen, wo die Vorstellung des Konzils unbestimmt und strittig erschien, Theologendisputen anheim, was zu jener schweren, von Paul VI. in seiner Ansprache vom 7. Dezember 1969 beklagten Beeinträchtigung der kirchlichen Einheit führte, s. § 7. Der mehrdeutige Charakter der Konzilstexte3 schafft somit eine Grundlage sowohl für die neuerungsbeflissene als auch für die traditionsgebundene Hermeneutik und löst eine regelrechte hermeneutische Kunstfertigkeit aus, die so erheblich ist, daß man nicht umhin kann, sie hier kurz zu umreißen. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; Circiterismus; Gebrauch der adversativen Konjunktion »aber«
Kurzinhalt: Diese »Wohl-aber«-Formel ist oft in den Beiträgen der Konzilsväter anzutreffen. Sie sagen an erster Stelle etwas aus, das dann mit dem »Aber« der Zweitaussage zunichte wird, so daß letztere zur eigentlichen Hauptaussage wird ...
Textausschnitt: 50. Das Konzil als Gegenstand neuerungsbeflissener Hermeneutik, weitere Überlegungen. Circiterismen. Gebrauch der adversativen Konjunktion »aber«. Die Vertiefung
106a Eine bei den Neuerern übliche Argumentationsweise ist der Circiterismus. Er besteht darin, daß man auf einen verschwommenen und verworrenen Terminus so Bezug nimmt, als wäre er etwas Unanfechtbares, längst Geklärtes, um aus ihm das Element zu gewinnen oder auszuschalten, das gelegen beziehungsweise ungelegen kommt. Dazu gehört z.B. der Terminus »Konzilsgeist« oder ganz einfach »das Konzil«. Ich erinnere mich, daß bis hin zur Seelsorgepraxis auf Neuerungen versessene Priester, die die unumstößlichsten und selbst gemäß dem Konzil unveränderten Grundsätze verletzten, die über solche Willkür erstaunten Gläubigen mit dem Hinweis auf das Konzil abspeisten. (Fs)
106b Über eines bin ich mir durchaus im klaren: Da einerseits die intellektuale intentio - das Erkenntnisstreben des Verstandes - in ihrer Begrenztheit unfähig ist, gleichzeitig alle Seiten eines komplexen Gegenstandes beschauend zu erfassen, und da es andererseits einen freien Vollzug des Denkens gibt, kann der Erkennende sich den verschiedenen Teilen des Komplexes nur nach und nach zuwenden. Allerdings stelle ich fest, daß diese natürliche Wirkungsweise des Verstandes nicht verwechselt werden darf mit der absichtlichen Verzerrung, die der Wille dem Akt des Verstandes eingeben kann, so daß dieser, entsprechend dem Text des Evangeliums, bei allem Sehen doch nicht sieht und bei aller Kenntnis doch nicht erkennt (Mt. 13,13). Die erstere Wirkungsweise zeigt sich auch in der echten Forschung, die ihrer Natur gemäß Schritt für Schritt vorgeht, während die zweite eine andere Bezeichnung als »Forschung« verdient, denn sie überlagert die Dinge mit einem Etwas, das aus der subjektiven Neigung des Einzelnen hervorgeht. (Fs)
106c Es ist auch üblich, von Botschaft zu sprechen und vom Kode, mit dem sie zu lesen und zu entschlüsseln sei. An die Stelle der sachbezogenen Erkenntnis ist der Begriff »Leseart« getreten, d.h. die Verbindlichkeit des eindeutigen Erkennens wird durch die vielen möglichen Arten des Lesens ersetzt. Ein und dieselbe Botschaft (so sagt man) könne mit verschiedenen Schlüsseln gelesen werden, und wenn sie orthodox ist, könne man sie nach einem heterodoxen Schlüssel, wenn heterodox, nach einem orthodoxen erschließen. Bei einer solchen Methode wird jedoch vergessen, daß der Text einen ihm ursprünglich verliehenen, mit ihm verknüpften, offensichtlichen und wörtlichen Sinn hat, der von jeder folgenden Leseart verstanden werden muß und manchmal nicht den Kode zuläßt, mit dem er dann nach der zweiten Art gelesen und entschlüsselt wird. So haben die Konzilstexte wie alle anderen Texte - unabhängig von der darauf verwandten Leseart - ein offenkundiges und eindeutiges Richtmaß für die Lektüre, d.h. sie haben einen Buchstabensinn, der die Grundlage jedes anderen Sinnes ist, den man aus ihnen herauslesen wird. Die vollendete Hermeneutik besteht darin, daß die zweite Art des Lesens nach der ersten, die den eigentlichen Sinn des Textes ergibt, ausgerichtet wird. Im übrigen ist die Kirche nie anders vorgegangen. (Fs)
107a Die Neuerer der nachkonziliaren Periode verfahren also auf die Weise, daß sie Teile eines Textes oder einer Wahrheit hervorheben oder verdunkeln, in rosigem oder in ungünstigem Licht darstellen. Dies ist nichts anderes als mißbräuchliche Abstraktion (Herausreißen aus einer Gesamtheit/Anm. d. Übers.), die der Geist notgedrungen vornimmt, wenn er ein x-beliebiges komplexes Ganzes prüft. In einer solchen Lage befindet sich in der Tat das diskursive Erkennen, das - im Gegensatz zu der den Engeln eigenen Intuition - nur im zeitlichen Nacheinander erfolgt. (Fs)
107b Damit verbunden ist die für den Irrtum bezeichnende Verfahrensweise, die darin besteht, eine Wahrheit hinter einer anderen zu verbergen, um dann so vorzugehen, als wäre die verborgene Wahrheit nicht nur verborgen, sondern schlechthin nicht vorhanden. Wenn man z.B. die Kirche als »Volk Gottes auf dem Wege« definiert, wird die andere Wahrheit verborgen, d.h. daß die Kirche auch den bereits im Endziel befindlichen Teil der Seligen umfaßt. Er ist überdies ihr wichtigster Teil, denn in ihm hat sich die Zielsetzung der Kirche und des Universums erfüllt. In einem weiteren Schritt wird schließlich das, was in der Verkündigung noch besteht, aber in den Hintergrund gerückt wurde, aus ihr ganz getilgt, indem man die Heiligenverehrung ablehnt. (Fs)
108a Das von uns beschriebene Verfahren wird oft nach einem Schema realisiert, für das der Gebrauch der adversativen Konjunktion »(wohl) aber« typisch ist. Es genügt allerdings, den vollen Sinngehalt der Wörter zu kennen, um schnell hinter die Absicht der Ausleger zu kommen. Will man z.B. das Prinzip des Ordenslebens angreifen, drückt man sich so aus: »Nicht das Fundament des Ordenslebens wird erneut in Frage gestellt, wohl aber der Stil seiner Verwirklichung«. Um so auch das Dogma von der Jungfräulichkeit der Muttergottes in der Geburt zu umgehen, heißt es, Zweifel seien möglich, »übrigens nicht an der Glaubensaussage selbst, deren dogmatische Geltung niemand bestreitet, wohl aber an ihrem genauen Gegenstand. Was diesen betrifft, wäre es ungewiß, ob er das Wunder der den Körper unversehrt belassenden Geburt einschließe«1. Und um gegen die Klausur der Ordensfrauen anzugehen, schreibt man: »Die Klausur muß bestehenbleiben, aber auf die zeitlichen und örtlichen Bedingungen abgestimmt werden«2. (Fs)
108b Bekanntlich entspricht die Konjunktion »mais« ([wohl] aber, sondern) dem lateinischen »magis« ([vielmehr), ihrem Etymon3. Die Jungfräulichkeit der Muttergottes, das Ordensleben, die Klausur bleiben also scheinbar unangetastet, doch im Klartext heißt es, mehr noch als das Prinzip zählten die Wege seiner an Zeit und Ort gebundenen Realisierung. Was ist denn schon ein Prinzip, wenn es nicht über den Möglichkeiten seiner Verwirklichung steht, sondern darunter? Und wie kann man verkennen, daß es Arten der Verwirklichung gibt, die das Fundament zerstören, anstatt es deutlich werden zu lassen? In der gleichen Weise könnte man auch sagen, das Grundprinzip der Gotik stehe nicht zur Debatte, sondern die Art ihrer Verwirklichung, um dann den Spitzbogen abzutun. (Fs)
108c Diese »Wohl-aber«-Formel ist oft in den Beiträgen der Konzilsväter anzutreffen. Sie sagen an erster Stelle etwas aus, das dann mit dem »Aber« der Zweitaussage zunichte wird, so daß letztere zur eigentlichen Hauptaussage wird. Auch auf der Bischofssynode 1980 formulierte sich die frankophone Gruppe B so: »Die Gruppe stimmt Humanae vitae vorbehaltlos zu, aber es wäre nötig, die Dichotomie, die Zweiteilung zwischen Gesetzesstrenge und pastoraler Anpassung zu überwinden«. Somit wird die Zustimmung zur Enzyklika reiner Wortschwall, denn mehr als sie zählt, daß sich das Gesetz der menschlichen Schwäche beugt (OR, 15. Oktober 1980). Noch unverblümter erscheint die Formel bei denen, die die Zulassung Geschiedener zur Eucharistie fordern: »Es handelt sich nicht um einen Verzicht auf die Forderung des Evangeliums, wohl aber darum, allen die Möglichkeit zuzuerkennen, in die kirchliche Gemeinschaft wiedereingegliedert zu werden« (ICI, Nr. 555,13. Oktober 1980, S. 12). (Fs)
109a Ferner kam es auf der Synode über die Familie 1980 bei den neuerungsbeflissenen Gruppen zur Verwendung des Wortes »Vertiefung«. Während man danach trachtete, daß die Lehre von Humanae vitae aufgegeben werde, bekannte man sich dennoch voll zu ihr, verlangte aber, sie zu vertiefen. Dies nicht etwa, um sie durch neue Argumente zu bekräftigen, sondern um daraus eine andere Lehre zu machen. Die Tiefe sollte im ständigen, schließlich zur Antithese gelangenden Auf-der-Suche-Sein bestehen. (Fs)
109b Noch bedeutsamer ist die Tatsache, daß manchmal sogar bei Abfassung der Konzilsdokumente nach der Methode des Circiterismus verfahren wurde. Der Circiterismus wurde damals dort bewußt hineingebracht, damit die nachkonziliare Hermeneutik dann die Möglichkeit haben würde, sie beschäftigende Ideen ins rechte Licht zu rücken oder in Mißkredit zu bringen. »Wir drücken es auf diplomatische Weise aus, aber nach dem Konzil werden wir die impliziten (einschlußweise möglichen/Anm. d. Übers.) Schlüsse ziehen«4. Das besagt eine diplomatische, nach dem Sinngehalt dieses Wortes also doppelte, Stilart, bei der der Wortlaut mit Hinblick auf die Hermeneutik gestaltet und damit die natürliche Folge des Denkens und Schreibens umgekehrt wird. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; Allseitigkeit des Wandels: Glaube, Hoffnung, Liebe, Sinnesapparat; Wesen - Akzidenz
Kurzinhalt: Obwohl im Leben der Kirche akzidentelle Bestandteile vorhanden sind, darf nicht alles, was ein Akzidens darstellt, von der Kirche wahllos angenommen oder aufgegeben werden
Textausschnitt: 51. Grundzüge der Nachkonzilszeit. Die Allseitigkeit des Wandels
109c Die Nachkonzilszeit ist in erster Linie gekennzeichnet durch einen allgemeinen Wandel, der sämtliche Realitäten der Kirche sowohl innen wie außen erfaßt. Vom II. Vatikanum ging in dieser Hinsicht eine so beherrschende geistige Macht aus, daß ihm unter den Konzilen eine ungewöhnliche Stellung zuzuweisen ist. Dieser allumfassende Charakter des vollzogenen Wandels läßt zudem die Frage aufkommen, ob es sich womöglich um eine substantielle Veränderung (s. §§ 33-35) handle, die der in der Biologie als Idiovariation bezeichneten entspricht. Es fragt sich, ob man nicht dabei ist, von einer Religion in eine andere überzugehen, wie von vielen, seien es Geistliche, seien es Laien, ohne Zaudern verkündet wird. Wenn dem so wäre, brächte das Entstehen des Neuen den Tod des Alten mit sich, wie in der Biologie und der Metaphysik. Das Jahrhundert des II. Vatikanum wäre dann ein großer Wendepunkt der Geschichte, der Endpunkt einer der Windungen des menschlichen Geistes in seinem ewigen Verwickeln in sich selbst. Man kann die Frage auch anders stellen: Liefert das Jahrhundert des II. Vatikanum möglicherweise den Beweis für die reine Geschichtlichkeit der katholischen Religion oder, was das gleiche ist, für ihre Nicht-Göttlichkeit? (Fs) (notabene)
110a Vom Ausmaß des Wandels kann man fast sagen, daß er nichts ausspart1. Unangetastet und tendentiell unverändert blieb nicht eine der drei das Resümee der Religion darstellenden Verhaltensklassen, d.h. die Einstellung zu den Dingen, die zu glauben, zu erhoffen und zu lieben sind. So erfährt der Glaubensbegriff, noologisch gesehen, seine Umstellung. Aus dem Glauben als Akt des Verstandes wird ein Akt des Personsubjekts, aus Zustimmung zu geoffenbarten Wahrheiten ein vitales Streben, womit er also in die Sphäre der Hoffnung rückt (§ 164-166). Die Hoffnung stuft ihr Objekt hinab, denn ihr Sinnen und Trachten geht jetzt auf irdische Befreiung und Umwandlung aus (§ 168). Die Liebe, die wie der Glaube und die Hoffnung ein eindeutig übernatürliches Objekt hat (§ 169), stuft gleichermaßen ihr Endziel hinab, indem sie sich dem Menschen zuwendet. Wir erlebten ja bereits in der Schlußrede des Konzils, daß der Mensch als Vorbedingung für die Gottesliebe proklamiert wurde. (Fs)
111a Aber nicht nur diese drei Klassen menschlichen Verhaltens, die den Geist betreffen, hat die Neuerung erfaßt, sondern sozusagen auch den Sinnesapparat des religiösen und gläubigen Menschen. Der Gesichtssinn trifft auf veränderte Formen der liturgischen Gewänder und Geräte, der Altäre, des Baustils, der Lichtquellen und der Gestik. Für den Tastsinn ist das große Novum, das anfassen zu dürfen, was die Ehrfurcht vor dem Heiligen unberührbar gemacht hatte. Dem Geschmackssinn wird das Leeren des Kelches gewährt. Dem Geruchssinn dagegen ist - jedenfalls weithin - der Wohlgeruch des Weihrauchs verwehrt, der Lebende und Tote in den heiligen Riten ehrte. Der Gehörsinn schließlich hat die nachhaltigste und weitestreichende Neuerung erfahren, die in sprachlicher Beziehung jemals auf dieser Erde wirksam wurde, denn die Liturgiereform brachte für eine halbe Milliarde Menschen eine andere Kultsprache mit sich, wandelte außerdem melodische Töne in perkussive und verbannte aus der Kirche die Gregorianik, die seit Jahrhunderten den Menschen »die Töchter des Gesangs« (Ecclesiastes XII, 4) angenehm gemacht und die Herzen bezwungen hatte. (Fs)
111b Ich nehme hier nicht vorweg, was sonst noch festzustellen sein wird, wenn ich auf die Neuerungen in den Strukturen der Kirche eingehen werde, in den rechtlichen Gegebenheiten, den Bezeichnungsweisen der Dinge, in der Philosophie und Theologie, der Koexistenz mit der bürgerlichen Gesellschaft, der Auffassung über die Ehe und schließlich generell in den Beziehungen zwischen Religion und Kultur. (Fs)
111c Hier wäre die schwierige Erörterung über das Verhältnis zwischen der Essenz und den akzidentellen Teilen einer Sache, der Essenz der Kirche und ihren Akzidenzien, einzufügen. Können womöglich all diese von uns aufgezeichneten Dinge und Gattungen von Dingen in der Kirche neugestaltet werden, und würde die Kirche dann sich selbst gleichbleiben?
111d In der Tat. Allerdings sollte dreierlei beachtet werden. Erstens: Es gibt auch das, was die Scholastiker absolute Akzidenzien nannten, solche also, die mit der Substanz des Gegenstandes nicht identisch sind, doch ohne die der Gegenstand nicht existieren kann. So verhält es sich mit der Quantität in der körperlichen Substanz und mit dem Glauben in der Kirche. (Fs)
112a Zweitens: Obwohl im Leben der Kirche akzidentelle Bestandteile vorhanden sind, darf nicht alles, was ein Akzidens darstellt, von der Kirche wahllos angenommen oder aufgegeben werden. Wie nämlich jeder Gegenstand bestimmte Akzidenzien hat und bestimmte andere nicht hat (ein Schiff mit einem Ausmaß von hundert Stadien ist laut Aristoteles kein Schiff mehr) und wie der Körper z.B. einen Umfang und kein Gewissen besitzt, so verfügt auch die Kirche über bestimmte Akzidenzien und andere nicht. Ebenso gibt es solche, die mit ihrer Essenz unvereinbar sind und sie zerstören. Der endlose geschichtliche Kampf der Kirche richtete sich gegen akzidentelle Formen, die, im Begriff von innen einzuschleichen oder ihr von außen aufgedrängt zu werden, die Essenz der Kirche zerstört hätten. War beispielsweise der Monophysitismus etwa keine akzidentelle Weise, die Gottheit Christi zu verstehen? Und war Luthers privater Geist - die persönliche Auffassung des Einzelnen - etwa keine akzidentelle Weise, das Wirken des heiligen Geistes zu verstehen?
112b Drittens: Die Dinge und die Gattungen von Dingen, die der nachkonziliare Wandel erfaßt hat, sind freilich Akzidenzien im Leben der Kirche, doch dürfen Akzidenzien nicht als belanglos angesehen werden, als könnten sie sein oder nicht sein, so oder so sein, ohne daß die Essenz der Kirche dadurch verändert würde. Hier ist gewiß nicht der Ort, die Metaphysik einzuflechten und auf die Schrift De ente et essentia des hl. Thomas von Aquin aufmerksam zu machen. Allerdings muß daran erinnert werden, daß die Substanz der Kirche nur in deren Akzidenzien präsent ist und daß eine unausgeprägte Substanz, der also die Akzidenzien fehlen, eine nichtige Substanz, ein Nicht-Seiendes ist. Das gesamte geschichtliche Dasein eines Individuums ist anhand seiner Erkenntnis- und Willensakte erfaßbar: Sind nun aber diese Vorgänge des Erkennens und Wollens etwas anderes als akzidentelle Realitäten, die accidunt /zufallen, kommen und gehen, entstehen und vergehen? Gleichwohl hängt das dem Sittengesetz gemäße Ziel, Heil oder Verdammnis, gerade von jenen Akzidenzien ab. So ist auch das gesamte geschichtliche Leben der Kirche ihr Leben in ihrem akzidentellen Bestand und ihren Kontingenzen. Wie kann man verkennen, daß ihre akzidentelle Bestandteile bedeutend, ja von substantieller Bedeutung sind? Und sind die in den akzidentellen Formen erfolgenden Veränderungen nicht auch - akzidentelle und geschichtliche - Veränderungen der unwandelbaren Essenz der Kirche? Sollten sich alle akzidentellen Bestandteile verändern, wie könnten wir dann die kirchliche Substanz selbst als unverändert ansehen? Was bliebe von einem Menschen, wenn all das, was ihn akzidentell und historisch umfängt, gewandelt würde? Was bleibt von Sokrates übrig ohne seine Ekstasis vor Potidäa, ohne die Gespräche auf der Agora, die Fünfhundert und den Schierlingsbecher? Was bleibt von Campanella ohne die fünf Torturen, die Verschwörung von Kalabrien, ohne Verrat und Leid? Was von Napoleon ohne das Konsulat, Austerlitz und Waterloo? Dennoch sind all diese Dinge die Akzidenzien des Menschen. Die Platoniker trennten die Essenzen von der Geschichte, um sie im Hyperuranium - über dem Himmelsgewölbe - wiederzufinden. Wo aber werden wir sie wiederfinden?
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; der neue Mensch; Abbé de Lamennais; Vokablel "neu" - Gnade, creare (erschaffen, ins Dasein rufen)
Kurzinhalt: ... daß die katholische Theologie, oder besser, die katholische Glaubensgewißheit, nur drei von Grund auf neue Situationen kennt, die die Menschheit zu erneuern und gleichsam in eine andere Natur überzuführen vermögen:
Textausschnitt: 52. Weiteres zur Nachkonzilszeit. Der neue Mensch. GS 30. Die Tragweite des Wandels
113a Eine durch alle Jahrhunderte führende Untersuchung der Bewegungen, die die Kirche erschütterten, progressive wie regressive, wird ergeben, wie oft katastrophale darunter sind, d.h. solche, die die Kirche und durch sie die gesamte Menschheit radikal umgestalten wollen. Sie entstehen aus dem Geist der Unabhängigkeit, der die Bindungen an die Vergangenheit zu lösen trachtet, um ohne Rücksicht (s. die eigentliche Wortbedeutung) vorzustürmen. Also keine Reform innerhalb der im Wesen der Kirche selbst vorfindbaren Grenzen und gemäß bestimmten Institutionen, die man als grundlegend erhalten hat, sondern ein Hin zur Palingenese, zur Wiedergeburt, eine Bewegung, die das Wesen der Kirche und des Menschen erfindet, indem sie beidem eine andere Grundlage und andere Grenzen zuweist. Auch nicht etwas Neues innerhalb der Institution, sondern neue Institutionen. Ebensowenig eine in bedingter Unabhängigkeit verlaufende Entwicklung, verstanden als organisches Wachsen in Abhängigkeit von der Vergangenheit, die ihrerseits abhängig ist von einem Fundament, das einmal für immer vorgegeben ist. Nein, hier handelt es sich um Unabhängigkeit schlechthin, die heute als kreativ bezeichnet wird. (Fs)
113b Für ein solches Unterfangen gibt es Präzedenzien. Ich möchte mich nicht allzusehr mit Belegen verzetteln und diese auch nicht den häretischen Diesseits-Eschatologien entnehmen, die ein drittes Zeitalter, das des Heiligen Geistes, ankündigen. Es mag der Hinweis auf die Züge genügen, die die katholische Erneuerung im letzten Jahrhundert im leidenschaftlichen Denken des Abbé de Lamennais annahm, ersichtlich aus den unveröffentlichten Briefen, deren Herausgabe Charles Périn besorgte1. Dem bretonischen Geistlichen schien es unmöglich, daß die Kirche nicht bald große Reformen und tiefgreifende Umwandlungen durchmachen werde. So todsicher diese Umwandlungen auch einträten, so unvorhersehbar wären sie in ihren Konturen. Auf jeden Fall stünde eine neue Beschaffenheit der Kirche und eine neue Ära bevor, deren Grundmauern Gott selbst mit einer neuen Offenbarung legen werde. Ich möchte mich auch nicht über den Beweis verbreiten, daß die Kreierung eines neuen Menschen, typisch für die moderne Revolution, auf dasselbe hinausläuft, was der Nationalsozialismus in esoterischer Tönung diesbezüglich kundtat. Nach Hitler neigt sich die solare Periode des Menschen ihrem Ende zu, ein neues Menschentum beginnt sich abzuzeichnen, das mit neuer Wesensart emporwachsen und die alte Menschheit unter das Joch zwingen wird2. (Fs)
114a In diesem Zusammenhang enthält GS 30 eine ganz außergewöhnliche Textstelle. Zu den moralischen Hauptpflichten des (wie es heißt) heutigen Menschen zähle die gesellschaftliche Solidarität, die durch Ausüben und Verbreiten der Tugend zu pflegen sei, »dann werden sie mit der notwendigen Hilfe der göttlichen Gnade wahrhaft neue Menschen und Erbauer einer neuen Menschheit«3. (Fs)
114b Die Vokabel »neu« fällt im II. Vatikanum zweihundertzwölfmal, - eine unverhältnismäßig hohe Frequenz gegenüber jedem anderen Konzil. Bei dieser Häufigkeit kommt »neu« oft im naheliegenden Sinne einer relativen Neuheit, die auf die Eigenschaften oder die akzidentellen Bestimmungen der Sache einwirkt. So ist dort (natürlicherweise) die Rede vom Neuen Testament, von neuen Kommunikationsmitteln, neuen Hindernissen für die Glaubenspraxis, neuen Umständen, neuen Problemen und so fort. Jedoch wird die Vokabel im gerade zitierten Text (und vielleicht auch im Dekret über die Missionstätigkeit, Ad Gentes 1, die Formulierung »nova exsurgit humanitatis condicio« -»für die Menschheit entsteht eine neue Situation«) im engsten und strengsten Sinne aufgefaßt. So gesehen ist das eine Neuheit, kraft der im Menschen keine neue Qualität oder Vollkommenheit entsteht; vielmehr wird die menschliche Basis selbst umgewandelt, und es ergibt sich eine neue Kreatur im ureigentlichen Sinne. (Fs)
115a Paul VI. verkündete wiederholt die Neuheit des konziliaren Denkens: »Die wichtigen Worte des Konzils sind »novità« (Neuheit, neue Lage, Neuartigkeit/Anm. d. Übers.) und aggiornamento (Anpassung an das Heute, Verheutigung/Anm. d. Übers.) (...) Das Wort »novità« ist uns wie ein Befehl, wie ein Programm gegeben worden« (OR, 3. Juli 1974). (Fs)
115b An dieser Stelle sollte betont werden, daß die katholische Theologie, oder besser, die katholische Glaubensgewißheit, nur drei von Grund auf neue Situationen kennt, die die Menschheit zu erneuern und gleichsam in eine andere Natur überzuführen vermögen:
1. die defektive: Der Mensch ist infolge der Ursünde vom Zustand der Unversehrtheit und Übernatur abgefallen. (Fs)
2. die wiederherstellende und vervollkommnende: Die Gnade Christi ersetzt den Urzustand und erhebt ihn dazu noch über seine ursprüngliche Beschaffenheit. (Fs)
3. die die Gesamtordnung vollendende: Am Ende der Zeiten wird dem begnadigten-begnadeten Menschen in höchster Angleichung des Geschöpfes an den Schöpfer gar die Glückseligkeit und Glorie zuteil, - eine Angleichung, die sowohl nach der Schule des hl. Thomas von Acniin als auch nach der Schule des Duns Scotus ebender Endzweck des Universums ist. (Fs)
115c Es ist also nicht möglich, sich eine neue Menschheit vorzustellen, die noch während ihres Daseins in der jetzigen Weltordnung die neue Seinsweise, in die der Mensch durch die Gnade Christi versetzt ist, überschreiten würde. Ein solches Hinüberschreiten ist tatsächlich vorgesehen, allerdings so, wie es die Tugend der Hoffnung beinhaltet; es soll nämlich im jüngsten Augenblick aller Geschöpfe geschehen, wenn es eine neue Erde und einen neuen Himmel geben wird. (Fs)
116a Die Heilige Schrift verwendet für die Gnade das Verb »creare« (erschaffen, ins Dasein rufen) in dessen eigentlichstem Sinne, denn der Mensch erhält von der Gnade keine neue Fähigkeit, keine neue Qualität, sondern eine neue Existenz und etwas, das sein Wesen berührt. So wie ja die Erschaffung (»creatio«) der Schritt vom Nicht-Sein zum natürlichen Sein ist, so ist die Gnade der Schritt vom Nicht-Sein zum übernatürlichen Sein, ohne Kontinuität mit ersterem und ganz ursprünglich, so daß eine Neuschöpfung (II. Kor. 5,17) und ein neuer Mensch (Eph. 4,24) konstituiert worden sind4. Dieses der Seelensubstanz während des Erdenlebens eingegebene Neue erfaßt das gesamte geistige Leben und wird auch das körperliche Leben in der abschließenden Metamorphose der Welt erfassen. Außerhalb dieses Neuen aber, das dem Menschen eine neue Existenz verleiht, eine moralische wie auch ontologische (dank jenes realen göttlichen Etwas, das sich im Ich des Menschen regt), kennt die katholische Religion weder Erneuerung noch Regeneration, noch Hinzufügung von Sein. Daraus ist zu folgern, daß die novi homines, die neuen Menschen, des Konzils nicht im absoluten Sinne einer Wesensveränderung zu begreifen sind, sondern im abgeschwächten Sinne einer großen Erneuerung des Lebens im Bereich der Kirche und der menschlichen Gesellschaft. Statt dessen ist die Wendung oft in jenem unzulässigen engen Sinne verstanden worden und hat einen Hauch von Mehrdeutigkeit und Utopie über die Nachkonzilszeit gebracht. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; Kirche: Unmöglichkeit einer radikalen Veränderung - kopernikanischer Wende;
Kurzinhalt: Es muß gesagt werden, daß der Glaube eines späteren Konzils der Glaube aller vorausgegangenen Konzile ist und sie alle verbindet. Man darf deshalb, was zusammengehört, nicht auseinanderbringen und absondern, ...
Textausschnitt: 53. Die Unmöglichkeit einer radikalen Veränderung innerhalb der Kirche
116b Da erheben sich nun tatsächlich unüberhörbare Stimmen im Episkopat für einen grundlegenden Wandel. Die Krise der Kirche scheint nicht in dem zu bestehen, was sie um ihrer Selbsterhaltung willen zu durchleiden hat, sondern in den Schmerzen, die ein anderes Wesen hervorbringen. Laut Kardinal Marty, dem Alt-Erzbischof von Paris, liegt das Neue in einer fundamentalen Option, aufgrund deren »die Kirche aus sich selbst hinausgetreten ist, um die Botschaft zu verkünden« und somit missionarisch zu werden. Mgr. Matagrin, der Bischof von Grenoble, wird nicht weniger deutlich und spricht von »kopernikanischer Wende, mit der (die Kirche) sich selbst und ihre Institutionen als Mittelpunkt aufgegeben hat, um sich mittelpunktmäßig Gott und den Menschen zuzuwenden« (IQ, Nr. 586, S. 30, 15. April 1983). Doch sich zwei Mittelpunkten, Gott und Mensch, zuwenden, mögen schöne Worte sein, eine Konzeption ist das nicht. Die behauptete fundamentale Option, sprich die Option für ein anderes Fundament, ist in katholischer Sicht absurd. Erstens, weil das Hinausgehen der Kirche aus der Kirche im Grunde Apostasie bedeutet. Zweitens, weil wie I. Kor. 3,11 besagt: »Keiner kann einen anderen Grund legen als den, der gelegt ist, das ist Jesus Christus«1. Drittens, weil es nicht möglich ist, die Kirche in ihrer historischen Seinsweise, in ihrer kontinuierlichen Abfolge als apostolische, konstantinische, gregorianische, tridentinische abzulehnen und programmäßig die Jahrhunderte zu überspringen, wie es Pater Congar eingestandenermaßen vorhat: »der Plan ist, fünfzehn Jahrhunderte zu überspringen«. Viertens, weil das Hinausgehen der Kirche in die Welt zum Zwecke der Mission nicht verwechselt werden darf mit dem Hinaustreten der Kirche aus sich selbst. Letzteres bedeutet nämlich, daß die Kirche vom Sein zum Nichtsein übergeht, während sie im ersteren Falle ihr Wesen auf die Welt überträgt und in ihr verbreitet. Betrachtet man die Geschichte, ist es im übrigen unangemessen, die gegenwärtige Kirche, die niemanden mehr bekehrt, als missionarisch hinzustellen, und derjenigen Kirche dagegen diese Eigenschaft abzusprechen, die noch vor nicht allzulanger Zeit Gemelli, Papini, Psichari, Claudel, Peguy und andere zur Konversion führte. Natürlich ganz zu schweigen von den bis in die jüngere Vergangenheit hinein blühenden und rühmlichen Missionen der Propagandakongregation. (Fs)
117a Pater Congar bleibt dabei, daß die Kirche Pius' IX. und Pius' XII. zu Ende sei. Wie kann es katholische Ausdrucksweise sein, von der Kirche dieses oder jenes Papstes oder der Kirche des II. Vatikanum zu reden anstatt von der universalen und immerwährenden Kirche im II. Vatikanum! Und Mgr. Polge, Erzbischof von Avignon, hat im OR vom 3. September 1976 in aller Deutlichkeit gesagt, die Kirche des II. Vatikanum sei neu und der heilige Geist sei unaufhörlich am Werk, ihr die Unbeweglichkeit zu nehmen. Für den Prälaten besteht ferner die Neuartigkeit in einem neuen Selbstverständnis der Kirche, d.h. im Entdecken ihrer neuen Wesensart, und diese besteht darin, daß die Kirche »wieder angefangen hat, die Welt zu lieben, sich ihr zu öffnen, dialogfähig zu sein«. (Fs)
118a Die Überzeugung von einem neuen Geschehen in der Kirche, das bereits mit der allseitigen, von den Ideen bis zu den Dingen und Namen reichenden Veränderung belegt ist, zeigt sich auch in der ständigen Bezugnahme auf den Glauben des II. Vatikanischen Konzils und nicht mehr auf den einen und katholischen Glauben, der der Glaube aller Konzile ist2. Sie zeigt sich nicht weniger deutlich in dem Aufruf Pauls VI. zum Gehorsam, der ihm und dem Konzil gebühre, statt zum Gehorsam gegenüber allen seinen Vorgängern und der gesamten Kirche. Es muß gesagt werden, daß der Glaube eines späteren Konzils der Glaube aller vorausgegangenen Konzile ist und sie alle verbindet. Man darf deshalb, was zusammengehört, nicht auseinanderbringen und absondern, noch vergessen, daß die Kirche die eine im Raum und mehr noch, die eine in der Zeit ist. Sie ist das gesellschaftliche Individuum Christi in der Geschichte. (Fs)
118b Abschließend läßt sich feststellen, allerdings mit der nur relativen Genauigkeit jedes geschichtlichen Vergleichs, daß sich die Kirche in unserem Jahrhundert in der umgekehrten Lage als in der Zeit des Konzils von Konstanz befindet: Damals gab es mehrere Päpste und nur eine Kirche, heute dagegen gibt es nur einen Papst und mehrere Kirchen, die des Konzils und die anderen der Vergangenheit, die auf ein totes Gleis geschoben und ihrer Geltung beraubt werden sollen. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; Anschwärzen der Vergangenheit (Beispiele); das radikal Neue - Verlust der Sicht der Kontinuität Kurzinhalt: Da hingegen das radikal Neue in die Kirche eingezogen und deren geschichtliche Kontinuität dahin ist, schwinden Respekt und Reverenz der historischen Kirche gegenüber, ...
Textausschnitt: 55. Das Anschwärzen des geschichtlichen Erscheinungsbildes der Kirche
122a Die heute zu erlebende Anschwärzung der kirchlichen Vergangenheit durch Klerus und Laien steht im krassen Gegensatz zur festen und selbstbewußten Haltung, die der Katholizismus in den vergangenen Jahrhunderten gegenüber seinen Gegnern einnahm. In der Tat wurde die Existenz von Gegnern und mehr noch, von Feinden der Kirche, klar erkannt, und die Katholiken taten beides: gegen den Irrtum zu Felde ziehen und dem Feind Nächstenliebe erweisen. Wenn aber die Wahrheit es verwehrte, menschliche Schwächen mehr als recht zu verteidigen, gebot es die Hochachtung, die Blöße zu bedecken, wie Sem und Japhet bei ihrem Vater Noah getan. Da hingegen das radikal Neue in die Kirche eingezogen und deren geschichtliche Kontinuität dahin ist, schwinden Respekt und Reverenz der historischen Kirche gegenüber, statt dessen regen sich Mißbilligung und Ablehnung der Vergangenheit. (Fs)
122b Respekt und Reverenz haben nun einmal ihren Ursprung im Gefühl einer Abhängigkeit von dem, was gewissermaßen der Primärfaktor für uns oder das Dasein ist, wie Eltern und Vaterland, oder für existentielle Wohltaten, wie die Erzieher. Dieses Gefühl enthält in sich zugleich auch das Bewußtsein von einer Kontinuität zwischen dem, der achtet, und dem, der geachtet wird. Das von uns Verehrte ist ein Teil von uns selbst, und wir verdanken ihm in mancher Hinsicht unsere Existenz. Wenn aber die Kirche für sich selbst absterben und mit ihrer Vergangenheit brechen muß, um als Neugeschaffene wieder zu erstehen, braucht man die Vergangenheit offensichtlich nicht mehr einzubeziehen und zu beleben, sondern muß sie im Gegenteil ausschalten und von sich weisen. Somit werden Respekt und Reverenz ihr gegenüber enden. Schon allein in den Wörtern »Respekt« und »Reverenz« steckt die Vorstellung vom »Sich-Umschauen«, wozu eine auf die Zukunft hin projektierte Kirche, deren Vergangenheit zu zerstören auch noch als Voraussetzung für deren Wiedergeburt angesehen wird, keine Veranlassung mehr hat. Ein gewisser Kleinmut bei der Verteidigung der kirchlichen Vergangenheit - und dies ist eine der heidnischen constantia (Festigkeit, Beständigkeit, Beharrlichkeit) sowie dem christlichen Starkmut entgegengesetzte Untugend - hatte bereits auf dem Konzil Symptome gezeigt, danach aber konnte sich schnell das Syndrom entwickeln. Ich übergehe, was aus der Geschichtsschreibung der Neuerer zum Thema Luther, Kreuzzüge, Inquisition, Franziskus von Assisi ersichtlich ist. Die großen Heiligen des Katholizismus werden ausgesucht, um als Vorläufer des Neuen zu dienen, oder sie bedeuten nichts. Ich komme jetzt darauf zu sprechen, wie man die Kirche anschwärzt und wie sehr die Außenstehenden geschätzt sind. (Fs) (notabene)
123a Die Anschwärzung der Kirche ist ein Gemeinplatz in den Äußerungen des nachkonziliaren Klerus geworden. Gedankliche Ungenauigkeit (»Circiterismus«), gepaart mit Anpassung an die Meinungen der Zeit, führt zum Vergessen, daß man nicht nur dem Gegner, sondern auch sich selbst gegenüber zur Wahrheit verpflichtet ist und nicht ungerecht gegen sich selbst zu sein braucht, um anderen gerecht zu werden. (Fs)
123b Der französische Bischof Mgr. Ancel schreibt die Irrtümer der modernen Welt dem Versagen der Kirche zu, weil »wir, was die wirklichen Probleme anbelangt, nur unzureichende Antworten erteilen«1. Zunächst einmal wäre zu klären, für wen dieses Pronomen »wir« steht: Wir Katholiken? Die Kirche? Wir Hirten? Zum andern ist es nach katholischem Verständnis falsch zu sagen, die Irrtümer der modernen Welt entstünden mangels zufriedenstellender Lösungen, denn Irrtümer koexistieren stets sowohl mit den Problemen als auch mit den wahren Lösungen, die die für die Heilsbestimmung des Menschen wesentlichen Dinge betreffen, welche die Kirche besitzt und beständig lehrt. Zudem ist es merkwürdig, daß jemand, der erst den Irrtum als notwendig für die Wahrheitsfindung erachtet, dann eine Kehrtwendung macht und feststellt, der Irrtum sei der Wahrheitsfindung hinderlich. Im übrigen besteht bei Irrtum Selbstverantwortlichkeit, und verantwortlich darf nicht derjenige gemacht werden, der nicht im Irrtum ist. (Fs)
124a Pierre Pierrard lehnt all die Polemik ab, die die Katholiken im 19. Jahrhundert gegen den Antiklerikalismus austrugen, und stellt dazu noch fest, das früher für teuflisch gehaltene Motto »Le cléricalisme, voilà l'ennemi« (»der Klerikalismus, das ist der Feind«) übernähmen heute die Priester, denn jene Vergangenheit der Kirche sei eine Verneinung des Evangeliums gewesen2. (Fs)
124b Der Franziskaner Nazzareno Fabretti, der in der »Gazzetta del popolo« vom 23. Januar 1970 den kirchlichen Zölibat mit vielen theologischen Circiterismen behandelt, klagt die gesamte Kirchengeschichte des Verbrechens an, wenn er schreibt, Jungfräulichkeit, Zölibat und Abtötung des Fleisches bedeuteten, »da sie jahrhundertelang Millionen Seminaristen und Priestern ohne dementsprechende Überzeugung und tatsächliche Wahlmöglichkeit einfach aufgezwungen worden sind, einen der gewaltigsten Übergriffe, die die Geschichte kennt«. Mgr. G. Martinoli, Bischof von Lugano, behauptet, die Religion trage die Schuld am Marxismus, und der atheistische Sozialismus wäre nicht gekommen, wenn die Katholiken anders gehandelt hätten3. Ferner stellt der nämliche Mgr. Martinoli fest: »Die christliche Religion tritt mit einem neuen Antlitz in Erscheinung: Sie besteht nicht mehr aus engherzigen Praktiken, Äußerlichkeiten, großen Festen und viel Wirbel; die christliche Religion steht wesenhaft in Verbindung mit Jesus Christus«4. Mgr. G. Leclercq will es scheinen, daß die Verantwortlichen für den massenhaften Abfall der Menschen die Priester seien, die sie getauft haben5. (Fs)
124c Kardinal Garrone schließlich bemerkt im OR vom 12. Juli 1979: »Wenn die moderne Welt entchristlicht ist, dann nicht deshalb, weil sie Christus ablehnen würde, sondern weil wir ihn ihr nicht gegeben haben«. Auf dem italienischen Kirchentag des Jahres 1976 kam der Hauptreferent Prof. Bolgiani zu einem ganz und gar negativen Schluß, was die jüngere Vergangenheit der Kirche in Italien angeht. Er stellt eine völlige Unzulänglichkeit des Episkopats fest, ein Kompromißverhalten gegenüber der politischen Macht und eine Ablehnung jeder Erneuerung (OR, 3.-4. November 1976). Kardinal Léger, der Erzbischof von Montreal, brachte in einem Interview für ICI, Nr. 287 (1. Mai 1967), sogar folgendes vor: »... wenn die religiöse Praxis zurückgeht, ist dies kein Zeichen dafür, daß man den Glauben verliert, denn meiner bescheidenen Meinung nach hatte man ihn nie besessen, ich will damit sagen: einen persönlichen Glauben«. Nach Meinung des Kardinals gab es in der Vergangenheit im christlichen Volk keinen echten Glauben. Welch falsche Glaubensauffassung solchen Erklärungen zugrunde liegt, wird weiter unten verdeutlicht. Schließlich und endlich schreibt S. Barreau, der Verfasser des Buches La reconnaissance, ou qu'est-ce que la foi: »Meinerseits glaube ich, daß es seit dem 13. Jahrhundert wenig Evangelisierung in der Kirche gibt« (ICI, Nr. 309,1. April 1968). (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; Kritik am Anschwärzen der Kirche; letztlich: Anklage trifft Christus
Kurzinhalt: Die Nichtaufnahme des WORTES ist das tiefe Geheimnis der Religion, und den Grund hierfür in den Fehlern der Kirche zu suchen, ist in religiöser Hinsicht unergiebig.
Textausschnitt: 56. Kritik am Anschwärzen der Kirche
125a Diese der Anklage gewidmete These, die die Apologetik oder doch wenigstens die passende Gegendarstellung der katholischen Tradition ersetzt hat, ist in erster Linie oberflächlich, denn sie geht davon aus, daß der Irrtum eines Menschen durch das entscheidende Einwirken des Irrtums anderer Menschen verursacht wurde. Hinter einer solchen These verbirgt sich die Leugnung der persönlichen Freiheit und Verantwortlichkeit. Ferner ist die These falsch, weil die, denen der Irrtum der anderen angelastet wird, auf der Bühne der Geschichte die Hauptdarsteller und alle anderen nur Nebendarsteller, ja bloße Materie für erstere, wären. Die These ist schließlich auch glaubensfremd, führt sie doch zu einer Folgerung, die mit teleologischen1 und theologischen Wahrheiten in Konflikt gerät. Macht man sich nämlich diesen Gesichtspunkt der Anklage zu eigen, kommt man dahin, Christus selbst dafür verantwortlich zu machen, daß die Menschen ihn ablehnen, indem er beschuldigt wird, er habe sich nur unzureichend offenbart und die Zweifel an seiner Gottheit nicht gänzlich zerstreut, kurz, er habe seine Aufgabe als Erlöser der Welt nicht erfüllt. Von der Kirche fällt die Anklage letzten Endes auf Christus zurück, vom gesellschaftlichen Individuum auf das einzigartige Individuum, ihren Gründer. In Wirklichkeit ist der Erfolg der Kirche kein Faktum der Geschichte, sondern der Religion und des Glaubens, und das wesenhaft spirituelle und jenseitsorientierte (wenn auch in der Welt geschehende) Wirken der Kirche ist nicht so zu fassen, als gälten dafür die Gesetze rein menschlichen Handelns. Die anklagende These krankt an der theologischen Oberflächlichkeit der Neuerer. Da sie das Prädestinationsdogma völlig ausgeklammert haben, können sie weder die menschliche Freiheit, die sie widerspruchsvoll von der Freiheit anderer abhängig machen, in ihrer Tiefe begreifen, noch die Tiefe des Erlösungsgeheimnisses. Johannes Paul II. hat 1981 in seiner Weihnachtsbotschaft (OR, 26./27. Dezember 1981) diese theologische Tiefe des christlichen Mysteriums treffend aufgezeigt. Dieses liegt gewiß in der Geburt des Gottmenschen, der in die Welt getreten ist, doch ebenso ist ein Geheimnis, daß die Welt seit der Geburt des Heilands diesen nicht aufgenommen hat und es auch weiterhin nicht tut. Die Nichtaufnahme des WORTES ist das tiefe Geheimnis der Religion, und den Grund hierfür in den Fehlern der Kirche zu suchen, ist in religiöser Hinsicht unergiebig. (Fs) (notabene)
126a In Isai. 5,4 wird Christus symbolisch angekündigt, und diese Stelle hallt in der großartigen Karfreitagsliturgie wider. Christus bestürmt das Menschengeschlecht mit der Frage: »Quid est, quod debui ultra facere, et non feci?«2. Die dem Modedenken Frönenden aber scheinen einzuwenden: »Noch weit mehr hättest du tun sollen und tatest es nicht«. Auf die Wehklage Christi erwidern sie: »Appensus es in statera et inventus es minus habens« (Dan. 5,27)3. Trotz des von Wundern begleiteten Predigens Christi verblieben sehr viele im Unglauben, viele in der Sünde, alle im Hang zur Sünde. War die Erlösung deswegen womöglich nur Stückwerk? Die Ankläger der Kirche übergehen nicht nur die Psychologie der Freiheit samt ihrem Geheimnis sowie die Theologie der Prädestination samt ihrem Arkanum, sondern auch den Hauptgrundsatz der Theodizee, wonach im Plan Gottes, Zeichen nach außen zu setzen, ein Zweck erkannt wird. Dieser Zweck liegt in der Gott zugewandten Verherrlichung. Im übrigen genügt es, den Sinngehalt der (lateinischen) Wörter »suadere« und »persuadere«4 zu unterscheiden, um der Kirchengeschichte gerecht zu werden: Die Kirche empfiehlt die Wahrheit, aber sie erlegt diese nicht auf. Die Geschichte ist nämlich die Schaubühne der göttlichen Prädestination und zugleich auch der menschlichen Freiheit. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Nachkonzilszeit; falsche Rückbesinnung auf die Urkirche
Kurzinhalt: Es verhält sich im Gegenteil so, daß die Kirche zu allen Zeiten eine gemischte Masse war, ein Feld mit Weizen und Unkraut, ein aus Guten und Bösen vermengtes Ganzes.
Textausschnitt: 57. Die falsche Rückbesinnung auf die Urkirche
127a Die Schwarzfärberei der Kirche durch die vom Geist der Neuerung getragene Geschichtsschreibung1 hat paradoxerweise zu einer unüberlegten Schwärmerei für die Urkirche geführt, auf deren Geist und Seinsweisen man zurückgreifen zu müssen meint. Die Urkirche wird als eine Gemeinschaft Vollkommener hingestellt, die von Nächstenliebe beseelt gewesen sei und genau nach den Geboten des Evangeliums gehandelt habe. (Fs)
127b Es verhält sich im Gegenteil so, daß die Kirche zu allen Zeiten eine gemischte Masse war, ein Feld mit Weizen und Unkraut, ein aus Guten und Bösen vermengtes Ganzes. Zeugnisse dafür finden sich bereits beim hl. Paulus. Es genügt, an die im Liebesmahl eingerissenen Mißbräuche zu erinnern, an die Entzweiungen unter den Gläubigen, die moralischen Schwächen, die Apostasien während der Verfolgungen. Zur Zeit des hl. Cyprian (3. Jh.) fielen die Christen auf die bloße Kunde von der Verfolgung hin zuhauf vom Glauben ab, noch bevor die eigentliche Gefahr begonnen hatte. »Bei den ersten Worten des drohenden Feindes verriet der größte Teil der Brüder sogleich seinen Glauben (...) Sie warteten nicht einmal ab, bis sie als Verhaftete vor dem Gericht erscheinen würden, um erst nach dem Verhör abzuschwören (...) sie liefen aus freien Stücken dorthin«2. War es übrigens nicht gerade in den ersten christlichen Jahrhunderten, daß Häresien und Schismen so mächtig um sich griffen? Der hl. Augustinus zählt in De haeresibus ad Quodvultdeum (P.L., 42, 17-50) davon nicht weniger als 87 Formen auf, angefangen von solchen mit größter Breiten- und Tiefenwirkung wie Arianismus, Pelagianismus und Manichäismus bis hin zu den lokal beschränkten und verschrobenen wie Kainiten und Ophiten. (Fs)
128a Die für das Christentum der vorkonstantinischen Zeit aus der Rückschau entstandene Begeisterung, mit der man Ausschau nach Erneuerung der Kirche hält, ist also, wie die Geschichte zeigt, haltlos, denn das Christentum war zu allen Zeiten dieses im Gleichnis vom Unkraut behandelte Gemenge. Abt Wolbero von Sankt Pantaleon zu Köln schrieb sogar, die Kirche enthalte die Stadt Gottes und die Stadt des Teufels3, was ich für unrichtig halte, weil nach der Lehre des hl. Augustinus die Welt, nicht die Kirche, die beiden Städte in sich birgt. (Fs)
128b Damit erklären wir keineswegs, es sei unmöglich, die einzelnen Epochen unterschiedlich einzuschätzen: Neben »Richtet nicht« (Lk. 6,37) steht geschrieben »Urteilt nicht nach dem Äußeren, sondern fällt ein gerechtes Urteil«4. Die Taten Einzelner wie auch ganzer Generationen sind Gegenstand dieser so schwierigen Urteilsfindung. Ihr Richtmaß ist das Beständige der Religion, dem sich die Menschen in ihrer Unbeständigkeit unterschiedlich anpassen. Im übrigen verhält es sich mit dem geschichtlichen Urteil über die Religion nicht anders als mit dem ästhetischen Urteil. Die Meisterwerke der Kunst sind nach dem Typus5 zu bewerten, und wenn sie nach diesem, den sie anstreben, bewertet sind (dafür steht die Mühe des Künstlers ein, der weiß, wann er dem Ideal nahekommt und wann nicht), können sie auch im Vergleich miteinander bewertet werden. Ebenso sind die verschiedenen Epochen des Christentums jeweils nach dem Prinzip der Religion zu bewerten, und ist dies so geschehen, lassen sie sich auch untereinander bewerten. Eine Krisenperiode der Kirche liegt also vor, wenn sie derart vom Prinzip abrückt, daß sie in Gefahr gerät. Aber wohlgemerkt! Wir haben nicht vor, als Kriterium für die Beurteilung eines historischen Zeitpunkts einen anderen, willkürlich bevorzugten Zeitpunkt heranzuziehen; so werden wir z.B. über den gegenwärtigen Zustand der Kirche nicht nach der mittelalterlichen Kirche als Vereleichsmaßstab urteilen, sondern alle Epochen nach dem Grundprinzip aller einschätzen, das überzeitlich und - in Einklang mit der göttlichen Unwandelbarkeit - unwandelbar ist. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Ausgang der Apologetik, Heiligkeit der Kirche Kurzinhalt: Und schließlich ist sie heilig, weil sie die geoffenbarte Wahrheit unfehlbar und unverbrüchlich besitzt. Von diesem Punkt muß die katholische Apologetik an sich ausgehen. Die Kirche kann nicht aufzeigen, daß sie in ihrem geschichtlichen Werdegang ... Textausschnitt: 58. Die Heiligkeit der Kirche. Der Ausgangspunkt der Apologetik
130a Ein Glaubenssatz, der auch im Credo verankert ist, besagt, daß die Kirche heilig ist. Allerdings ist es nicht ganz einfach, diese Heiligkeit theologisch zu definieren. Das eigentliche Thema ist hier nicht der Begriff der durch Kanonisation festgestellten Heiligkeit. Dieses Verständnis von Heiligkeit war in der Geschichte gewiß sehr variabel. So hatten zweifellos der hl. Kaiser Heinrich II. und der hl. Johannes Bosco, die hl. Jeanne d'Arc und die hl. Theresia von Lisieux ein je verschiedenes heiliges Wesen. Außerdem sind die mit der Heiligsprechung erfaßten Tugenden heroischen Grades sicherlich nicht ein und dasselbe wie die Heiligkeit aller Begnadeten1 als solcher. (Fs)
130b Daß die Sünde der Getauften der Heiligkeit der Kirche keinen Abbruch tut, ist dargelegt in Summa theol. III, q. 8, a. 3 ad secundum und im Catechismus ad parochos (Hauptabschnitt vom Apostolischen Symbolon), den das Konzil von Trient herausgegeben hat. Dennoch ist diese Grundvorstellung nach wie vor so komplex, daß nur eine scharfe Unterscheidung Klarheit verschaffen kann. Es empfiehlt sich also, wohl zu unterscheiden zwischen dem natürlichen Element und dem übernatürlichen, die neue Kreatur hervorbringenden Element, dem subjektiven und dem objektiven** Element, dem geschichtlichen und dem in es hineinwirkenden überzeitlichen Element. (Fs)
130c Zunächst ist die Kirche als Leib, dessen Haupt der Gottmensch ist, objektiv2 heilig. Mit dem Haupt verbunden, wird auch sie gottmenschlich. Es ist tatsächlich unvorstellbar, daß ein - wie auch immer beschaffenes - Synholon3 einen profanen Leib mit heiligem Haupt aufweisen könnte. (Fs)
131a Sodann ist sie objektiv heilig, weil sie die Eucharistie besitzt, die das wesenhaft Hochheilige und das wesenhaft Heiligmachende ist, denn alle Sakramente ergeben sich von der Eucharistie. (Fs)
131b Und schließlich ist sie heilig, weil sie die geoffenbarte Wahrheit unfehlbar und unverbrüchlich besitzt. Von diesem Punkt muß die katholische Apologetik an sich ausgehen. Die Kirche kann nicht aufzeigen, daß sie in ihrem geschichtlichen Werdegang ohne Unterlaß einwandfrei nach dem Grundsatz des Evangeliums gehandelt hat, wohl aber kann sie nachweisen, ununterbrochen die Wahrheit gepredigt zu haben, und genau hier - nicht im ersteren - ist die Heiligkeit der Kirche zu finden. Die zuständigen Kirchenglieder verkünden nun einmal immer wieder eine Lehre, hinter der die eigene Praxis zurücksteht. Niemand kann über sich selbst, einen stets versagenden und sündhaften Menschen, predigen. Man kann nur den einen Glauben wieder- und weitergeben, der vom Gottmenschen stammt, ja den er persönlich gelehrt hat. Auch die Wahrheit ist also ein grundlegender Faktor für die Heiligkeit der Kirche, die dem VERBUM allzeit verbunden ist und sich allzeit auch der Verderbtheit - einschließlich der eigenen - widersetzt. (Fs)
131c Auf subjektive Weise, wie man es bezeichnen könnte, zeigt sich die Heiligkeit der Kirche auch im Heiligsein ihrer Glieder, d.h. all derer, die als lebendige Glieder des mystischen Leibes in der Gnade leben. Ferner tritt sie auf besondere, offensichtliche Weise in ihren heiliggesprochenen Gliedern hervor, die die Gnade und ihre eigenen Werke die senkrechten Stufen der Tugend hinauftreiben. Und hierzu möchte ich nochmals anmerken, daß diese Heiligkeit selbst in den Zeiten nicht ausblieb, als die christliche Gesellschaft und die Klerisei in tiefen moralischen Verfall geraten waren. So blühte sie doch gerade in dem Jahrhundert auf, in dem das Papsttum nach heidnischer Verkommenheit handelte. Als Beispiele dafür dienen Katharina von Bologna (+ 1464), Bernardino da Feltre (+1494), Katharina Fieschi von Genua (+1510), Franz von Paola (+ 1507), Johanna von Valois (+ 1503), dazu noch viele Reformer wie Girolamo Savonarola (+ 1498). (Fs)
131d Die angeführten Gründe und Fakten räumen jedoch nicht jeden Einwand aus dem Weg. Paul VI. pflichtete den Kritikastern darin bei, daß »die Kirche lange und viele Zeitabschnitte aufweist, die durchaus nicht erbaulich sind« (OR, 6. Juni 1972), unterschied jedoch nur unzulänglich zwischen objektiver Heiligkeit der Kirche und subjektiver Heiligkeit ihrer Glieder. In einer anderen Rede formulierte er es so: »Die Kirche müßte heilig sein und gut, müßte sein, wie Christus sie sich gedacht und sie konzipiert hat, doch bisweilen sehen wir, daß sie dieser Bezeichnung nicht würdig ist« (OR, 28. Februar 1972). Der Papst macht anscheinend aus einem objektiven Kennzeichen ein subjektives. Heilig sein müßten die Christen, und sie sind es in ihrer Eigenschaft als Begnadete, während die Kirche heilig ist. Nicht die Christen heiligen die Kirche, sondern umgekehrt: Die Kirche heiligt die Christen. Im übrigen paßt das Bibelwort von der untadeligen Heiligkeit der Kirche, die »ohne Makel oder Runzel« ist (Eph. 5,27), zur Kirche in der Zeit nur in partiellem Sinne, als etwas, das hier seinen Anfang nimmt. Gleichwohl ist auch die diesseitige Kirche heilig. Genaugenommen ordnen die Kirchenväter jene absolute Makellosigkeit nicht dem pilgernden, geschichtlichen Status der Kirche zu, sondern dem Status, der ihr nach der endgültigen eschatologischen Läuterung gegeben wird. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Paul VI., Ansprache: Spaltung der Kirche
Kurzinhalt: »... die Wiederherstellung der spirituellen und realen Einheit im Innern der Kirche ist heute eines der schwierigsten und dringlichsten Probleme der Kirche«. Die schismatische Lage ist deshalb besonders ernst, weil die Spalter vorgeben, ... Textausschnitt: 60. Die Einheit der nachkonziliaren Kirche
134a Wenn wir die Kennzeichen der nachkonziliaren Kirche behandeln, lassen wir uns davon leiten, alle Phänomene des Wachsens mit der von uns als Prinzip des Katholizismus angesehenen Auffassung vom Abhängigsein in Zusammenhang zu bringen, alle Phänomene des Absinkens mit der konträren Unabhängigkeitsidee. Der Geist der Unabhängigkeit ruft radikale Veränderungen hervor, und diese Radikalität geht ihrerseits Hand in Hand mit dem Verlangen, eine neue Welt zu schaffen. Dieser Schaffensantrieb wiederum führt letztlich zur Diskontinuität mit der Vergangenheit sowie zur Anschwärzung des historischen Erscheinungsbildes der Kirche. Unsere Aufgabe ist hier, die dem Geist der Unabhängigkeit zuzuschreibenden Folgen für die Einheit der Kirche zu erkennen. (Fs)
134c In seiner dramatischen Rede vom 30. August 1973 klagt Paul VI. über die Spaltung, die Zersetzung, die jetzt leider in nicht wenigen Kreisen der Kirche anzutreffen ist«, um ohne Umschweife zu bemerken: »... die Wiederherstellung der spirituellen und realen Einheit im Innern der Kirche ist heute eines der schwierigsten und dringlichsten Probleme der Kirche«. Die schismatische Lage ist deshalb besonders ernst, weil die Spalter vorgeben, sich nicht getrennt zu haben, und diejenigen, denen es obliegt, die Abtrünnigen ausdrücklich für getrennt zu erklären, statt dessen erwarten, daß die Schismatiker sich selbst als solche bekennen. »Die Betreffenden«, so der Papst, »wünschen unter dem Vorwand der Toleranz in jeder Hinsicht die Legalisierung ihrer offiziellen Zugehörigkeit zur Kirche, wobei jede Hypothese, es handle sich um Schisma oder Selbstexkommunikation, aufzugeben wäre«. (Fs) (notabene)
135a In der Ansprache vom 20. November 1976 behandelt der Papst erneut die Situation »der Söhne der Kirche, die ihren Bruch mit der Kirche, kanonisch gesehen, zwar nicht offiziell erklären, sich aber gleichwohl in einem anormalen Verhältnis zu ihr befinden«. Aussagen dieser Art scheinen einen Sachverhalt subjektivistisch zu verbrämen, bei dem die Kirche eine Entscheidung zu treffen hat. Schließlich ist die subjektive Annahme, man sei mit der Kirche verbunden, unzureichend, um die Tatsache der Zugehörigkeit weiterhin bestehen zu lassen. Im übrigen gibt es in der Kirche eine Behörde mit objektiver Funktion, die Bescheid weiß, in welchem Falle die Einheit zerrissen wird und dies wenn nötig bekanntgeben muß, anstatt einfach nur das Statement dessen, der sich getrennt weiß, abzuwarten und zu bestätigen. Wenn der Papst seinen »tiefen Schmerz über das Phänomen« ausdrückt, »das sich wie eine Epidemie in den kulturellen Sphären unserer kirchlichen Gemeinschaft ausbreitet«, so ist dies eigentlich eine Redeweise, die das Phänomen umgeht und es verharmlost, denn es betrifft in Wirklichkeit auch die hierarchische Sphäre. Bischöfe und Bischofskonferenzen lassen nämlich zu, daß Gruppen gebildet werden, die sich absondern und ihren eigenen Weg gehen. Sodann führt der Papst die fehlende Eintracht in der Kirche auf den Pluralismus zurück. Dieser müsse in den Schranken der Möglichkeit bleiben, den Glauben zu formulieren, greife statt dessen aber auf den Bereich der Glaubenssubstanz über. Er müsse im Kreise der Theologen bleiben, weite sich Jedoch auf die miteinander uneinigen Bischöfe aus. In derselben Rede gibt der Papst auch deutlich zu erkennen, daß eine zerstrittene Kirche nicht in der Lage ist, die Einheit aller Christen, geschweige denn aller Menschen herzustellen. (Fs)
136a In der Rede vom 29. November 1973 bezieht sich Paul VI. auf diejenigen, die (nach ihrer Ausdrucksweise) geltend machen, sie wollten Kirche werden - eine rein imaginäre Kirchlichkeit -, und gibt über den schismatischen Zustand das folgende abschwächende Urteil ab: »Einige verteidigen diese zweifelhafte Position mit an sich plausiblen Überlegungen, und zwar in der Absicht, gewisse menschliche Aspekte der Kirche, die bedauerlich und diskutabel sind, zu korrigieren oder die Kultur und Spiritualität der Kirche zu fördern oder die Kirche zu veranlassen, daß sie mit den zeitbedingten Umwandlungen Schritt hält. Somit bringen sie jene Gemeinschaft auseinander, der sie verbunden bleiben wollen«. Das Sonderbare an diesem Passus Pauls VI. ist, daß in solchen Absichten, die Kirche zu läutern, plausible Überlegungen erblickt werden. Das klingt, als ob Absichten eine falsche Argumentation, wie etwa die Behauptung, man sei in der Kirche, zugleich aber unabhängig von ihr, zu einer richtigen machen könnten, und als ob jeder Abfall von der kirchlichen Einheit durch die Abtrünnigen ins Bewußtsein zu bringen und zu erhärten wäre, um dann wirklich ein Schisma in der Kirche zu verursachen. Ist es nicht in der Geschichte eine häufige Attitüde, daß bei derartigen Konflikten der sich Trennende sein Tun bestreitet, ja sogar beteuert, er halte treuer zur Kirche als diese zu sich selbst? Gehört nicht der Schismatiker nach eigenen Angaben zur wahren Kirche, von der die katholische Kirche sich gewissermaßen trenne?
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Uneinigkeit in der Hierarchie (Beispiele):
Kurzinhalt: Sogar im Kreise ein und derselben Bischofskonferenz kommt es durch das Vorgehen eines Mitglieds zu Zwietracht und Spaltung. Die kollegiale Regelung wirkt sich so aus, daß durch Mehrheitsbeschluß der einzelne, zur Minderheit zählende Bischof ... Textausschnitt: 61. Die in ihrer Hierarchie zerstrittene Kirche
136b Anstelle des Kennzeichens der Kirche, eine felsenfeste Einheit zu sein, was gelobt oder mißbilligt wurde, ist in der nachkonziliaren Kirche das Kennzeichen der Nichteinheit, ebenso Gegenstand des Lobs oder Mißfallens, getreten. Die Uneinigkeit in der Glaubenslehre behandeln wir später. Hier nehmen wir uns die Tatsache der Uneinigkeit in der Hierarchie vor. (Fs)
136c Mgr. Gijsen, Bischof von Roermond, erklärte im Zusammenhang mit dem Pluralismus in der niederländischen Kirche, es sei dann schlecht möglich, daß Konfrontation in der Kirche herrsche, wenn der eine dieser, der andere jener Kirche anhängen wolle. In diesem Falle handle es sich (so sagte er) um Konfrontation zwischen Kirchen und nicht innerhalb der Kirche. Auf die Frage, ob die Kluft zwischen den niederländischen Bischöfen so tief sei, daß man von verschiedenen Kirchen sprechen könne, reagierte er mit »natürlich« und machte deutlich, daß seine Kollegen vom Episkopat der Niederlande behaupteten, die römische Kirche stehe auf der gleichen Stufe wie die niederländische, und damit also das katholische Dogma vom Primat Petri und seiner Nachfolger leugneten1. Die Diagnose des katholischen Bischofs entspricht haargenau derjenigen, die evangelische Gemeinschaften stellten: »In Wirklichkeit sehen wir uns nicht mehr einem Katholizismus gegenüber, sondern verschiedenen Arten von Katholizismus«2. (Fs)
137a Wie bedeutsam solche Aussagen über die innere Zerrissenheit des Katholizismus sind, wird noch begreiflicher, wenn man bedenkt, daß der Vielheit des Protestantismus stets die unerschütterliche Einmütigkeit der Ecclesia Romana gegenübergestellt wurde, um diese entweder zu preisen oder zu verwerfen. Die vom Prinzip der privaten Erleuchtung im Protestantismus ausgelöste Zersplitterung war bis zum Konzil ein gängiges Motiv der katholischen Apologetik. (Fs)
137b Daß man tatsächlich von einem Pluralismus im Episkopat reden kann, geht aus widersprüchlichen Stellungnahmen zu denselben Themen hervor. So mißbilligte z.B. der deutsche Episkopat 1974 die Forderungen der Würzburger Synode, in Bigamie lebende Geschiedene zu den Sakramenten zuzulassen sowie den nichtkatholischen Christen die Teilnahme an der Eucharistie zu gestatten. Gleichwohl wurden diese Forderungen in der gleichen Fassung von der Synode vorgelegt und vom Schweizer Episkopat gebilligt. Sogar im Kreise ein und derselben Bischofskonferenz kommt es durch das Vorgehen eines Mitglieds zu Zwietracht und Spaltung. Die kollegiale Regelung wirkt sich so aus, daß durch Mehrheitsbeschluß der einzelne, zur Minderheit zählende Bischof die eigenständige Autorität einbüßt, wobei allerdings keineswegs geklärt ist, inwieweit er sich zu unterwerfen hat und woher die Verpflichtung dazu eigentlich kommt. So verliert einerseits jeder Bischof seine Autorität, hat andererseits aber freie Hand, nicht nur über die eigene Konferenz, sondern auch über alle anderen Bischöfe und Konferenzen sein Urteil abzugeben3 . (Fs)
138a Mgr. Riobé, Bischof von Orleans, ergriff 1974 öffentlich Partei für die Vicaires catéchistes de France, die von der Bischofskonferenz und von Kardinal Marty ausdrücklich gerügt worden waren (ICI, Nr. 537, 1979, S. 49). Kardinal Döpfner ließ für die Aufführung des die Muttergottes schmähenden Sacro-Pop-Musicals Ave Eva oder der Fall Mariä die Basilika St. Bonifatius in München zur Verfügung stellen, was ihm Tadel und Protest von Mgr. Graber, dem Bischof von Regensburg, einbrachte. Der mexikanische Episkopat widersprach dem Bischof von Cuernavaca, Mgr. Mendez Arceo, der erklärt hatte, der Marxismus sei unentbehrlich für die Verwirklichung der christlichen Lehre (»Der Fels«, August 1978, S. 252). Mgr. Simonis, Bischof von Rotterdam, verließ die Sitzung des Dritten Niederländischen Pastoralgesprächs, während seine Amtsbrüder ihm weiterhin beiwohnten und ein offenes Ohr für die Vorschläge hatten, Frauen und verheirateten Männern die Priesterweihe zu erteilen (»Das neue Volk«, 1978, Nr. 47). Der Bischof von Roermond, Mgr. Gijsen, hinwiederum sagte sich praktisch vom übrigen holländischen Episkopat los, indem er ein eigenes Seminar eröffnete und sich gegen die neue Pädagogik der Priesterbildung stemmte. Mgr. Simonis prangerte die These an, daß die katholische Kirche nur ein Teil der Kirche Christi sei. Darauf widersprach ihm der Bischof von Breda, Mgr. Ernst, und Mgr. Groot erklärte, die Doktrin Mgr. Simonis' »steht in glattem Gegensatz zur Lehre des II. Vatikanum« (ICI, Nr. 449,1974, S. 27). (Fs)
138b Was das Verhältnis zur Politik anbelangt, sind die Bischöfe der gleichen Nation oft uneinig. Bei den mexikanischen Präsidentschaftswahlen 1982 z.B. empfahl die Mehrheit einen bestimmten Kandidaten, während eine starke Minderheit sich für die Kandidaten einer Gegenpartei einsetzte (ICI, Nr. 577,15. August 1982, S. 53). (Fs)
138c Verblüffend sind die einander entgegengesetzten Positionen der französischen und der italienischen Bischöfe in Sachen Kommunismus. Die Italiener verkündeten, daß es nicht miteinander zu vereinbaren sei, gleichzeitig Christ und Anhänger des atheistischen Marxismus zu sein. Die Entscheidungsfreiheit in politischen Dingen hat ihre Grenzen in dieser grundsätzlichen Unvereinbarkeit. Dagegen entzogen die französischen Bischöfe auf ihrer Konferenz im Jahre 1975 allen katholischen Bewegungen der Jugend, der Arbeiter sowie der katholischen Aktion das Apostolat. Sie beschlossen, es den Bewegungen freizustellen, »die von ihnen gewünschten politischen Optionen zu treffen«. Die spezifisch katholischen, sozial engagierten Bewegungen wurden aufgelöst, weil »keine Bewegung jemals an sich allein das dem Evangelium gemäße Zeugnis in seiner Fülle kundtun kann« (IQ, Nr. 492,1975, S. 7). Außer der Tatsache, daß die beiden Episkopate in der Lehre voneinander abweichen1, ist der Beweggrund auf französischer Seite bemerkenswert. Dort wird davon ausgegangen, daß alle Formen, Zeugnis abzulegen, nur gleichwertige Spezies ein und desselben Genus seien und es dabei keine Spezies eines völlig anderen Genus gebe2. Dort wird außerdem der katholischen Kirche indirekt zum Vorwurf gemacht, sie sei unzulänglich. Sie bedürfe nämlich des Marxismus, um ein vollständiges Zeugnis zu geben. Es wird ein Synkretismus3 in allen sozialen Belangen angepriesen, der die Gegensätzlichkeit der Ideen völlig verwischt, ja aufhebt. Siehe §§ 111-113. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Uneinigkeit der Hierarchie: Enzyklika Humanae vitae; CUA Washington (200 Theologen gegen den Kardinal); Würzburger Synode
Kurzinhalt: Fast alle Bischofskonferenzen veröffentlichten Dokumente zur Enzyklika, die teils Zustimmung, teils abweichende Meinungen enthielten.
Textausschnitt: 62. Die in puncto »Humanae vitae« zerstrittene Kirche
139a Die berühmte Enzyklika Humanae vitae vom 25. Juli 1968 führte dazu, daß der innere Zwist der Kirche sich allenthalben in seiner vollen Tragweite und bisweilen auch in überheblichster Weise kundtat. Fast alle Bischofskonferenzen veröffentlichten Dokumente zur Enzyklika, die teils Zustimmung, teils abweichende Meinungen enthielten. Bischofsdokumente anläßlich päpstlicher Lehren oder Entscheidungen stellen in der Kirche nichts Neues dar. Dazu mag der Hinweis auf die vielen Hirtenworte von Bischöfen an ihre Diözesanen zur Zeit Pius' IX. genügen. Neu ist allerdings, daß in diesen Hirtenbriefen heute kein zustimmendes, sondern ein kritisches Urteil erfolgt, als wäre der Grundsatz »Prima Sedes a nemine iudicatur« (»Der oberste Stuhl kann von niemandem gerichtet werden«), hinfällig geworden. Es ist allgemein bekannt, wie sehr sich damals die Opposition gegen das Unfehlbarkeitsdogma regte, wobei es bald um dessen Grundlage, bald um die Zweckmäßigkeit des Zeitpunktes der Verkündigung ging, sowohl bei der historisch-theologischen Auseinandersetzung als auch auf der Konzilsdebatte. Die deutschen Bischöfe z.B. waren uneins über die Schriften des Ignaz von Döllinger, welche Mgr. von Ketteler, der Bischof von Mainz, verurteilte, andere hingegen gelten ließen. Sobald jedoch das Dogma definiert war, stimmten ihm alle Opponenten binnen weniger Monate zu (mit Ausnahme von J.J. Stroßmayer, der damit bis 1881 zögerte). Päpstliche Definitionen pflegten nämlich nicht nur die begriffliche Abgrenzung (eben die »fines«) der einmal disputierte Wahrheit festzusetzen, sondern auch dem Disput ein Ende zu setzen. Es wäre wirklich absurd, die Lehre der Kirche einem nie endende Referendum-Verfahren zu unterziehen. (Fs)
140a Anders verhielt es sich mit der Enzyklika Pauls VI. Nachdem Vatikanum II speziell das Prinzip der Kollegialität und generell das der Mitverantwortung aller in allem festgelegt hatte, sah man in der Enzyklika einen Text, der - entsprechend der von mir in § 50 behandelten Hermeneutik - für verschiedene Lesearten zugänglich wäre. Nicht allein die Bischöfe, auch die Theologen, Pastoralräte, Landessynoden, die breite Masse, ob gläubig oder ungläubig, alle machten sich daran, die päpstliche Lehre der Debatte und der Kritik zu unterwerfen. (Fs)
140b Ich möchte die zahllosen Veröffentlichungen zur Enzyklika außer Betracht lassen und mich nur der Meinungsverschiedenheit unter den Bischöfen widmen. Fest steht, daß Paul VI. mit seiner Entscheidung, so wie sie gefallen ist, den bedeutsamsten Akt seines Pontifikats vollzogen hat, wenn auch gegen die Mehrheit seiner Berater, gegen den Theologenkonsens, den Zeitgeist, die von maßgeblichen Statements und seinem eigenen Verhalten ausgelöste Erwartung, ja gegen die von ihm selbst als doctor privatus vertretene Meinung (wie es heißt)1. Der bedeutsamste Akt, weil zum einen die alte, immer gültige, auf natürlichen und übernatürlichen Wahrheiten beruhende Lehre in ihrer Wesensidentität erneut herausgestellt wurde. Zum anderen war die Entscheidung des Papstes, die auf den innerkirchlichen Zwist stieß und diesen klar erkennbar machte, ein deutliches Wahrnehmen seiner höchsten Lehrautorität aus sich und nicht auf Grund der Zustimmung der Kirche, wie im I. Vatikanum formuliert. (Fs)
141a Die Auseinandersetzung war scharf, allgemein und öffentlich. Sie wurde über die bischöflichen Dokumente hinaus auch in einer Unmenge von Publikationen offenbar, die sich mit dem Thema befaßten, wie die Enzyklika zu lesen und anzuwenden sei, tatsächlich aber den jeweils bevorzugten Sinn in diese hineinlegten. (Fs)
141b Die Enzyklika wurde in den Zeitschriften mit großem Leserkreis in den Rubriken »Religion« angegriffen und verzerrt dargestellt. Hier ist besonders ihre Entstellung durch den angesehenen Jesuitenpater Giacomo Perico in Vorträgen und Schriften zu erwähnen. In der Wochenzeitschrift »Amica« - Auflage: 700.000 Exemplare - vom 12. August 1969 äußerte er sich so: »Es ist unrichtig, von Neuorientierungen im absoluten Sinne zu sprechen. Vielmehr kann man sagen, daß gewisse Kirchenmänner früher die Ehemoral zu restriktiv ausgelegt haben. Dies war ein Irrtum«. Hier liegt eine Rollenkonfusion vor, denn nicht ein paar Kirchenmänner, sondern die Kirche, alle Päpste einschließlich Pauls VI. und die gesamte Tradition urteilten im engen Sinne. Einige Kirchenmänner, die die entgegengesetzte Ansicht vertraten, wurden verurteilt. Pater Perico blieb bei der entstellenden Auslegung der Enzyklika auf Fortbildungskursen für den Klerus sowie im »Giornale del popolo« vom 22. März 1972. Ich habe seine Meinung in zwei Artikeln der gleichen Zeitung (8. und 29. April) erörtert. Dem gefeierten Jesuiten zufolge ist »die Norm für den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel präzise. Die Eheleute sollten niemals kontrazeptive Techniken heranziehen«. Falsch. Die Enzyklika lehrt, sie sollen niemals. Wenn man aus dem Imperativ des Papstes einen Konjunktiv macht, wird die Enzyklika verfälscht. (Fs)
141c Die Einwände gegen die Enzyklika betreffen teils die im Dokument des Papstes enthaltene Verbindlichkeit, teils die Lehraussage. Kardinal Döpfner, Erzbischof von München, Befürworter empfängnisverhütender Mittel, erklärte: »Jetzt setze ich mich mit den anderen Bischöfen in Verbindung, um zu sehen, wie es möglich ist, den Gläubigen Hilfe anzubieten« (»Corriere della sera«, 30. Juli 1968). Der Münchner Oberhirte schien auf dem Standpunkt zu stehen, die Gläubigen benötigten Hilfe gegen die Enzyklika und diese sei ein gegen das Menschengeschlecht gerichteter feindlicher Akt. In Amerika, wo die Bischöfe, dem päpstlichen Erlaß perfide zuvorkommend, anscheinend ein Programm für kontrazeptive Hilfeleistung verwirklicht hatten, war die Reaktion schroff. Die katholische Universität von Washington, die gegen den eigenen Bischof, Kardinal O'Boyle, in einer von zweihundert Theologen unterstützten Erklärung vorging, wies nicht nur die Lehre zurück, sondern focht zudem noch die päpstliche Autorität an, weil die Meinung der Mehrheit verworfen und das Bischofskollegium nicht konsultiert worden war (ICI, Nr. 317-318,1968, Suppl., S. XIX). (Fs)
142a Der deutsche Episkopat, der im allgemeinen für die Antikonzeptiva war, akzeptierte die Lehre Pauls VI., doch gestand er den Gläubigen zu, davon abzuweichen, und verwies letztlich auf die private Erleuchtung des Gewissens: »Wer glaubt, in seiner privaten Theorie und Praxis von einer nicht unfehlbaren Lehre des kirchlichen Amtes abweichen zu dürfen - ein solcher Fall ist tatsächlich denkbar -, muß sich nüchtern und selbstkritisch in seinem Gewissen fragen, ob er dies vor Gott verantworten kann«. Den deutschen Bischöfen nach beruht der Widerspruch gegen die Enzyklika »nicht auf einer grundsätzlichen Ablehnung der päpstlichen Autorität«1. Wir möchten dazu bemerken, daß es vielleicht keine Ablehnung des Grundsatzes der Autorität bedeutet, zweifellos aber der konkreten Akte jener Autorität. Die Abweichung in der Kirche Deutschlands wurde im September 1968 auf dem Katholikentag in Essen in aufsehenerregender Weise demonstriert. Dort diskutierte und verabschiedete man mit erdrückender Mehrheit (5000 gegen 90) in Gegenwart des päpstlichen Legaten Gustavo Kardinal Testa und des gesamten Episkopats der Nation die Resolution, daß die Enzyklika zu revidieren sei, wobei auch Stimmen für den Rücktritt des Papstes laut wurden. Auf diesen schwerwiegenden Protest reagierte der OR vom 9. September mit der Veröffentlichung einer päpstlichen Botschaft, in der die deutschen Katholiken zu Treue und Gehorsam aufgefordert wurden (RI, 1968, S. g78). Dennoch lehnte man die Enzyklika weiterhin ab, so auf der Schweizer Synode 1972 und auf der Würzburger Synode. »Das Vaterland«, bedeutendes Tageblatt des Schweizer Katholizismus, erhält den Protest bis heute unvermindert aufrecht. Im übrigen geht der Riß zwischen den deutschen Katholiken und ihre Trennung vom römischen Stuhl weiter und wird immer offensichtlicher. Der Katholikentag 1982 erlebte eine zur gleichen Zeit neben ihm verlaufende Gegenveranstaltung, »Katholikentag von unten«, ein Sammelpunkt der Dissidenten. Diese Katholiken forderten die eucharistische Promiskuität*, das Frau-enpriestertum, die Abschaffung des Zölibats und feiern eine Messe nach ihrer Fasson (ICI, Nr. 579, S. 15ff., Oktober 1982. Nach dieser Zeitschrift gibt es in Deutschland Katholiken von zweierlei Typus, die jedoch glauben, einen einzigen zu verkörpern). (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirchliche Lehre; Mann, Frau: Gleichheit, Verschiedenheit; Klischee: Erniedrigung der Frau mit Hilfe der Religion (Synekdoche)
Kurzinhalt: Verteidigung der kirchlichen Lehre und Praxis bezüglich der Frau ... Was das Prinzip jedoch an Konsequenzen in sich trägt, kommt kraft geschichtlicher Entfaltung des Geistes ans Licht.
Textausschnitt: 94. Verteidigung der kirchlichen Lehre und Praxis bezüglich der Frau
223a Um derlei Geringschätzungen der Frau in der Kirche richtig zu beurteilen, empfiehlt es sich, zwei Überlegungen Beachtung zu schenken. (Fs)
223b Die erste Überlegung ist, daß die in § 93 behandelte natürliche Ungleichheit zu einer unterschiedlichen Anerkennung der Rechte, die den beiden Geschlechtern zustehen, Anlaß geben kann, was jedoch keineswegs jener Gleichheit auf höherer Ebene Abbruch tut, die der nämliche Klemens von Alexandrien so deutlich herausgestellt hat: »Es gibt nur den einen, für Mann und Frau gleichgestellten Glauben; es gibt für beide nur eine Kirche, eine Selbstbeherrschung, eine Sittsamkeit. Gleich ist die Speise, gleich die Ehe, gleich die Luft, die sie atmen, gleich sind Augenlicht, Gehör, Erkennen, Hoffnung, Gehorsam, Liebe, Gnade, Heil, Tugendhaftigkeit« (Paedagogus 1, 10). Die Eigenrechte jeder Person leiten sich nicht vom abstrakten Sosein ab (die gemeinsamen Rechte sehr wohl), sondern vom konkreten, durch die Umstände des Daseins bedingten Sosein. (Fs)
224a Zu bedenken wäre ferner die Geschichtlichkeit der Kirche und ihr Vollkommenwerden, was die Gegenstände des Glaubens und das entsprechende Handeln betrifft. Orthodoxie und Orthopraxie beruhen auf einem unwandelbaren Prinzip, werden jedoch herausgebildet, entfaltet und ausgeprägt, so daß im zeitlichen Werdegang eine Vielzahl von Anwendungen entsteht. Zur Orthodoxie ist festzustellen, daß beispielsweise der klare und vollständige Begriff von der Würde und Makellosigkeit der Gottesmutter offensichtlich späteren Datums ist als der diesbezüglich unausgeprägte und unvollkommene Begriff in der Urkirche und selbst bei den Aposteln1, ganz zu schweigen von den Lehrsätzen über die Gnade, die päpstliche Unfehlbarkeit, die Aufnahme Mariens in den Himmel und vielen anderen Glaubenspunkten, die die Kirche des 20. Jahrhunderts viel entfalteter und eindeutiger besitzt als die des Altertums. (Fs)
224b Nicht anders als mit der Orthodoxie verhält es sich mit der Orthopraxie. Die katholische Kirche hat stets am Prinzip der Gleichheit beider Geschlechter, auf ihre Werthaftigkeit und Endbestimmung bezogen, festgehalten, - eine Gleichheit, dank der die natürliche Verschiedenheit (wohlgemerkt: die natürliche, nicht die durch Sittenverfall und Sinnenlust bewirkte) und die entsprechende Unterordnung in der Gleichheit aufgehen. Das ist das unveränderliche Element der Glaubenslehre. Was das Prinzip jedoch an Konsequenzen in sich trägt, kommt kraft geschichtlicher Entfaltung des Geistes ans Licht. Die Folgerungen, die aus dem Prinzip abgeleitet werden müssen, treten nach und nach hervor, zögerlich und auf Umwegen, vor allem, wenn es weit zurückreichende Folgerungen sind, die umso schwieriger wiedergefunden werden können, je höher das Prinzip war. Die Sklaverei z.B. ist überwunden dank der für alle völlig gleichen moralischen Bestimmung2 und der spirituellen Gotteskindschaft der Christen, auch wenn sie in der zivilen Gesetzgebung fortbestehen sollte. Doch aufgrund des Anspruchs, der jener Gleichheit immanent ist, darf die Sklaverei nicht fortbestehen, und tatsächlich hat die Religion deren Vorhandensein in den zivilen Gesetzen ganz allmählich beseitigt. (Fs)
225a Die Meinung, die Frau sei mit Hilfe der Religion erniedrigt und entwürdigt worden, ist zu einem Klischee der vom Geist der Neuerungen getragenen Publizistik geworden. Sie wird auch weitgehend von denen geteilt, die ohne Beweisführung (weder von der Geschichte noch von der Philosophie her) einräumen, die Frau habe in den vergangenen Jahrhunderten den Status eines Objekts gehabt, ihr sei der Status einer Person genommen worden, und noch mehr, es sei ihr eigener Fehler gewesen, daß sie über ihr Joch nicht nachgedacht, ja es akzeptiert habe3. Es steht fest, daß sich die Geschichtsschreibung hier - wie auch in vielen anderen Bereichen des zeitgenössischen Denkens -einer Synekdoche bedient, d.h. ein Teil wird herausgelöst und so behandelt, als gelte er für das Ganze. Auf dem Weg der Kirche durch die Geschichte gibt es Zeiten, in denen die Prinzipien ins Dunkel rücken und damit auch die daraus zu ziehenden logischen Folgerungen ins Wanken geraten. Dann gleiten zunächst die Praxis und danach in geringerem Maße die Theorien in unrechtmäßige Folgerungen ab, die das Prinzip zurückweist und verurteilt. Es ist aber erforderlich, von einem Prinzip Rechenschaft über die rechtmäßigen Folgerungen und nicht über solche zu verlangen, welche die Leidenschaften des Menschen aus ihm willkürlich herausholen. Tatsächlich waren die Jahrhunderte, in denen die Religion größere Geltung hatte, auch die Jahrhunderte, in denen die Würde der Frau anerkannt wurde und ihr Einfluß auf die Welt sich voller entfaltete. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirch, Katholizismus: hohe Stellung der Frau Kurzinhalt: Besondere Aufmerksamkeit verdient die Teilnahme der Frau an den mittelalterlichen Versammlungen, wo ihre Rolle bedeutend war, wenn man sich mühte, auf Fehden beschwichtigend einzuwirken und den Gottesfrieden einzuführen.
Textausschnitt: 95. Die hohe Stellung der Frau im Katholizismus
226a Unberücksichtigt lasse ich hier die heiligen Frauen, denen der Apostel Paulus in den Episteln seine Hochachtung erweist. Unberücksichtigt bleibt auch die herausragende Rolle der hl. Maria Magdalena, als sie die frohe Kunde von der Auferstehung überbrachte. Ebensowenig lasse ich mich auf eine Erörterung ein, die so gut wie kein Ende nehmen würde, über den Stand der Jungfrauen und Witwen in der Kirchengemeinschaft, dessen hohen moralischen und religiösen Wert alle Kirchenväter, von Tertullian bis Augustinus, in Schriften zu diesem Thema rühmen. Diese Erörterung wäre nicht nur endlos, sondern auch mühevoll, weil der modernen Mentalität die Flügel fehlen, um sich zu jenem Standort aufzuschwingen, von dem aus das Schätzenswerte geschätzt, die Trefflichkeit der Tugend bewundert wird. (Fs)
226b Erwähnen dagegen möchte ich den großen Anteil, den tugendhafte Frauen auf dem Kaiserthron, wie Helena und Theodora II., an der Entfaltung der christlichen Welt im Osten und auch im Westen hatten. Als die Barbarei gezähmt war und Gesittung angenommen hatte, übten Frauen wie Theodelinde, Chlothilde und Radegunde einen Einfluß von der Art aus wie vielleicht keine Frau in der Neuzeit1. (Fs)
226c Einen einmaligen Grad erreichte die Vervollkommnung der Frau in den Klöstern Frankreichs und Deutschlands, was für die intellektuelle Kultur ebenso gilt wie für die Kunst, die Gemeinschaft zu leiten. In der Zeit der karolingischen Blüte wurde der erste Pädagogik-Traktat nicht von einem Mann, sondern von einer Frau namens Dhuoda geschrieben. Später gelangte die Kultur in den großen Klöstern, den Pflanzstätten der Menschheitsbildung in all ihren Formen, zu hoher Vollendung, auch dank weiblichen Wirkens. Heloise (12. Jahrhundert), Äbtissin des Klosters Le Paraclet bei Noget-sur-Seine, lehrte ihren Ordensschwestern das Griechische und Hebräische, womit die Schule des hl. Hieronymus, weiland in Rom und Bethlehem, wiederbelebt wurde; Hildegard, Äbtissin von Bingen (12. Jahrhundert) schrieb über Naturgeschichte und Medizin; Roswitha, Kanonissin von Gandersheim, verfaßte lateinische Komödien. Das sind alles Beweise für eine Gleichheit stiftende Erhöhung des Frauentums, die keineswegs vereinzelt erfolgte. (Fs)
226a Besondere Aufmerksamkeit verdient die Teilnahme der Frau an den mittelalterlichen Versammlungen, wo ihre Rolle bedeutend war, wenn man sich mühte, auf Fehden beschwichtigend einzuwirken und den Gottesfrieden einzuführen. Wie weit die Gleichstellung schließlich fortgeschritten war, zeigt eindeutig die Tatsache, daß in den Doppelklöstern für Männer und Frauen die Gesamtleitung der Gemeinschaft hin und wieder Frauen übertragen wurde2. Die Teilnahme von Frauen an Gemeindeversammlungen (den einzigen Volksversammlungen damals, als die Herrscher die großen Staatsgeschäfte selber besorgten) war bis zum 19. Jahrhundert keine Seltenheit, obwohl sie - wie auch bis zu unserem Jahrhundert die Teilnahme der Männer - an Zensusabgaben gebunden war. Erst die Erniedrigung der weiblichen Stellung, bedingt durch das Aufkommen der profitbedachten Industriewirtschaft und durch das massenhafte Abfallen vom Glauben, das es begleitete, brachte es mit sich, daß die politische Beteiligung der Frau gedrosselt wurde. Gleichwohl sollte nicht übersehen werden, daß es bei den örtlichen Gemeinwesen in Österreich, der Schweiz und selbst in den Legationen des Kirchenstaates ein Frauenstimmrecht gab. (Fs)
226b Die großartigste Erhöhung der Frau durch das christliche Mittelalter hat die höfische Dichtung bewirkt, die im theoretischen Werk des Andreas Cappellanus ihr Pendant findet. Die höfische Dichtung spiegelt ein regelrechtes Gefüge von Gefühlen und Bräuchen wider, die auf empfindsamen Gedanken, Achtung und Treue gründet. Bisweilen verliert sich die höfische Minne in Formen blutleerer Neigung oder gegenteiliger erotischer Glut, aber sie bleibt im großen Ganzen ein Zeichen der hehren Empfindungen, die die Kontemplation über das Weibliche in der mittelalterlichen Kultur wachgerufen hat. Einen noch höheren Gipfel hat in der sizilianischen Dichterschule und dem Dolce stil nuovo das Motiv von der engelgleichen Frau erreicht. Die Göttliche Komödie schließlich preist das Weibliche in den Gestalten der Maria, der Beatrice und der »benedeiten Frauen« des Präludiums (Dante, Inferno II, 124) als erhabenen Weg, der den Menschen spirituell aufrichtet, und als Tugendkraft, die ihm das Heil bereitet. Erkennt man die Bedeutung der Dichtung jener Jahrhunderte, ist es unmöglich, die von der Religion erwirkte Würde und Hochschätzung der Frau zu verkennen. Gewiß förderte die durch den Lobpreis der Weiblichkeit als Selbstzweck entstandene Trennung der Liebe von der Ehe und Gattenbeziehung einen Hang zu neuplatonischen Abwegigkeiten, die mit dem christlichen Realismus unvereinbar sind. Die Erscheinung bezeugt jedoch ohne jeden Zweifel, daß der Katholizismus dieser zweifachen Wahrheit, die vom modernen Feminismus entstellt wird, treu geblieben ist: Die Frau ist von der Werthaftigkeit und Endbestimmung her dem Manne gleich, und zugleich ist sie ihm ungleich, weil sie diese Gleichheit in Wert und Würde der eigenen Verschiedenheit gemäß durchleben muß. (Fs)
227a Ein weiterer Beweis für die vom Katholizismus zuerkannte Parität zwischen beiden Geschlechtern ist in dem Einfluß erkennbar, den Frauen von hohem Intellekt und starker mystischer Eingebung auf das kirchliche Regiment, die religiösen Zielrichtungen und die Vorgänge um Erneuerung oder Reform ausübten. Katharina von Siena, Jeanne d'Arc, Katharina von Genua, Theresia von Avila, - man braucht gar nicht auf weitere Namen zurückzugreifen, um diesen hervorragenden Stellenwert des weiblichen Elements in der Kirche mehr als zur Genüge nachweisen zu können. Unberücksichtigt bleiben dabei auch die zahlreichen, höchst tatkräftigen Frauen, die Orden und religiöse Genossenschaften gründeten oder immerhin die römischen Oberhirten zu Unternehmen von umfassender Bedeutung veranlaßten. So ging z.B. im vergangenen Jahrhundert, unter Pius IX., von einer gewissen Mademoiselle Tamisier der Anstoß zu den eucharistischen Kongressen aus. Bei all dem ist noch nicht die Rede von den vielen Frauen, die die Kirche zur Ehre der Altäre erhoben hat, auch nicht von denen, die sie sogar mit dem Titel »Doctor Ecclesiae«, Lehrer der universalen Kirche, ausgezeichnet hat, so die Sieneserin Katharina und die Spanierin Theresia.
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Sittenverfall; Kirche, Moral Kurzinhalt: ... doch ausschlaggebend ist, wie die Vorkommnisse geistig verarbeitet werden, d.h. wie das öffentliche Bewußtsein sie beurteilt.
Textausschnitt: 96. Der Sittenverfall
229a Dem Irrweg im Hinblick auf die weibliche Natur gleicht der Irrweg, der im Sexualverhalten beschritten wurde. Um dies richtig einzuschätzen, wäre zu beachten, daß bei allen menschlichen Handlungsweisen, besonders aber denen, die die Sitten betreffen, gewiß das mehr oder weniger häufige Vorkommen zählt (ohne diese Häufigkeit liegt keine Sitte vor), doch ausschlaggebend ist, wie die Vorkommnisse geistig verarbeitet werden, d.h. wie das öffentliche Bewußtsein sie beurteilt. Was das häufige Vorkommen anbelangt, bestreitet niemand, daß die Schamlosigkeit heute viel weiter verbreitet ist als in der Vergangenheit. Früher waren Ausschweifungen ein Phänomen begrenzter Kreise, und mehr noch, sie pflegten im Verborgenen zu bleiben. Man wagte nicht, sie zur Schau zu stellen. Heute gehört dies zum Bild unserer Städte. Man kann sagen, daß die verflossenen Jahrhunderte die Schamhaftigkeit, unser Jahrhundert dagegen insgesamt die Schamlosigkeit kennzeichnet. Um sich darüber Gewißheit zu verschaffen, genügt es, die Liebestraktate, die Bücher über die Lebensführung der Frauen, die Bestimmungen des Zivil- und kanonischen Rechts sowie die Handbücher für Beichtväter (die wichtigsten Quellen hierfür) durchzusehen. Heute dagegen haben die intimen Handlungen die altherkömmliche Hülle der Schamröte verloren, breiten sich ostentativ aus und erscheinen sogar in den Rubriken der vom Volk verschlungenen Illustrierten. Die sinnliche Liebe ist bevorzugtes Thema der schauspielerischen Darbietung, besonders des Films, und die sie theoretisch untermauernde Ästhetik stellt schließlich fest, es gehöre nun einmal mit zur Kunst, die moralischen Schranken zu übertreten. Von daher geht das Obszöne ganz automatisch weiter, ohne Ende: von der einfachen Unkeuschheit zum Ehebruch, vom Ehebruch zur Homosexualität, von dort zum Inzest, dann zum homosexuellen Inzest, zur Sodomie, Koprophagie und zu anderen, unaussprechlichen Dingen. Der öffentliche Geschlechtsverkehr, eine feststehende Tatsache, beweist vielleicht am krassesten, wie sich die Fleischeslust unserer Zeit faktisch auswirkt. Man muß schon bis zu den Kynikern zurückgehen, um auf ihn zu stoßen, und der hl. Augustinus hielt ihn sogar aus physiologischen Gründen für unmöglich. Vielleicht gehen jedoch die internationalen Erotika-Ausstellungen noch darüber hinaus, wie z.B. im Jahr 1969 die berühmt-berüchtigte Schau in Kopenhagen und die 1969 in Hamburg vom Kulturbeauftragten eröffnete internationale Ausstellung pornographischer Kunst. (Fs)
230a Die Kirche hat alsbald eine nachsichtige Haltung gegenüber dem der Unkeuschheit dienenden Filmschaffen eingenommen. Man wies in der kircheneigenen Presse nicht mehr auf die zu meidenden Filme hin und rechtfertigte dies mit dem Spruch: »Die gegenwärtige Moral ist etwas anderes als der grobe Moralismus, in den man früher nicht selten verfiel«. Man prämiierte Streifen von eklatanter Schamlosigkeit; man stellte die nunmehr geübte Nachsicht als Achtung vor der Reife des modernen Menschen hin. (Fs)
230b Erheblicher jedoch als die Vorkommnisse selbst ist, wie gesagt, die Bedeutung, die diese im menschlichen Geist erlangen, sind die in der Tiefe schlummernden Überzeugungen, die zur Urteilsbildung führen. Es empfiehlt sich also, uns ein wenig mit dem Phänomen des Schamempfindens zu befassen, um aufzuzeigen, daß auch der gegenwärtige Sittenverfall von der Leugnung der Naturen und Essenzen herrührt. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Schule, Krise; Mgr. Leclercq; katholische Universität - Getto? Kurzinhalt: Mgr. Leclercq, emeritierter Moraltheologe an der Katholischen Universität von Löwen, hält die katholischen Universitäten generell für unvereinbar mit der zeitgenössischen Zivilisation, die vom Pluralismus geprägt und jedem Getto abgeneigt sei.
Textausschnitt: 126. Ablehnung der katholischen Schule von katholischer Seite. Mgr. Leclercq
296a Während über die Beweggründe für die Existenz der katholischen Schule in der modernen Gesellschaft bei einigen Zweifel herrschen, sind sie für andere völlig hinfällig geworden. Dazu nun Tatsachen und Theorien. (Fs)
In Baden-Württemberg hörte die Christlich-Demokratische Union 1967 auf, sich für katholische Schulen einzusetzen, und schloß sich der Position der Sozialdemokraten an. Es wurden die sogenannten Simultanschulen auf christlicher, jedoch nicht mehr konfessioneller Basis eingeführt1. Besonders bedeutsam an dem Ereignis ist, daß Nuntius Mgr. Bafile im gleichen Schriftstück, mit dem er wegen Verletzung des Konkordats von 1933 Protest einlegte, erklärte: »Auch die Kirche hat ein reales Interesse an der Schaffung eines fortschrittlichen Schulsystems« (RI, 1967, S. 395). (Fs)
In Bayern bewirkte ein Volksentscheid mit 75% Jastimmen eine Verfassungsänderung zwecks Einführung der christlichen anstelle der katholischen Schule2. Als 1967 in Italien zweihundert Milliarden Lire für universitäre Bauvorhaben ausgeschüttet werden sollten, schlugen die Liberalen vor, die Mittel auch den freien Universitäten, einschließlich der Katholischen in Mailand, zugute kommen zu lassen. Da nun aber die christlich-demokratischen Abgeordneten Absprachen mit anderen Parteien einhielten und sich der Stimme enthielten, wurde der Vorschlag abgelehnt. Während die Verzichtleistung auf die katholische Schule in einigen Fällen den ökumenisch beflügelten Einfluß erkennen läßt, zeigen dagegen andere Fälle, daß die Option für den Marxismus dabei mitgewirkt hat. Im afrikanischen Staat Mali, einer sozialistischen Republik, halten sich die katholischen Schulen an das staatliche Erziehungsprogramm und erteilen folglich Unterricht in Marxismus. In Ceylon beschlossen die Katholiken, dem - von Marxismus regierten - Staat die meisten katholischen Kollegien zu überlassen, damit die Jugend sich leichter in das nationale Leben einfügt, die Kirche ein Gettodasein vermeidet und die Schule Ort des Dialogs statt Herd von Spannungen wird (ICI, Nr. 279, S. 25f., Januar 1967). In den kommunistischen Ländern verhält sich der Episkopat gegenüber der staatlichen Schule so, wie es seiner Einstellung zum Kommunismus selbst entspricht. (Fs)
297a Doch nicht weniger gravierend als die Tatsachen sind die theoretischen Urteile bezüglich der Nutz- und Bedeutungslosigkeit der katholischen Schule. Mgr. Leclercq, emeritierter Moraltheologe an der Katholischen Universität von Löwen, hält die katholischen Universitäten generell für unvereinbar mit der zeitgenössischen Zivilisation, die vom Pluralismus geprägt und jedem Getto abgeneigt sei. Diese Unvereinbarkeit nehme ihr jede Daseinsberechtigung. Das Argument von Mgr. Leclercq ist jedoch nicht stichhaltig und erledigt sich durch seine Widersprüchlichkeit von selbst. Gerade in einer pluralistischen Welt wird das Vorhandensein katholischer Universitäten zum Normalfall. Man kann nicht den Pluralismus wollen, was schlicht und einfach Vielfalt von Doktrinen beziehungsweise Lehren bedeutet, und diese Vielfalt andererseits unter dem Vorwand von sich weisen, daß eine der Lehren, wie auch immer sie beschaffen sein mag, als Bestandteil des Pluralismus entfalle. (Fs) (notabene)
Das zweite Argument, mit dem man der katholischen Universität in der heutigen Welt jede Existenzberechtigung abspricht, lautet, sie kapsele sich zwangsläufig ab, weil sie auf spirituelle Sicherheit aus sei und somit das Denken davor bewahre, sich mit dem Widerspruch auseinanderzusetzen, den die moderne Kultur gegen den Katholizismus geltend mache: Die Methode der Bewahrung oder, wie man es spöttisch nennt, das Treibhaussystem könne keine aufgeschlossenen Köpfe, keine starken Überzeugungen hervorbringen. (Fs)
Das Argument trifft die katholische Philosophie nicht. Von den Fakten her ist dem zu entgegnen, daß Menschen mit den genannten Gaben, ja Generationen von ihnen, aus der katholischen Schule hervorgegangen sind. Von der Axiologie her verkennt dieses Argument sodann den Wert der Sicherheit, denn sie gilt fast als eine zu verachtende und, wie man sagt, bürgerliche Befindlichkeit. Ganz im Gegenteil: Sicherheit ist der moralische Reflex3 der Gewißheit. Dazu ist sie noch -auf höherer Ebene - ein moralischer Reflex des Heils, wenn man davon ausgeht, daß Gewißheit ein Reflex des Glaubens ist. Gewißheit und Sicherheit sind die der Erkenntnis gemäße Seite und die psychologische Seite des gleichen Standorts, den man bezogen hat. Es ist allemal zu beachten, daß der übernatürliche Glaube den Geist in eine Ruhestellung versetzt, die kein Abstehen, sondern Stand-festigkeit bedeutet und in die sich der Zweifel nicht einschleichen darf. Siehe § 167. (Fs) (notabene)
298a Die Sicherheit, auf der die katholische Unterweisung beruht, ist im übrigen keine Flucht vor der Auseinandersetzung, denn der Gläubige muß jedem Rechenschaft geben über seine übernatürliche Anschauung (I Petr. 3,15), dies jeweils seiner Glaubenserkenntnis entsprechend, und wenn er Lehrer ist, von Berufs wegen. Und der Vergleich der verschiedenen Meinungen ist ein notwendiger Schritt, den das Denken übernimmt, um die Wahrheit zu erforschen und für sie einzutreten. Dieses Prüfen, ob mittels Befragung oder Widerlegung, gehört zur allgemein üblichen Praxis. Überdies war die Methode der Auseinandersetzung ganz besonders in der Scholastik zu Hause. Man bedenke, daß die Magister der Pariser Universität den Studenten der artes und sogar dem gemeinen Volk zur Verfügung standen, um auf Einwände zu antworten und der Wißbegier zu genügen. Dies ist ersichtlich aus den Quaestiones quodlibetales des hl. Thomas von Aquin, wo die Empfindungen und der Geist jenes Jahrhunderts lebhaft geschildert werden. Abgesehen davon hätte die literarische Gattung der Apologie nicht entstehen können, wenn Religion grundsätzlich Absonderung bedeuten würde. Sie sondert sich sehr wohl vom Irrtum ab, aber um eine Isolation dieser Art zu verwirklichen, ist es unausbleiblich, daß sie zunächst einmal mit den diversen Gegenpositionen dialektisch konfrontiert wird. Eine solche Isolation vom Irrtum kennt die durch den Pyrrhonismus entstellte Theologie der Neuerer nicht. Unbekannt ist ihr ferner das Grundprinzip der Apologetik, wonach es gar nicht nötig ist, sämtliche Einwände gegen den Glauben widerlegt zu haben, damit dessen Bestand gesichert bleiben kann. Siehe §§ 152f. (Fs)
Ein weiteres Argument von Mgr. Leclercq berührt die Epistemologie4 und das Verhältnis, in dem alle Teile des Wissensgefüges zueinander stehen. Die katholische Universität (so drückte er sich aus) konfessionalisiere die Wissenschaft und beeinträchtige die Freiheit sowie die Unvoreingenommenheit der Forschung. Wissenschaft verweigere in der Tat jede Unwiderruflichkeit und jede Fremdgesetzlichkeit. (Fs)
299a Im Wort des eminenten Theologen scheint die Stimme des ungläubigen Rationalismus widerzuhallen. Die Wissenschaft unterliegt keineswegs dem katholischen Konfessionalismus, wird also nicht vom Glauben vereinnahmt, womit sie unter ein artfremdes Prinzip fallen würde, vielmehr bleibt sie innerhalb ihres Bereiches eigengesetzlich. Und bei allem Verlangen, daß sie dem Glauben dienstbar sein solle, ist immerhin zu bedenken: Wie könnte sie dienen, wenn sie nicht so beschaffen wäre, wie sie ist, als eine eigenständige, autonome, spezielle Wissenschaft eben? Eine äußere Unterordnung ändert nichts an der inneren Autonomie jedes Wissenszweigs. Es verhält sich vielmehr so, daß diese äußere Unterordnung bestimmend für das Gesamtgefüge und Voraussetzung für alle Disziplinen ist, die Autonomie keiner von ihnen verletzt und sich als notwendig für die Architektonik des Wissens erweist. Beispielsweise ist die Pharmakologie allemal eine Wissenschaft, ist allemal der Medizin untergeordnet, schreitet nur im Dienst an dieser voran, ohne jedoch die eigenen Gesetze von ihr zu beziehen. Was sie von ihr bezieht, ist lediglich das Ziel. Weder wird Pharmakologie zur Medizin, noch verzichtet sie auf ihre eigenen Methoden, um die der Medizin zu übernehmen. So hat jede Wissenschaft ihre Unabhängigkeit, auch wenn sie in der Außenrealität auf ein Ziel ausgerichtet wird. (Fs)
Ein letztes Argument des gefeierten Emeritus aus Löwen: Er verneint die Autonomie - also die Wissenschaftlichkeit - der Wissenschaft im katholischen System, entstellt dabei aber (wie mir scheint) die Epistemologie, behauptet er doch, man mache die Wissenschaft zur Magd, wenn man neben ihr eine andere Quelle der Wahrheit zugrunde lege. Immerhin bedeutet es keine Knechtschaft, Organfunktion zu besitzen. Im Gesamtorganismus ist kein Teil - trotz seiner Zuordnung zu den anderen und seiner Abhängigkeit von ihnen - geknechtet. Der Urquell der beiden Wahrheitsquellen Wissenschaft und Glaube ist die objektive Höchste Vernunft, das VERBUM5. Erachtet man es nun als unmöglich, Wissenschaft und Religion für die Erkenntnis nebeneinander bestehen zu lassen, so übernimmt man wohl oder übel entweder die eine oder die andere dieser Thesen: Die Wissenschaft sei in der Offenbarung enthalten, - das wäre eine Rückkehr zum Irrtum der Theologie aus der Zeit vor Galilei; die subjektive Vernunft sei nicht begrenzt und nehme nichts Wißbares außerhalb der Grenzen des Wissens an, - das hieße, sich den Panlogismus6 der heterodoxen deutschen Philosophie zu eigen zu machen. (Fs) (notabene)
300a Weit davon entfernt, einfach nur eine Variante politischer Philosophie zu sein, orientiert sich die Ablehnung der katholischen Schule in Wirklichkeit - bewußt oder unbewußt - an Auffassungen, die katholischem Denken fremd sind. Man nimmt der katholischen Schule die ihr gemäße Grundlage, räumt das ihr Wesenhafte aus und richtet sie nach dem Pluralismus und dem kulturellen Nihilismus her. Das in Freiburg (Schweiz) ausgearbeitete Reformprogramm für die Seminare stellt einen Verzicht auf die traditionelle Ordnung der Priesterausbildung (ratio studiorum) dar. Es enthält die Vorschrift: »... dadurch, daß von Anfang an eine globale Sicht vermittelt wird und die Probleme angepackt werden, die mit der Existenz der Andersgläubigen und Nicht-glaubenden gegeben sind, soll der Studierende imstande sein, die Gefahr einer christlichen Selbstgenügsamkeit zu meiden« (ICI, Nr. 279, 1. Januar 1967, S. 20)7. (Fs)
Um zu ermessen, wie sehr eine solche Auffassung von der katholischen Pädagogik abweicht, braucht man sich nur dies vor Augen zu halten: Hier wird der christlichen Weltanschauung der globale Charakter abgesprochen (es fehlt ihr also ein universales Prinzip); es wird verlangt, sich von Anfang an mit den anderen Philosophien zu befassen, doch ist kein Kriterium für das entsprechende Vorgehen ersichtlich; schließlich sollen die jungen Männer sich vor der Gefahr hüten, das Christentum als etwas sich selbst Genügendes anzusehen (schwer zu sagen, ob hier das Kuriosum oder der Irrtum überwiegt). Ergo wäre das Christentum, obwohl göttliche Lehre, per se unzureichend, dem Geist Befriedigung und Geborgenheit in der Wahrheit zu verschaffen. Es darf nur als ein Standpunkt gelten, der die Integration in andere Positionen nötig hat, um Wertrelevanz zu gewinnen8. Daher kommt es, daß die katholische Schule nach und nach den Eigencharakter verliert, sich bewußt nach der staatlichen Schule richtet, was Strukturen, Erziehungsvorschrift, Koedukation, Kalender, einfach alles betrifft. Und was die Bildung anbelangt, hat die katholische Schule die Beurteilung geschichtlicher Ereignisse aus katholischer Sicht großenteils aufgegeben und vertritt die Ansichten, die für die Gegner der Kirche im vergangenen Jahrhundert typisch waren9. (Fs)
301a Zum Abschluß unserer Ausführungen über die Antipathie gegen die katholische Schule - und ohne näheres Eingehen auf die Schließungen oder Verstaatlichungen von Instituten, noch auf das skandalöse Abweichen von der Lehre an katholischen Schulen10 - ist es angebracht, die gewaltigen Rückschläge zu ermessen, die die katholische Schule in der Nachkonzilszeit erlebt hat. Wir tun dies mit einem Zitat des Münchner Erzbischofs Michael Kardinal Faulhaber, der, in offenen Konflikt mit dem Hitler-Despotismus geraten, 1936 sagte: »Mit einem Schlag hundert Schulen schließen ist mehr, als einige Kirchen zerstören«11. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Schule; die Pädagogik der Neuerer, Irrwege; drei Hauptpunkte der katholischen P. (metaphysich, axiologisch, gnoseologisch); Wahrheit: übersteigt Lehrer und Schüler
Kurzinhalt: Es bleibt also ganz und gar ausgeschlossen, daß Didaktik Autodidaxie und Erziehung Selbsterziehung sei, ebenso wie es nach metaphysischem Prinzip ausgeschlossen ist, daß ein In-Potenz-Seiendes sich selbst aktuiert. Der hl. Thomas von Aquin faßt es ...
Textausschnitt: 128. Die Pädagogik der Neuerer
303a Es folgt nun die genaue Aufgliederung des Irrtums, von dem die Pädagogik der Neuerer betroffen ist. Der ERSTE Irrweg ist, die Abhängigkeit des zu erziehenden Geistes von der erzieherischen Grundlegung zu übergehen und zu verneinen. Er besteht in der Annahme, die Wahrheit sei ein Ergebnis persönlichen kreativen Denkens, wohingegen sie ein Licht ist, das der Intellekt vorfindet und nicht schaffend hervorbringt, ja das für ihn um so vorfindbarer ist, je weniger an Lebenserfahrung er in die Betrachtung des Wahren hineinzieht. Erfahrung vermittelt zwar den Zugang zur Wahrheit, doch ist diese nicht das Gelebte, wie man heute sagt, sondern allein das Wahrgenommene. Sowohl Augustinus als auch Thomas von Aquin bekräftigen in ihren Abhandlungen über den Lehrer, De magistro, daß die Wahrheit Schüler wie Lehrer übersteigt und der Mensch sie nicht erzeugt, sondern sie entdeckt. Lernen ist gewiß auch ohne Lehrer möglich, durch Einblick in die Wirklichkeit. Der Lehrer legt die Wissenschaft nicht in den Schüler hinein, vielmehr ruft er in ihm persönliche Erkenntnisakte wach. Der Unterweisende, der das Wissen bereits als etwas Entfaltetes besitzt, aktualisiert nämlich das, was der Lernende dem Vermögen nach besitzt1, und bewirkt somit, daß dieser aus sich heraus erkennt. Es bleibt also ganz und gar ausgeschlossen, daß Didaktik Autodidaxie und Erziehung Selbsterziehung sei, ebenso wie es nach metaphysischem Prinzip ausgeschlossen ist, daß ein In-Potenz-Seiendes sich selbst aktuiert. Der hl. Thomas von Aquin faßt es ausdrücklich in diesen Satz: »Man kann nicht behaupten, daß ein Individuum sein eigener Lehrer sei und sich selbst unterweise«2. (Fs)
303b An dieser Stelle sollten drei Hauptpunkte der katholischen Pädagogik in Erinnerung gerufen werden:
1. ein metaphysischer: die Unterscheidung zwischen Potenz und Akt beziehungsweise die Nicht-Kreativität des im Menschen angelegten Vermögens. (Fs)
2. ein axiologischer: die axiologische Überlegenheit des Wissenden im Vergleich zum Nichtwissenden. (Fs)
3. ein gnoseologischer: der Primat des Erkennens gegenüber der Erfahrung3 im moralischen Bereich. Dies besagt, daß das Leben des Menschen in moralischer Hinsicht - für alles Übrige gilt das Gleiche - so beschaffen ist wie seine Einstellung zu den Zielen und Handlungen seines Daseins. (Fs) (notabene)
304a Der ZWEITE Irrweg der neuerungsbeflissenen Pädagogik besteht in der Ansicht, der Unterricht habe als Direktziel einen Erfahrungserwerb; die Methode sei gleichermaßen die der Erfahrung; vom Lebensvollzug losgelöste Kenntnisse seien, wie man sich ausdrückt, reinweg angelerntes Wissen. Demgegenüber ist das eigentliche und bindende Unterrichtsziel - und das gilt auch für die Katechese - nicht, Erfahrung zu erwerben, sondern Erkenntnis zu gewinnen. Der Schüler wird vom Lehrer dazu gebracht, eine Erkenntnis aus der anderen zu entwickeln, wozu die Darstellung von Ideen in didaktischem Vorgehen dient. So ist auch das Ziel der Katechese nicht unmittelbar eine existentielle und erfahrbare Begegnung mit der Person Christi (was mehr als alles andere eine Zuwendung zur Mystik wäre), sondern Kenntnis der geoffenbarten Wahrheit und ihres Vorfelds. (Fs) (notabene)
Die modernistische Herkunft dieser Pädagogik kann nicht übersehen, wer weiß, daß das philosophische Prinzip des Modernismus das Empfinden war, in dem jeder Wert aufgelöst und das über den theoretisch erkannten Werten steht. Diese seien das Abstrakte, zu dem die Erfahrung als das Konkrete gehöre. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Schule, Krise; Irrweg: Erfahrung = Erkenntnis; Übel Kurzinhalt: Die eine Kenntnis des Übels besteht darin, daß es geistig wahrgenommen wird, die andere, daß es der Erfahrung anhaftet. Doch dieses zweite Wissen um das Übel, indem man es im Leben praktiziert, ist kein Wissenszustand, sondern ..
Textausschnitt: 129. Die Erkenntnis des Übels nach katholischer Lehre
304b Die moralische Auswirkung der pädagogischen Fehlorientierung ist bedenklich. Wenn Erkenntnis gleich Erfahrung - d.h. Gelebtes ist, dann wird die Erkenntnis des Guten Erfahrung mit dem Guten und Erkenntnis des Übels Erfahrung mit dem Übel, d.h. der Sünde. Das gesamte System der christlichen Aszetik und Ethik bricht zusammen. Es entfällt die Unterscheidung zwischen dem realen Ordnungsbezug des Gelebten und dem ideellen des Intellekts. Der hl. Augustinus lehrt: »Es gibt zweierlei Kenntnis von den Übeln: Zum einen bleiben sie den Geistesgaben nicht verborgen, zum andern sind sie durch Erfahrung im Sinnen und Trachten verankert. Es ist fürwahr ein Unterschied, all die Laster mit dem Wissen des Weisen zu kennen oder aufgrund des schädlichen Lebens, das der Tor führt«1. Die eine Kenntnis des Übels besteht darin, daß es geistig wahrgenommen wird, die andere, daß es der Erfahrung anhaftet. Doch dieses zweite Wissen um das Übel, indem man es im Leben praktiziert, ist kein Wissenszustand, sondern geht bereits darüber hinaus und erfaßt das moralische Verhalten. Immerhin handelt es sich ja um einen Akt, mit dem der Geist sich für das Erkannte entscheidet und so den ideellen Ordnungsbezug mit dem realen des Gelebten verbindet. Etwas ausprobieren sollte nicht mit kennenlernen verknüpft, geschweige denn zur einzigen Erkenntnisquelle gemacht werden. Die gesamte katholische Aszetik und Pädagogik beruhen auf dieser Grundlage und können von ihr nicht abrücken, ohne das Lehrgebäude zu ruinieren. Falsch ist die mittlerweile selbst auf katholischer Seite um sich greifende Lehre, man müsse das Übel kennenlernen, um es zu bekämpfen, oder zumindest die Ansicht, man müsse es durch Ausprobieren kennenlernen, also mehr noch als die Erkenntnis und der Wille zum Guten damit bekannt machen. Den Wert der Keuschheit zum Beispiel kennt man um so mehr, je weniger man ihr Gegenteil versuchsweise kennt. Tiefschürfend der Gedanke des gottergebenen Kanonikers Francesco Chiesa: »Sagt nicht, 'man müßte mittendrin stehen'. Gewisse Dinge sind besser erkennbar, wenn man eben nicht mittendrin steht«2. Die Pädagogik der Neuerer ist darauf aus, Lernen mit Ausprobieren gleichzusetzen. Dies geschieht allerdings nicht ausdrücklich, weil sie ja nicht offen eine Pädagogik der Sünde sein kann, sondern der Tendenz nach. Und diese geht dahin, dem Erfahren jede Grenze zu nehmen und den Schüler vom Lehrer zu entbinden, den Unter- vom Übergeordneten, die Ethik vom Gesetz (das man nicht ausprobiert, sondern befolgt oder übertritt), die Tugend von der Vernunft. Jenes »es kann nie genug sein«, wie die katholische Philosophie das intelligere, die geistige Erkenntnis, kennzeichnet, gilt nach der modernen Pädagogik für das vivere3. Von daher rührt die Freiheit, sich um des Kennenlernens willen auf jedwede Erfahrung einzulassen, - eine Freiheit, die die Neuerer auch fordern in bezug auf den kirchlichen Zölibat, die voreheliche Enthaltsamkeit, die Unauflöslichkeit der Ehe, das Einhalten jeglicher Verpflichtung im Leben. Es heißt nämlich, die Verpflichtung, die der Wille eingehe, ohne das damit Verbundene versuchsweise kennenzulernen, sei ungerecht. (Fs)
306a Die Krise der katholischen Schule besteht im Grunde darin, daß die Rationalität zugunsten der Erfahrung geschmälert wird und sich jener Vitalismus4 zeigt, der der heutigen Welt eigen ist. Sie weiß nicht zu schätzen, was wahr ist und dem Leben widersprechen kann, wohl aber, was lebensbezogen ist und ihr als Richtmaß für die Wahrheit dient: vivo, ergo sum (ich lebe, also bin ich). (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Schule; Autorität Wahrheit; autonomen Moral - autonome Pädagogik
Kurzinhalt: Wenn man verneint, daß die Wahrheit über Lehrer wie Schüler hinausgeht, und die Erziehung auf Selbsterziehung reduziert, nimmt man der Pädagogik die Idee der Autorität.
Textausschnitt: 130. Unterweisung und Autorität. Die Katechese
306b Wenn man verneint, daß die Wahrheit über Lehrer wie Schüler hinausgeht, und die Erziehung auf Selbsterziehung reduziert, nimmt man der Pädagogik die Idee der Autorität. Autoritativen Charakter hat in der Tat ein Akt, der weder an die Subjektivität dessen, der ihn vollzieht, noch dessen, dem er gilt, gebunden sein kann, sondern unabhängig von Zustimmung und Ablehnung besteht. (Fs)
Es ist also nicht weiter verwunderlich, daß die Neuerer gegen die autoritäre Schule angehen und behaupten, das Autoritätsprinzip sei kein pädagogisches Prinzip. Ebenso wie im Falle der autonomen Moral der sich selbst das Gesetz gebende Wille kein Gesetz hat, fehlt auch bei der autonomen Pädagogik dem sich selbst Erziehenden die Autorität, der er sich unterordnet. Wenn jedoch jede Wahrheit den Intellekt überschreitet und die Zustimmung des Menschen gebietet, so überschreiten ihn in besonderem Maße die Glaubenswahrheiten, die Gegenstand der Katechese sind. Sie transzendieren den Menschen nicht nur nach Art jedweder Wahrheit, sondern in höchst eigener Art, insofern als sie geoffenbart sind und statt aufgrund einer Evidenz1 aus Gehorsam Gott gegenüber Zustimmung finden müssen. (Fs) (notabene)
307a Es gibt also eine besondere Unvereinbarkeit von Katechese und Selbsterziehung. Wenn die Wahrheit als Autorität zu Fall gebracht wird, hört die Katechese auf, Lernen der Wahrheit zu sein, um zum Suchen nach Wahrheit, einem Zustand absoluter Gleichheit mit jeder anderen Unterweisung, zu verkommen. (Fs)
Der gewaltige nachkonziliare Aufbruch zur Erneuerung der Katechese hat es bisher zuwege gebracht, jede Spur der traditionellen Katechese2 zu tilgen, hat aber weder eine gemeinsame doktrinale Ausrichtung gefunden noch sonstwie Positives verwirklicht3. In nicht wenigen Katechismen, die von den zuständigen Diözesanstellen veröffentlicht worden sind, wimmelt es von unbesonnenen Aussagen, dogmatischen Irrtümern und Verstiegenheiten. (Fs)
Möglicherweise glauben die Neuerer, eine Stütze für ihre Katechetik in der Rede Pauls VI. vom 10. Dezember 1971 zu erblicken, wo anscheinend die beiden Grundsätze der dem Modedenken gemäßen Pädagogik übernommen sind, und zwar erstens, es sei nötig, »die übermäßig autoritären Methoden bei der Darstellung der doktrinalen Inhalte aufzugeben und sich ein demütigeres und brüderlicheres Verhalten4 des Suchens nach der Wahrheit anzueignen«; zweitens: Lehren bedeute »aufgeschlossen für den Dialog mit den Schülern sein und deren Persönlichkeit achten«. (Fs)
308a Im ersten Passus der Rede werden offensichtlich Didaktik und Heuristik miteinander verwechselt, Vermittlung beherrschten Wissens und Wahrheitsfindung, Katheder und Disputation. Auch in diesem Fall zeigt sich wieder einmal, daß unbedacht von einer Essenz zu einer anderen übergegangen wird und dies die Absage an eine davon mit sich bringt. Sodann ist es natürlich klar, daß in die Lehrtätigkeit alle Triebe des menschlichen Gestrüpps, auch der Hochmut, eindringen können. Das ist kein Anlaß zur Verwunderung, wenngleich man ständig auf der Hut davor sein muß. Bei allem menschlichen Tun sprießt dieses Gestrüpp aus den verborgensten Schichten hervor. Schleicht sich der Hochmut etwa nicht auch in den Dialog ein, der dem Suchen nach Wahrheit gewidmet ist? Die Wahrheit kann man lehren, ohne von ihr durchdrungen zu sein, und in einem Geist, der die eigene Person in den Vordergrund rücken, sie in der Lehre darstellen will. Dennoch muß, wenn man auf menschliche Handlungen eingeht, deren Wesen berücksichtigt werden, anstatt als wesentlich hinzustellen, was zu den beiläufigen Unvollkommenheiten des Handelns zählt. (Fs)
Anzumerken wäre noch, daß die Ausschaltung der Autorität zu der Didaktik gehört, die sich als Autodidaxie versteht, bei der also der Geist das Wahre aus sich selbst bezieht. Da die Wahrheit aber über den Geist hinausgeht, ist sie unabhängig vom Intellekt, der ihr sein Denken widmet. Nicht weil der Mensch sie ausgedacht hätte, sondern weil Gott sie erdacht hat, wird sie für den Menschen durchdenkbar. In der nachkonziliaren Kirche hingegen ist die Vorstellung verbreitet, der Mensch sei, was er sich selbst schaffe, und daher redet man dort von Selbsterziehung, Selbstinstruktion, Selbststeuerung, Selbstevangelisation und sogar Selbsterlösung. Die Authentizität5, so meint man, bestehe in dieser Eigengesetzlichkeit. (Fs) (notabene)
Der Rollentausch zwischen Lehrer und Schüler, der einer Verfälschung des naturgegebenen Verhältnisses beider zueinander gleichkommt, wird unmißverständlich in einem Brief des Staatssekretariats verkündet. Er war gerichtet an den Straßburger Kongreß der Union nationale des Associations de Parents d'élèves de l'Enseignement Libre. Es heißt dort: »Ohne ihre schweren Verantwortungen aufzugeben, werden die Lehrkräfte zu Ratgebern, Richtungweisenden und - warum eigentlich nicht? - zu Freunden. Die Schüler werden, statt die Ordnung und Organisation systematisch abzulehnen, zu Mitverantwortlichen, Mitwirkenden und - in einem gewissen Sinne - zu Miterziehern« (OR, 21. Mai 1975). Aus dem Schüler den Lehrer machen und umgekehrt beinhaltet praktisch die Abschaffung jeder Pädagogik. Und einschlußweise wird auch das gesamte schulische Wirken der Kirche in der Geschichte heruntergesetzt. (Fs) (notabene)
309a Zur Philosophie des Dialogs äußern wir uns in § 156. Um auf die Rede Pauls VI. zurückzukommen, die den Eindruck erwecken könnte, daß die frühere Unterweisung der Kirche die Persönlichkeit nicht geachtet habe und die Unterrichtenden weder demütig noch bereit zum Dienen gewesen seien, mag es hier genügen, die Dinge auf ihren Wesensunterschied zu bringen: »Dialog führen« ist nicht dasselbe wie »lehren«. Außerdem darf kein Dienender sich jedwedem Dienst widmen (wenn man sich einbildet, zur allseitigen Dienstleistung fähig zu sein, ist dies Verblendung und Hochmut). Er sollte vielmehr nur den Dienst leisten, für den er eigens berufen, gerüstet und im Amt ist. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Katechese; Verfall, Krise; Kreativität; Erkenntnis - Erfahrung
Kurzinhalt: Katechese ist Glaubenslehre und geht nicht aus der Erfahrung hervor, die die Gläubigen in diesem ihrem Dasein gewinnen, weil sie übernatürliche Inhalte hat, die diese Erfahrung nicht kennt.
Textausschnitt: 131. Der Verfall der Katechese. Die Bischofssynode 1977
310a Nachdem die Autorität des Lehrers beseitigt und die Wahrheit in purer Heuristik, Wahrheitsfindung, aufgelöst waren, konnte es nicht ausbleiben, daß die Reform der Katechese heterodoxe Abwege eingeschlagen hat, die mit der Änderung der Methode auch zu einer Veränderung der Inhalte führen. Bereits der Kongreß von Assisi zum Thema Religionsunterricht im Jahr 1969 fand seinen Abschluß mit einem Dokument, das die Empfehlung enthält, jeden dogmatischen (d.h. spezifisch katholischen) Inhalt zu eliminieren und den (als ungerechtes Privileg im demokratischen Staat betrachteten) katholischen Religionsunterricht durch Unterweisung in Geschichte der Religionen zu ersetzen. (Fs)
Auch die Bischofssynode 1977, auf der die neue Katechese erörtert wurde, brachte keine wirksamen Korrekturen mit sich und zeigte nur die Uneinigkeit der Bischöfe selbst über Grundprinzipien und ein allgemein mangelndes logisches Vermögen, vor allem aber die Unfähigkeit, sich an den zur Debatte stehenden Punkt zu halten. Immerhin lautet bei jeder Diskussion die wichtigste Regel, beim Thema zu bleiben, - zumindest das ist zu beachten, damit ein Ergebnis erzielt wird. Die Synode weitete die Katechese nämlich auf Soziologie, Politik und Befreiungstheologie aus. Ein paar Beispiele mögen genügen. Nach Meinung des Bischofs von Zaragoza müsse die Katechese »die Kreativität der Schüler, den Dialog, die aktive Teilnahme fördern, ohne zu vergessen, daß sie ein Werk der Kirche ist«. Kreativität ist jedoch, metaphysisch und moralisch gesehen, etwas Absurdes, und wann immer sie das nicht ist, könnte sie nicht das Ziel der Katechese darstellen, denn der Mensch kann sich ja nicht selbst seine Finalität schaffen. Sie ist ihm vorgegeben, und er muß sie nur wollen. Laut Pater Hardy müsse die Katechese »zu einem Christus-Erfahren führen«, - ein Satz, der Ideenhaftes mit Realem verwechselt und in Mystizismus ausufert. Die Katechese vermittelt ausdrücklich Erkenntnis statt Erfahrung, obwohl sie auf die Erfahrungswelt, d.h. die Lebenspraxis, ausgerichtet ist. Nach Kardinal Pironio gehe die Katechese »aus dem tiefen Gott-Erfahren der christlichen Menschheit« hervor und sei »eine vertiefte Assimilation von Liebe und Glauben« (OR, 16. Oktober 1977). Solche Äußerungen weisen modernistische Anflüge auf. Katechese ist Glaubenslehre und geht nicht aus der Erfahrung hervor, die die Gläubigen in diesem ihrem Dasein gewinnen, weil sie übernatürliche Inhalte hat, die diese Erfahrung nicht kennt. (Fs) (notabene)
311a Katechese leitet sich von der göttlichen Lehre ab und schafft erst die religiöse Erfahrung, anstatt von ihr geschaffen zu werden. Schließlich erklärte ein Bischof aus Kenia noch: »... Katechese muß das Engagement sein, soziale Ungerechtigkeiten anzuprangern (...) und die Initiativen zur sozialen Befreiung der Armen zu verteidigen« (OR, 7. Oktober 1977). Somit kommt das Wort ewigen Lebens herunter zu einer wirtschaftlichen und sozialen Sinngebung. (Fs)
____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie nach d. katholischen Dogma; Eu. als DER Vollzug d. Heiligen, d. Weisheit und Liebe Gottes, d. Kreatur Kurzinhalt: Und wie bei der Fleischwerdung die menschliche Natur, weil von der göttlichen Person angenommen, ohne menschliche Person verblieb, so verbleiben bei der Eucharistie die Gestalten ohne ihre Substanz, weil ... Textausschnitt: Kapitel XXXVII DIE EUCHARISTIE
265. Die Eucharistie nach dem katholischen Dogma
574a Die Eucharistie ist der Höhepunkt der Religion und DER Vollzug des Heiligen. Ihr gegenüber sind alle anderen Sakramente gleichsam nur Sakramentalien, so etwas wie vorbereitende Zeremonien. Das Mysterium der Realpräsenz der geschichtlich einmaligen Person Christi im Mittelpunkt der Kirche ist der Struktur des nicht-geschaffenen und des geschaffenen Ens keineswegs unangemessen, vielmehr zuhöchst angemessen. Es ist in der Tat die Vollendung aller in der geschöpflichen Struktur reflektierten Werte der Monotriade1. (Fs)
574b Sie ist DER Vollzug des göttlichen Vermögens, bringt sie doch das unermeßliche Wunder mit sich, daß die Transsubstantiation eintritt, die Gestalten bleiben, der Leib an mehreren Orten gleichzeitig zugegen ist. Sie ist auch DER Vollzug des der Kreatur innewohnenden Vermögens. Diese wird befähigt, die wunderträchtige Transsubstantiation zu bewirken; sie erhält ein Zeichen ihrer eschatologischen Verherrlichung, und alle ihre moralischen Energien gewinnen an Stärke. (Fs)
574c Die Eucharistie ist gleichermaßen DER Vollzug der Weisheit, weil Gott, außer sich selbst in der Schöpfung, der gottmenschlichen Union und der Gnade kundzutun, einen so wundervollen Weg fand, sich auch sakramental in Form der Speise mitzuteilen. Und wie bei der Fleischwerdung die menschliche Natur, weil von der göttlichen Person angenommen, ohne menschliche Person verblieb, so verbleiben bei der Eucharistie die Gestalten ohne ihre Substanz, weil sie in wunderbarem Geschehen von der Substanz des gottmenschlichen Leibes getragen werden. Und auch der Weisheit des Menschen ist die Eucharistie angemessen, weil unsere Vernunft, über das Mysterium nachsinnend, die Einwände der sinnlichen Natur überwindet und zu rein spirituellen Begriffen gelangt. (Fs) (notabene)
574d Die Eucharistie ist schließlich DER Vollzug der göttlichen Liebe, weil die unendliche Liebe, die sich bereits in der Schöpfung, der gottmenschlichen Union und der Gnade kundgetan hat, begehrt, sich dem Geschöpf auf jede mögliche Weise mitzuteilen. Sie geht daher erneut eine Verbindung mit ihm ein: Der mit dem Leib Christi gespeiste Mensch nimmt geheimnisvoll die Gottheit auf. Und auch der Liebe des Menschen ist die Eucharistie angemessen, weil der Mensch die Fähigkeit erhält, die unendliche Liebe Gottes zu erwidern mit seiner Liebe, die Unendlichkeiten überwindet, um sich mit dem Geliebten innig zu vereinen2. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Theologie der Eucharistie; Realpräsenz des Leibes Christi im Sakrament; Mysterium fidei; Rosmini: D. gottmenschliche Person macht die Substanz des Brotes zu ihrer eigenen Kurzinhalt: Jede Auslegung des eucharistischen Dogmas muß die Realpräsenz des Leibes Christi im Sakrament aufrechterhalten und wird akzeptabel oder hinfällig, je nachdem ob diese Realität gewahrt ist oder nicht. Textausschnitt: 266. Die Theologie der Eucharistie
575a Jede Auslegung des eucharistischen Dogmas muß die Realpräsenz des Leibes Christi im Sakrament aufrechterhalten und wird akzeptabel oder hinfällig, je nachdem ob diese Realität gewahrt ist oder nicht. Ein Buch wie unseres hat nicht die Aufgabe, die verschiedenartigen, gewagten und schwierigen Theologumena über dieses Thema zu behandeln. (Fs)
575b Das Mysterium besteht also darin, daß der Leib Christi, ja die ganze, unteilbare gottmenschliche Person nach der Konsekration wirklich gegenwärtig ist, denn die gesamte Substanz des Brotes ist in diesen Leib verwandelt worden. Und das den Sinnen Widersprechende - sie bemerken, wo sich der Leib Christi befindet, nur die wahrnehmbaren Eigenschaften und die Quantität des Brotes - ist im Grunde kein Widerspruch, weil die Sinnesempfindung nach wie vor auf das ihr eigene Objekt hin realisiert wird, nämlich die Gestalten oder Akzidentien oder Spezies, obwohl das Sinnesobjekt nicht mehr von der Substanz des Brotes, sondern der des Leibes getragen wird. Der Leib ist nicht in seinem eigenen, sinnfälligen Ausmaß gegenwärtig, sondern in dem sinnfälligen Ausmaß, das die Brotsubstanz vor der Konsekration besaß1. Das ist die Lehre der Enzyklika Mysterium fidei Pauls VI., der erneut und wörtlich die Lehre des Konzils von Trient vorlegt. (Fs)
575c Erwähnen möchte ich einen modernen Versuch, den Rosminis, die Transsubstantiation als ein durch die Konsekrationsworte bewirktes Folgen des gottmenschlichen Leibes auf die Brotmasse aufzufassen. Das substantielle Prinzip der unteilbaren gottmenschlichen Person, die im Himmel ist, macht die Substanz des Brotes lebendig und zu ihrer eigenen. Dies geschieht in einem Vorgang, der mit dem der Nahrungsaufnahme im Leben vergleichbar ist, wodurch die Speise zum Menschen wird2. Rosmini erhält die dogmatische Wahrheit aufrecht, daß die Substanz des Brotes in sich in die des gottmenschlichen Leibes verwandelt wird. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Neoterische Theologie der Eucharistie; ontologischer vs. metaphorischer Sinn (Transsignifikation, Transfinalisation) Kurzinhalt: Die Theologie der Neuerer ... hat die Wandlung des eucharistischen Brotes vom Ontologischen in die Vorstellungswelt verlagert, wird doch gelehrt, die kraft der Konsekrationsworte bewirkte Veränderung betreffe die »fines« (Zwecke) und ... Textausschnitt: 267. Die neoterische Theologie der Eucharistie
576a Den Kern des Dogmas enthält der offensichtliche Sinn des Verbums ????? -ist- bei den Synoptikern und in 1. Kor. 11,24, wovor Luther mit den Worten kapitulierte: »Der Text ist zu stark«1. Sicherlich gibt es in der Bibel Stellen, wo das Prädikat »sein« eindeutig einen metaphorischen statt ontologischen Sinn hat, zum Beispiel in der Deutung des Pharao-Traumes (Gen. 41,27): »... die sieben Ähren (...) sind sieben Jahre«. Ähren können in ihrer Stofflichkeit natürlich keine Zeitdauer sein. Ähnlich bedeutet das Wort »sein« aufgrund des Kontextes, der Sinngebung und der Aussageabsicht auch anderswo soviel wie »versinnbildlichen«. Der hier dagegen vorliegende ontologische Sinn, der der Wahrnehmung widerstrebt, weshalb sich in Joh. 6 ein großer Teil der Hörer abwendet, ist gerade der von Christus geltend gemachte und von der christlichen Urgemeinde verstandene, ist der Glaube der Kirche durch die Jahrhunderte2. (Fs)
577a Die Theologie der Neuerer, wie sie in dem zum Lehrbuch an katholischen Schulen gewordenen Holländischen Katechismus vertreten wird, hat die Wandlung des eucharistischen Brotes vom Ontologischen in die Vorstellungswelt verlagert, wird doch gelehrt, die kraft der Konsekrationsworte bewirkte Veränderung betreffe die »fines« (Zwecke) und die »significationes« (Bedeutungen). Jenes Brot, das im natürlichen Bereich die Speise bedeute, die das leibliche Leben erhält und hierzu bestimmt ist, bedeute nun darüber hinaus den Leib Christi und nehme den Zweck an, den Christen als geistliche Nahrung zu dienen. Daß »Transsignifikation« (Bedeutungswandel) und »Transfinalisation« (Zweckveränderung) besser dem personalistischen Charakter der religiösen Akte entsprächen, wie die Urheber dieser These annehmen, kann so nicht stehen bleiben. Auch bei der Transsubstantiation ist es Christus, die eine gottmenschliche Person, der sich als Opfer und Speise in liebender Hingabe darbringt. Im übrigen ist es ein viel entsagenderer und großartigerer Akt, die eigene Substanz darzubieten, als für die nämliche Substanz eine andere Bedeutung zu bieten. (Fs)
577b Halten wir uns nicht länger damit auf, daß diese nicht-substantielle Veränderung weder der Heiligen Schrift noch der Definition des Tridentinum entspricht. Gesagt werden muß aber, daß im neoterischen Gedankengebäude die Tiefe des Mysteriums verlorengeht. Die Neuerer beharren auf dem innigen Zusammenhang zwischen Zweck und Sein der Sache, doch können sie nicht daran vorbei, daß Zweckbestimmung und Bedeutung über das Brothafte hinausgehen und ihm noch zusätzlich beigemessen werden. Gewiß hat das natürliche Brot den Zweck, als Nahrung zu dienen, aber dieser ist für das Brot nicht konstitutiv, weil eine Idee (und der Zweck ist eine solche) nicht mit der Substanz gleichgesetzt werden kann. Ein Brot, das nicht den Nahrungszweck hätte, wäre kein Brot, doch diesen seinen Zweck bezieht das Brot aus seiner substantiellen Beschaffenheit. Eine bloße Transfinalisation ist also eine Relationsänderung und schließt stets die Subsistenz von etwas mit ein, das in sich selbst ist, bevor es sich in Relation befindet. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; Rückgang der Anbetung; Sinnhaftigkeit d. Anbetung nur bei Wesensverwandlung (personaler Realität), nicht bei metaphorischer Deutung Kurzinhalt: Zum Substanzverlust, durch den das Objekt der Anbetung entfällt, gesellt sich der Verlust der Dauer, weil diese ein Attribut der Substanz ist und die Attribute nur solange währen wie die Substanzen. Textausschnitt: 268. Rückgang der Anbetung
578a Wird das eucharistische Mysterium nur noch als Veränderung der Bedeutung und der Zweckbestimmung eines seine substantielle Identität behaltenden Brotes angesehen, so führt dies unweigerlich vor allem dazu, daß die Latrie ihr Objekt einbüßt, und die Anbetung zum Schwinden kommt. Wenn die Bedeutung einer Sache metaphorisch ist und allein auf der Intention beruht, wenn die Bestimmung, von der Wirkursache getrennt, keine andere Grundlage als den sie konzipierenden und wollenden Geist hat, besteht keine Möglichkeit mehr, in dem der Transsignifikation und Transfinalisation unterzogenen eucharistischen Brot irgendeinen Gesichtspunkt zu finden, der es anbetungswürdig machte: vor und nach der Konsekration liegt genau dieselbe reale Gegebenheit vor. Im Brot, das wirklich die Wesensverwandlung in den Leib Christi erfahren hat, begegnet der Akt der Anbetung dagegen einer Realität, an die er sich halten kann, denn die Anbetung gilt ja Seiendem und keinen Relationen, beziehungsweise es wird, um es treffender auszudrücken, nur ein personal Seiendes angebetet. Ist die Eucharistie also eine neue Bezogenheit anstatt ein neues reales Objekt, so stößt die Anbetung auf keine ihr als Anhaltspunkt dienende Realität mehr. Man betet nicht Metaphern an, sondern Seiendes. Als man zur Zeit des heidnischen Polytheismus Idealbilder und Abstracta wie Güte, Schönheit, Gerechtigkeit zu Kultobjekten machte, wurden sie sehr bald zu Personen, und der Kult betraf nicht mehr diese abstrakten Bedeutungen, vielmehr ergab sich für ihn das Bedürfnis, auf ein personales Wesen abgestellt zu werden. Die Grazien, die Furien, die Memoria (das Gedächtnis), - alles wurde hypostatisiert. (Fs) (notabene)
578b Zum Substanzverlust, durch den das Objekt der Anbetung entfällt, gesellt sich der Verlust der Dauer, weil diese ein Attribut der Substanz ist und die Attribute nur solange währen wie die Substanzen. Ein symbolischer Leib, der als symbolische Speise gereicht wird, findet mit dem Verzehr den gänzlichen Abschluß seines Wertcharakters. Bei der Wertreduktion des eucharistischen Brotes zum Nahrungssymbol bleibt in dem nicht verzehrten Sakrament nichts Werthaftes mehr übrig. Daher rührt die heute im christlichen Volk verbreitete Meinung, es verbleibe nichts Göttliches im Tabernakel, sobald das eucharistische Mahl beendet sei. Wenn das Brot hingegen kein bloßes Symbol, sondern reale Substanz ist, besteht das Sakrament über Zweckrichtung und Speisung hinaus fort. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; eucharistischer Kult außerhalb der Liturgie; geschichtliche Entwicklung der Glaubensüberzeugungen: Entfaltung d. Offenbarung; (Latrie, Monstranz) Kurzinhalt: Die Eucharistie ist ja von einer unmittelbar auf den Erlösergott verweisenden Opferhandlung zu einer die brüderliche Agape feiernden Mahlzeremonie heruntergekommen ... Rückschritt ... das Unterlassen als Rückkehr zur älteren Tradition darzustellen. Textausschnitt: 269. Der eucharistische Kult außerhalb der Liturgie
579a Daß der als Latrie vollzogene eucharistische Kult im Schwinden begriffen ist, zeigt sich sowohl bei der liturgischen Zelebration, weil das Sakrament ohne wirkliche Anbetung empfangen wird, als auch außerhalb derselben, weil die Verehrung des Allerheiligsten, die Besuche, die feierlichen Aussetzungen, das vierzigstündige Gebet, die Sühneandachten heute außer Gebrauch gekommen sind und fast wie Fehlentwicklungen gemieden werden. Obwohl 1965 Mysterium fidei und 1967 die Instruktion Eucharisticum mysterium die öffentliche Verehrung des Sakraments nachdrücklich empfohlen hatten, und ebenso dessen private Verehrung außerhalb der Messe, um die auf die Messe zentrierte christliche Frömmigkeit noch zu erweitern, griff die Abneigung gegen diesen Kult rasch um sich. Dies wurde gefördert durch die theologischen Abweichungen und geduldet vom Episkopat, der wie üblich klein beigab. Johannes Paul II. hielt es für richtig, in seinem 1980 an alle Bischöfe ergangenen Brief Dominicae cenae um Verzeihung zu bitten »für all das, was infolge der manchmal voreingenommenen, einseitigen, abwegigen Ausführung der Vorschriften des II. Vatikanum im Hinblick auf die Interpretation der Lehre und die diesem großen Sakrament gebührende Verehrung Skandal und Unbehagen erregt haben könnte«. Wenn der Papst dem Internationalen Eucharistischen Kongreß von Lourdes 1981 als Geschenk nicht etwa einen Kelch mit Patene zukommen ließ, sondern eine Monstranz, d.h. ein Gerät, das für den Kult des Allerheiligsten - und dies nicht im Rahmen der Messe - verwendet wird, so geschah dies, um der auch auf dem vorbereitenden Symposium in Toulouse mißbilligten Fehlentwicklung abzuhelfen1. (Fs)
579b Diese Unterlassung der Adoration inner- und außerhalb der Messe ist gewiß eine Folge der Aushöhlung der eucharistischen Substanz. Die Eucharistie ist ja von einer unmittelbar auf den Erlösergott verweisenden Opferhandlung zu einer die brüderliche Agape feiernden Mahlzeremonie heruntergekommen. Es bedeutet aber auch einen Rückschritt, versucht man doch, das Unterlassen als Rückkehr zur älteren Tradition darzustellen. Gesichert ist jedenfalls, daß bis zum 11. Jahrhundert die Aufbewahrung der Eucharistie (übrigens wie heute üblich) den Hauptzweck hatte, Kranken und Sterbenden die Kommunion zu erteilen. Allerdings kann dieser Hauptzweck nichts an dem ändern, was das Mysterium vor allem ausmacht, der Anbetungswürdigkeit nämlich. Und man darf die Kirche nicht auf eine weniger entwickelte Stufe ihrer Glaubenserkenntnis und der entsprechenden Praxis des Gottesvolkes zurückversetzen2. Wie wir bereits festgestellt haben, führt die geschichtliche Entwicklung der Glaubensüberzeugungen und der Frömmigkeit zu einer tieferen Erkenntnis des Geoffenbarten. Wenn man nun die Grundregel der Entwicklung ablehnt, indem statt der - unveränderlichen - Prinzipien ein Entwicklungsstadium zur Richtschnur gemacht und in ihm der lebendige Fortgang der Kirche zum Stehen gebracht wird, so beseitigt man zum größten Teil die Theorie und Praktizierung der christlichen Dogmen, die heute weitaus entfalteter sind als am Anfang des Glaubens und in den Zeiten zwischendurch. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; Schmälerung des Sakralen; Tabernakel (Standort); Nüchternheit vor Kommunionempfang Kurzinhalt: Wenn das eucharistische Brot nichts weiter als Brot ist, dem man eine neue Finalität beilegt, ist dies das Ende des Sanctissimum, also der hochheiligen Gegenwart Textausschnitt: 270. Die Schmälerung des Sakralen
580a Wenn das eucharistische Brot nichts weiter als Brot ist, dem man eine neue Finalität beilegt, ist dies das Ende des Sanctissimum, also der hochheiligen Gegenwart. (Fs)
580b Die Art, wie sich das christliche Volk dem Sakrament öffnete, war im Laufe der Jahrhunderte zwar unterschiedlich, gleichbleibend aber war die Ehrfurcht, die Bewegtheit, die tiefe religiöse Ergriffenheit, weit entfernt von der neoterischen Tendenz, die Eucharistie als ein Agape-Mahl anzusehen, bei dem die Verbundenheit der Gemeinschaft in der Liebe gefeiert wird1. Man geht sogar so weit zu behaupten, die Gegenwart Christi im Sakrament sei Seine spirituelle Gegenwart in der durch die brüderliche Liebe geschaffenen Gemeinschaft2. (Fs) (notabene)
581a Der Versuch, das Herrenmahl als eine Feier der Freundschaft und der Freude darzustellen, gibt heute den Anstoß, zu sakrilegischen Mahlfeiern zusammenzukommen. Daß dort die Materien nicht unterschieden, die Gestalten willkürlich vollzogen werden, die Konsekrationen durch Unbefugte erfolgen, die Örtlichkeiten und Verfahrensweisen profan sind, ist ein Skandal und etwas Unseliges für die Kirche. Dabei war doch das Abendmahl ein höchster Akt göttlicher Liebe, aber eben ein tragisches Ereignis. Sein Verlauf war nämlich beherrscht von der Ahnung des Gottesmordes und überschattet vom Verrat. Da war das Erschrecken der in ihrer Treue zum Meister unsicheren Jünger3 und die dem Blutschweiß von Gethsemani vorausgehende Beklommenheit. Schließlich hat die christliche Kunst das Abendmahl stets als schmerzliche Begebenheit und nicht als fröhliches Essen wiedergegeben4. (Fs)
581b Der Substanzverlust der Eucharistie hat zwangsläufig die Ehrfurcht vor dem Sakrament vermindert. Die Liturgiereform ist dementsprechend gestaltet und löst die Schmälerung aus. Dies geschieht vielleicht aus einem ökumenischen Anpassungsverhalten heraus5. Fast gänzlich abgeschafft wurde die Nüchternheit vor dem Kommunionempfang; reduziert wurden die Lichter, Verbeugungen und Kniebeugen6. Man hat das Allerheiligste aus dem würdigsten Platz im Gotteshaus entfernt, den Tabernakel von seinem hohen Standort nach unten und vom Mittelpunkt an die Seite geschafft. Außer Gebrauch gekommen ist die neben der Liturgie bestehende private und öffentliche Verehrung und Anbetung; das Fronleichnamsfest ist nicht mehr staatlich geschützt; die Prozession mit dem Allerheiligsten wird vom Tag in die Nacht verlegt wie bei einer lucifuga natio7; man duldet, daß jedwede Materie, sogar Pudding, verwendet wird8. Kleingedruckte Initialen bei heiligen Wörtern; kaum mehr Vorbereitung auf und Dank für den Kommunionempfang9; Mißachtung des Gebots der Osterkommunion; Stühle anstelle von Kniebänken; nachlassende Beherzigung der Beichtpflicht im Falle schwerer Sünden vor dem Gang zum corpus Christi. Die heiligen Gestalten gehen durch sämtliche Hände; Laien reichen die Kommunion. Man nimmt sich unerhörte Freiheiten im Umgang mit den konsekrierten Hostien heraus; es gibt Priester, die sie im Briefumschlag an die Gläubigen verschicken, die zu kommunizieren wünschen10. Abgeschafft wurde im Missale die Instruktion De defectibus in celebratione missarum occurentibus (Über die bei Zelebration der Messen vorkommenden Unzulänglichkeiten)11. Es zeigen sich also zahllose Verfallssymptome hinsichtlich der Eucharistie. Sie springen geradezu ins Auge12. (Fs) (notabene)
583a Und wenn die Eucharistie, wie es sich tatsächlich verhält, Gipfel des Heiligen und Rückführung der gesamten Seelenwelt auf den einen Wesensgrund ist, muß festgestellt werden, daß die Krise eine Krise der Eucharistie, eine Krise des Glaubens an die Eucharistie ist. Diese Krise birgt all den Glaubensverlust und die Entheiligung in sich - Dinge, die mit den diversen Veränderungen dann offen zutage treten. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; das venerandum und das tremendum d. Eu.; Berengar (Leugnung d. Transsubstantiation) Kurzinhalt: Das Schwinden der eucharistischen Frömmigkeit gibt Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei und der Instruktion Memoriale Domini vom 20. Mai 1969 zu. Es wird ausdrücklich auf den Glaubensverfall zurückgeführt, denn ... Textausschnitt: 271. Das venerandum und das tremendum1 der Eucharistie in der Geschichte der Kirche
583b Läßt man den oft mißbräuchlichen Umgang mit den eucharistischen Gestalten, um ein Urteil oder Wunder zu erwirken2, beiseite, ist soviel sicher, daß das - eher angebetete als zur Speise verwandte - Sakrament in den Gläubigen tiefe Gefühle des ehrfürchtigen Schauerns, des Glaubens und der Liebe weckte. So sang der Diakon mahnend: »Accedite cum fide, tremore et dilectione« (»Tretet gläubig heran, zitternd und mit Liebe«). Diese Gefühle gehörten bis zum II. Vatikanum zur üblichen Praxis, wonach man bei Empfang des Sakramentes darauf bedacht war, die Akte des Glaubens, der Anbetung, der Demut, der Reue, des Dankes, der Hoffnung und der Nächstenliebe zu erneuern, wie aus jedem Andachtsbuch ersichtlich. (Fs)
583c Und das tremendum des Sakraments, heute fast gar nicht mehr empfunden, geht man doch zum eucharistischen Tisch so nonchalant, wie man Weihwasser aus dem Becken nimmt, zeigt sich in der Geschichte an der Empörung des christlichen Volkes, als die Häresie Berengars im 11. Jahrhundert an Boden gewann. Damals war bemerkbar, wie stark sich der Glaube an die Realpräsenz im Innern der Menschen auswirkte und wie die Erschütterung dieses Glaubens die Massen auch vom moralischen Gewissen abbrachte. Als Berengar nämlich die Transsubstantiation leugnete und somit das tremendum des Sakraments beseitigte, zeitigte dies ungeheure Folgen für das Volk. Darüber berichtet recht beeindruckend sein Zeitgenosse Guitmondo von Aversa: »Ruchlose Menschen pflegten zu Berengar zu laufen, froh darüber, von großer Furcht befreit zu sein. Sie hatten ja mitbekommen, die Eucharistie sei keine so göttliche Angelegenheit, daß sie sich zu ihrem Empfang der Verbrechen und Schandtaten enthalten müßten«3. Die Eucharistie gebot, da wirklich und wahrhaftig der Leib Christi, der Sünde Einhalt, denn die Sünde war ein Hindernis für den Empfang des Sakraments. Der mit der Transsubstantiation zusammenhängende Aspekt des tremendum tat der in Liebe vollzogenen Anbetung keinen Abbruch, überwog aber ihr gegenüber. (Fs)
584a In anderen Zeitabschnitten herrschte diese allerdings vor, denn in der rechtgläubigen Frömmigkeit findet sich ja die ganze Spannweite der Empfindungen, und führte zur Gründung von - hauptsächlich weiblichen - Klostergemeinschaften mit dem primären Zweck der ewigen eucharistischen Anbetung. Doch auch die Andacht des Volkes kannte diese Ergriffenheit, was zum Beispiel ein Devotionsbüchlein aus dem 15. Jahrhundert bezeugt. Es wurde von Mgr. Carlo Marcora in Memorie storiche della diocesi di Milano 1960 veröffentlicht (S. 185ff.). Beim Emporheben der Hostie erscheint es der unbefangenen, inbrünstigen Seele, als erblicke sie nicht die konsekrierte Hostie, sondern den Leib Christi selbst. Da fehlen der Seele die zureichenden Worte, um die unsagbare Wohltat zu würdigen, »daß der Herr sich von dir hat ansehen lassen«. Da gestaltet sich, tiefbewegt, ihre überströmende Ehrfurcht zu anbetender Demut. (Fs)
584b Das Schwinden der eucharistischen Frömmigkeit gibt Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei und der Instruktion Memoriale Domini vom 20. Mai 1969 zu. Es wird ausdrücklich auf den Glaubensverfall zurückgeführt, denn »wo die Wahrheit und die Wirksamkeit des eucharistischen Geheimnisses und die Gegenwart Christi in ihm tiefere Wurzeln geschlagen haben, wurde auch größere Hochachtung vor dem Sakrament empfunden«. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; Priestertum und eucharistische Zusammenkunft; ontologisches Element d. Priestertums u. ontol. Element d. Eucharistie vs. spirituelle Presänz Christi in der Mahlgemeinschaft; Definition d. Messe (Institutio generalis Missalis Romani, Paul VI) Kurzinhalt: Der Niedergang ist offensichtlicher denn je im Sakrament der Priesterweihe, weil diese den Menschen mit der ontologischen Fähigkeit versieht, die Transsubstantiation zu bewirken... Die Tatsache einer fast unverzüglichen Zurücknahme ist ... Textausschnitt: 272. Priestertum und eucharistische Zusammenkunft
585a Die Mittelpunktstellung der Eucharistie im katholischen Mysterium hat zur Folge, daß ihr Niedergang alle Sakramente mit sich reißt, die zu ihrer Vorbereitung dienen oder an ihr teilhaben. Der Niedergang ist offensichtlicher denn je im Sakrament der Priesterweihe, weil diese den Menschen mit der ontologischen Fähigkeit versieht, die Transsubstantiation zu bewirken. Und hier sind - wie in jedem anderen Punkt der Religion, ja wie in jedem anderen Punkt des Wirklichkeitsgefüges - die Dinge und die Phänomene durch Bande miteinander verknüpft, deren Zerreißen ein »Anrennen gegen die Fügungen« bedeutet (Dante, Inferno IX, 97). (Fs) (notabene)
585b Bereits in den §§ 80-82 haben wir die Kritik untersucht, mit der die Neuerer dem katholischen Priestertum zusetzen und versuchen, das allgemeine Priestertum der Gläubigen, das diese durch den Taufcharakter1 für die Gottesverehrung weiht, mit dem sakramentalen Priestertum gleichzustellen, das einige durch eine weitere Charaktereinprägung2 ontologisch ermächtigt und befähigt, die Wesensverwandlung des eucharistischen Brotes zu bewirken. (Fs)
585c Das ontologische3 Element des Priestertums ist genau auf das ontologische Element der Eucharistie abgestimmt. Wenn nun im Sakrament keine ontologische Umwandlung von Substanz, sondern nur eine die Intentionalität nicht übersteigende bedeutungsmäßige Umstellung erfolgt, so bedarf es dafür natürlich keines ontologischen Eigencharakters. Wenn die eucharistische Gegenwart die spirituelle Gegenwart Christi bei der zum Gedächtnis an das Abendmahl versammelten Gemeinschaft ist, werden spezifisch priesterliche Handlungen überflüssig, und die Zusammenkunft des gläubigen Volkes verwirklicht dann die eucharistische Gegenwart Christi. Nicht der Priester ist es, der als Ordinierter die Transsubstantiation vollzieht. Er führt vielmehr, in Ausübung des allgemeinen Priestertums mit allen Kirchengliedern auf eine Stufe gestellt, den Vorsitz bei der von der Gemeinschaft vollzogenen symbolischen Umwandlung. (Fs) (notabene)
586a Die Schmälerung der Eucharistie zu einer dem Gedenken dienenden Zusammenkunft ist nun tatsächlich in Artikel 7 der Institutio generalis Missalis Romani geschehen, die Paul VI. am 3. April 1969 promulgierte. Dort wird die Messe folgendermaßen definiert: »Das Herrenmahl oder die Messe ist die heilige Zusammenkunft oder die Versammlung des Volkes Gottes, das unter dem Vorsitz eines Priesters zusammenkommt, um das Gedächtnis des Herrn zu feiern«. Untermauert wird die Definition mit Mt. 18,20: »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dort bin ich mitten unter ihnen«. Diese Definition der Institutio, die ohne Zweifel dogmatischen Gehalt hat, soll Paul VI. eingestandenermaßen ohne vorherige Durchsicht unterschrieben haben. Dies jedenfalls äußerte Kardinal Charles Journet4. Bekanntlich - und es ist notwendigerweise so - werden die Dokumente des Papstes größtenteils von seinen Mitarbeitern verfaßt5, um dann von ihm durchgegangen, manchmal auch auf reiner Vertrauensbasis gebilligt zu werden. Der Fall ist durchaus glaubhaft, obwohl er aufgrund der Umstände und der Art des Dokuments etwas Einmaliges in der Kirchengeschichte darstellt. Die persönliche Kenntnisnahme von der zu unterschreibenden Akte ist je nach Art des Dokuments, hier die Anlage zu einer Apostolischen Konstitution, in höherem Maße oder weniger geboten. (Fs)
586b Daß die besagte Definition in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden und ihre Glaubenskonformität fraglich6 ist, zeigt die Analyse ihres Gehalts. Es ist auch nachträglich dadurch erhärtet worden, daß man sie einige Monate nach der Promulgation zurückgezogen und durch eine dogmatisch einwandfreie Formel ersetzt hat. Die Tatsache einer fast unverzüglichen Zurücknahme ist ohnegleichen bei kirchlichen Lehräußerungen. Wenn es auch nicht selten vorkam, daß praktische und politische Irrtümer widerrufen und verworfen wurden - wie im Fall Paschalis' II. und Pius' VII. - gibt es keine Beispiele für einen derartigen, deshalb so ungewöhnlichen Widerruf, weil er zum einen Dogmatisches betraf, zum andern in dieser kurzen Frist erfolgte, um die erste Aussage zu eliminieren7. (Fs) (notabene)
Fußnote 7:
24 Die Korrektur des Artikels 7 erschien in »Notitiae«, Organ der Hl. Kongregation für den Gottesdienst, Mai-Ausgabe 1970. Aus der Einleitung ist zu erfahren: »... die Mitglieder und die Experten des Konzils, die Artikel 7 vor und nach seiner Promulgation geprüft haben, fanden dort keinen lehrmäßigen Irrtum und keinerlei Grund, ihn abzuändern. Um jedoch Schwierigkeiten zu vermeiden und einige Ausdrücke klarer wiederzugeben, wurde beschlossen, das Dokument hier und dort nachzubessern«. Artikel 7 ist nicht nachgebessert, sondern völlig umgestaltet worden. Nunmehr wurden die wesentlichen Punkte der kirchlichen Lehre herausgestellt, obwohl nach wie vor ohne Erwähnung der Transsubstantiation, die wieder hervorzuheben ein Anliegen Pauls VI. in der Enzyklika Mysterium fidei war. Hier der umgearbeitete Text: »In der Messe beziehungsweise dem Herrenmahl wird das Volk Gottes zusammengerufen und vereint unter dem Vorsitz des Priesters, der auch die Person Christi repräsentiert, um das Gedächtnis des Herrn beziehungsweise das eucharistische Opfer zu feiern. Daher gilt für diese Versammlung der hl. Kirche an einem Ort in hervorragender Weise die Verheißung Christi: »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.« Bei der Feier der Messe, in der das Kreuzesopfer fortdauert, ist nämlich Christus wirklich gegenwärtig in der in seinem Namen versammelten Gemeinde selbst, in der Person des Dieners, in seinem Wort und freilich substantiell und fortwährend unter den eucharistischen Gestalten«. Jeder vermag festzustellen, ob das wirlich nur Nachbesserungen sind. ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; Institutio generalis Missalis Romani, Artikel 7 (Paul VI): Messe keine Opferhandlung mehr, vollzogen in persona Christi -> reine Gedächtnisfeier Kurzinhalt: Die Erneuerung des Opfers, nach überlieferter Lehre ein Vollzug im wahren und eigentlichen Sinne, wird hier zur methaphorischen und nur noch an es erinnernden... Nicht der einzelne Priester, sondern die Gemeinschaft als Ganzes setzt Christus gegenwärtig. Textausschnitt: 273. Analyse des Artikels 7
587a Die Analyse der Definition offenbart sogleich die doktrinale Veränderung. Bis zum II. Vatikanum definierten alle Theologien und alle Katechismen die Messe als das wahre und angemessene Opfer, mit dem Christus durch die Verrichtung des Priesters dem Vater seinen Leib und sein Blut zur Vergebung unserer Sünden darbietet1. In der Institutio dagegen ist die Messe keine vom Priester in persona Christi vollzogene Opferhandlung mehr und wird einer Zusammenkunft gleichgesetzt: »Cena dominica sive Missa est (...) synaxis...«. Ich gehe hier nicht weiter auf das Novum des Terminus ein, der bei den Protestanten üblich, dem katholischen Volk jedoch völlig unbekannt ist. Was ich hervorheben möchte, ist die in der Satzaussage wahrnehmbare Ungereimtheit. Die Messe, eine Abfolge heiliger Handlungen, kann ihre Identität nicht in einer vereinigten oder zu vereinigenden Versammlung - etwas von ethischem Belang - finden. Sie läßt sich auch nicht darauf beschränken, daß des Herrn gedacht wird, weil das Gedenken eine in den intentionalen Bereich fallende Angelegenheit ist. Es stimmt zwar, daß Christus anordnete: »Dies tut zu meinem Gedächtnis« (Lk. 22,19 und 1. Kor. 11,24), aber das Gedächtnis folgt auf das Tun. Der Auftrag lautet nicht, sich dessen, was Christus getan, zu erinnern, sondern ebendies, was Christus getan, zu tun (hoc facite) und es in Erinnerung zu tun. Der Imperativ kommt mit dem Wort »tun« - nicht »gedenken« - zum Ausdruck. Bedeutsam ist im übrigen, daß im alten Missale alle Gedächtnis- und Vollzugsworte des Kanons unter der Rubrik infra actionem (im Laufe der Handlung) stehen. Die Messe ist eine wirkliche Handlung, und das Gedächtnis ist der gedankliche Bezug, an dem sich die wirkliche Handlung orientiert. Dennoch wird die Geltung der Messe als reine Gedächtnisfeier von den Bischöfen ganzer Nationen verkündigt. So heißt es beispielsweise in dem vom französischen Episkopat 1969 herausgegebenen und 1973 neu aufgelegten Missel des dimanches (Sonntagsmeßbuch) ausdrücklich, in der Messe »handelt es sich schlicht darum, das Gedächtnis an das eine, bereits vollzogene Opfer zu begehen«. Hier liegt wörtlich die Formel einer nuda commemoratio, eines bloßen Gedächtnisses vor, wie vom Tridentinischen Konzil, Session XXII, Lehrsatz 3, verurteilt. (Fs)
588a Die neuerungsfreudige Auffassung, die Artikel 7 der Institutio in Beschlag nimmt, versubjektiviert das Sakrament im Grunde. Verschweigt man nämlich die Transsubstantiation, dann verschweigt man damit auch die vom Subjektiven freie Grundlage des Sakraments. Alles löst sich in dem Begriff auf, den die Versammlung sich von ihrem Glauben macht. Die Erneuerung des Opfers, nach überlieferter Lehre ein Vollzug im wahren und eigentlichen Sinne, wird hier zur methaphorischen und nur noch an es erinnernden. Dieser eucharistische Subjektivismus hat allerdings gesellschaftlichen Charakter. Nicht der einzelne Priester, sondern die Gemeinschaft als Ganzes setzt Christus gegenwärtig. Es ist müßig anzumerken, daß Mt. 18,20, worauf in Artikel 7 verwiesen wird, sich auf die moralische Gegenwart Christi in der Kirche und nicht auf die wirkliche Gegenwart im Sakrament bezieht. (Fs) (notabene) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; Schmälerung des Priestertums (Kardinal Poletti); Verwischung: Laienpriestertum - Amtspriestertum; Missbrauch: Mitsprechen der Laien bei d. Wandlungsworten Kurzinhalt: Wenn ... in der Eucharistie keine übernatürliche ontologische Wandlung erfolgt, bedarf es auch keines übernatürlichen ontologischen Vermögens, die eucharistische Gegenwart zu erwirken. Von daher rührt die Abwertung des Priesteramts. Textausschnitt: 274. Die Schmälerung des Priestertums in der Eucharistie. Kardinal Poletti
589a Die Verwerfung des realen Geschehens im Sakrament hat vor allem diese beiden Folgen: Wenn erstens in der Eucharistie keine übernatürliche ontologische1 Wandlung erfolgt, bedarf es auch keines übernatürlichen ontologischen Vermögens, die eucharistische Gegenwart zu erwirken. Von daher rührt die Abwertung des Priesteramts. Der sacerdos (Priester, wörtlich: Spender des Heiligen) rückt auf die niedrigere Stufe eines Ersten unter Gleichen bei der im Zeichen einer Versammlung stehenden Feier. Da zweitens die Gegenwart Christi ja ein Mitten-in-der-Gemeinschaft-Sein besagt und von dieser allein durch das Gedenken verwirklicht wird, verliert der Augenblick der Konsekration durch den Priester als Faktum an Bedeutung gegenüber dem Faktum der Zusammenkunft und Einmütigkeit der Gläubigen, gleichgültig ob letzteres eine ontologische Basis im Sakrament hat oder nicht. (Fs) (notabene)
589b Unsere Schilderung erfaßt nicht die regelwidrigen, willkürlichen und sakrilegischen Zelebrationen, bei denen Laien sich anmaßen, die Konsekration zu vollziehen. Diese haben - speziell in Holland - überhandgenommen, und es gibt Belege dafür, auch fotografische. Wir können das hier weglassen, weil kein Bischof (wie es scheint) diese Zelebrationen jemals gebilligt hat - allerdings sind auch nachdrückliche Mißbilligungen zu vermissen - und weil ihre Enormität (das Wort steht hier neben dem üblichen im etymologischen Sinne2) ohnehin unbestreitbar ist. Wir können jedoch nicht schweigend darüber hinweggehen, daß in vielen Diözesen, vor allem der deutschsprachigen Länder, das Volk sich während der Zelebration an den Konsekrationshandlungen des Priesters beteiligt, indem es mit ihm die Wandlungsworte spricht und somit, wie gesagt, das Laienpriestertum dem Amtspriestertum angeglichen wird. Und was mehr noch als die relativ häufigen Vorkommnisse die Aushöhlung des eucharistischen Glaubensverständnisses in der Kirche beweist, ist die heimliche Duldung oder das Schweigen seitens der Bischöfe. Es folgt ein Tatsachenbericht. (Fs) (notabene)
589c Es war am Dienstag, dem 24. April 1980 in Al Gesù, der Namen-Jesu-Kirche, zu Rom. Sie zählt zu den zentralsten und frequentiertesten römischen Kirchen. Dort finden auch die feierlichen Ehrbezeigungen der städtischen Behörden für die Kirche statt. Ich wohnte einer Messe bei, in deren Verlauf alle Gläubigen mit dem Priester konsekrierten, indem sie die Worte der zweifachen Wesensverwandlung laut mitsprachen. Auf Anraten Kardinal Sepers, des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, dem ich den Vorfall berichtete, schrieb ich sogleich an Ugo Kardinal Poletti, den Vikar für das Bistum Rom, und zeigte dies an »als Abschaffung des Priestertums, Zerrüttung des Sakraments, Verachtung der liturgischen Rubriken, Vermengung des Sakralen mit dem Profanen...«. Auch äußerte ich mein um so größeres Befremden, »weil eine so ungeheuerliche Entstellung in der Stadt Rom passiert ist, die der Hauptsitz der katholischen Welt, vorbildlich für die heiligen Riten und musterhaft für die Rechtgläubigkeit und die rechte Praxis war«3. Auf diese Klage kam erst im Juli eine Antwort, um die ich mit einem neuen Schreiben ersucht hatte, weil ich nicht einsehen konnte, daß mein Recht als Kirchenmitglied, den Vollzug der Riten gemäß den kirchlichen Vorschriften zu erleben und eine Reaktion auf gerechtfertigte Beanstandung zu erhalten, beeinträchtigt bleiben würde. Der Kardinal teilte mir daraufhin mit, er habe von einer Antwort abgesehen, weil mein Brief von ihm »lediglich als Mitteilung einer beiläufigen Episode, nicht als Anzeige einer Tatsache« angesehen worden sei, »über die Aufschluß zu geben (er) verpflichtet wäre«. Er bestätigte jedenfalls das tatsächliche Geschehen des »absurden Mißbrauchs«, versicherte, es sei ein Ausnahmefall gewesen und verwies darauf, daß die Liturgie in Rom ordnungsgemäß, »vielleicht besser als anderswo« gefeiert werde. (Fs)
590a Es läßt sich ohne weiteres anmerken: Der Bischof ist in seiner Diözese für die rechte liturgische Praxis verantwortlich und muß auf Verlangen Aufschluß darüber geben; die Ausnahmeerscheinung des Verstoßes in Rom konnte über dessen Häufigkeit in der katholischen Welt nicht hinwegtäuschen; und schließlich hätte die so schwerwiegende Verfehlung pastorale Besorgnis, schleunige Reaktion auf die Beanstandung sowie prompte Maßnahmen, um der Unordnung abzuhelfen, auslösen sollen4. (Fs) ____________________________Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Eucharistie; Vorrangstellung der Zusammenkunft gegenüber dem Sakrament; Mt. 18: geistige Gegenwart Christi in d. Versammlung; Verschwinden d. Sinns von Transsubstantiation; Primat: Agape, Volk Gottes Kurzinhalt: Wenn jedoch ... die Agape das primäre Element der Feier ist, wird die Versammlung den persönlichen Akt des substanzwandelnden Priesters an Bedeutung überragen und sich daraus unausweichlich dieser Schluß ergeben: Ist es unmöglich, am eigenen Ort einen ... Textausschnitt: 275. Die Vorrangstellung der Zusammenkunft gegenüber dem Sakrament
591a Wir haben gesehen, wie die Berufung auf Mt. 18 in Artikel 7 die geistige Gegenwart Christi in der Versammlung hervorgehoben und sie nicht hinreichend von der realen Gegenwart im Sakrament unterschieden hat. Auch tritt der klassische Fachausdruck »Transsubstantiation« dort gar nicht in Erscheinung. Die erste Folge des der synaxis beigelegten Gewichts - ohne Zusammenhang mit der Transsubstantiation - ist die Teilnahme des Volkes an der Konsekration. Sie wird auch durch die Ambiguität des neuen Kanons eingeflößt, wonach alle Versammelten zum »priesterlichen Dienst« zugelassen seien1. Wenn jedoch Christus bei der Zusammenkunft der Tischgenossen zugegen und die Agape das primäre Element der Feier ist, wird die Versammlung den persönlichen Akt des substanzwandelnden Priesters an Bedeutung überragen und sich daraus unausweichlich dieser Schluß ergeben: Ist es unmöglich, am eigenen Ort einen konsekrierenden Priester zu finden, wird man ihn nicht anderswo - mit den damit verbundenen beschwerlichen Fahrten, in vergangenen Jahrhunderten bei religiöseren und nachdenklicheren Generationen gang und gäbe - (auf)suchen müssen, sondern es bietet sich dann an, den Sonntagsgottesdienst einfach mit dem Zusammentreffen des Gottesvolkes gleichzusetzen. (Fs)
591b Tatsächlich ist das die von den Bischöfen Frankreichs in Dokumenten deutlich geäußerte Doktrin. Dort billigen sie die um sich greifende Praxis, das Volk in einer priesterlosen sonntäglichen Versammlung zu vereinen, und ermuntern dazu. Den Gläubigen wird von den Bischöfen gesagt, wenn sie in ihrer Pfarrei keinen Priester für die Zelebration hätten, brauchten sie sich nicht einer anderen zuzuwenden, die über einen Priester verfügt. Sie sollten aus zwei Gründen in ihrer Ortsgemeinde bleiben: Erstens, weil (wie es heißt) das wichtigste der kirchliche Gemeinschaftssinn, d.h. die Soziabilität, sei, den das Konzil wiederentdeckt habe2. Zweitens, weil »man mit Gott nicht ins reine kommt, indem man sich einer Verpflichtung unterwirft«. So der Bischof von Evreux in »Documentation catholique«, 6. April 1975, Sp. 348, und so liest man es auch in zahlreichen Gemeindeblättern sowie halbamtlichen und amtlichen Veröffentlichungen. Der Bischof scheint zu verkennen, daß Religion ganz wesentlich gerade Verpflichtung des Menschen Gott gegenüber ist und sich die gesamte christliche Religion als Erfüllung derselben resümieren läßt (was auch das Evangelium besagt, das ein neues Gesetz ist, aber ein Gesetz eben). Es geht auch nicht darum, einer bitteren Notwendigkeit nachzugeben, wofern die Pfarrei keinen Seelsorger hätte. Um was es sich letztendlich handelt, ist der Vorrang, welcher der Versammlung vor der Eucharistie gewährt wird, der Gemeinschaft der Gläubigen vor dem die Wesensverwandlung vollziehenden Klerus, dem allgemeinen Priestertum vor dem Weihepriestertum. Und diese Vorrangstellung gilt als eine Wiederentdeckung der wahren Natur der Kirche, was dem II. Vatikanum zu verdanken wäre. Das erklärt unverblümt der Generalvikar des Bischofs von Belley (Departement Ain) in einem Interview der Zeitschrift »Contact«, Nr. 42, April 1976. Die obige Praxis wird empfohlen »von der Gesamtheit der Bischöfe Frankreichs«. Um der Praxis auch eine doktrinale Grundlage zu verschaffen, heißt es weiter: »Das Konzil hat uns geholfen, wieder zu entdecken, was an erster Stelle steht, das Volk der Getauften nämlich (...) In dieser neuen Perspektive kommt es darauf an, daß das Volk Gottes zusammentritt«. Dies wird als eine Hoffnung der Kirche angesehen, und daneben steht die Ankündigung eines Hinausgehens über die Eucharistie auf dem Wege der Versammlung: »Daß die Christen ihre Versammlung in die Hand nehmen, führt dazu, noch weiter zu gehen, als es die Sonntagsmesse ist«. Somit gerät die Messe, der Gipfel des Heiligen, das Mysterium, um das herum sich die Kirche dreht, die heilige Handlung, wozu die Priester geweiht sind, in eine Perspektive der Evolution und des Überschreitens. Das letzte und endgültige Ziel der katastrophalen Umwälzung, die wir in § 37 behandelt haben, tritt zutage: die Abwertung der Messe mit der daraus folgenden Abschaffung oder Hinfälligkeit des Sonntagsgebots3. (Fs)
593a In der Zerrüttung der Eucharistie, dem auffallendsten Phänomen in der Kirche unserer Tage, wirken sich letzten Endes das Entsubstantiieren und das daraus folgende Subjektivieren des Mysteriums aus. Eine Feier des Gedenkens, der Liebe unter den Gläubigen, der Hoffnung auf eine bessere Welt, - wenn die Eucharistie nur das ist, begibt sie sich ihrer erhabenen Stellung, um auf die Linie der Riten zu geraten, die in der ethnographischen Darstellung der Religionen als Kultmahle der Identifikation mit der Gottheit bekannt sind. In den Dionysos-Riten wurden die Teilnehmer zu Ziegen, in den Hera-Riten waren die Priesterinnen Bärinnen. Dies zur Erinnerung, versteht sich, und in absichtlicher Verähnlichung. Da fehlte, was das Spezifische des christlichen Mysteriums ist, der wirklich gegenwärtige Gott und das wirkliche Empfangen Gottes4. (Fs) (notabene) ____________________________
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